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Rechtsmittel III: Wirksame Rechtsmittelrücknahme?, oder: Bedeutung der Erklärung erkannt?

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Und dann als dritte Entscheidung noch der OLG Zweibrücken, Beschl. v. 24.05.2022 – 1 Ws 83/22, also auch schon etwas älter. Es geht um die Wirksamkeit der Rücknahme einer sofortigen Beschwerde durch einen gem. § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus Untergebrachten. Die Azsführungen des OLG haben über diesen Sachverhalt hinaus Bedeutung:

„1. Mit Beschluss vom 15.02.2022 hat die Große Strafvollstreckungskammer des Landgerichts die Fortdauer der Unterbringung des Untergebrachten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und bestimmt, dass die nächste Überprüfung gem. § 67e StGB bis spätestens 17.02.2023 erfolgen soll. Die Entscheidung ist Rechtsanwalt Z als (damaligen) Pflichtverteidiger des Untergebrachten am 14.03.2022 förmlich zugestellt worden. Mit am 21.03.2022 beim Landgericht eingegangenen Faxschreiben hat Rechtsanwalt Z sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung eingelegt. Nachdem der Untergebrachte durch den Berichterstatter der Strafvollstreckungskammer telefonisch über die Einlegung des Rechtsmittels informiert worden war, hat er mit Faxschreiben vom 23.03.2022 „das Rechtsmittel der Beschwerde, eingelegt durch Z“ zurückgenommen. Mit Verfügung vom 24.03.2022 hat der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer auf Antrag des Untergebrachten Rechtsanwalt Z entpflichtet und statt seiner Rechtsanwalt Y als Pflichtverteidiger bestellt. Mit Schriftsatz vom 10.04.2022 hat der ehemalige Pflichtverteidiger die Auffassung vertreten, seine Entpflichtung sei unwirksam und der Untergebrachte könne das durch ihn eingelegte Rechtsmittel nicht einseitig zurücknehmen. Das Landgericht hat sodann die Sache dem Senat zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde vorgelegt.

2. Die Rücknahme der sofortigen Beschwerde durch den Untergebrachten war wirksam (§ 302 Abs. 1 S. 1 StPO). Weil die Wirksamkeit der Rücknahme des Rechtsmittels durch den ehemaligen Pflichtverteidiger in Zweifel gestellt worden ist, war dies zur Klarstellung durch deklaratorischen Beschluss festzustellen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15.04.2015 – 1 StR 112/15, NStZ-RR 2016, 24 und vom 06.12.2016 – 4 StR 558/16, NStZ-RR 2017, 185). Der Senat lässt dabei offen, ob eine solche Klarstellung stets veranlasst ist, wenn die Zweifel durch einen – hier aufgrund zwischenzeitlicher Entpflichtung – nicht mehr unmittelbaren Verfahrensbeteiligten erhoben worden sind.

 Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Zuschrift vom 04.05.2022 hierzu zutreffend u.a. ausgeführt:

„An der Wirksamkeit der Beschwerderücknahme bestehen keine Zweifel. Der Verurteilte muss bei Abgabe einer Rechtsmittelrücknahmeerklärung hierzu in der Lage sein, seine Interessen vernünftig wahrzunehmen und bei hinreichender Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung die Bedeutung seiner Erklärung erkennen. Dies wird selbst durch eine – hier allerdings nicht vorliegende – Geschäfts- oder Schuldunfähigkeit nicht notwendig ausgeschlossen. Vielmehr ist von einer Unwirksamkeit der Rücknahmeerklärung erst auszugehen, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Rechtsmittelführer nicht dazu in der Lage war, die Bedeutung der von ihm abgegebenen Erklärung zu erfassen (BGH, Beschluss vom. 20.02.2017 ? 1 StR 552/16, NStZ 2017, 487). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Es sind vielmehr keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dem Verurteilten im Hinblick auf seinen geistigen Zustand die genügende Einsichtsfähigkeit für seine Prozesserklärung und deren Tragweite gefehlt hätte. Vielmehr belegen seine auch in der Vergangenheit gestellten Eingaben, dass der Verurteilte sehr wohl in der Lage ist, für seine Interessen einzutreten und dabei die Bedeutungen seiner Erklärungen zu erkennen.

An die danach wirksame Rücknahme der sofortigen Beschwerde ist der Verurteilte gebunden. Die Rücknahme des Rechtsmittels ist als Prozesserklärung grundsätzlich unwiderruflich und unanfechtbar. Die Rücknahmeerklärung führt zum Verlust des Rechtsmittels. Dem steht nicht entgegen, dass der (nunmehr ehemalige) Pflichtverteidiger an der durch ihn gegen den Beschluss des Landgerichts eingelegten sofortigen Beschwerde festhält. Rücknahmeberechtigt ist derjenige, der das Rechtsmittel eingelegt hat, wobei sich die Rücknahmeerklärung des Verurteilten stets auch auf das Rechtsmittel des Verteidigers erstreckt. Dass das Rechtsmittel vom Verteidiger eingelegt und begründet worden war, ist ohne Belang (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Auflage 2020, § 302 StPO Rn. 4, BGH, Beschluss vom 13. 06. 2006 – 4 StR 182/06, NStZ-RR 2007, 210). Es handelt sich um ein einheitliches Rechtsmittel des Verurteilten. Eine Rechtsmitteleinlegung gegen den ausdrücklichen Willen des Verurteilten kommt nicht in Betracht (vgl. § 297 StPO). Der Wille des Verurteilte ist allein maßgebend.

Die wirksame Rücknahme der sofortigen Beschwerde seitens des Verurteilten führt zum Verlust des Rechtsmittels und damit zur Rechtskraft der Entscheidung.“