beA I: Elektronisches Dokument und Selbstverteidiger, oder: Ausreichende Begründung der Ersatzeinreichung

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Heute ist Samstag und damit „Kessel-Buntes-Tag“. Und in dem Kessel liegen heute mal wieder beA-Entscheidungen. Wegen der Berichterstattung dazu müssen den verkehrszivilrechtlichen Entscheidungen ein wenig zurückstehen, aber das hole ich wieder auf 🙂 .

Zunächst hier zwei Entscheidungen aus dem Straf-/Bußgeldverfahren, nämlich:

In dem dem OLG Brandenburg, Beschl. v. 13.06.2022 – 1 OLG 53 Ss-OWi 149/22 – zugrunde liegenden Bußgeldverfahren hat der Betroffene, ein Rechtsanwalt, der sich selbst verteidigt hat, die Rechtbeschwerde per Fax bzw. auf dem Postwege eingereicht. Das geht nicht, meint das OLG:

„Die Rechtsbeschwerde erweist sich bereits als unzulässig, da die Rechtsbeschwerdebegründung nicht form- und fristgerecht beim Amtsgericht angebracht worden ist. Es kann hiernach dahinstehen, ob die erhobenen Rügen Erfolg gehabt hätten.

Nach dem seit dem 1. Januar 2022 geltenden § 32d Satz 2 StPO i.V.m. § 100c Satz 1 OWiG müssen die Rechtsbeschwerde und ihre Begründung als elektronisches Dokument übermittelt werden, um Wirksamkeit zu entfalten (vgl. BT-Drs. 18/9416, S. 51; ferner Köhler, in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 32d Rn. 2; Graf, in KK-StPO, 8. Aufl., § 32d Rn. 5). Dieses bei Gericht eingereichte elektronische Dokument muss nach § 32a Abs. 2 Satz 1 StPO i.V.m. § 100c Satz 1 OWiG für die Bearbeitung geeignet sein. Gemäß § 32a Abs. 2 Satz 2 StPO i.V.m. §§ 2 Abs. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) wiederum müssen die Dokumente dem Dateiformat „PDF“ bzw. „TIFF“ entsprechen (vgl. OLG Oldenburg (Oldenburg), Beschluss vom 25. Februar 2022 – 1 Ss 28/22 –).

Diese Formvorschrift hat der Betroffene nicht beachtet. Die Rechtsbeschwerdebegründung erreichte das Amtsgericht auf dem Telefaxweg, mithin nicht als elektronisches Dokument.

Ein elektronisches Dokument ist ein Text, eine Zahlentabelle, ein Bild oder eine Folge oder Kombination von Texten, Tabellen oder Bildern, die durch Digitalisieren (Umwandlung in einen Binärcode) in Dateiform angelegt oder überführt wurden.

Das Telefax dient indes lediglich der Übermittlung eines vorhandenen Dokuments, welches beim Empfänger erneut in schriftlicher Form vorliegen soll. Deshalb tritt bei diesem Übermittlungsweg die elektronische Speicherung für sich genommen nicht an die Stelle der Schriftform, sondern ist nur ein Durchgangsstadium; das Gericht kann in der Regel erst dann von einem gefaxten Schriftsatz Kenntnis nehmen, wenn er ausgedruckt vorliegt (vgl. BGH, Beschl. v. 8. Mai 2019 – XII ZB 8/19 -). Dokumente, die im Wege des Telefaxes, insbesondere auch des Computerfaxes, übermittelt werden, zählen deshalb zu den schriftlichen, nicht zu den elektronischen Dokumenten, auch wenn sie elektronisch über das Internet oder ein Web-Interface übertragen werden (vgl. Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 9. Juli 2019 – 5 A 327/19 –; OLG Oldenburg a.a.O.).

Vor diesem Hintergrund war das Amtsgericht auch nicht gehalten, dem Betroffenen gemäß § 32a Abs. 6 StPO i.V.m. § 100c OWiG die Unwirksamkeit des Eingangs mitzuteilen, damit dieser die Begründung hätte formwirksam anbringen können.“

Und dann noch der LG Arnsberg, Beschl. v. 06.07.2022 – 3 Ns-360 Js 24/21-73/22 , der Stellung nimmt zu den Anforderungen an die Begründung für eine sog. Ersatzeinreichung (§ 32d Satz 3 StPO):

„Nach dieser Vorschrift muss ein Verteidiger die Berufung als elektronisches Dokument übermitteln. § 32d Satz 3 StPO sieht zwar vor, dass auf eine Übermittlung in Papierform oder durch Telefax ausgewichen werden kann, solange dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. Das ist jedoch nicht hinreichend dargelegt.

In dem Berufungsschriftsatz ist lediglich ausgeführt, dass eine Übermittlung als elektronisches Dokument vorübergehend aus technischen Gründen nicht möglich sei. Damit wird lediglich der Gesetzeswortlaut wiederholt, ohne dass tatsächliche Umstände vorgetragen werden, die dem Gericht eine selbständige Prüfung ermöglichen.

Die Terminologie „vorübergehende technische Störung“ will der Gesetzgeber so interpretiert wissen, dass eine grundsätzlich einsatzbereite technische Infrastruktur existiert und für eine Beseitigung eines temporären Ausfalls unverzüglich gesorgt wird (vgl. BT-Drs. 18/9416, Seite 51). Die Heilungsmöglichkeit ist deshalb nicht gegeben, wenn ein kein technischer, sondern ein menschlicher Fehler vorliegt; so stellt beispielsweise der Verlust der beA-Karte mit Signierfunktion keine technische Störung im Sinne der Norm dar (vgl. Radke in jurisPK, StPO, § 32d, RN 16 m.w.N.).

Der Verteidiger hat schon gar nicht vorgetragen, ob er überhaupt über eine grundsätzlich einsatzbereite technische Infrastruktur verfügt, wozu ein Internetanschluss gehört, der von der beA-Software erkannt wird, sowie die die dazugehörigen technischen Geräte mit beA-Karte (vgl. OVG Münster, Beschluss 31.03.2022, 19 A 448/22 A zu § 55d VwGO). Unklar ist ferner, ob eine etwaige Störung im Bereich der Hardware oder der Software oder in anderen Umständen begründet ist. Es ist auch nicht dargelegt, seit welchem Zeitpunkt eine elektronische Übermittlung nicht mehr möglich gewesen sein soll, und ob bzw. wann sich der Verteidiger mit der gebotenen Sorgfalt um die (Wieder-) Herstellung der erforderlichen technischen Voraussetzungen bemüht hat. Es fehlt daher jegliche konkrete Darlegung etwaiger Schwierigkeiten mit der Hard- und/oder Software und deren Dauer.

Der unspezifische Verweis auf eine technische Störung ersetzt eine nachvollziehbare Tatsachenschilderung nicht, ebenso wenig die Glaubhaftmachung durch anwaltliche Versicherung.“

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