Archiv für den Monat: August 2023

Pflichti II: Und nochmals „konsensuale Umbeiordnung, oder: Das ist zulässig

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Im zweiten Posting dann mal wieder etwas zur (kostenneutralen) Umbeiordung, und zwar der LG Mühlhausen, Beschl. v. 19.06.2023 – 3 Qs 92/23.

Das AG hatte die Umbeiordnung abgelehnt und sich dabei auf § 143 a Abs. 1 S. 2 StPO gestützt. Das hat das LG – zutreffend – anders gesehen.

„Zu Recht nimmt das Amtsgericht an, dass die Voraussetzungen von § 143 a Abs. 2 StPO nicht vorliegen. Richtigerweise führt das Amtsgericht des Weiteren die Vorschrift des § 143 a Abs. 1 S. 2 StPO an, wonach die Bestellung eines Pflichtverteidigers nicht aufzuheben ist, wenn zu besorgen ist, dass der neue Verteidiger das Mandat demnächst niederlegen und seine Beiordnung als Pflichtverteidiger beantragen wird. Eine derartige Übernahme der Pflichtverteidigung ist damit von Gesetzes wegen ausdrücklich unerwünscht. Mithin soll ein Herausdrängen des bisherigen Pflichtverteidigers über den Weg einer Wahlverteidigung verhindert werden. Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich in vorliegender Sache um einen sogenannten konsensualen Verteidigerwechsel, der gerade nicht durch die Vorschrift des § 143 a StPO ausgeschlossen werden sollte (so etwa BGH, Beschluss vom 13.07.2021 – 2 StR 81/21).

Die Voraussetzungen für einen konsensualen Verteidigerwechsel sind vorliegend auch gegeben. Ein solcher Wechsel setzt voraus, dass der Beschuldigte und beide Verteidiger mit einem Verteidigerwechsel einverstanden sind, dadurch keine Verfahrensverzögerung eintritt und auch keine Mehrkosten für die Staatskasse entstehen (vgl. etwa BGH a.a.O.). Der Beschwerdeführer und beide Verteidiger haben jeweils ein entsprechendes Einverständnis erteilt, wie es den Schriftsätzen vom 02.03.2023, 29.03.2023 sowie 20.04.2023 zu entnehmen ist. Anhaltspunkte für eine Verfahrensverzögerung durch den Verteidigerwechsel liegen ebenso nicht vor. Insbesondere ist noch kein Termin zur Hauptverhandlung anberaumt. Schließlich hat Rechtsanwalt F. in seinem Schriftsatz vom 29.03.2023 erklärt, dass durch die Umbeiordnung für die Landeskasse keine Mehrkosten entstehen würden. Letzteres hat er darüber hinaus mit Schriftsatz vorn 09.05.2023 abermals bekräftigt und erklärt, dass er die in der Person des bisherigen Pflichtverteidigers entstandenen Gebühren nicht erneut geltend machen werde. Im Übrigen ist zu bemerken, dass aus dem Schriftsatz des bisherigen Pflichtverteidigers, Rechtsanwalt B., vom 02.03.2023 hervorgeht, dass dieser Kenntnis davon hatte, dass es sich um einen Pflichtverteidigerwechsel handeln soll. Mithin hat Rechtsanwalt B. sein Einverständnis auch nicht lediglich vor dem Hintergrund der Vorschrift des § 143 a Abs. 1 S. 1 StPO erklärt, weil er davon ausging, es habe sich ein Wahlverteidiger gemeldet und demgemäß sei er von Gesetzes wegen ohnehin zu entpflichten (vgl. zu dieser abweichenden Situation KG, Beschluss vom 28.10.2021 – 3 Ws 276/21).“

Wie gesagt: Zutreffend.

Pflichti I: 4 x etwas zu den Beiordnungsgründen, oder: Betreuung, Gesamtstrafe, (Schwer)Behinderungen

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Heute ist es dann mal wieder Zeit für einen Pflichtverteidigungstag. Bei der Gelegenheit: Herzlichen Dank allen Kollegen/Kolleginnen, die mir immer wieder Entscheidungen (auch) zu den Fragen schicken.

Ich beginne hier mit Entscheidungen, die mir zu den Beiordnungsgründen vorliegen, und zwar:

Eine Pflichtverteidigerbestellung kommt in Betracht, wenn der Beschuldigte unter Betreuung steht. § 140 Abs. 2 ist dabei schon anwendbar, wenn an der Fähigkeit zur eigenen Verteidigung erhebliche Zweifel bestehen. Das kann der Fall sein, wenn der Betreuer mit dem Aufgabenkreis „Vertretung gegenüber Behörden“ bestellt ist.

Auch bei einer überschaubaren zu erwartenden Rechtsfolge in einem Strafbefehl von 30 Tagessätzen Geldstrafe ist bei Gesamtstrafenfähigkeit die Bestellung eines Verteidigers erforderlich.

Die Verteidigung ist notwendig, wenn zu bezweifeln ist, dass der Beschuldigte seine Interessen selbst wahren und inner- und außerhalb der Hauptverhandlung alle zur Verteidigung erforderlichen Handlungen selbst vornehmen kann. Davon kann ausgegangen werden, wenn auf der Grundlage ärztlicher Unterlagen beim Angeschuldigten eine Schwerbehinderteneigenschaft mit einem Grad der Behinderung von 50 festgestellt und diese mit der Gesundheitsstörung „Verhaltensstörungen und Lernbehinderung“ begründet wird.

§ 140 Abs. 1 Nr. 11 StPO sieht einen Fall der notwendigen Verteidigung vor, wenn ein seh-, hör- oder sprachbehinderter Beschuldigter die Bestellung beantragt. Daher ist einem Beschuldigten mit einer Sehbehinderung von 40 % eine Pflichtverteidiger zu bestellen.

 

Einziehung III: (Ganz) kleine Rechtsprechungsübersicht, oder: Weiterverkauf von BtM, Spesen, Entreicherung

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Und dann noch der Rest an Einziehungsentscheidungen aus meinem Blogordner, und zwar:

„Im Fall 2 der Urteilsgründe begegnet die Einziehungsanordnung durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Nach den Feststellungen des Landgerichts wurden dem Angeklagten im Fall 2 der Urteilsgründe 106 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 15 Prozent im Wert von 4.000 Euro geliefert, die er gewinnbringend weiterverkaufen wollte. Durch diese Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge erlangte der Angeklagte Kokain. Das Landgericht hat einen dessen Wert entsprechenden Geldbetrag (4.000 Euro) nach §§ 73, 73c StGB eingezogen.

Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Zutreffend hat der Generalbundesanwalt darauf hingewiesen, dass zum gewinnbringenden Weiterverkauf erlangte Betäubungsmittel nicht Taterträge im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB sind, sondern Tatobjekte, die nach § 33 Satz 1 BtMG iVm § 74 Abs. 2 StGB eingezogen werden können. Die Einziehung des Wertersatzes richtet sich dementsprechend nach § 74c StGB. Voraussetzung hierfür ist, dass das Tatobjekt dem Täter zur Tatzeit gehörte oder zustand. Werden Betäubungsmittel wie hier aber im Inland erworben, kann der Käufer wegen § 134 BGB kein Eigentum an den Drogen erlangen (BGH, Beschluss vom 9. November 2021 – 5 StR 244/21).

Das Urteil beruht auf dem Rechtsfehler (§ 337 Satz 1 StPO). Anders als in den übrigen Fällen ist im Fall 2 gerade nicht festgestellt, dass dem Angeklagten der Erlös aus einem etwaigen Weiterverkauf zugeflossen ist. Die Voraussetzungen einer Wertersatzeinziehung nach §§ 73, 73c StGB von 4.000 Euro als Mindestverkaufserlös liegen somit nicht vor. Wie vom Generalbundeanwalt beantragt, hat der Senat den Ausspruch über die Anordnung der Einziehung des Wertes daher in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO um 4.000 Euro reduziert.“

„Die Einziehungsentscheidung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Nach den Feststellungen erhielt die Angeklagte den Betrag von 1.500 Euro von einem der Hintermänner, um damit das für die Tatausführung erforderliche Fahrzeug anmieten und Übernachtungskosten bezahlen zu können.

Bei dieser Sachlage hat die Angeklagte den Geldbetrag – anders als es bei der erstrebten Teilhabe an der Tatbeute läge – nicht für die Taten, sondern für deren Durchführung erlangt (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2010 – 4 StR 277/10; NStZ-RR 2011, 283, 284 mwN).

Derartige „Spesen“ unterliegen als Tatmittel der Einziehung nach § 74 Abs. 1 und § 74c Abs. 1 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juli 2002 – 3 StR 240/02; Urteil vom 25. Februar 1993 – 1 StR 808/92; BGHR StGB § 74 Abs. 1 Tatmittel 4). Die Einziehung des Tatmittels beziehungsweise dessen Wertes nach § 74c Abs. 1 StGB steht jedoch im pflichtgemäßen Ermessen des Tatgerichts (vgl. BGH, Beschluss vom 7. April 2020 – 6 StR 34/20). Eine solche Ermessensentscheidung hat das Landgericht – von seinem rechtlichen Standpunkt aus konsequent – nicht getroffen.

Die zugehörigen Feststellungen können bestehen bleiben, weil sie von dem Rechtsfehler nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO).“

1. § 459 Abs. 5 S. 1 StPO in der ab 01.07.2021 geltenden Fassung findet ab dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens auf Einziehungsentscheidungen Anwendung, auch wenn die der Einziehung zugrundeliegende Tat vor dem 01.07.2021 begangen wurde. Der Meistbegünstigungsgrundsatz aus § 2 Abs. 3 StGB ist auf § 459g Abs. 5 S. 1 StPO nicht anzuwenden (Anschluss OLG Stuttgart, Beschluss vom 20.12.2022, 4 Ws 514/22, und OLG Schleswig, Beschluss vom 07.07.2022, 2 Ws 63/22, sowie OLG Hamm, Beschluss vom 18.08.2022, 5 Ws 211/22, juris Rn. 19; entgegen OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25.05.2022, 1 Ws 122/22, und Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 22.09.2022, 1 Ws 118/21).

2. Für die Einstellung der weiteren Vollstreckung der Einziehung des Wertersatzes wegen Unverhältnismäßigkeit ist es nicht ausreichend, dass das Erlangte nicht mehr im Vermögen des Täters vorhanden ist.

Einziehung II: Verurteilung wegen Geldwäschetaten, oder: Eigentumserwerb am Gold?

Die zweite Entscheidung des Tages kommt dann vom 3. Strafsenat des BGH. Der hat im BGH, Beschl. v. 03.05.2023 – 3 StR 81/23 – zur Frage der Höhe der Einziehung bei der Geldwäsche Stellung genommen.

Das LG hat den Angeklagten im zweiten Rechtsgang u.a. wegen Geldwäsche in drei Fällen, verurteilt. Zudem hat es gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 534.030,63 EUR als Gesamtschuldner angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zu einer Reduktion des Einziehungsbetrags auf nur noch 100 EUR:

„1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen nahm der Angeklagte für einen Hintermann in drei Fällen Wertgegenstände entgegen, begutachtete und verpackte sie und bewahrte sie bis zur Abholung auf. Es handelte sich um Goldbarren und -münzen im Gesamtwert von über einer halben Million Euro sowie Bargeld. Die dem Angeklagten von den Abholern überbrachten Sachen waren mittels der sogenannten Polizeitrick-Masche erlangt worden, indem zumeist älteren Personen vorgespiegelt worden war, die Sicherung vor Dieben oder die Überführung eines kriminellen Bankmitarbeiters erfordere es, ihre Wertgegenstände vorübergehend vermeintlichen Polizisten zu überlassen. Er wusste, dass die Objekte aus rechtswidrigen Taten stammten. Er wollte sich durch den ihm für seine Tätigkeit versprochenen Lohn und direkte Entnahmen aus der Beute eine bedeutende dauerhafte Einnahmequelle verschaffen. In Fall 1 der Urteilsgründe behielt er 100 € von dem angelieferten Bargeld für sich (vgl. bereits BGH, Beschluss vom 8. März 2022 – 3 StR 456/21, wistra 2022, 380 Rn. 2).

2. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruchs sowie der Einziehung von Wertersatz in Höhe der genannten 100 € keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Die diesen Betrag übersteigende Einziehung hat dagegen keinen Bestand. Sie betrifft den Wert des beim Angeklagten angelieferten Goldes, den die Strafkammer auf der Grundlage des § 73c StGB abgeschöpft hat. Dabei ist ihr aus dem Blick geraten, dass sich die Einziehung des Wertes von Geldwäscheobjekten nach der bis zum 17. März 2021 geltenden Fassung von § 261 StGB ausschließlich nach § 74c StGB richtete. Im Einzelnen:

Das Landgericht hat bei den drei Geldwäschedelikten die Regelwirkung der Gewerbsmäßigkeit angenommen und ist von einem besonders schweren Fall ausgegangen (§ 261 Abs. 5 StGB nF, § 261 Abs. 4 StGB aF). Angesichts des insoweit unveränderten Strafrahmens hat es zutreffend das zum Tatzeitpunkt geltende Recht angewendet. Das ergibt sich aus § 2 Abs. 1, 3 und 5 StGB. Denn nach § 261 Abs. 7 StGB aF konnten Geldwäscheobjekte nur gemäß § 74 Abs. 2 StGB und im Falle einer Vereitelungshandlung der entsprechende Wert nach § 74c StGB eingezogen werden, was sich für den Angeklagten günstiger darstellt als die aktuell gültige Regelung in § 261 Abs. 10 StGB (vgl. insgesamt BGH, Beschlüsse vom 22. Mai 2021 – 5 StR 62/21, wistra 2021, 360; vom 22. September 2022 – 3 StR 175/22, NStZ-RR 2023, 8, 9; vom 7. Februar 2023 – 3 StR 459/22, juris Rn. 4; Urteil vom 13. April 2022 – 2 StR 1/21, ZInsO 2022, 2261 Rn. 25).

Die damit allein mögliche Wertersatzeinziehung nach § 74c StGB kommt hier jedoch nicht in Betracht. Denn sie setzt voraus, dass der ursprünglich einziehungsbetroffene Gegenstand dem Täter zur Zeit der Tat gehörte oder zustand (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschluss vom 10. Juni 2020 – 3 StR 37/20, NStZ 2021, 557 Rn. 4 mwN; LK/Lohse, StGB, 13. Aufl., § 74c Rn. 5 mwN). Dies ist den Urteilsfeststellungen nicht zu entnehmen. Die Geschädigten hatten ihr Gold den vermeintlichen Polizeibeamten vielmehr lediglich zur sicheren Aufbewahrung ausgehändigt. Ein Übereignungswille im Sinne des § 929 BGB ist darin nicht zu erblicken. Auch innerhalb der Tätergruppe war nicht beabsichtigt, dass der Angeklagte über einen kurzzeitigen Besitz hinausgehende Rechte an den Wertgegenständen erhält, wobei ein gutgläubiger Erwerb gemäß § 932 BGB angesichts seines Wissens um die rechtswidrigen Vortaten ohnehin ausscheidet. Die Goldbarren und -münzen wurden schließlich nicht im Sinne des § 948 BGB vermengt.

Es ist auszuschließen, dass in einer neuen Hauptverhandlung Feststellungen getroffen werden können, die einen Eigentumserwerb des Angeklagten an den Geldwäscheobjekten belegen. Daher ist der Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen entsprechend § 354 Abs. 1 StPO um 533.930,63 € auf 100 € zu reduzieren.“

Und der Erfolg schlägt sich dann auch in der Kostenentscheidung nieder:

„3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 4 StPO. Angesichts des beträchtlichen Teilerfolgs der Revision wäre es unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Dezember 2021 – 3 StR 381/21, wistra 2022, 254 Rn. 22 ff. mwN; vom 21. Dezember 2022 – 3 StR 372/21, juris). Eine Änderung der Kostenentscheidung des erstinstanzlichen Urteils in entsprechender Anwendung des § 465 Abs. 2 StPO ist indes nicht veranlasst.“

Na ja, warum nicht – zumindest teilweise – nicht auch für die 1. Instanz erschließt sich mir nicht.

Einziehung I: Untervermietung für „BtM-Plantage“, oder: Kein Abzug der Mietzahlung vom Wertersatz

entnommen wikimedia.org
Author H. Zell

Seit der Änderungen der §§ 73 ff. StGB im Jahre 2017 sind die Fragen der Einziehung nicht „in aller Munde“, aber doch in sehr vielen Urteilen. Das hat damit zu tun, dass der Anwendungsbereich der Regelungen durch die Neuregelung doch erheblich ausgeweitet worden ist. Es gibt fast kaum noch BGH-Entscheidungen, in denen nicht zu Einziehungsfragen Stellung genommen wird. Im Übrigen: Spigelbildlich hat dann auch im Gebührenrecht die mit der Nr. 4142 VV RVG zusammenhängende Problematik an Bedeutung erheblich zugenommen.

Das vorausgeschickt. Und dann: Heute gibt es hier einen „Einziehungstag“.

Und den eröffne ich mit dem BGH, Urt .v. 16.05.2023 – 1 StR 345/22. Das LG hatte in dem Verfahren den Angeklagten wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt. Es hat ferner die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 43.200 EUR angeordnet. Gegen das Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt und sie auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützt. Auf diese Revision hat der BGH mit Beschluss vom 11.01.2023 die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der angeordneten Einziehung des Wertes von Taterträgen sowie über die Kosten des Rechtsmittels vorbehalten und die weitergehende Revision verworfen. Jetzt hatte er dann in der Sache nur noch die Anordnung der Einziehung von Wertersatz zu prüfen. Insoweit hatte die Revision (auch) keinen Erfolg:

„Das Landgericht hat – soweit für das Revisionsverfahren noch relevant – folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

Der Angeklagte, der seinen Lebensunterhalt u.a. mit der Untervermietung angemieteter Objekte verdiente, vermietete in der Zeit von Juli 2020 bis Februar 2021 eine Industriehalle sowie zwei angrenzende Wohnungen an den gesondert Verfolgten M., der – wie der Angeklagte von Anfang an wusste – die Halle zum Betrieb einer Marihuanaplantage und die Wohnungen zur Unterbringung der Plantagenarbeiter nutzte. Hierfür erhielt er von M. acht monatliche Mietzahlungen von je 5.400 € in bar, mithin 43.200 €. Die M. überlassenen Räumlichkeiten sowie zwei anderweitig vermietete Wohnungen hatte der Angeklagte zum Zwecke der Weitervermietung von dem Eigentümer angemietet. An diesen zahlte er im verfahrensgegenständlichen Zeitraum eine monatliche Miete von 5.800 €. Ob der Angeklagte bereits bei der Anmietung der Räumlichkeiten noch vor dem Jahr 2019 eine illegale Nutzung des Geländes im Blick hatte, hat das Landgericht nicht festgestellt.

II.

Die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 43.200 € nach § 73 Abs. 1, § 73c StGB hält rechtlicher Überprüfung stand.

a) Der Angeklagte hat die an ihn gezahlten Mietzahlungen in Höhe von 43.200 € als Tatlohn für seine Unterstützung der von M. betriebenen Marihuanaplantage und damit „für“ die Tat im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB erhalten. Da die konkret erhaltenen Geldscheine als solche beim Angeklagten nicht mehr vorhanden waren, hat das Landgericht zutreffend gemäß § 73c Satz 1 StGB die Einziehung eines Geldbetrages in Höhe der Belohnung angeordnet.

b) Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die vom Angeklagten an den Eigentümer geleisteten Mietzahlungen von dem einzuziehenden Betrag auch nicht abzuziehen sind, soweit sie auf die an M. untervermieteten Räumlichkeiten entfallen. Zwar sind die Mietzahlungen des Angeklagten an den Eigentümer Aufwendungen im Sinne des § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB, die bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten grundsätzlich in Abzug zu bringen sind; jedoch unterfallen diese Aufwendungen dem Abzugsverbot des § 73d Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 StGB. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts hängt die Abzugsfähigkeit nicht davon ab, ob der Angeklagte bereits bei Anmietung des Geländes eine illegale Nutzung bezweckte. Im Einzelnen:

aa) Bei der Bestimmung des Erlangten sind nach § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB Aufwendungen des Täters oder Teilnehmers abzuziehen. Aufwendungen in diesem Sinne sind alle geldwerten Leistungen, die zur Ermöglichung oder Durchführung der Tat aufgewendet werden. Der erbrachte Aufwand muss in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang gerade mit dem strafrechtswidrigen Erlangen des Vermögenswertes stehen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. November 2020 – 4 StR 387/20 Rn. 5, aber auch BGH, Urteil vom 30. März 2021 – 3 StR 474/19, BGHSt 66, 83 Rn. 73). Erforderlich ist ein innerer Zusammenhang mit Tat und Erwerbsakt (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung, BT-Drucks. 18/11640 S. 78; BGH, Urteil vom 19. August 2020 – 5 StR 558/19, BGHSt 65, 110 Rn. 84).

Demgegenüber sieht § 73d Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 StGB als Ausnahme von diesem Grundsatz vor, dass das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden ist, außer Betracht bleibt und damit einem Abzugsverbot unterfällt. Die Vorschrift beschreibt den Kern des „Bruttoprinzips“ (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung, BT-Drucks. 18/11640 S. 79). Mit dem Tatbestandsmerkmal „für“ wollte der Gesetzgeber in Anlehnung an § 817 Satz 2 BGB sicherstellen, dass (nur) das, was für ein verbotenes Geschäft aufgewendet wurde, unwiederbringlich verloren sein müsse (vgl. BT-Drucks. 18/9525 S. 67 f.; BGH, Urteil vom 1. Juli 2021 – 3 StR 518/19, BGHSt 66, 147 Rn. 64). Daraus folgt, dass die Handlung oder das Geschäft, das unmittelbar zur Vermögensmehrung führt, selbst verboten sein muss (BGH aaO). Fehlt dieser Zusammenhang, sind die Aufwendungen zu berücksichtigen. Aufwendungen für nicht zu beanstandende Leistungen werden damit in Abzug gebracht, selbst wenn sie demselben tatsächlichen Verhältnis wie der strafrechtlich missbilligte Vorgang entstammen (vgl. BT-Drucks. 18/9525 S. 67 f. mit Verweis auf BGH, Urteil vom 8. November 1979 – VII ZR 337/78, BGHZ 75, 299, 305).

bb) Gemessen an diesen Grundsätzen unterliegt der gesamte Wert des an den Angeklagten gezahlten Tatlohns der Einziehung. Zwar waren die Mietzahlungen des Angeklagten Aufwendungen im Sinne des § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB, die bei der Bestimmung des Erlangten grundsätzlich in Abzug zu bringen sind. Der erforderliche innere Zusammenhang mit Tat und Erwerbsakt ist gegeben. Der Angeklagte entrichtete seine monatlichen Mietzahlungen an den Eigentümer, indem er jeweils einen Teil der von M.       an ihn gezahlten Monatsmiete an diesen abführte (UA S. 10 und 51). Jedoch leistete er diese Aufwendungen – was in einem weiteren Schritt zu prüfen ist – „für“ die Tat, so dass sie dem Abzugsverbot des § 73d Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 StGB unterfallen. Ohne die Mietzahlungen an den Eigentümer wäre dem Angeklagten eine (weitere) Nutzungsüberlassung der Räumlichkeiten an M.       und damit die Förderung der Haupttat nicht möglich gewesen. Dass der Angeklagte als Teilnehmer der Haupttat seine Aufwendungen zur Unterstützung des – verbotenen – Handelsgeschäfts des M.       einem unbeteiligten Dritten zukommen ließ, ist insoweit ohne Belang. Nach dem Bruttoprinzip unterfallen auch derartige mittelbare Aufwendungen dem Abzugsverbot, solange sie – wie hier – im Sinne des § 73d Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 StGB für die vom Strafgesetz missbilligten Vorgänge aufgewendet werden.

Die Feststellungen belegen zudem, dass der von Anfang an über die tatsächliche Nutzung der Räumlichkeiten von M.      informierte Angeklagte die Aufwendungen auch willentlich und bewusst für das verbotene Geschäft einsetzte. Anders als der Generalbundesanwalt meint, kommt es nicht darauf an, ob der Angeklagte, der schon im Jahr 2018 einen Starkstromanschluss in die Halle legen ließ und gegenüber dem Voreigentümer vortäuschte, auf dem Gelände eine Lackiererei zu betreiben, die Räumlichkeiten vom Eigentümer bereits im Hinblick auf den späteren Betäubungsmittelhandel anmietete. Die Abzugsfähigkeit hängt nach § 73d Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 StGB allein von einer subjektiven Komponente („für“) ab, d.h. davon, ob die für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendeten oder eingesetzten Vermögenswerte „bewusst und willentlich“ (BT-Drucks. 18/9525 S. 68) getätigt wurden (vgl. BGH, Urteil vom 1. Juli 2021 – 3 StR 518/19, BGHSt 66, 147 Rn. 101). In zeitlicher Hinsicht knüpft die Vorschrift an den Zeitpunkt der Aufwendung an, der hier mit der Zahlung der Miete an den Eigentümer zusammenfällt. Deswegen ist es aus rechtlichen Gründen ohne Relevanz, ob der Angeklagte die illegale Nutzung der Mietsache bereits bei Abschluss des Mietvertrags mit dem Eigentümer, also zeitlich weit im Vorfeld der geleisteten Aufwendungen, im Blick hatte.