Befangenheit III: Befangenheit in einem Zivilverfahren, oder: Geschäftliche Beziehung

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Und dann habe ich noch den BGH v. 15.04.2025 – XI ZB 13/24 – zur Besorgnis der Befangenheit in einem Zivilverfahren, in dem es um die Rückzahlung von Kontoführungsentgelten geht, wenn der Richter früher selbst solche Ansprüche gegen die nun (bei ihm) Bank geltend gemacht hat.

Hintergrund der Klage ist das BGH, Urt. v. 27.4.2021 – XI ZR 26/20. Das hat die Klägerin zum Anlass genommen, von der beklagten Sparkasse u.a. die Rückzahlung von Entgelten für die Führung eines Girokontos i.H.v. rd. 170 EUR zu verlangen. Die Klägerin unterhielt bei der Beklagten ein Girokonto, für das zunächst keine Bankentgelte vereinbart waren. Später wurden aber solche von der Beklagten eingeführt und von der Klägerin auch gezahlt. Gegen die auf Rückzahlung gerichtete Klage verteidigt sich die Beklagte u.a. mit dem Argument, die Klägerin habe jedenfalls im Februar 2016 durch den Abschluss einer Rahmenvereinbarung über die Teilnahme am Online-Banking auch den Entgelten zugestimmt.

Die nach dem Geschäftsverteilungsplan zuständige Richterin am AG wies in der mündlichen Verhandlung vom 15.01.2024 darauf hin, ihre Mutter und sie seien Inhaberinnen eines Girokontos bei der Beklagten gewesen. Im Juli 2021 habe sie Rückforderungsansprüche im Namen ihrer Mutter und im eigenen Namen geltend gemacht und dazu diversen Schriftverkehr geführt. Eine Vereinbarung sei durch die Beklagte angeboten, aber nicht angenommen worden. Die Beklagte habe das Girokontoverhältnis im November 2021 gekündigt und eine geringfügige Teilzahlung auf die geltend gemachte Forderung geleistet. Im Dezember 2021 habe die Amtsrichterin die Schlichtungsstelle angerufen. Diese habe einen Hinweis erteilt, auf den nicht weiter eingegangen worden sei, weshalb das Schlichtungsverfahren im April 2022 als beendigt gegolten habe. Das Girokontoverhältnis zur Beklagten bestehe nicht mehr. Der Sachverhalt sei für sie, die abgelehnte Richterin, inhaltlich wie emotional abgeschlossen. Daraufhin lehnte die Beklagte die Richterin noch im Termin wegen der Besorgnis der Befangenheit ab.

Das AG wies das Ablehnungsgesuch als unbegründet zurück. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beklagten hatte vor dem LG ebenso wenig Erfolg wie die dann Rechtsbeschwerde vor dem BGH:

„2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.

a) Nach § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Tatsächliche Befangenheit oder Voreingenommenheit ist nicht erforderlich, da die Vorschriften über die Befangenheit von Richtern bezwecken, bereits den bösen Schein einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit und Objektivität zu vermeiden (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 25. August 2020 – VIII ARZ 2/20, BGHZ 226, 350 Rn. 34, vom 15. September 2020 – VI ZB 10/20, NJW-RR 2020, 1321 Rn. 21, vom 6. Juli 2021 – II ZR 97/21, NJW-RR 2021, 1360 Rn. 14 und vom 4. Dezember 2023 – VIa ZB 17/23, juris Rn. 8, jeweils mwN). Maßgeblich ist, ob aus der Sicht einer Partei bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben ist, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln. Dabei kommen nur objektive Gründe in Betracht, die aus der Sicht einer verständigen Prozesspartei berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit oder der Unabhängigkeit des Richters aufkommen lassen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 20. November 2017 – IX ZR 80/15, ZInsO 2018, 547 Rn. 3, vom 25. August 2020, aaO und vom 6. Juli 2021, aaO Rn. 15, jeweils mwN).

Solche Zweifel können sich aus einer besonderen Beziehung des Richters zum Gegenstand des Rechtsstreits oder zu den Parteien ergeben (BGH, Beschlüsse vom 15. März 2011 – II ZR 237/09, WM 2011, 812 Rn. 2, vom 21. Juni 2018 – I ZB 58/17, NJW 2019, 516 Rn. 10 und vom 6. Juli 2021 – II ZR 97/21, NJW-RR 2021, 1360 Rn. 15). So kann eine Ablehnung wegen Befangenheit gemäß § 42 Abs. 2 ZPO begründet sein, wenn ein Richter in einem Verfahren zwar nicht selbst Partei ist, aber über den gleichen Sachverhalt zu entscheiden hat, aus dem er selbst Ansprüche gegen eine Partei geltend macht. Aus der Sicht einer Partei, gegen die ein Richter Ansprüche erhebt, kann Anlass zu der Befürchtung bestehen, dass dieser Richter die Würdigung des Sachverhalts, wie er sie dem von ihm verfolgten Anspruch gegen die Partei zugrunde gelegt hat, auf das Verfahren gegen eine andere Partei, dem der gleiche Sachverhalt zugrunde liegt, überträgt und wie in der eigenen Sache urteilt (BGH, Beschlüsse vom 10. Dezember 2019 – II ZB 14/19, WM 2020, 218 Rn. 10, vom 28. Juli 2020 – VI ZB 94/19, WM 2020, 1892 Rn. 8, vom 25. März 2021 – III ZB 57/20, WM 2021, 1109 Rn. 7 und vom 4. Dezember 2023 – VIa ZB 17/23, juris Rn. 8). Entsprechendes gilt, wenn der Richter Ansprüche gegen die Partei bislang nicht geltend gemacht hat, dies aber ernsthaft in Erwägung zieht. Auch wenn er den Sachverhalt in eigener Sache dann noch nicht abschließend gewürdigt hat, kann aus Sicht der Partei Anlass zu der Befürchtung bestehen, dass der Richter etwaige Erwägungen und Beweggründe, die bei seiner vorläufigen Betrachtung des Sachverhalts für eine Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Partei in eigener Sache sprechen, auf das Verfahren überträgt (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juli 2020, aaO).

Maßgeblich sind jeweils die besonderen Umstände des Einzelfalls, die in ihrer Gesamtheit zu würdigen sind (BGH, Beschlüsse vom 21. Juni 2018 – I ZB 58/17, NJW 2019, 516 Rn. 10 und vom 6. Juli 2021 – II ZR 97/21, NJW-RR 2021, 1360 Rn. 15).

b) Nach diesen Maßgaben rechtfertigen die von der Richterin am Amtsgericht B.                 mitgeteilten Umstände nicht die Besorgnis der Befangenheit, unabhängig davon, ob die Beklagte auch gegenüber der Richterin geltend gemacht hatte, dass zwischen ihnen eine Rahmenvereinbarung über die Teilnahme am Online-Banking geschlossen worden sei und die Richterin damit den Entgelten zugestimmt habe.

So besteht zwischen der Richterin und der Beklagten keine geschäftliche Beziehung mehr, die Richterin hat nach Erhalt einer geringfügigen Teilzahlung keine Klage erhoben, sondern nur ein Schlichtungsverfahren eingeleitet und nach dessen ergebnislosem Ende im April 2022 und damit fast zwei Jahre vor der mündlichen Verhandlung keine weiteren Schritte unternommen, um einen etwaigen Rückzahlungsanspruch gegenüber der Beklagten geltend zu machen. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist der vorliegende Fall deshalb nicht mit dem Sachverhalt vergleichbar, der Gegenstand des Beschlusses des Bundesgerichtshofs vom 28. Juli 2020 (VI ZB 94/19, WM 2020, 1892) war. Denn dort war maßgebend für die Annahme eines Ablehnungsgrundes, dass der Richter angezeigt hatte, derzeit zu prüfen, ob er Ansprüche geltend machen werde, und hierzu einen ADAC-Vertragsanwalt um Rat gebeten zu haben, dessen Antwort noch ausstehe (BGH, Beschluss vom 28. Juli 2020, aaO Rn. 1, 6, 10).

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde sind die von der Amtsrichterin hier mitgeteilten Umstände auch nicht deshalb geeignet, Misstrauen gegen ihre Unparteilichkeit zu rechtfertigen, weil der Bundesgerichtshof angenommen hat, die Anmeldung von Ansprüchen des abgelehnten Richters zu einem Musterfeststellungsverfahren, in dem es um den Vorwurf geht, ein von der Beklagten hergestelltes Fahrzeug habe bei dessen Erwerb wegen der (vorsätzlichen) Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen nicht den einschlägigen Zulassungsvorschriften entsprochen, sei geeignet, vom Standpunkt der Beklagten aus bei vernünftiger Betrachtung Zweifel an der Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit des Richters ihr gegenüber aufkommen zu lassen, auch wenn der abgelehnte Richter in dem Musterfeststellungsverfahren einen Vergleich geschlossen hat, mit dem auch Ansprüche gegen andere Konzerngesellschaften abgegolten sein sollten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. März 2021 – III ZB 57/20, WM 2021, 1109 Rn. 11 ff. und vom 4. Dezember 2023 – VIa ZB 17/23, juris Rn. 10 ff.). Denn die in diesen Fällen für die Gesamtwürdigung maßgeblichen Umstände sind im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Die Anrufung der Schlichtungsstelle durch die Amtsrichterin ist nicht mit der Anmeldung von Ansprüchen zur Eintragung in das Klageregister nach § 608 ZPO aF vergleichbar. Denn während die Einleitung eines außergerichtlichen Schlichtungsverfahrens gegen eine Sparkasse auf eine gütliche Einigung abzielt, da ein Schlichtungsvorschlag für die Beteiligten nicht bindend ist (§ 9 Abs. 3 Finanzschlichtungsstellenverordnung, künftig: FinSV; § 9 Abs. 3 der Verfahrensordnung der Schlichtungsstelle beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband e.V., künftig: VerfO DSGV), ist die Anmeldung nach § 608 ZPO aF auf eine verbindliche Klärung von tatsächlichen oder rechtlichen Voraussetzungen des angemeldeten Anspruchs gerichtet (vgl. § 610 Abs. 3, § 613 ZPO aF; BT-Drucks. 19/2439, S. 17). Außerdem kann ein Antrag auf Durchführung eines Schlichtungsverfahrens bis zur Beendigung des Verfahrens zurückgenommen werden (§ 7 Abs. 2 FinSV; § 7 Abs. 2 VerfO DSGV), während die Rücknahme der Anmeldung zur Eintragung in das Klageregister nur zeitlich begrenzt zulässig ist (§ 608 Abs. 3 ZPO aF).

 

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