Archiv für den Monat: Januar 2023

Rechtsmittel III: Wirksame Rechtsmittelrücknahme?, oder: Bedeutung der Erklärung erkannt?

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Und dann als dritte Entscheidung noch der OLG Zweibrücken, Beschl. v. 24.05.2022 – 1 Ws 83/22, also auch schon etwas älter. Es geht um die Wirksamkeit der Rücknahme einer sofortigen Beschwerde durch einen gem. § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus Untergebrachten. Die Azsführungen des OLG haben über diesen Sachverhalt hinaus Bedeutung:

„1. Mit Beschluss vom 15.02.2022 hat die Große Strafvollstreckungskammer des Landgerichts die Fortdauer der Unterbringung des Untergebrachten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und bestimmt, dass die nächste Überprüfung gem. § 67e StGB bis spätestens 17.02.2023 erfolgen soll. Die Entscheidung ist Rechtsanwalt Z als (damaligen) Pflichtverteidiger des Untergebrachten am 14.03.2022 förmlich zugestellt worden. Mit am 21.03.2022 beim Landgericht eingegangenen Faxschreiben hat Rechtsanwalt Z sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung eingelegt. Nachdem der Untergebrachte durch den Berichterstatter der Strafvollstreckungskammer telefonisch über die Einlegung des Rechtsmittels informiert worden war, hat er mit Faxschreiben vom 23.03.2022 „das Rechtsmittel der Beschwerde, eingelegt durch Z“ zurückgenommen. Mit Verfügung vom 24.03.2022 hat der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer auf Antrag des Untergebrachten Rechtsanwalt Z entpflichtet und statt seiner Rechtsanwalt Y als Pflichtverteidiger bestellt. Mit Schriftsatz vom 10.04.2022 hat der ehemalige Pflichtverteidiger die Auffassung vertreten, seine Entpflichtung sei unwirksam und der Untergebrachte könne das durch ihn eingelegte Rechtsmittel nicht einseitig zurücknehmen. Das Landgericht hat sodann die Sache dem Senat zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde vorgelegt.

2. Die Rücknahme der sofortigen Beschwerde durch den Untergebrachten war wirksam (§ 302 Abs. 1 S. 1 StPO). Weil die Wirksamkeit der Rücknahme des Rechtsmittels durch den ehemaligen Pflichtverteidiger in Zweifel gestellt worden ist, war dies zur Klarstellung durch deklaratorischen Beschluss festzustellen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15.04.2015 – 1 StR 112/15, NStZ-RR 2016, 24 und vom 06.12.2016 – 4 StR 558/16, NStZ-RR 2017, 185). Der Senat lässt dabei offen, ob eine solche Klarstellung stets veranlasst ist, wenn die Zweifel durch einen – hier aufgrund zwischenzeitlicher Entpflichtung – nicht mehr unmittelbaren Verfahrensbeteiligten erhoben worden sind.

 Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Zuschrift vom 04.05.2022 hierzu zutreffend u.a. ausgeführt:

„An der Wirksamkeit der Beschwerderücknahme bestehen keine Zweifel. Der Verurteilte muss bei Abgabe einer Rechtsmittelrücknahmeerklärung hierzu in der Lage sein, seine Interessen vernünftig wahrzunehmen und bei hinreichender Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung die Bedeutung seiner Erklärung erkennen. Dies wird selbst durch eine – hier allerdings nicht vorliegende – Geschäfts- oder Schuldunfähigkeit nicht notwendig ausgeschlossen. Vielmehr ist von einer Unwirksamkeit der Rücknahmeerklärung erst auszugehen, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Rechtsmittelführer nicht dazu in der Lage war, die Bedeutung der von ihm abgegebenen Erklärung zu erfassen (BGH, Beschluss vom. 20.02.2017 ? 1 StR 552/16, NStZ 2017, 487). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Es sind vielmehr keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dem Verurteilten im Hinblick auf seinen geistigen Zustand die genügende Einsichtsfähigkeit für seine Prozesserklärung und deren Tragweite gefehlt hätte. Vielmehr belegen seine auch in der Vergangenheit gestellten Eingaben, dass der Verurteilte sehr wohl in der Lage ist, für seine Interessen einzutreten und dabei die Bedeutungen seiner Erklärungen zu erkennen.

An die danach wirksame Rücknahme der sofortigen Beschwerde ist der Verurteilte gebunden. Die Rücknahme des Rechtsmittels ist als Prozesserklärung grundsätzlich unwiderruflich und unanfechtbar. Die Rücknahmeerklärung führt zum Verlust des Rechtsmittels. Dem steht nicht entgegen, dass der (nunmehr ehemalige) Pflichtverteidiger an der durch ihn gegen den Beschluss des Landgerichts eingelegten sofortigen Beschwerde festhält. Rücknahmeberechtigt ist derjenige, der das Rechtsmittel eingelegt hat, wobei sich die Rücknahmeerklärung des Verurteilten stets auch auf das Rechtsmittel des Verteidigers erstreckt. Dass das Rechtsmittel vom Verteidiger eingelegt und begründet worden war, ist ohne Belang (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Auflage 2020, § 302 StPO Rn. 4, BGH, Beschluss vom 13. 06. 2006 – 4 StR 182/06, NStZ-RR 2007, 210). Es handelt sich um ein einheitliches Rechtsmittel des Verurteilten. Eine Rechtsmitteleinlegung gegen den ausdrücklichen Willen des Verurteilten kommt nicht in Betracht (vgl. § 297 StPO). Der Wille des Verurteilte ist allein maßgebend.

Die wirksame Rücknahme der sofortigen Beschwerde seitens des Verurteilten führt zum Verlust des Rechtsmittels und damit zur Rechtskraft der Entscheidung.“

 

Rechtsmittel II: Wirksame Berufungsbeschränkung, oder: Zwei tateinheitliche Verurteilungen….

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In der zweiten Entscheidung, die ebenfalls vom OLG Köln stammt, geht es noch einmal um die Wirksamkeit einer Berufungsbeschränkung auf den Rechfolgenausspruch.

Das AG Düren hat den Angeklagten wegen unerlaubten Umgangs mit gefährlichen Stoffen und Gütern in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz sowie wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu der unbedingten Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt. Seine hiergegen gerichtete, im Hauptverhandlungstermin auf die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs beschränkte Berufung hat das LG verworfen. Dagegen die Revision des Angeklagten.

Wegen der Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen verweise ich auf den verlinkten Volltext. Zur Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung führt das OLG im OLG Köln, Beschl. v. 12.08.2022 – III-1 RVs 101/22 – aus:

„b) Der Umstand, dass die getroffenen Feststellungen nur eine Strafbarkeit wegen unerlaubten Umgangs mit gefährlichen Stoffen, nicht aber eine solche wegen eines Verstoßes gegen das SprengG belegen, führt unter den hier obwaltenden Umständen dazu, dass der Beschränkung der Berufung für diese Tat die Wirksamkeit insgesamt zu versagen ist.

aa) Es ist anerkannt und wird auch in der Rechtsprechung des Senats so gesehen, dass ein bloßer Fehler bei der Subsumtion des Sachverhalts unter die maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen die Wirksamkeit der Beschränkung nicht grundsätzlich hindert, wenn nur auf der Grundlage der erstinstanzlich getroffenen Feststellungen eine wie auch immer geartete – wenn auch anders als vom Amtsgericht angenommene – Strafbarkeit besteht (SenE v. 22.02.2022 – III-1 RVs 20/22; SenE v. 12.03.2019 – III-1 RVs 49/19 -; SenE v. 30.10.2018 – III-1 RVs 214/18 –; SenE v. 02.12.2016 – III-1 RVs 235/16 -; KG Urt. v. 26.02.2020 – (3) 161 Ss 10/20 (8/20) = BeckRS 2020, 6518; OLG Hamburg VRS 123, 88; OLG Koblenz NStZ-RR 2008, 120; BeckOK-StPO-Eschelbach, 43. Edition Stand 01.04.2022, § 318 Rz. 19; MüKo-StPO-Quentin, § 318 Rz. 53; KK-StPO-Paul, 8. Auflage 2019, § 318 Rz. 7a; LR-StPO-Gössel, 26. Auflage 2012, § 318 Rz. 52; SK-StPO-Frisch, 5. Auflage 2016, § 318 Rz. 46b).

Dieser Grundsatz gilt namentlich auch dann, wenn das Amtsgericht das Konkurrenzverhältnis mehrerer Taten unzutreffend beurteilt hat (SenE v. 12.03.2019 – III-1 RVs 49/19 -; KG StV 2014, 78; OLG Hamm NStZ-RR 2010, 345; BayObLG NStZ 1998, 532). In diesen Fällen wird es freilich häufig so liegen, dass die unzutreffende konkurrenzrechtliche Bewertung nichts am materiellen Unrechts- und Schuldgehalt der Tat(en) ändert (anders aber OLG Karlsruhe B. v. 18.07.2017 – 2 Rv 8 Ss 348/17 = BeckRS 2017, 118456). Sollte sich dies im zu bewertenden Einzelfall einmal anders darstellen, könnten aus einem solchen Befund ggfs. aber auch Konsequenzen für die Frage der Wirksamkeit der erklärten Beschränkung gezogen werden.

Andererseits entspricht es der gefestigten Rechtsprechung des Senats, dass die erklärte Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch unwirksam sein kann, wenn die getroffenen Feststellungen zwar eine Strafbarkeit des Angeklagten belegen, diese aber ein Delikt mit günstigerem Strafrahmen als vom Amtsgericht angenommenen ergeben (SenE v. 22.01.1999 – Ss 616/98 = NStZ-RR 2000, 49; SenE v. 19.03.2010 – III-1 RVs 48/10; SenE v. 28.09.2021 – III-1 RVs 163/21; SenE v. 22.02.2022 – III-1 RVs 20/22). Der Senat sieht keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzugehen (anders aber etwa OLG Karlsruhe B. v. 18.07.2017 – 2 Rv 8 Ss 348/17 = BeckRS 2017, 118456; s. insoweit auch – für die Revisionsbeschränkung – BGH NStZ 2016, 733 [736 Tz. 35]).

Der hier zu beurteilende Fall liegt gleichsam „zwischen“ den bislang behandelten Konstellationen: Die amtsgerichtlichen Feststellungen, an die sich die Berufungsstrafkammer gebunden gesehen hat, belegen zwar nicht (auch) eine Strafbarkeit nach § 40 Abs. 1 Ziff. 2 SprengG, wohl aber eine solche (nur) nach § 328 Abs. 3 Ziff. 2 StGB. Insoweit ist dem Amtsgericht ein Fehler bei der Subsumtion des Sachverhalts unter die maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen unterlaufen. Die Strafe ist auch dem Tatbestand entnommen, dessen Vorliegen die Feststellungen belegen. Gleichwohl belastet den Angeklagten die unberechtigte Verurteilung nach einer Strafnorm hinsichtlich derer er – wäre sie allein zur Anklage gelangt – freizusprechen gewesen wäre. Das Landgericht ist zu seinen Lasten bei der Strafbemessung von einem zu hohen Schuldumfang ausgegangen, indem es dem Angeklagten die tateinheitliche Begehung zweier Delikte strafschärfend entgegenhält. Bei einer solchen Sachlage muss nach Auffassung des Senats dem Grundsatz Geltung verschafft werden, dass die Berufungsstrafkammer nicht an einen als falsch erkannten Schuldspruch gebunden sein soll (Senat NStZ 2000, 49; im Ergebnis ebenso OLG Saarbrücken NStZ 1997, 149). Für einen durchaus vergleichbaren Sachverhalt (Verurteilung wegen Diebstahls in Tateinheit mit Nötigung, während die – offenbar nicht ergänzungsfähigen – Feststellungen nur eine solche wegen versuchten Diebstahls in Tateinheit mit Nötigung trugen) ist auch das OLG Rostock (B. v. 29.10.2001 – 1 Ss 253/01 I 81/01 – bei Juris) von einer Unwirksamkeit der Beschränkung ausgegangen (anders aber OLG Karlsruhe B. v. 14.07.2017 – 2 Rv 8 Ss 420/17 – Juris; für Berücksichtigung im Rahmen der Strafzumessung OLG Oldenburg B. v. 08.01.2015 – 1 Ss 226/14 – Juris; krit hierzu wiederum HK-StPO-Rautenberg/Reichenbach, 6. Auflage 2018, § 318 Rz. 17).

Der Senat hat erwogen, dem Subsumtionsfehler dadurch Rechnung zu tragen, dass er die fehlerhafte tateinheitliche Verurteilung wegen des Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz im Wege einer Schuldspruchänderung in Fortfall geraten lässt. Hieran hat er sich jedoch dadurch gehindert gesehen, dass ggf. von Sonderkonstellationen (vgl. BGHSt. 19, BayOhlGSt 1968,119) abgesehen) –  bislang allgemein von der Unteilbarkeit des (Un)wirksamkeitsurteils ausgegangen wird.

c) Das angefochtene Urteil ist nach alledem hinsichtlich der Tat vom 2. Mai 2019 materiell-rechtlich unvollständig, weil die Berufungsstrafkammer, die sich – nach dem zuvor Dargestellten: zu Unrecht – an die amtsgerichtlichen Feststellungen gebunden gesehen hat, nicht in eigener Verantwortung Feststellungen zu dieser Tat getroffen hat…..“

Rechtsmittel I: Abwesenheits-HV statt Verwerfung, oder: Beruhen und Besserstellung

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Und dann heute drei Entscheidungen zu Rechtsmitteln, und zwar dreimal OLG.

Ich starte mit dem OLG Köln, Urt. v. 08.11.2022 – 1 RVs 116/22. Da hatte das Berufungsgericht in Abwesenheit des Angeklagten zur Sache, anstatt die Berufung gemäß § 329 Abs. 1 StPO zu verwerfen. Das war mit der Revision gerügt worden. Das OLG sagt: Die erhobene Verfahrensrüge ist nicht ausreichend begründet:

„Das Zulässigkeitsbedenken nicht unterliegende Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

1. Die Verfahrensrüge des § 338 Ziff. 5 StPO ist bereits nicht in zulässiger Weise ausgeführt.

a) Ihr liegt das folgende Verfahrensgeschehen zugrunde:

Für den Angeklagten hatte sich im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2021 Rechtsanwalt A als Verteidiger bestellt und angekündigt, in Kürze eine Vollmacht nachreichen zu wollen. Mit Beschluss vom 10. November 2021 ist er auf seinen Antrag zum Pflichtverteidiger des Angeklagten bestellt worden.

Im Termin zur Berufungshauptverhandlung vom 2. März 2022 war der Angeklagte nicht anwesend. Die Berufungshauptverhandlung ist durchgeführt worden, nachdem der Verteidiger eine Vollmacht vom 27. Oktober 2021 vorgelegt hatte.

b) Die Rüge genügt nicht den aus § 344 Abs. 2 S. 2 StPO sich ergebenden Begründungsanforderungen.

aa) Richtig ist zwar, dass ohne den Angeklagten eine Sachverhandlung nicht durchgeführt werden durfte. Mit der Beiordnung des bisherigen Wahlverteidigers als Pflichtverteidiger endet nämlich – entsprechend § 168 BGB – das Mandat. Bei fortbestehendem Willen des Angeklagten, sich von dem nunmehrigen Pflichtverteidiger vertreten zu lassen, ist die Erteilung einer neuen, den Anforderungen des § 329 StPO genügenden Vollmacht vonnöten (SenE v. 15.04.2016 – III-1 RVs 55/16 -; SenE v. 08.07.2016 – III-1 RVs 129/16; SenE v. 27.08.2021 – III-1 RVs 124/21 -). An einer solchen, nach Pflichtverteidigerbestellung erfolgten Bevollmächtigung fehlt es hier. Der Pflichtverteidiger durfte daher den Angeklagten in der Berufungshauptverhandlung nicht vertreten; seine Anwesenheit war nicht deswegen entbehrlich, weil er wirksam vertreten war.

bb) Dieser Umstand für sich genommen begründet freilich die erfolgreiche Rüge des § 338 Ziff. 5 StPO noch nicht.

(1) § 338 Ziff. 5 StPO sichert die Einhaltung derjenigen Vorschriften ab, die das Anwesenheitsrecht des Angeklagten, seine Teilnahme an der (Berufungs)Hauptverhandlung garantieren – namentlich hier die Vorschrift des § 230 Abs. 1 StPO (MüKo-StPO-Knauer/Kudlich, § 338 Rz. 84 m. N.). Die Vorschriften über die Anwesenheit des Angeklagten ihrerseits dienen der Wahrung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör und gewährleisten seine allseitige und umfassende Verteidigung (Meyer-Goßner/Schmitt-Schmitt, StPO, 65. Auflage 2022, § 230 Rz. 3). Eine Verhandlung ohne den Angeklagten birgt die Gefahr eines sachlich unrichtigen Urteils (vgl. SenE v. 05.10.2010 – III-1 RVs 179/10 -; SenE v. 21.06.2011 – III-1 RVs 145/11 -; SenE v. 22.11.2011 – III-1 RVs 275/11 -; SenE v. 12.03.2013 – III-1 RVs 21/13; SenE v. 06.03.2020 – III-1 RVs 38/20 -).

(2) Hätte die Berufungsstrafkammer aus dem Umstand, dass die Pflichtverteidigerbestellung nach Erteilung der Vollmacht erfolgt war, die zutreffenden prozessualen Konsequenzen gezogen, hätte sie die Berufung des Angeklagten gemäß § 329 Abs. 1 StPO ohne weitere Sachprüfung als unbegründet verwerfen müssen.

(3) Der oben skizzierte Zweck des § 338 Ziff. 5 StPO würde in sein Gegenteil verkehrt, wollte man annehmen, dass die Voraussetzungen dieser Vorschrift durch die Verfahrensweise der Berufungsstrafkammer erfüllt würden. Denn dadurch, dass die Berufungsstrafkammer in eine Sachverhandlung eingetreten ist, ist dem Angeklagten ein Mehr an rechtlichem Gehör zugewachsen, als dies im Falle der Berufungsverwerfung gemäß § 329 Abs. 1 StPO der Fall gewesen wäre. Der mit einer Vertretungsvollmacht ausgestattete Verteidiger gibt nämlich Erklärungen so ab, als rührten diese vom Angeklagten selbst her (s. nur OLG Hamm B. v. 24.11.2016 – 5 RVs 82/16 = BeckRS 2016, 111318 Tz. 19). Er kann damit – wie der Angeklagte selbst im Falle seiner Anwesenheit – Einfluss auf den Gang der Berufungshauptverhandlung und die Entscheidung des Gerichts nehmen.

Diese schon generell gegebene Möglichkeit der Einflussnahme aufgrund der Wahrnehmung des rechtlichen Gehörs durch den – so (also über die bloße Verteidigerstellung hinaus) hierzu freilich nicht ermächtigten – Verteidiger wird im vorliegenden Fall umso mehr sinnfällig, als die Berufungsstrafkammer eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung vorgenommen hat, die zugunsten des Angeklagten zu einer straffen Zusammenziehung der Einzelstrafen geführt hat und zu der es im Falle der Berufungsverwerfung gemäß § 329 Abs. 1 StPO nur im nachträglichen Beschlussverfahren gemäß § 460 StPO – mit ungewissem Ausgang – hätte kommen können.

Die prozessordnungswidrige Verfahrensweise der Berufungsstrafkammer hat hier also im Ergebnis dazu geführt, dass der Angeklagte nicht nur potentiell, sondern auch tatsächlich bessergestellt worden ist, als er gestanden hätte, hätte die Berufungsstrafkammer aus der zwischenzeitlichen Pflichtverteidigerbestellung die zutreffenden Konsequenzen gezogen.

(4) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass die Reichweite der absoluten Revisionsgründe des § 338 StPO dann einzuschränken sein kann, wenn ein Beruhen des Urteils auf der Rechtsverletzung denkgesetzlich ausgeschlossen ist. Das wird für den Fall des § 338 Ziff. 5 StPO etwa dann angenommen, wenn die Abwesenheit einen nur unwesentlichen Teil der Hauptverhandlung betrifft (BGH NStZ 2011, 233).

Von einem im strengen Sinne denkgesetzlichen Ausschluss des Beruhens wird man im vorliegenden Fall nicht ausgehen können. Dass im Falle prozessordnungsgemäßen Vorgehens der Berufungsstrafkammer zu erlassende Verwerfungsurteil hätte nämlich dann nicht ergehen dürfen bzw. hätte mit der Revision oder dem Antrag auf Wiedereinsetzung dann erfolgreich angegriffen werden können, wenn – etwa – der Angeklagte genügend entschuldigt gewesen wäre. Das hätte ihm gegebenenfalls eine Sachverhandlung nunmehr in seiner Anwesenheit eröffnet. Wäre von einer solchen Sachlage auszugehen, würde das in Abwesenheit des Angeklagten ergangene Sachurteil auch zu seinem Nachteil auf dem Übergehen der nachträglichen Pflichtverteidigerbestellung beruhen können.

Zu der danach inmitten stehenden Frage, was geschehen wäre, hätte die Berufungsstrafkammer auf die zwischenzeitliche Pflichtverteidigerbestellung und die sich aus ihr ergebenden Konsequenzen hingewiesen, schweigt die Revisionsbegründung indessen. Grundsätzlich ist der Revisionsführer zwar zu Ausführungen zur Beruhensfrage nicht gehalten (BGH NStZ 2013, 536). Hier verhält es sich jedoch anders: So wie sich das Verfahrensgeschehen nach dem Vortrag in der Revisionsbegründung darstellt, gelten die vorstehend dargestellten Überlegungen uneingeschränkt. Wollte man zu einer abweichenden Sichtweise gelangen, bedürfte es Vortrag, der nach Lage der Dinge ausschließlich aus der Sphäre des Angeklagten stammen könnte und dann eben – ausnahmsweise – die Frage beträfe, ob das angefochtene Urteil auf der prozessordnungswidrigen Verfahrensweise der Berufungsstrafkammer beruht.

 

Strafzumessung III: Die Impfausweisfälschung …., oder: …. die Allgemeinheit gefährdende Urkundenfälschung

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Und als dritte Entscheidung dann noch OLG Karlsruhe, Beschl. v. 24.11.2022 – 3 Rv 32 Ss 675/22 – zur Bemessung einer Geldstrafe. Verurteilt worden ist der Angeklagtre offenabr wegen einer Impfausweisfälschung (durch einen Heranwachsenden [?]). Das OLG hat gegen die Strafzumessung des LG keine Bedenken:

„Ergänzend weist der Senat in Hinblick auf das Revisionsvorbringen auf Folgendes hin:

1. Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Seine Aufgabe ist es, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und die belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Das Revisionsgericht darf die Gesamtwürdigung nicht selbst vornehmen, sondern nur nachprüfen, ob dem Tatrichter bei seiner Entscheidung ein Rechtsfehler unterlaufen ist. Ein Eingriff des Revisionsgerichts ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung gelöst hat, gerechter Schuldausgleich zu sein. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle der Strafbemessung ist dagegen ausgeschlossen. In Zweifelsfällen muss das Revisionsgericht die vom Tatrichter vorgenommene Bewertung bis an die Grenze des Vertretbaren hinnehmen (BeckOK-von Heintschel-Heinegg, StGB, Stand 1.8.2022, Rdn. 167 zu § 46).

2. Unter Berücksichtigung dieses Maßstabes ist gegen die Höhe der Geldstrafe im vorliegenden Fall nichts zu bemerken. Das Landgericht hat eine individuelle Abwägung der Strafzumessungsgesichtspunkte vorgenommen. Die Höhe der Geldstrafe ist auch nicht unverhältnismäßig, denn die verhängte Strafe hat sich weder nach oben noch nach unten von ihrer Bestimmung gelöst, gerechter Schuldausgleich zu sein, sondern liegt immer noch am unteren Ende des Strafrahmens. Entgegen der Auffassung des Verteidigers hat das Landgericht nicht pauschal „ohne Rücksicht auf die jeweilige Person“ eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen verhängt, sondern eine Strafzumessung im Einzelfall durchgeführt.

Soweit das Landgericht bei der Strafzumessung die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind (§ 46 Abs. 1 Satz 2 StGB), nicht als bestimmende Strafzumessungserwägung erörtert hat, ist auch dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Zwar sind strafmildernd in der Regel besondere berufliche Folgen zu berücksichtigen, die sich aus der Verurteilung für den Angeklagten ergeben, allerdings sind diese nur dann ausdrücklich anzuführen, wenn der Täter durch die beruflichen Nebenwirkungen einer strafrechtlichen Verurteilung seine berufliche oder wirtschaftliche Basis verliert, insbesondere bei drohender standesrechtlicher Ahndung, beamtenrechtlichen Nebenfolgen, drohender Untersagung der Berufsausübung, drohendem Widerruf der Approbation oder Verlust des Pensionsanspruchs (BeckOK-von Heintschel-Heinegg, a.a.O., Rdn. 71 zu § 46; BGH, NStZ 2013, 522; BeckRS 2015, 17563; NStZ-RR 2022, 133; OLG Frankfurt, StraFo 2018, 161). Entsprechende berufliche Folgen sind vorliegend für den Angeklagten nicht zu erwarten.

Auch die Entscheidung des OLG Nürnberg (StV 2006, 694), wonach bei einem sich noch in der Berufsausbildung befindlichen Heranwachsenden eine Auseinandersetzung mit den Auswirkungen einer strafrechtlichen Eintragung im Führungszeugnis auf zukünftige Bewerbungen erforderlich ist, führt vorliegend zu keiner anderen Bewertung. Ausweislich des angefochtenen Urteils hat der Angeklagte bereits eine Berufsausbildung zum Friseur mit anschließender Meisterprüfung absolviert. Für die seit einem Jahr – nach einer beruflichen Umorientierung – ausgeübte Tätigkeit als ungelernter Verkäufer erscheint eine eintragungsfähige Verurteilung ebenfalls nicht ausschlaggebend.

Entgegen der Auffassung der Verteidigung ist die Fälschung eines Impfausweises auch nicht zwangsläufig mit anderen, mit einer niedrigeren Geldstrafe geahndeten Fällen der Urkundenfälschung vergleichbar. Vielmehr handelt es sich um eine die Allgemeinheit in der Corona-Pandemie gefährdende Urkundenfälschung, weil mittels eines gefälschten Impfpasses für Nichtgeimpfte geltende Kontaktbeschränkungen umgangen werden konnten, obwohl ein – mit höherer Wahrscheinlichkeit infolge der Impfungen – bestehender Schutz vor schweren Verläufen bei einer Covid-19-Erkrankung nicht gegeben war und damit eine erheblich höheres Risiko bestand, dass im Falle einer Erkrankung eine intensivmedizinische Behandlung – mit der weiteren Folge einer Überlastung der gesamten stationären Gesundheitsversorgung – notwendig werden würde.

Strafe II: Staatliche Mitverantwortung für Straftaten, oder: Kann das ein Strafzumessungsgrund sein?

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Die zweite Entscheidung kommt mit dem OLG Hamm, Beschl. v. 06.12.2022 – 5 RVs 103/22 – vom OLG Hamm. Das nimmt zur staatliche Mitverantwortung für Straftaten als Strafzumessungsgrund Stellung. Es geht also um die Frage, ob eine Strafmilderung geboten sein kann, wenn durch wiederholte Nichtahndung oder nicht nachvollziehbare milde Sanktionierung früherer vom Angeklagten begangener Straftaten bei diesem vor der Begehung der aktuell abzuurteilenden Tat der Eindruck entstehen konnte, dass seine Taten nicht nachhaltig verfolgt werden bzw. ihm nichts oder nichts Gravierendes passieren kann.

Das OLG meint dazu in einem Zusatz:

„Näherer Erörterung bedarf nur Folgendes:

1. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe auch jenseits des gesetzlichen Mindestmaßes des § 38 Abs. 2 StGB (hier: vier Monate) bei Diebstahlstaten mit bagatellartigem Schaden (hier: 11 Euro), ist rechtlich zulässig. Die Schadenshöhe ist bei Diebstahlstaten zwar ein wesentlicher bestimmender Strafzumessungsgesichtspunkt. Ob aber eine das gesetzliche Mindestmaß überschreitende Freiheitsstrafe das Übermaßverbot verletzt, hängt von einer Gesamtschau aller strafzumessungsrelevanten Gesichtspunkte ab (vgl. nur: OLG Hamm, Urt. v. 21.10.2014 – III – 1 RVs 82/14 – juris m.w.N.). Vor dem Hintergrund der (allein) vom Berufungsgericht berücksichtigten letzten drei – weitgehend wegen einschlägiger Delikte verhängten -Vorstrafen, der Tatbegehung in laufender Bewährungszeit und der Tatbegehung nur drei Monate nach der letzten Verurteilung, ist das Übermaßverbot auch angesichts des geringen Schadens, des Geständnisses und der Tatumstände (quengelndes Kind) sowie des drohenden Bewährungswiderrufs mit der Verhängung der vollstreckbaren Freiheitsstrafe von vier Monaten noch nicht verletzt.

2. Die Berufungsstrafkammer war auch (noch) nicht gehalten, eine Strafmilderung unter dem Gesichtspunkt eines unzureichenden konsequenten Einschreitens der zur Strafverfolgung berufenen Organe in früheren gegen den Angeklagten geführten Verfahren zu erörtern.

Die staatliche Mitverantwortung für Straftaten kann ein bestimmender Strafzumessungrund sein, wenn sie über eine bloße kausale Mitverursachung hinausgeht (BGH NStZ-RR 2009, 167). Im Einzelfall kann unter besonderen Umständen eine Strafmilderung dann geboten sein, wenn ein früheres Einschreiten der Strafverfolgungsbehörden unabweisbar geboten gewesen wäre, wobei allerdings grundsätzlich kein Anspruch des Angeklagten darauf besteht, dass die Strafverfolgungsbehörden rechtzeitig gegen ihn einschreiten (vgl. BGH, Beschl. v. 14.12.2010 – 1 StR 275/10 – juris). Der Senat hält diese Rechtsprechung, die sich auf einen Fall bezog, in dem die entsprechende (Finanz-)Behörde gegen ihr bekannte Steuervergehen in einer dem dortigen Angeklagten erkennbaren Weise zunächst nicht eingeschritten ist, für übertragbar auch auf den Fall, dass gegen einen Straftäter seitens der zur Strafverfolgung berufenen Organe trotz vielfacher wiederholter Begehung von Straftaten eine kaum spürbare Sanktion verhängt wird oder gar keine Sanktionierung seiner Taten erfolgt. Der hinter der geschilderten Rechtsprechung erkennbar stehende Gedanke, dass durch ein nicht frühzeitiges Einschreiten ein Anreiz zur Fortführung der Taten bzw. Anreiz zur Begehung neuer Taten geschaffen wird oder die Taten zumindest erleichtert werden, gilt auch hier. Wird bei einer wiederholten Begehung von Straftaten keine Sanktion (etwa bei einer auflagenlosen Einstellung nach Opportunitätsgrundsätzen) oder eine unverständlich milde Sanktion verhängt, kann bei dem Täter der Eindruck entstehen, dass seine Taten nicht nachhaltig verfolgt bzw. ihm nichts oder nichts Gravierendes passieren könne. Eine Strafmilderung unter diesem Gesichtspunkt ist freilich eine Ausnahme. Nicht jede zu milde Ahndung einer früheren Tat oder eine Verfahrenseinstellung nach Opportunitätsgrundsätzen gebietet eine entsprechende Erörterung im Rahmen der St rafzumessung (vgl. BGH a.a.O.).

Die Feststellungen zu den Vorstrafen des Angeklagten bzw. zu den ihn betreffenden Eintragungen im Bundeszentralregister im angefochtenen Urteil ergeben, dass er (möglicherweise) bereits im Juni 2015 und im Januar 2016 zu Geldstrafen wegen Leistungserschleichung und wegen Diebstahls verurteilt worden war. Diese Verurteilungen sollen im April 2016 in eine Jugendstrafe von sechs Monaten einbezogen worden sein, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und die im Oktober 2018 erlassen wurde. Im Oktober 2016 wurde sodann von der Verfolgung einer Leistungserschleichung, im Januar 2017 von der Verfolgung eines Diebstals und im April 2017 von der Verfolgung zweier Leistungserschleichungen jeweils nach § 45 Abs. 1 JGG abgesehen. Im Juni 2019 wurde der Angeklagte dann wegen Leistungserschleichung und wegen Diebstahls zu einer Bewährungsstrafe von fünf Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Aus dieser Strafe und der Freiheitsstrafe von neun Monaten (ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt) wegen Diebstahls mit Waffen aus Juli 2019 wurde im November nachträglich eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat (mit Bewährung) gebildet. Schließlich wurde der Angeklagte im Februar 2021 zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten wegen Diebstahls und Beleidigung verurteilt. Dabei bleibt allerdings letztlich unklar, welche Vorverurteilungen aus der Zeit vor 2019 tatsächlich zu Grunde zu legen sind, oder ob hier Eintragungen bereits getilgt wurden, denn im angefochtenen Urteil werden die Vorahndungen teils als Eintragungen im Bundeszentralregister, teils bloß als Wiedergabe der Feststellungen zur Person aus einem früheren Erkenntnis dargestellt, welche (offenbar) nicht (mehr?) im Bundeszentralregister enthalten sind. Dies bedarf aber keiner weiteren Klärung.

Dass das Berufungsgericht keine Strafmilderung unter dem o.g. Aspekt erörtert hat, ist letztlich rechtlich nicht zu beanstanden. Auf den ersten Blick könnte zwar der oben dargestellte Sachverhalt dafür sprechen, dass ein für den Angeklagten spürbares Einschreiten der Strafverfolgungsorgane zu einem früheren Zeitpunkt unabweisbar geboten gewesen sein könnte, wenn man betrachtet, dass drei Verfahren nach § 45 Abs.1 JGG eingestellt worden sind, als der Angeklagte (womöglich) schon in anderer Sache unter Bewährung gestanden haben soll, und hernach als Reaktion auf neue Verfehlungen (immer) wieder erneut verhängte Freiheitsstrafen zur Bewährung ausgesetzt wurden. Für ein solches Vorgehen mag es im Einzelfall Gründe gegeben haben, die aber im angefochtenen Urteil nicht benannt werden. So mag es sein, dass die Verfahrenseinstellungen Taten betrafen, die keinen Bewährungsbruch darstellten etc. Ohne nähere Darlegung ist diese Sanktionierungspraxis allerdings schlechthin nicht nachvollziehbar und könnte in dem Angeklagten den Eindruck erweckt haben, dass die Begehung von Straftaten keine spürbaren Konsequenzen nach sich ziehe. Andererseits ist zu sehen, dass der Angeklagte in den Bewährungsverfahren, die auf den Verurteilungen aus dem Jahr 2019 beruhen, Arbeitsauflagen abzuleisten hatte und diese auch tatsächlich abgeleistet hat. Selbst, wenn es also tatsächlich so gewesen sein sollte, dass der Angeklagte in den Jahren 2016/2017, unter laufender Bewährung stehend, in den Genuss dreier Verfahrenseinstellungen nach § 45 Abs. 1 JGG gekommen ist, so ist es im vorliegenden Fall doch nicht so, dass er vor der jetzt abgeurteilten Tat noch gar keine spürbare Sanktion erhalten hat, die zu einem irrtümlichen Eindruck bei dem Angeklagten, die (wiederholte) Begehung von Straftaten (und auch die Begehung der nunmehr abgeurteilten Tat) werde nicht nachhaltig ge ahndet, hätte führen können.“