Durchsuchung I: Durchsuchung im Kipo-Verfahren, oder: 16-Jähriger bittet 13-Jährige um Nacktbilder

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Heute gibt es dann StPO-Entscheidungen. Alle drei haben mit Durchsuchung und/oder Beschlagnahme zu tun.

Ich fange „ganz oben“ an, nämlich beim BVerfG. Das hat sich im BVerfG, Beschl. v. 29.01.2025 – 1 BvR 1677/24 – in erster Linie zur Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde geäußert, aber dann auch in einem obiter dictum zur Verhältnismäßigkeit einer Durchsuchung in einem KiPo-Verfahren und zur Auffindevermutung Stellung genommen

Der Entscheidudng liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Staatsanwaltschaft führte gegen den zum Tatzeitpunkt (§ 155 StPO) jugendlichen Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Besitzes kinderpornographischer Inhalte. Ausgangspunkt war ein Chat des damals knapp 16-jährigen Beschuldigten mit einem 11-jährigen Mädchen, das sein Alter ihm gegenüber wahrheitswidrig mit 13 Jahren angegeben hatte. In dem sehr kurzen Chatverlauf erkundigte sich der Beschuldigte, ob das Mädchen ihm Nacktbilder schicken würde. Dies lehnte das Mädchen auch auf Nachfrage hin ab. Daraufhin endete der Chatverlauf.

Auf dieser Grundlage ordnete das AG die Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten an. Aus dem Chat ergebe sich ein offensichtliches Interesse an kinderpornographischem Material, weshalb auch der Verdacht bestehe, dass der Beschuldigte im Besitz anderer solcher Inhalte sei. Die Durchsuchung wurde vollzogen, wobei mehrere elektronische Geräte des Beschuldig-ten sichergestellt wurden.

Die vom Beschuldigten gegen den Durchsuchungsbeschluss eingelegte Beschwerde hat das LG als unbegründet verworfen. Dagegen richtet sich die Verfassungsbeschwerde des Beschuldigten. Er sieht sich durch die gerichtlichen Entscheidungen unter anderem in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG verletzt. Die Durchsuchung sei wegen des eher schwachen Anfangsverdachts, der aufgrund seines Alters geringen Tatschwere und der nur schwachen Auffindewahrscheinlichkeit unverhältnismäßig gewesen.

Das BVerfG hat die Verfassungsbe-schwerde nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil sie unzulässig sei.

Insoweit stelle ich nur (meine) Leitsätze zu der Entscheidung ein und verweise im Übrigen auf den verlinkten Volltext mit der „Bitte“ um Beachtung der Ausführungen des BVerfG:

1. Die allgemeine Begründungslast des § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG umfasst grds auch die – fristgerechte – Darlegung, dass die Frist des § 93 Abs 1 S 1 BVerfGG eingehalten ist, sofern sich dies nicht ohne Weiteres aus den Unterlagen ergibt.

2. Bei einer gegen eine strafprozessuale Zwangsmaßnahme gerichteten Verfassungsbeschwerde muss dafür mitgeteilt werden, wann die für die Fristberechnung maßgebliche Instanzentscheidung sowohl der Verteidigung als auch den Beschwerdeführenden bekannt gemacht wurde.

Es gibt dann aber auch noch ein obiter dictum des BVerfG, aus dem m.E. sehr deutlich wird, was das BVerfG von der Durchsuchungsmaßnahme hält, nämlich nichts:

„2. Aufgrund der Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde kann offenbleiben, ob sich die Durchsuchungsanordnung und die Entscheidung über die Beschwerde in der Sache noch als verfassungsgemäß erweisen. Zweifel bestehen allerdings in Bezug auf die Verhältnismäßigkeit der Anordnung.

a) Die Anordnung der Durchsuchung bedarf wegen des erheblichen Eingriffs in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre des Beschwerdeführers einer Rechtfertigung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerfGE 20, 162 <186 f.>; 96, 44 <51>). Die Durchsuchung muss insbesondere in einem angemessenen Verhältnis zu der Schwere der Straftat und der Stärke des Tatverdachts stehen (vgl. BVerfGE 20, 162 <186 f.>; 59, 95 <97>; 96, 44 <51>). Hierbei sind auch die Bedeutung des potentiellen Beweismittels für das Strafverfahren sowie der Grad des auf die verfahrenserheblichen Informationen bezogenen Auffindeverdachts zu bewerten (vgl. BVerfGE 115, 166 <197>).

b) Danach begegnet die Angemessenheit der Durchsuchungsanordnung verfassungsrechtlichen Bedenken. Angesichts der schwer wirkenden Eingriffsintensität einer Durchsuchung ist zu besorgen, dass der aufgrund des kurzen Chats eher schwache Anfangsverdacht sowie die daher nur geringe Auffindevermutung nicht ausreichen, um die Durchsuchungsanordnung zu rechtfertigen. So weist der vorliegende Chatverlauf lediglich auf das Interesse des erst knapp 16 Jahre alten Beschwerdeführers am Besitz von Nacktbildern eines (vermutlich) 13-jährigen Mädchens hin. Anhaltspunkte dafür, dass dem Beschwerdeführer ein weitergehendes Interesse an dem Besitz anderer strafbarer Inhalte als an Nacktbildern pubertierender Mädchen vorzuwerfen sein könnte, sind aus den vorgelegte Unterlagen nicht ersichtlich.“

M.E. ist das mehr als deutlich. Denn danach wird man davon ausgehen können, dass die Verfassungsbeschwerde, wenn sie zulässig gewesen wäre, Erfolg gehabt hätte. Und das mit Recht. Denn man wird kaum daraus schließen können, dass ein (wahrscheinlich auch noch pubertierender) 16-Jähriger, der ein pubertierendes Mädchen von (vermeintlich) 13 Jahren nach Nacktbildern fragt, ein (weitergehendes) Interesse an dem Besitz kinderpornographischer Inhalte hat. Jedenfalls wird man davon nicht ohne weitere Anhaltspunkte ausgehen können (vgl. zur Durchsuchung im KiPo-Bereich BVerfG, Beschl. v. 21.10.2024 – 1 BvR 2215/24 und auch den schönen Beitrag des Kollegen Urbancyk in StRR 2/2025, 6). Mich hätte im Übrigen mal die Begründung des AG für die Anordnung der Durchsuchung und die Begründung des Beschwerdeentscheidung des LG interessiert. Viel kann da jedenfalls nicht an Begründung gestanden haben. Sonst wäre das BVerfG nicht doch so deutlich geworden.

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