StPO I: Keine Gefahr im Verzug bei fehlendem Kontakt?, oder: LG Dresden – viel Unnützes zur (Tat)Schwere

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Und dann auf die neue Woche, und zwar mit StPO-Entscheidungen, und zwar alle drei Entscheidungen zur Durchsuchung und alle drei kommen aus den neuen Bundesländern, die beiden ersten in diesem Posting kommen aus Sachsen.

Ich beginne mit dem AG Bautzen, Beschl. v. 23.06.2025 – 47 Gs 709/25 – zur Frage, ob Gefahr im Verzug als Voraussetzung für die Anordnung einer Durchsuchung durch die Staatsanwaltschaft vorgelegen hat. Ergangen ist der Beschluss in einem KiPo-Verfahren. Angeordnet worden ist die Durchsuchung durch die Staatsanwaltschaft. Nach Auffassung des AG war das falsch:

„Die Durchsuchung und die darauf erfolgte Sicherstellung der drei Gegenstände ist jedenfalls deshalb rechtswidrig gewesen, da es an einer Gefahr des Beweismittelverlustes bei Abwarten einer richterlichen Entscheidung, mithin an Gefahr in Verzug nach §§ 98 Abs. 1 S. 1, 105 Abs. 1 S. 1 StPO fehlte.

Gefahr im Verzug liegt vor, wenn der Erfolg der Maßnahme durch die Verzögerung, welche die Erwirkung der richterlichen Entscheidung mit sich bringen würde, gefährdet wäre. Sie muss mit Tatsachen begründet werden, die auf den Einzelfall bezogen sind und darf grundsätzlich nur dann angenommen werden, wenn erfolglos versucht wurde, eine richterliche Entscheidung herbeizuführen, es sei denn, schon die zeitliche Verzögerung infolge des Versuchs würde zur Gefahr eines Beweismittelverlusts führen.

Bei der Beurteilung der Frage, ob Gefahr im Verzug vorlag, kommt es auf den Zeitpunkt der Anordnung der Maßnahme an. Die Annahme von Gefahr in Verzug erweist sich als fehlerhaft. Sie ergibt sich nicht daraus der Kontaktaufnahme mit der Staatsanwaltschaft um 21.00 Uhr vorausging, dass sich der – damals noch als Zeuge geführte – Beschuldigte am 09.05.2025 um 20.08 Uhr fernmündlich bei der Polizei gemeldet und angegeben hat, zusammen mit seinem Sohn am 02.05.2025 mit einem Fahrzeug mit der Aufschrift gefahren zu sein. Es ist anhand der Akte bereits nicht nachvollziehbar, weshalb es nicht unmittelbar nach dem Telefonat von 20.08 Uhr zu einer Kontaktierung der Staatsanwaltschaft gekommen ist. Bis 21.00 Uhr wäre auch ein Bereitschaftsrichter erreichbar gewesen. Durch das Telefonat von 20.08 Uhr drohte jedoch kein – zur bisherigen Erkenntnislage gesteigerter – Beweismittelverlust, der die Einbeziehung eines Richters unumgänglich werden ließ. Denn der jetzige Beschuldigte wusste bereits seit dem Nachmittag des 09.05.2025 von den Ermittlungen der Polizei rund um das Tatfahrzeug und auch um die Frage, wer es am 02.05.2025 nutzte. Er war also bereits seit dem Zeitpunkt seiner nachmittäglichen Zeugenvernehmung gewarnt. Demgegenüber trägt seine freiwillige Mitteilung gegenüber der Polizei keine gesteigerte Befürchtung eines Beweismittelverlustes in sich; eher das Gegenteil dürfte aufgrund der Freiwilligkeit der Mitteilung naheliegen. Dies wird auch dadurch verdeutlicht, dass nicht zugleich die Wohnung des das Fahrzeug am 02.05.2025 mitnutzenden Sohnes – des Beschuldigten – angeordnet wurde, sondern dies vielmehr im regulären Geschäftsgang durch Einbindung des Ermittlungsrichters erst am 22.05.2025 erfolgte.

Zugleich liegt damit ein Verstoß gegen § 104 StPO vor, da keine Gefahr im Verzug vorlag, die eine Durchsuchung zur Nachtzeit hätte gerechtfertigt.“

Und dann als zweite Entscheidung in diesem Posting der LG Dresden, Beschl. v. 15.04.2025 – 14 Qs 5/24. Von dem stelle ich aber nur den Leitsatz vor, nämlich:

Zur Tatschwere und zur Verhältnismäßigkeit einer Durchsuchungsanordnung beim Vorwurf des tatmehrheitlichen Betrugs gem. §§ 263 Abs. 1, 248a StGB, jeweils in Tateinheit mit Verstoß gegen § 93 Abs. 4 Nr. 1 und Abs. 5 Nr. 3 Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG), durch die händische Veränderung des Haltbarkeitsdatums von in Apotheken der Beschuldigten zum Verkauf angebotenen Corona Antigen-Tests (Coronatests), um diese nach Ablauf der Haltbarkeit an gutgläubige Kunden noch gewinnbringend verkaufen zu können, anstatt sie zu entsorgen.

Und ich will auch gerne begründen, warum: Der Beschluss ist fast 20 Seiten lang, wovon aber m.E. ein großer Teil überflüssig ist. Mir erschließt sich nicht, warum das LG ellenlange Ausführungen zur Tat und zu deren Nachweisbarkeit macht, wenn man dann die Anordnung der Durchsuchung aus anderen Gründen ablehnt. Da hätte man die Frage dahinstehen lassen können und sich und dem Leser damit auch die Beweiswürdigung erspart. Denn die ist auch noch mies, weil es kaum keine „Würdigung“ ist, sondern im Wesentlichen eine Aneinanderreihung von Beweisergebnissen. Wenn die Kammer damit eine Eröffnungsentscheidung vorbereiten wollte, so weit, so gut. Aber die Ausführungen gehören dann in ein Votum und nicht in einen Beschluss. Man kann nur hoffen, dass die Kammer, wenn sie denn verhandeln und ein Urteil sprechen muss, die Beweiswürdigung dort besser macht. Sonst haut der BGH der Kammer die Gründe um die Ohren 🙂

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