Befangenheit II: Betrugsanzeige durch den Zivilrichter, oder: Selbstablehnung im Betrugsstrafverfahren

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Die zweite Entscheidung kommt auch aus Bayern. Es handelt sich um den AG Amberg, Beschl. v. 19.05.2025 – 9 Cs 175 Js 7687/24.

Ergangen ist der Beschluss in einem Betrugsverfahren. In dem hatte der zur Entscheidung berufene Richter gemäß § 30 StPO mitgeteilt, dass ihm bis 15.12.2024 das Zivilreferat 1 C zugewiesen war und das Verfahren, das jetzt auch Begenstand des Strafverfahrens war, von ihm bearbeitet wurde. Bereits im damaligen Verfahren sei ein möglicher Betrug Thema gewesen. Nach Erlass des Urteils habe er bei der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts eines Betrugs Anzeige erstattet.

Das AG hat die Selbstanzeige als begründet angesehen:

„Die Selbstanzeige ist begründet und führt dazu, dass Richter am Amtsgericht pp. von der Entscheidung im vorliegenden Verfahren zu entbinden ist.

1. Gemäß § 30 1. Alt. StPO hat das Gericht über die Frage der Befangenheit eines Richters gemäß § 24 Abs. 2 StPO auch dann zu entscheiden, wenn ein Befangenheitsgesuch nicht angebracht ist, ein Richter aber von einem Verhältnis Anzeige macht, das seine Ablehnung rechtfertigen könnte. Maßstab für die Beurteilung, ob Grund zu der Annahme besteht, dass der betreffende Richter gegenüber der Angeschuldigten eine innere Haltung einnimmt, die seine Unparteilichkeit oder Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann, ist ein vernünftiger bzw. verständiger Angeschuldigter (vgl. BGH Beschl. v. 19.11.2020 – 4 StR 249/20, BeckRS 2020, 34273).

Eine Vortätigkeit des erkennenden Richters, die den Verfahrensgegenstand betrifft, zieht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs weder automatisch die Ausschließung des Richters von der Ausübung des Richteramts im weiteren Verfahren nach sich noch begründet sie zwangsläufig die Besorgnis der Befangenheit. Das deutsche Verfahrensrecht ist von der Auffassung beherrscht, ein Richter könne auch dann unvoreingenommen an die Beurteilung einer Sache herantreten, wenn er sich schon früher über denselben Sachverhalt ein Urteil gebildet habe.

Es bedarf deshalb besonderer Umstände, um aus der Vorbefassung eines Richters auf dessen fehlende Neutralität zu schließen (BVErfG NStZ 2023, 627 m.w.N.).

Derartige besondere Umstände liegen hier vor.

Richter am Amtsgericht pp. hat nämlich im schriftlichen Zivilurteil deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er von einem Betrug der hier Angeschuldigten schon damals überzeugt war.

So führt er auf Seite 9/10 des Urteils im Verfahren 1 C pp. aus:

„ff) Hinzu kommt, dass das Gericht gewichtige Anhaltspunkte für einen Versicherungsbetrug seitens der Zeugin pp. sieht. Der Beklagte gab in seiner informatischen Befragung an, dass bei der Rückgabe keinesfalls ein Heckschaden bestanden hätte. Dieser Schaden sei dann als Parkunfall abgerechnet worden, wobei es einen Parkunfall am 01.04.2020 nicht gegeben hätte.

Die Zeugin pp. bestätigte – für das Gericht glaubwürdig – dass auch ihr ein Parkunfall/Schaden nicht bekannt gewesen wäre. Wie es zur Unfallmeldung dann gekommen ist, konnte die Zeugin pp. dagegen nicht näher erläutern.

Diese dargestellte Ungereimtheit, die zwar für sich betrachtet nicht zwingend auf den Zustand des Fahrzeugs bei Rückgabe sprechen vermag, ist jedoch geeignet, seitens des Gerichts bestehende Zweifel zum Zustand des Fahrzeugs bei Fahrzeugrückgabe zu bestärken, denn das Gericht ist der Überzeugung, dass der Hauptschadensposten durch einen fingierten Parkunfall abgerechnet werden sollte.“

Ferner leitete Richter am Amtsgericht pp. nach Urteilserlass die Zivilakte an die Staatsanwaltschaft Amberg zur Prüfung der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen die nun Angeschuldigte weiter.

Aufgrund dieser dargestellten Aspekte besteht objektiv Grund zu der Annahme, dass Richter am Amtsgericht pp. gegenüber der Angeschuldigten eine innere Haltung einnimmt, die seine Unparteilichkeit oder Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann.“

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