Archiv für den Monat: Mai 2024

Ich habe da mal eine Frage: Wie ist das noch mal mit den Kosten des Beschwerdeverfahrens?

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Heute dann die Frage eines Kollegen, die sich auf einen Fall bezieht, der hier auch schon eine Rolle gespielt hat. Der Kollege fragt:

„Gegen meine Mandantin lief ein Ermittlungsverfahren wegen Trunkenheit im Verkehr. Die Fahrerlaubnis wurde vom Amtsgericht vorläufig entzogen. Die dagegen gerichtete Beschwerde hatte beim Amtsgericht zunächst keinen Erfolg. Das Landgericht hat der Beschwerde aber stattgegeben. Der Führerschein wurde an die Beschuldigte herausgegeben und das Gericht hat festgestellt, dass die Kosten des Beschwerdeverfahrens von der Staatskasse zu tragen sind.

Aufgrund des Beschlusses hat die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigte eingestellt.

Ich habe nun Kostenfestsetzung beantragt (4100 VV RVG, 4104 VV RVG, 4141, 4104 VV RVG zzgl. Pauschale und MwSt.).

Die Bezirksrevision schreibt, das Landgericht habe nur eine Kostenentscheidung für das durchgeführte Beschwerdeverfahren getroffen. Bezüglich des eigentlichen Strafverfahrens gibt es keine Kostenentscheidung.

Aus Ihrer Kommentierung kann ich entnehmen, dass das Beschwerdeverfahren aufgrund des in Vorbem. 4.1 Abs. 1 VV RVG normierten Pauschalcharakters der Gebühren durch die jeweiligen Verfahrensgebühren mit abgegolten ist.

Dann müssten doch aber für das Beschwerdeverfahren die genannten Gebühren aus der Staatskasse erstattet werden, oder nicht?“

Gebühren des Terminsvertreters des „Pflichti“, oder: Der Terminsvertreter verdient alle Gebühren

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Und dann noch einmal etwas zum Terminsvertreter des Pflichtverteidigers, und zwar den LG Neuruppin, Beschl. v. 25.03.2024 – 11 Qs 76/23.

Folgender – bekannter 🙂 – Sachverhalt:

Dem Verurteilten ist mit Beschluss des AG Rechtsanwalt R1 als Pflichtverteidiger bestellt worden. In der Folgezeit wurde die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Strafrichter an drei Verhandlungstagen durchgeführt, wobei Rechtsanwalt R1 an den ersten beiden Verhandlungstagen als Verteidiger mitwirkte. Nachdem am Morgen des dritten Verhandlungstages eine Mitteilung beim AG eingegangen war, dass Rechtsanwalt R1 erkrankt und daher an einer Terminsteilnehme verhindert sei, zog der Strafrichter den – in unmittelbarer Nähe des AG kanzleiansässigen – Rechtsanwalt R2 hinzu und beschloss zu Verhandlungsbeginn – nach Anhörung des Vertreters der Staatsanwaltschaft, des Angeklagten und des Rechtsanwalts selbst – wie folgt: „Dem Angeklagten wird für den heutigen Hauptverhandlungstag Rechtsanwalt pp. aus pp. als notwendiger Verteidiger beigeordnet.“

Unmittelbar anschließend erfolgte sodann – die Beweisaufnahme war bereits am vorigen Hauptverhandlungstag geschlossen worden, auch waren anschließend bereits sämtliche Schlussanträge gehalten worden und dem Angeklagten das letzte Wort erteilt worden – die Urteilsverkündung.

Rechtsanwalt R 2 hat die Festsetzung seiner Vergütung beantragt und die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG, die Verfahrensgebühr Nr. 4106 W RVG und die Termingebühr Nr. 4108 VV RVG nebst Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG) und Umsatzsteuer beantragt. Die Rechtspflegerin des AG hat lediglich die Terminsgebühr nebst Umsatzsteuer festgesetzt. Gegen diese Festsetzung hat Rechtsanwalt R 2 Erinnerung eingelegt, die der Strafrichter als unbegründet verworfen hat. Die dagegen eingelegte Beschwerde des Rechtsanwalts R 2 hatte, nachdem der Einzelrichter die Entscheidung auf die Kammer übertragen hat, beim LG Erfolg. Nach Auffassung des LG waren die Gebühren so wie von Rechtsanwalt R 2 beantragt, festzusetzen.

Und da wir die Problemati schon zog-mal hatte, hier nur der Leitsatz, der lautet:

Aus der im Bestellungsbeschluss betreffend die Pflichtverteidigerbestellung vorgenommenen Beschränkung der Bestellung „für den heutigen Hauptverhandlungstag“ ergibt sich nicht, dass dem als Pflichtverteidiger bestellten Rechtsanwalt für seine Tätigkeit lediglich die für den Hauptverhandlungstag angefallene Terminsgebühr zustünde.

Rest bitte selbst nachlesen. Mit der Begründung kann man übrigens etwas anfangen, denn Beschluss ist zutreffend.

Dokumetenpauschale für Einscannen von Unterlagen, oder. Wann kommt die erforderliche Reform der Reform

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Am heutigen Gebührenfreitag dann zunächst eine OLG Bamberg-Entscheidung, und zwar der OLG Bamberg, Beschl. v. 02.04.2024 – 1 W 12/24 e – zum Anfall der Dokumentenpauschalefür das Einscannen von Dokumenten. Gibt es nicht mehr, sagt das OLG Bamberg:

„Das Erstgericht hat zu Recht die vom Kläger beanspruchten Digitalisierungkosten als nicht kostenrechtlich festsetzungsfähig angesehen und dies auch zutreffend begründet. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird daher auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses vom 15.01.2024 und die der Nicht-Abhilfeentscheidung vom 08.03.2024 Bezug genommen und nur noch ergänzend folgendes ausgeführt:

1. Zutreffend hat das Erstgericht zugrunde gelegt, dass es sich bei den vom Prozessbevollmächtigten des Klägers hinsichtlich der angesetzten Kosten für die Digitalisierung der beklagtenseits in Papierform übergebenen Unterlagen nicht um gemäß Nr. 7000 Abs. 2 i.V.m. Ziffer 2 und Ziffer 1 lit. c) VV-RVG kostenrechtlich erstattungsfähige Auslagen (Dokumentenpauschale) handelt.

Denn allein für das Einscannen von Dokumenten fällt seit der Neufassung der Nr. 7000 VV-RVG durch das 2. KostRMoG zum 01.08.2013 keine Vergütung mehr an, weil der Gesetzgeber durch die Ersetzung des Begriffs „Ablichtung“ durch den Begriff „Kopie“ in Nr. 7000 Ziffer 1V VV-RVG klarstellen wollte, dass ein eingescanntes Dokument entgegen der früheren h.M. keine „Ablichtung“ ist und es sich auch nicht um eine Kopie i.S.v. Nr. 7000 Ziffer 1 VV-RVG handelt (vgl. BT-Drucks 17/11471). Demnach ist eine Kopie im Sinne des Kostenrechts die Reproduktion einer Vorlage auf einem körperlichen Gegenstand, bspw. Papier, Karton oder Folie, was beim Speichern eines Dokuments auf einem externen Datenträger wie einem USB-Stick, einer externen Festplatte, einer CD-ROM oder auf der Festplatte eines Computers nicht der Fall ist (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 28.08.2015, 1 Ws 51/15; Gerold/Schmidt, RVG, 25. Auflage RVG-VV Nr. 7000 Rn. 15 ff. m.w.N.).

Das Einscannen eines Dokuments wird somit nur nach dem durch das 2. KostRMoG eingeführten Nr. 7000 Anm. Abs. 2 VV-RVG bei der Berechnung der Dokumentenpauschale berücksichtigt, d.h. nur dann, wenn auch die Voraussetzungen nach Nr. 7000 Ziffer 2 i.V.m. Ziffer 1 lit. d) VV-RVG vorliegen. Nachdem es in Nr. 7000 Anm. Abs. 2 VV-RVG um die Überlassung von elektronisch gespeicherten Dateien geht, kann sich diese Regelung – entgegen der Ansicht des Klägers – allein auf die Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 Ziffer 2 i.V.m. Ziffer 1 lit. d) VV-RVG beziehen. Die Regelung der Nr. 7000 Ziffer. 2 VV-RVG tritt damit nur an die Stelle der Nr. 7000 Ziffer 1 lit. d) VV-RVG und gilt demnach in den Fällen der Nr. 7000 Ziffer 1 lit a) bis lit. C) VV-RVG nicht (Gerold/Schmidt, RVG, 25. Auflage RVG-VV Nr. 7000 Rn. 200 ff.; Schneider/Volpert, AnwK RVG, 9. Auflage, VV 7000, Rn. 159ff; KG Berlin, aaO; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 9. August 2018, Az. L 12 SF 296/18e).

2. Abgesehen davon, dass demnach schon kein Anspruch auf Erstattung einer Kostenpauschale für die Digitalisierung nach § 2 RVG, Nr. 7000 VV-RVG besteht, ist im übrigen hier auch nicht festzustellen, dass die Digitalisierung der beklagtenseits in Papierform übergebenen Unterlagen zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war (§ 91 Abs. 1 ZPO).

a) Erstattungsfähig sind gemäß § 91 Abs. 1 ZPO nur diejenigen Kosten, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung notwendig waren. Ob eine Maßnahme notwendig war, richtet sich zunächst grundsätzlich danach, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die Kosten auslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Veranlassung als sachdienlich ansehen durfte. Die Partei ist verpflichtet, die Kosten ihrer Prozessführung, die sie bei einem Obsiegen vom Gegner erstattet haben will, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lässt (ständige Rechtsprechung des BGH, vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2012, Az. VI ZB 7/12; Zöller/Herget, ZPO, 35. Aufl., § 91 Rn. 12, jeweils m.w.N.). § 91 ZPO bringt insoweit das Gebot einer sparsamen bzw. ökonomischen Prozessführung zum Ausdruck mit der Folge, dass der prozessuale Erstattungsanspruch nur in den Grenzen einer sparsamen, nicht aber der einer optimalen Prozessführung besteht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat sich die Beurteilung der Frage, ob aufgewendete Prozesskosten zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig waren, daran auszurichten, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die kostenauslösende Maßnahme im damaligen Zeitpunkt (ex ante) als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte tun. Sie trifft lediglich die Obliegenheit, unter mehreren gleichgearteten Maßnahmen die kostengünstigere auszuwählen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 4. April 2006 – VI ZB 66/04, VersR 2006, 1089 Rn. 6 und vom 13. Juli 2010 – VI ZB 61/09, VersR 2010, 1470 Rn. 6; BGH, Beschlüsse vom 26. Januar 2006 – III ZB 63/05, BGHZ 166, 117 Rn. 20; vom 16. Oktober 2002 – VIII ZB 30/02, NJW 2003, 898, 900 und vom 20. Oktober 2005 – VII ZB 53/05, NJW 2006, 446 Rn. 12). Die aus der Sicht einer wirtschaftlich denkenden Partei nicht als erforderlich erscheinenden Aufwendungen sind dagegen grundsätzlich nicht zu erstatten (OLG Karlsruhe, NJW-RR 1999, 85).

b) Nach Maßgabe dieser Grundsätze scheidet eine Erstattungspflicht der geltend gemachten Digitalisierungskosten gleichfalls aus.

Das seit 2018 rechtshängige Verfahren wurde vom Landgericht Coburg in Papierform geführt, sodass der Vortrag des Prozessbevollmächtigten, die gegenständlichen papiernen Unterlagen zur Vereinfachung und Vereinheitlichung entsprechend seiner bisherigen digitalen Aktenführung und Korrespondenz mit dem Kläger gleichfalls für sich (und den Kläger) digitalisiert zu haben, schon kein ausreichender Grund für eine erstattungsfähige Maßnahme seiner Prozessführung ist. Denn bei der hier vorgenommenen Digitalisierung handelt es sich nur um eine nach Ansicht der Klägerseite der individuellen Arbeitserleichterung dienende Maßnahme, die in den Grenzen einer sparsamen Prozessführung (s.o.) nicht erstattungsfähig ist.

Im Übrigen hätte es dem Kläger in jedem Fall oblegen, zuvor gegenüber dem Gericht und der Beklagten die Übermittlung einer entsprechend beklagtenseits erstellten digitale Version dieser Unterlagen spätestens im Termin vom 16.11.2021 zu verlangen, was offensichtlich nicht geschehen ist. Ohne dies anzusprechen, wurde vielmehr sogar noch auf den ausdrücklichen Wunsch des Prozessbevollmächtigten im Termin vom 16.11.2021 das umfangreiche Aktenkonvolut (bestehend aus 5 Aktenbänden mit über 6000 Seiten) vom Landgericht in dessen Kanzlei postalisch übersandt – offensichtlich auch, um es dort selbst (unter anschließender Geltendmachung von Auslagen in Höhe von 1.020,70 €) zu digitalisieren. Das ist jedoch mit dem Gebot der sparsamen Prozessführung, die eigenen Kosten so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung eigener berechtigter Belange vereinbaren lässt (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Mai 2007 – XII ZB 156/06, NJW 2007, 2257 Rn. 12; Zöller/Herget, aaO), nicht ansatzweise in Einklang zu bringen.“

Ist leider seit dem 2. KostRMoG so. Und da ist dringend eine Reform der Reform erforderlich, die ja kommen soll. Nur: Wann. Man hört nichts.

StGB III: (Erweiterte) Einziehung von Taterträgen, oder: Kontokorrentgutschrift und Ursprungsort

entnommen openclipart.org

Und dann habe ich hier noch zwei Entscheidungen zur Einziehung (§§ 73 ff. StGB), und zwar:

Die Gutschrift auf einem im Kontokorrent geführten Girokonto stellt einen Gegenstand dar, der Grundlage für die erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen sein kann.

Die Vorschrift des § 73a StGB ist wie seine Vorgängervorschrift § 73d StGB a.F. gegenüber § 73 StGB subsidiär und kann erst dann zur Anwendung gelangen, wenn nach Ausschöpfung aller zulässigen Beweismittel ausgeschlossen werden kann, dass die Voraussetzungen des § 73 StGB erfüllt sind. Dies schließt es aus, Gegenstände der erweiterten Einziehung zu unterwerfen, die der Angeklagte aus anderen, von der Anklageschrift nicht erfassten, aber konkretisierbaren Straftaten erlangt hat; denn diese Taten können und müssen zum Gegenstand eines gesonderten Strafverfahrens gemacht werden, in dem die Voraussetzungen des vorrangig anwendbaren § 73 StGB zu prüfen sind.

StGB II: Günstige Sozialprognose wegen der Therapie?, oder: Nur bei erfolgreichem Therapieabschluss

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Im zweiten Posting dann das BayObLG, Urt. v. 19.02.2024 – 203 StRR 571/23 – zur Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung

Das LG hatte den Angeklagten u.a. wegen Diebstahls zu einer eine Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten verurteilt und die Vollstreckung der festgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision, die sich ihrem Inhalt nach ausschließlich gegen die Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung richtete. Die Revision hatte Erfolg.

„2. Die Entscheidung des Landgerichts, die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr wird gemäß § 56 Abs. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt, wenn zu erwarten ist, dass der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lässt und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Nach Absatz 2 der Vorschrift kann das Gericht unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen.

b) Bei der insoweit anzustellenden Gesamtwürdigung, insbesondere der in § 56 Abs. 1 Satz 2 StGB genannten Umstände, kommt dem Tatgericht ein weiter Bewertungsspielraum zu; dessen Entscheidung ist daher vom Revisionsgericht bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen (st. Rspr., vgl. BGH, Urteile vom 28. März 2018 – 2 StR 516/17- und vom 12. Mai 2021 – 5 StR 120/20-, jeweils juris; BayObLG, Urteil vom 02. Dezember 2022 – 202 StRR 108/22-, juris Rn. 3). Auch ein Bewährungsbruch schließt eine günstige Kriminalprognose im Sinne des § 56 Abs. 1 StGB nicht von vornherein aus (BGH, Urteil vom 14. April 2022 – 5 StR 313/21 –, juris Rn. 23 m.w.N.; BayObLG, Urteil vom 15. September 2023 – 202 StRR 47/23 –, juris Rn. 5; BayObLG, Urteil vom 02. Dezember 2022 – 202 StRR 108/22-, juris Rn. 6). Bei Straftätern, die in der Vergangenheit bereits eine längere Freiheitsstrafe verbüßt haben oder vorsätzliche Straftaten in der Bewährungszeit begehen, kommt es für die Annahme einer günstigen Legalprognose darauf an, ob sich in den Lebensverhältnissen des Angeklagten nach der Begehung der Taten Änderungen ergeben haben, die den Schluss zulassen, dass die Ursachen für die bisherige Delinquenz beseitigt sind (BayObLG, Urteil vom 15. September 2023 – 202 StRR 47/23 –, juris Rn. 5).

Die Ausführungen des Landgerichts für seine Erwartung, der nach den Feststellungen erheblich vorbestrafte, unter laufender Bewährung stehende und strafhafterfahrene Angeklagte werde sich nunmehr schon allein die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen (§ 56 Abs. 1 Satz 1 StGB), genügen den Anforderungen der Rechtsprechung nicht. Dass sich der Angeklagte am 28. Juni 2023, also knappe zwei Monate vor der anstehenden Berufungshauptverhandlung, auf eine von der Berufungskammer bezüglich ihrer Ausgestaltung nicht näher dargestellte stationäre Soziotherapie eingelassen hat, vermag eine günstige Legalprognose nicht zu stützen. Nach der gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung könnte eine Therapie nur dann eine positive Prognose rechtfertigen, wenn eine solche erfolgreich abgeschlossen wäre, nicht aber, wenn der Eintritt des erhofften Behandlungserfolgs im maßgeblichen Zeitpunkt des Endes der Hauptverhandlung noch völlig ungewiss ist; dies gilt auch dann, wenn aus der Sicht des Tatrichters gute Gründe dafür sprechen, dass die Therapie zukünftig eine positive Veränderung bei dem Angeklagten bewirken könnte (vgl. BayObLG, Urteil vom 2. Dezember 2022 – 202 StRR 108/22 –, juris Rn. 10; OLG Bamberg, Urteil vom 12. November 2013 – 3 Ss 106/13 –, juris; KG Berlin, Urteil vom 5. Oktober 2007 – (4) 1 Ss 307/07 (191/07) –, juris Rn. 6).

c) Da das angefochtene Urteil schon die Annahme einer günstigen Legalprognose nicht belegt, kommt es nicht mehr darauf an, dass sich die Kammer mit den Voraussetzungen des § 56 Abs. 2 und 3 StGB rechtsfehlerhaft in ungenügender Weise auseinandergesetzt hat.“