Archiv für den Monat: Juli 2022

beA II: Insolvenzverfahren bzw. Zustellungsauftrag, oder: Auch da gilt die aktive Nutzungspflicht

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Und dann noch zwei Entscheidungen zum beA/elektronischen Dokument, die nicht aus dem Straf-/Bußgeldverfahren stammen, sondern aus dem Insolvenzverfahren, und zwar:

    1. Auch der durch einen Rechtsanwalt als Bevollmächtigter des Schuldners eingereichte Eigenantrag unterliegt dem Formerfordernis gemäß §§ 4 InsO, 130d, 130a ZPO.
    2. Wird ein elektronisches Dokument nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen, so bedarf es neben der Übermittlung auf einem sicherem Übertragungsweges auch einer einfachen Signatur der verantwortenden Person.
    3. Eine solche Signatur erfordert zumindest die Wiedergabe des Namens der zu verantwortenden Person am Ende des Textes. Eine Übersendung aus dem elektronischen Anwaltspostfach des Bevollmächtigten genügt dafür nicht.

§ 130d ZPO gilt für alle vorbereitenden Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen und damit im Zivilprozess umfassend für die gesamte schriftliche Kommunikation mit dem Gericht. Die Vorschrift umfasst nach der Begründung des Gesetzgebers nicht nur das Erkenntnisverfahren im ersten Rechtszug, sondern umfasst alle anwaltlichen schriftlichen Anträge und Erklärungen nach der ZPO, also auch Zustellungsaufträge.

beA I: Elektronisches Dokument und Selbstverteidiger, oder: Ausreichende Begründung der Ersatzeinreichung

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Heute ist Samstag und damit „Kessel-Buntes-Tag“. Und in dem Kessel liegen heute mal wieder beA-Entscheidungen. Wegen der Berichterstattung dazu müssen den verkehrszivilrechtlichen Entscheidungen ein wenig zurückstehen, aber das hole ich wieder auf 🙂 .

Zunächst hier zwei Entscheidungen aus dem Straf-/Bußgeldverfahren, nämlich:

In dem dem OLG Brandenburg, Beschl. v. 13.06.2022 – 1 OLG 53 Ss-OWi 149/22 – zugrunde liegenden Bußgeldverfahren hat der Betroffene, ein Rechtsanwalt, der sich selbst verteidigt hat, die Rechtbeschwerde per Fax bzw. auf dem Postwege eingereicht. Das geht nicht, meint das OLG:

„Die Rechtsbeschwerde erweist sich bereits als unzulässig, da die Rechtsbeschwerdebegründung nicht form- und fristgerecht beim Amtsgericht angebracht worden ist. Es kann hiernach dahinstehen, ob die erhobenen Rügen Erfolg gehabt hätten.

Nach dem seit dem 1. Januar 2022 geltenden § 32d Satz 2 StPO i.V.m. § 100c Satz 1 OWiG müssen die Rechtsbeschwerde und ihre Begründung als elektronisches Dokument übermittelt werden, um Wirksamkeit zu entfalten (vgl. BT-Drs. 18/9416, S. 51; ferner Köhler, in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 32d Rn. 2; Graf, in KK-StPO, 8. Aufl., § 32d Rn. 5). Dieses bei Gericht eingereichte elektronische Dokument muss nach § 32a Abs. 2 Satz 1 StPO i.V.m. § 100c Satz 1 OWiG für die Bearbeitung geeignet sein. Gemäß § 32a Abs. 2 Satz 2 StPO i.V.m. §§ 2 Abs. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) wiederum müssen die Dokumente dem Dateiformat „PDF“ bzw. „TIFF“ entsprechen (vgl. OLG Oldenburg (Oldenburg), Beschluss vom 25. Februar 2022 – 1 Ss 28/22 –).

Diese Formvorschrift hat der Betroffene nicht beachtet. Die Rechtsbeschwerdebegründung erreichte das Amtsgericht auf dem Telefaxweg, mithin nicht als elektronisches Dokument.

Ein elektronisches Dokument ist ein Text, eine Zahlentabelle, ein Bild oder eine Folge oder Kombination von Texten, Tabellen oder Bildern, die durch Digitalisieren (Umwandlung in einen Binärcode) in Dateiform angelegt oder überführt wurden.

Das Telefax dient indes lediglich der Übermittlung eines vorhandenen Dokuments, welches beim Empfänger erneut in schriftlicher Form vorliegen soll. Deshalb tritt bei diesem Übermittlungsweg die elektronische Speicherung für sich genommen nicht an die Stelle der Schriftform, sondern ist nur ein Durchgangsstadium; das Gericht kann in der Regel erst dann von einem gefaxten Schriftsatz Kenntnis nehmen, wenn er ausgedruckt vorliegt (vgl. BGH, Beschl. v. 8. Mai 2019 – XII ZB 8/19 -). Dokumente, die im Wege des Telefaxes, insbesondere auch des Computerfaxes, übermittelt werden, zählen deshalb zu den schriftlichen, nicht zu den elektronischen Dokumenten, auch wenn sie elektronisch über das Internet oder ein Web-Interface übertragen werden (vgl. Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 9. Juli 2019 – 5 A 327/19 –; OLG Oldenburg a.a.O.).

Vor diesem Hintergrund war das Amtsgericht auch nicht gehalten, dem Betroffenen gemäß § 32a Abs. 6 StPO i.V.m. § 100c OWiG die Unwirksamkeit des Eingangs mitzuteilen, damit dieser die Begründung hätte formwirksam anbringen können.“

Und dann noch der LG Arnsberg, Beschl. v. 06.07.2022 – 3 Ns-360 Js 24/21-73/22 , der Stellung nimmt zu den Anforderungen an die Begründung für eine sog. Ersatzeinreichung (§ 32d Satz 3 StPO):

„Nach dieser Vorschrift muss ein Verteidiger die Berufung als elektronisches Dokument übermitteln. § 32d Satz 3 StPO sieht zwar vor, dass auf eine Übermittlung in Papierform oder durch Telefax ausgewichen werden kann, solange dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. Das ist jedoch nicht hinreichend dargelegt.

In dem Berufungsschriftsatz ist lediglich ausgeführt, dass eine Übermittlung als elektronisches Dokument vorübergehend aus technischen Gründen nicht möglich sei. Damit wird lediglich der Gesetzeswortlaut wiederholt, ohne dass tatsächliche Umstände vorgetragen werden, die dem Gericht eine selbständige Prüfung ermöglichen.

Die Terminologie „vorübergehende technische Störung“ will der Gesetzgeber so interpretiert wissen, dass eine grundsätzlich einsatzbereite technische Infrastruktur existiert und für eine Beseitigung eines temporären Ausfalls unverzüglich gesorgt wird (vgl. BT-Drs. 18/9416, Seite 51). Die Heilungsmöglichkeit ist deshalb nicht gegeben, wenn ein kein technischer, sondern ein menschlicher Fehler vorliegt; so stellt beispielsweise der Verlust der beA-Karte mit Signierfunktion keine technische Störung im Sinne der Norm dar (vgl. Radke in jurisPK, StPO, § 32d, RN 16 m.w.N.).

Der Verteidiger hat schon gar nicht vorgetragen, ob er überhaupt über eine grundsätzlich einsatzbereite technische Infrastruktur verfügt, wozu ein Internetanschluss gehört, der von der beA-Software erkannt wird, sowie die die dazugehörigen technischen Geräte mit beA-Karte (vgl. OVG Münster, Beschluss 31.03.2022, 19 A 448/22 A zu § 55d VwGO). Unklar ist ferner, ob eine etwaige Störung im Bereich der Hardware oder der Software oder in anderen Umständen begründet ist. Es ist auch nicht dargelegt, seit welchem Zeitpunkt eine elektronische Übermittlung nicht mehr möglich gewesen sein soll, und ob bzw. wann sich der Verteidiger mit der gebotenen Sorgfalt um die (Wieder-) Herstellung der erforderlichen technischen Voraussetzungen bemüht hat. Es fehlt daher jegliche konkrete Darlegung etwaiger Schwierigkeiten mit der Hard- und/oder Software und deren Dauer.

Der unspezifische Verweis auf eine technische Störung ersetzt eine nachvollziehbare Tatsachenschilderung nicht, ebenso wenig die Glaubhaftmachung durch anwaltliche Versicherung.“

Wochenspiegel für die 28. KW., das war(en) Pechstein, Leyla, WhatsApp, Hummels, Mercedes und „Du Opfer“

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Und auch heute dann wieder der Wochenspiegel für die ablaufende Woche mit den Hinweisen auf die Beiträge aus anderen Blogs, und zwar:

  1. BGH: Stadtportal einer Kommune mit Informationen über Geschehen in der Stadt zulässig wenn nach Gesamteindruck Institutsgarantie der freien Presse nicht gefährdet wird
  2. Neues im Fall Pechstein: Bundesverfassungsgericht verlangt öffentliche Verhandlung in der Sportschiedsgerichtsbarkeit,

  3. Leyla – LOL-LOL-LOL-Leyla!

  4. Zulässige Durchsuchung und Sicherstellung in einer Rechtsanwaltskanzlei – Abhilfe durch den EGMR?,

  5. BGH: Wann Gerichte aus dem Internet entnommenen Tatsachen als offenkundig einstufen dürfen

  6. Volltext liegt vor – BGH: Sandsteinrelief „Wittenberger Sau“ muss nicht von Außenfassade der Wittenberger Stadtkirche entfernt werden
  7. DMA: Welche Probleme kommen auf WhatsApp und Co. zu?

  8. Zugewinnausgleich bei den Hummels?

  9. Schadensersatz für 50.000 Mercedes-Kunden?,

  10. und dann aus meinem Blog: StGB III: Zur Beleidigung eines Polizeibeamten, oder: “Du Opfer.”

Ich habe da mal eine Frage: Bei mehreren Nebenklägern ggf. nur die 0,3 Erhöhung oder ggf. auch mehr?

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Und zum Abschluss des Tages dann noch die Gebührenfrage, heute aus dem Bereich der Nebenklagevertretung:

„Sehr geehrter Herr Burhoff,

ich hoffe ich nutze die richtig Mailadresse, ich hätte eine gebührenrechtliche Frage.

Es geht um Nebenklage und ich weiß sicherlich,  dass man bei Vertretung mehrerer Nebenkläger eine 0,3 Erhöhung für den 2. NK bekommt.

Jetzt frage ich mich aber, ob das immer so ist.

Ich bin mandatiert worden eine 13 Jährige wegen Mißbrauch und Vergewaltigung zu vertreten.

Ich bestelle mich und stelle dann fest, dass die Anklage bereits zugelassen und der Prozess schon am Laufen  ist und es insgesamt 4 Nebenklageberechtigte gibt. Eine wegen Mordes und Vergewaltigung, drei weitere wegen Sexualdelikten. Es gibt nur einen Angeklagten und eine Anklagte die alles beinhaltet. Ich werde für meine Mandantin beigeordnet.

Parallel dazu meldet sich eine weitere Geschädigte (auch 13 Jahre) aus diesem Verfahren bei mir. Auch für diese bestelle ich mich und werde separat beigeordnet, insbesondere nicht nach der neuen Regelung eines gemeinsamen Beistandes, weil unterschiedliche Lebenssachverhalte angeklagt sind. Die Nebenklägerinnen haben untereinander auch nichts mit einander zu tun und es sind unterschiedliche Taten zu unterschiedlichen Zeiten mit eben unterschiedlichen Geschädigten. Die beiden anderen Nebenkläger/innen haben jeweils andere Anwälte.

Jetzt meine Frage: Kann ich auch bei dieser Konstellation nur die 0,3 Erhöhung abrechnen, obwohl es sich um unterschiedliche Lebenssachverhalte handelt? Ich musste ja auch die Besprechungen und die Vorbereitung auf die Tatkomplexe, die Vernehmungen etc. getrennt also doppelt machen. In der Sitzung war ich selbstverständlich für beide anwesend, die Verhandlung hat jetzt fast 2 Jahre gedauert und es geht um rund 60 Verhandlungstage.

Da würde sich der Unterschied natürlich erheblich auswirken.

Es wäre ganz lieb wenn Sie mir, sofern Sie Zeit finden,  kurz antworten könnten, ich habe zu der Konstellation nichts gefunden, ggfs spielen die unterschiedlichen Lebenssachverhalte auch gar keine Rolle und ich habe ein Brett vor dem Kopf 😊.

Herzliche Dank schon im Voraus.“

Zusätzliche Verfahrensgebühr nach § 154er-Einstellung, oder: In der Kürze liegt die Würze

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Die zweite Entscheidung kommt aus Bayern. Das LG Nürnberg-Fürth hat im LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 06.07.2022 – 12 KLs 503 Js 1439/14 – zur zusätzlichen Verfahrensgebühr nach Nr. 4141 VV RVG Stellung genommen.

Das Verfahen war nach § 154 StPO eingestellt worden. Der Kollege Urbanzyk, der mir den Beschluss geschickt hat, hat dann auch die Nr. 4141 VV RVG geltend gemacht. Die ist nicht festgesetzt worden. Dagegen dann die Erinnerung, die Erfolg hat. Das LG begnügt sich mit folgender kurzen Begründung:

„Die mit Festsetzungsbeschluss vom 09.05.2022 abgesetzte Gebühr gem. Nr. 4141 VV RVG in Höhe von 348,00 € ist wie beantragt zu gewähren, da hier eine vorläufige Einstellung des Verfahrensgem. § 154 Abs. 2 StPO erfolgt ist.

„Die Einstellung nach § 154 Abs. 1, 2 StPO ist einer endgültigen Einstellung gleichzusetzen.“ (Gerold/Schmidt, RVG VV 4141 Rn. 17, beck-online)

Hinzu kommt die Umsatzsteuer in Höhe von 19 % gem. Nr. 7008 VV RVG in Höhe von 66,12 €, so dass sich der festgesetzte Betrag auf 414,12 € beläuft.“

Das ist in der Kürze liegt die Würze. Mehr muss man da aber auch nicht schreiben, denn die Frage ist ausgekaut und von der Rechtsprechung zig-mal entschieden. Warum der Kostenbeamte dagegen dann Sturm läuft, erschließt sich nicht. Man könnte in solchen Fragen sich und anderen eine Menge Arbeit ersparen.