Einziehung I: Untervermietung für „BtM-Plantage“, oder: Kein Abzug der Mietzahlung vom Wertersatz

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Author H. Zell

Seit der Änderungen der §§ 73 ff. StGB im Jahre 2017 sind die Fragen der Einziehung nicht „in aller Munde“, aber doch in sehr vielen Urteilen. Das hat damit zu tun, dass der Anwendungsbereich der Regelungen durch die Neuregelung doch erheblich ausgeweitet worden ist. Es gibt fast kaum noch BGH-Entscheidungen, in denen nicht zu Einziehungsfragen Stellung genommen wird. Im Übrigen: Spigelbildlich hat dann auch im Gebührenrecht die mit der Nr. 4142 VV RVG zusammenhängende Problematik an Bedeutung erheblich zugenommen.

Das vorausgeschickt. Und dann: Heute gibt es hier einen „Einziehungstag“.

Und den eröffne ich mit dem BGH, Urt .v. 16.05.2023 – 1 StR 345/22. Das LG hatte in dem Verfahren den Angeklagten wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt. Es hat ferner die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 43.200 EUR angeordnet. Gegen das Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt und sie auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützt. Auf diese Revision hat der BGH mit Beschluss vom 11.01.2023 die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der angeordneten Einziehung des Wertes von Taterträgen sowie über die Kosten des Rechtsmittels vorbehalten und die weitergehende Revision verworfen. Jetzt hatte er dann in der Sache nur noch die Anordnung der Einziehung von Wertersatz zu prüfen. Insoweit hatte die Revision (auch) keinen Erfolg:

„Das Landgericht hat – soweit für das Revisionsverfahren noch relevant – folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

Der Angeklagte, der seinen Lebensunterhalt u.a. mit der Untervermietung angemieteter Objekte verdiente, vermietete in der Zeit von Juli 2020 bis Februar 2021 eine Industriehalle sowie zwei angrenzende Wohnungen an den gesondert Verfolgten M., der – wie der Angeklagte von Anfang an wusste – die Halle zum Betrieb einer Marihuanaplantage und die Wohnungen zur Unterbringung der Plantagenarbeiter nutzte. Hierfür erhielt er von M. acht monatliche Mietzahlungen von je 5.400 € in bar, mithin 43.200 €. Die M. überlassenen Räumlichkeiten sowie zwei anderweitig vermietete Wohnungen hatte der Angeklagte zum Zwecke der Weitervermietung von dem Eigentümer angemietet. An diesen zahlte er im verfahrensgegenständlichen Zeitraum eine monatliche Miete von 5.800 €. Ob der Angeklagte bereits bei der Anmietung der Räumlichkeiten noch vor dem Jahr 2019 eine illegale Nutzung des Geländes im Blick hatte, hat das Landgericht nicht festgestellt.

II.

Die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 43.200 € nach § 73 Abs. 1, § 73c StGB hält rechtlicher Überprüfung stand.

a) Der Angeklagte hat die an ihn gezahlten Mietzahlungen in Höhe von 43.200 € als Tatlohn für seine Unterstützung der von M. betriebenen Marihuanaplantage und damit „für“ die Tat im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB erhalten. Da die konkret erhaltenen Geldscheine als solche beim Angeklagten nicht mehr vorhanden waren, hat das Landgericht zutreffend gemäß § 73c Satz 1 StGB die Einziehung eines Geldbetrages in Höhe der Belohnung angeordnet.

b) Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die vom Angeklagten an den Eigentümer geleisteten Mietzahlungen von dem einzuziehenden Betrag auch nicht abzuziehen sind, soweit sie auf die an M. untervermieteten Räumlichkeiten entfallen. Zwar sind die Mietzahlungen des Angeklagten an den Eigentümer Aufwendungen im Sinne des § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB, die bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten grundsätzlich in Abzug zu bringen sind; jedoch unterfallen diese Aufwendungen dem Abzugsverbot des § 73d Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 StGB. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts hängt die Abzugsfähigkeit nicht davon ab, ob der Angeklagte bereits bei Anmietung des Geländes eine illegale Nutzung bezweckte. Im Einzelnen:

aa) Bei der Bestimmung des Erlangten sind nach § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB Aufwendungen des Täters oder Teilnehmers abzuziehen. Aufwendungen in diesem Sinne sind alle geldwerten Leistungen, die zur Ermöglichung oder Durchführung der Tat aufgewendet werden. Der erbrachte Aufwand muss in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang gerade mit dem strafrechtswidrigen Erlangen des Vermögenswertes stehen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. November 2020 – 4 StR 387/20 Rn. 5, aber auch BGH, Urteil vom 30. März 2021 – 3 StR 474/19, BGHSt 66, 83 Rn. 73). Erforderlich ist ein innerer Zusammenhang mit Tat und Erwerbsakt (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung, BT-Drucks. 18/11640 S. 78; BGH, Urteil vom 19. August 2020 – 5 StR 558/19, BGHSt 65, 110 Rn. 84).

Demgegenüber sieht § 73d Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 StGB als Ausnahme von diesem Grundsatz vor, dass das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden ist, außer Betracht bleibt und damit einem Abzugsverbot unterfällt. Die Vorschrift beschreibt den Kern des „Bruttoprinzips“ (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung, BT-Drucks. 18/11640 S. 79). Mit dem Tatbestandsmerkmal „für“ wollte der Gesetzgeber in Anlehnung an § 817 Satz 2 BGB sicherstellen, dass (nur) das, was für ein verbotenes Geschäft aufgewendet wurde, unwiederbringlich verloren sein müsse (vgl. BT-Drucks. 18/9525 S. 67 f.; BGH, Urteil vom 1. Juli 2021 – 3 StR 518/19, BGHSt 66, 147 Rn. 64). Daraus folgt, dass die Handlung oder das Geschäft, das unmittelbar zur Vermögensmehrung führt, selbst verboten sein muss (BGH aaO). Fehlt dieser Zusammenhang, sind die Aufwendungen zu berücksichtigen. Aufwendungen für nicht zu beanstandende Leistungen werden damit in Abzug gebracht, selbst wenn sie demselben tatsächlichen Verhältnis wie der strafrechtlich missbilligte Vorgang entstammen (vgl. BT-Drucks. 18/9525 S. 67 f. mit Verweis auf BGH, Urteil vom 8. November 1979 – VII ZR 337/78, BGHZ 75, 299, 305).

bb) Gemessen an diesen Grundsätzen unterliegt der gesamte Wert des an den Angeklagten gezahlten Tatlohns der Einziehung. Zwar waren die Mietzahlungen des Angeklagten Aufwendungen im Sinne des § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB, die bei der Bestimmung des Erlangten grundsätzlich in Abzug zu bringen sind. Der erforderliche innere Zusammenhang mit Tat und Erwerbsakt ist gegeben. Der Angeklagte entrichtete seine monatlichen Mietzahlungen an den Eigentümer, indem er jeweils einen Teil der von M.       an ihn gezahlten Monatsmiete an diesen abführte (UA S. 10 und 51). Jedoch leistete er diese Aufwendungen – was in einem weiteren Schritt zu prüfen ist – „für“ die Tat, so dass sie dem Abzugsverbot des § 73d Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 StGB unterfallen. Ohne die Mietzahlungen an den Eigentümer wäre dem Angeklagten eine (weitere) Nutzungsüberlassung der Räumlichkeiten an M.       und damit die Förderung der Haupttat nicht möglich gewesen. Dass der Angeklagte als Teilnehmer der Haupttat seine Aufwendungen zur Unterstützung des – verbotenen – Handelsgeschäfts des M.       einem unbeteiligten Dritten zukommen ließ, ist insoweit ohne Belang. Nach dem Bruttoprinzip unterfallen auch derartige mittelbare Aufwendungen dem Abzugsverbot, solange sie – wie hier – im Sinne des § 73d Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 StGB für die vom Strafgesetz missbilligten Vorgänge aufgewendet werden.

Die Feststellungen belegen zudem, dass der von Anfang an über die tatsächliche Nutzung der Räumlichkeiten von M.      informierte Angeklagte die Aufwendungen auch willentlich und bewusst für das verbotene Geschäft einsetzte. Anders als der Generalbundesanwalt meint, kommt es nicht darauf an, ob der Angeklagte, der schon im Jahr 2018 einen Starkstromanschluss in die Halle legen ließ und gegenüber dem Voreigentümer vortäuschte, auf dem Gelände eine Lackiererei zu betreiben, die Räumlichkeiten vom Eigentümer bereits im Hinblick auf den späteren Betäubungsmittelhandel anmietete. Die Abzugsfähigkeit hängt nach § 73d Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 StGB allein von einer subjektiven Komponente („für“) ab, d.h. davon, ob die für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendeten oder eingesetzten Vermögenswerte „bewusst und willentlich“ (BT-Drucks. 18/9525 S. 68) getätigt wurden (vgl. BGH, Urteil vom 1. Juli 2021 – 3 StR 518/19, BGHSt 66, 147 Rn. 101). In zeitlicher Hinsicht knüpft die Vorschrift an den Zeitpunkt der Aufwendung an, der hier mit der Zahlung der Miete an den Eigentümer zusammenfällt. Deswegen ist es aus rechtlichen Gründen ohne Relevanz, ob der Angeklagte die illegale Nutzung der Mietsache bereits bei Abschluss des Mietvertrags mit dem Eigentümer, also zeitlich weit im Vorfeld der geleisteten Aufwendungen, im Blick hatte.

 

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