Heute ist zwar Feiertag, und zwar Christi Himmelfahrt oder „Vatertag“ – jeder wie er es mag 🙂 -, aber ich mache hier mal das „normale“ Programm. Und in dem gibt es heute drei Entscheidungen zur Besorgnis der Befangenheit. Einmal BGh, einmal BayObLG und einmal AG.
Ich beginne mit dem BayObLG, und zwar mit dem BayObLG, Beschl. v. 17.02.2025 – 203 StRR 659/24. Ergangen ist der Beschluss, aus dem ich schon gestern den BayObLG, Beschl. v. 03.03.2025 – 203 StRR 659/24 – zur Bestechlichkeit und zur Amtsträgereigenschaft vorgestellt habe (StGB III: Bestechunge des unzuständigen Amtsträgers?, oder: Abgrenzung von Dienst- und privater Handlung). Jetzt also der Beschluss vom 17.02.2025 zur Besorgnis der Befangenheit, des Revisionsrichtets wegen eines Bekanntschaftsverhältnisses mit einem Zeugen.
In dem Verfahren hatte der nach der internen Geschäftsverteilung des 3. Strafsenats des BayObLG zur Mitwirkung am Revisionsverfahren als Berichterstatter bestimmte Richter S. am 27.12.2024 gemäß § 30 StPO eine Selbstanzeige abgegeben. Außerdem hatte der nach dem Geschäftsverteilungsplan des BayObLG für die Strafsenate als Vertreter berufene Richter am BayObLG W. hat mit dienstlicher Erklärung vom 31.01.2025 gemäß § 30 StPO ebenfalls angezeigt, dass er bereits seit seiner Jugend mit dem vom LG in dem Verfahren als Zeugen vernommenen stellvertretenden Hauptgeschäftsführer der IHK und Leiter der Abteilung Recht und Steuern, dem Zeugen B., bekannt sei und eine freundschaftliche Beziehung zu ihm pflege. Der Zeuge B. wäre bei der IHK im Jahr 1995 sein Amtsnachfolger geworden und hätte diese Stelle durch seine Vermittlung erhalten. Man treffe sich nach wie vor regelmäßig und tausche sich über die beiderseitigen Tätigkeiten aus. Er könne nicht ausschließen, dass dabei auch über den verfahrensgegenständlichen Sachverhalt gesprochen worden sei. Die IHK habe das Strafverfahren mit einer Strafanzeige, in deren Erstellung der Zeuge eingebunden gewesen sei, initiiert.
Das BayObLG hat die Selbstanzeige für W. als begründet erklärt:
„2. Das Gericht entscheidet nach § 27 Abs. 1 i.V.m. § 30 StPO grundsätzlich ohne die Mitwirkung des von der Selbstanzeige betroffenen Richters. Nachdem sowohl der Vorsitzende des 3. Strafsenats als auch das weitere Senatsmitglied Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht S. zum Zeitpunkt der Beschlussfassung urlaubsbedingt abwesend sind, bedarf die vom BGH in seiner Entscheidung vom 26. September 2023 (- 5 StR 164/22 -, juris Rn. 23 ff.; vgl. auch Cirener in BeckOK StPO, 54. Ed. 1.1.2025, StPO § 30 Rn. 6 und 7) aufgeworfene Frage, ob die Wartefrist nach § 29 Abs. 1 StPO über ihren Wortlaut hinaus auch für den Richter gilt, der die Selbstanzeige abgegeben hat, aber von den Verfahrensbeteiligten nicht abgelehnt worden ist, mit der Folge, dass der eine Selbstanzeige abgebende Richter bei allen nach der Selbstanzeige zu treffenden Entscheidungen bis zur Entscheidung über die Selbstablehnung nicht mitwirken dürfte, bevor das gegen ihn gerichtete Gesuch zurückgewiesen oder verworfen wurde (vgl. Heil in KK-StPO, 9. Aufl. § 27 Rn. 3 zum Befangenheitsgesuch), keiner Entscheidung.
III.
Die Selbstanzeige des Richters am Bayerischen Obersten Landesgericht W. vom 31. Januar 2025 wird für begründet erklärt.
1. Nach § 30 StPO hat das für die Erledigung eines Ablehnungsgesuchs zuständige Gericht auch dann zu entscheiden, wenn ein solches Gesuch nicht angebracht ist, ein Richter aber von einem Verhältnis Anzeige macht, das seine Ablehnung rechtfertigen könnte, oder wenn aus anderer Veranlassung Zweifel darüber entstehen, ob ein Richter kraft Gesetzes ausgeschlossen ist. Misstrauen in die Unparteilichkeit eines Richters im Sinne von § 24 Abs. 2 StPO ist dann gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 15. Mai 2018 – 1 StR 159/17 –, juris Rn. 60 m.w.N.).
2. Maßstab für die Beurteilung dieser Voraussetzungen sind dabei der Standpunkt eines besonnenen Angeklagten und die Vorstellungen, die er sich bei der ihm zumutbaren ruhigen Prüfung der Sachlage machen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juni 2024 – 2 StR 51/23 –, juris Rn. 35). Nicht erheblich ist, ob der abgelehnte Richter tatsächlich befangen ist oder nicht (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2023 – 2 StR 195/23 – BGHSt 68, 74, juris Rn. 22).
3. Persönliche Beziehungen des Richters zu Angeklagten, Verletzten oder Zeugen vermögen je nach Intensität und konkreter Sachlage die Besorgnis der Befangenheit zu begründen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2023 a.a.O. Rn. 24 m.w.N.). Sie lassen eine Ablehnung aber nur dann als begründet erscheinen, wenn eine besonders enge Beziehung vorliegt oder ein besonderer Zusammenhang mit der Strafsache besteht, der besorgen lässt, dass der Richter der Sache nicht mit der gebotenen Unvoreingenommenheit gegenübersteht (vgl. BGH a.a.O. Rn. 24 m.w.N.; Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 24 Rn. 11; Conen/Tsambikakis in: MüKo StPO, 2. Aufl., § 24 Rn. 28).
4. Ausgehend von diesen Maßstäben ist die Besorgnis der Befangenheit begründet. Denn es liegt ein Sachverhalt vor, der mit Blick auf die Gesamtschau der Umstände, insbesondere der langjährigen persönlichen Freundschaft des Richters zu dem Zeugen B., dessen Stellung bei der IHK und der möglichen persönlichen Betroffenheit des Zeugen resultierend aus der Behauptung des Angeklagten, innerhalb der IHK hätten nicht unerhebliche Organisationsmängel vorgelegen, aus der Sicht eines unbefangenen Angeklagten auch unter den Bedingungen des Revisionsverfahrens, in dem die angegriffene Entscheidung nur auf Rechtsfehler geprüft wird, den Anschein erwecken kann, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen gegenüber. Hierbei hat der Senat auch berücksichtigt, dass sich das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung mit der Einlassung des Angeklagten befasst hat, der Zeuge B. hätte nicht hingeschaut (Urteil S. 18, 43 f.). Die IHK führt zudem nach den Feststellungen des Landgerichts einen Prozess vor dem Arbeitsgericht Nürnberg auf Erstattung der ihr entstandenen Rechtsverfolgungs- und Aufarbeitungskosten im Zusammenhang mit den Bestechungshandlungen des Angeklagten; es seien Kosten von insgesamt etwa 380.000 € angefallen (Urteil S. 42).“