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Rechtsmittel II: Wirksame Berufungsbeschränkung, oder: Zwei tateinheitliche Verurteilungen….

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In der zweiten Entscheidung, die ebenfalls vom OLG Köln stammt, geht es noch einmal um die Wirksamkeit einer Berufungsbeschränkung auf den Rechfolgenausspruch.

Das AG Düren hat den Angeklagten wegen unerlaubten Umgangs mit gefährlichen Stoffen und Gütern in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz sowie wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu der unbedingten Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt. Seine hiergegen gerichtete, im Hauptverhandlungstermin auf die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs beschränkte Berufung hat das LG verworfen. Dagegen die Revision des Angeklagten.

Wegen der Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen verweise ich auf den verlinkten Volltext. Zur Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung führt das OLG im OLG Köln, Beschl. v. 12.08.2022 – III-1 RVs 101/22 – aus:

„b) Der Umstand, dass die getroffenen Feststellungen nur eine Strafbarkeit wegen unerlaubten Umgangs mit gefährlichen Stoffen, nicht aber eine solche wegen eines Verstoßes gegen das SprengG belegen, führt unter den hier obwaltenden Umständen dazu, dass der Beschränkung der Berufung für diese Tat die Wirksamkeit insgesamt zu versagen ist.

aa) Es ist anerkannt und wird auch in der Rechtsprechung des Senats so gesehen, dass ein bloßer Fehler bei der Subsumtion des Sachverhalts unter die maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen die Wirksamkeit der Beschränkung nicht grundsätzlich hindert, wenn nur auf der Grundlage der erstinstanzlich getroffenen Feststellungen eine wie auch immer geartete – wenn auch anders als vom Amtsgericht angenommene – Strafbarkeit besteht (SenE v. 22.02.2022 – III-1 RVs 20/22; SenE v. 12.03.2019 – III-1 RVs 49/19 -; SenE v. 30.10.2018 – III-1 RVs 214/18 –; SenE v. 02.12.2016 – III-1 RVs 235/16 -; KG Urt. v. 26.02.2020 – (3) 161 Ss 10/20 (8/20) = BeckRS 2020, 6518; OLG Hamburg VRS 123, 88; OLG Koblenz NStZ-RR 2008, 120; BeckOK-StPO-Eschelbach, 43. Edition Stand 01.04.2022, § 318 Rz. 19; MüKo-StPO-Quentin, § 318 Rz. 53; KK-StPO-Paul, 8. Auflage 2019, § 318 Rz. 7a; LR-StPO-Gössel, 26. Auflage 2012, § 318 Rz. 52; SK-StPO-Frisch, 5. Auflage 2016, § 318 Rz. 46b).

Dieser Grundsatz gilt namentlich auch dann, wenn das Amtsgericht das Konkurrenzverhältnis mehrerer Taten unzutreffend beurteilt hat (SenE v. 12.03.2019 – III-1 RVs 49/19 -; KG StV 2014, 78; OLG Hamm NStZ-RR 2010, 345; BayObLG NStZ 1998, 532). In diesen Fällen wird es freilich häufig so liegen, dass die unzutreffende konkurrenzrechtliche Bewertung nichts am materiellen Unrechts- und Schuldgehalt der Tat(en) ändert (anders aber OLG Karlsruhe B. v. 18.07.2017 – 2 Rv 8 Ss 348/17 = BeckRS 2017, 118456). Sollte sich dies im zu bewertenden Einzelfall einmal anders darstellen, könnten aus einem solchen Befund ggfs. aber auch Konsequenzen für die Frage der Wirksamkeit der erklärten Beschränkung gezogen werden.

Andererseits entspricht es der gefestigten Rechtsprechung des Senats, dass die erklärte Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch unwirksam sein kann, wenn die getroffenen Feststellungen zwar eine Strafbarkeit des Angeklagten belegen, diese aber ein Delikt mit günstigerem Strafrahmen als vom Amtsgericht angenommenen ergeben (SenE v. 22.01.1999 – Ss 616/98 = NStZ-RR 2000, 49; SenE v. 19.03.2010 – III-1 RVs 48/10; SenE v. 28.09.2021 – III-1 RVs 163/21; SenE v. 22.02.2022 – III-1 RVs 20/22). Der Senat sieht keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzugehen (anders aber etwa OLG Karlsruhe B. v. 18.07.2017 – 2 Rv 8 Ss 348/17 = BeckRS 2017, 118456; s. insoweit auch – für die Revisionsbeschränkung – BGH NStZ 2016, 733 [736 Tz. 35]).

Der hier zu beurteilende Fall liegt gleichsam „zwischen“ den bislang behandelten Konstellationen: Die amtsgerichtlichen Feststellungen, an die sich die Berufungsstrafkammer gebunden gesehen hat, belegen zwar nicht (auch) eine Strafbarkeit nach § 40 Abs. 1 Ziff. 2 SprengG, wohl aber eine solche (nur) nach § 328 Abs. 3 Ziff. 2 StGB. Insoweit ist dem Amtsgericht ein Fehler bei der Subsumtion des Sachverhalts unter die maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen unterlaufen. Die Strafe ist auch dem Tatbestand entnommen, dessen Vorliegen die Feststellungen belegen. Gleichwohl belastet den Angeklagten die unberechtigte Verurteilung nach einer Strafnorm hinsichtlich derer er – wäre sie allein zur Anklage gelangt – freizusprechen gewesen wäre. Das Landgericht ist zu seinen Lasten bei der Strafbemessung von einem zu hohen Schuldumfang ausgegangen, indem es dem Angeklagten die tateinheitliche Begehung zweier Delikte strafschärfend entgegenhält. Bei einer solchen Sachlage muss nach Auffassung des Senats dem Grundsatz Geltung verschafft werden, dass die Berufungsstrafkammer nicht an einen als falsch erkannten Schuldspruch gebunden sein soll (Senat NStZ 2000, 49; im Ergebnis ebenso OLG Saarbrücken NStZ 1997, 149). Für einen durchaus vergleichbaren Sachverhalt (Verurteilung wegen Diebstahls in Tateinheit mit Nötigung, während die – offenbar nicht ergänzungsfähigen – Feststellungen nur eine solche wegen versuchten Diebstahls in Tateinheit mit Nötigung trugen) ist auch das OLG Rostock (B. v. 29.10.2001 – 1 Ss 253/01 I 81/01 – bei Juris) von einer Unwirksamkeit der Beschränkung ausgegangen (anders aber OLG Karlsruhe B. v. 14.07.2017 – 2 Rv 8 Ss 420/17 – Juris; für Berücksichtigung im Rahmen der Strafzumessung OLG Oldenburg B. v. 08.01.2015 – 1 Ss 226/14 – Juris; krit hierzu wiederum HK-StPO-Rautenberg/Reichenbach, 6. Auflage 2018, § 318 Rz. 17).

Der Senat hat erwogen, dem Subsumtionsfehler dadurch Rechnung zu tragen, dass er die fehlerhafte tateinheitliche Verurteilung wegen des Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz im Wege einer Schuldspruchänderung in Fortfall geraten lässt. Hieran hat er sich jedoch dadurch gehindert gesehen, dass ggf. von Sonderkonstellationen (vgl. BGHSt. 19, BayOhlGSt 1968,119) abgesehen) –  bislang allgemein von der Unteilbarkeit des (Un)wirksamkeitsurteils ausgegangen wird.

c) Das angefochtene Urteil ist nach alledem hinsichtlich der Tat vom 2. Mai 2019 materiell-rechtlich unvollständig, weil die Berufungsstrafkammer, die sich – nach dem zuvor Dargestellten: zu Unrecht – an die amtsgerichtlichen Feststellungen gebunden gesehen hat, nicht in eigener Verantwortung Feststellungen zu dieser Tat getroffen hat…..“