Archiv für den Monat: Juli 2022

OWi II: Verspätung wegen Vergessen des Impfpasses, oder: Genügende Entschuldigung

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Die zweite Entscsheidung des Tages kommt mit dem KG, Beschl. v. 10.03.2022 – 3 Ws (B) 56/22 – auch noch einmal aus Berlin. Es geht um die Frage der genügenden Entschuldigung und/oder die Frage der Zulässigkeit der Verwerfung des Einspruchs. Also um die Frage: War der Betroffene im Termin unentschuldigt ausgeblieben.

Folgender Sachverhalt: Zur Hauptverhandlung war der Betroffene nicht erschienen. Grund hierfür ist gewesen, dass der Betroffene keinen Einlass in das Gerichtsgebäude erhalten hatte, weil er weder ein Impfzertfikat noch einen Genesenen- oder Testnachweis bei sich hatte. Das AG hat den Einspruch daraufhin mit der Begründung verworfen, der Betroffene fehle unentschuldigt.

Mit der Rechtsbeschwerde ist dann vorgetragen worden, dass Betroffene 20 bis 30 Minuten vor Terminsbeginn um 10.30 Uhr an der Pforte des AG gewesen sei, dort jedoch mangels Impfnachweises abgewiesen worden. Daraufhin sei er umgekehrt und habe das Zertifikat holen wollen. Fünf Minuten vor Terminsbeginn sei er von seinem Verteidiger angerufen worden; diesem habe er den Sachverhalt geschildert und mitgeteilt, er werde zwischen 10.45 Uhr und 10.55 Uhr erscheinen. Der Verteidiger habe daraufhin dem Gericht mitgeteilt, er, der Betroffene, werde sich geringfügig verspäten. Um 10.45 Uhr habe das AG den Einspruch verworfen.

Die Rechtsbeschwerde hatte beim KG Erfolg:

„2. Die Rüge der Verletzung des § 74 Abs. 2 OWiG ist auch begründet. Das Amtsgericht hätte, nachdem es von einer 15 Minuten nicht erheblich überschreitenden Verspätung des Betroffenen wusste, dessen Einspruch nicht ohne weiteres Zuwarten verwerfen dürfen.

a) Die Vorschrift des § 74 Abs. 2 OWiG beruht auf der Vermutung, dass derjenige sein Rechtsmittel nicht weiterverfolgt wissen will, der sich ohne ausreichende Entschuldigung zur Verhandlung nicht einfindet (vgl. BGHSt 24, 143; Senge in Karlsruher Kommentar, OWiG 5. Aufl., § 74 Rn. 19). Sie dient dem Zweck, den Rechtsmittelführer daran zu hindern, die Sachentscheidung über seine Rechtsbeschwerde dadurch zu verzögern, dass er sich der Verhandlung entzieht. Diese Vermutung entfällt jedoch, wenn der Betroffene noch vor dem Termin oder in der normalen Wartezeit von fünfzehn Minuten (vgl. VerfGH Berlin NJW-RR 2000, 1451) die Gründe seiner (voraussichtlichen) Verspätung mitteilt und sein Erscheinen in angemessener Zeit ankündigt (vgl. OLG Köln VRS 42, 184; BayObLG VRS 47, 303; 60, 304; 67, 438; StV 1985, 6; 1989, 94; NJW 1995, 3134; OLG Stuttgart MDR 1985, 871; OLG Düsseldorf StV 1995, 454; OLG Hamm NZV 1997, 408; ebenso zu den Anforderungen an den Erlass eines Versäumnisurteils wegen Nichterscheinens vor Gericht: OLG Dresden NJW-RR 96, 246 und BGH NJW 1999, 724). Das Gericht ist in diesem Fall gehalten, einen längeren Zeitraum zuzuwarten (vgl. Senat VRS 123, 291 m. w. N.). Diese über die normale Wartezeit hinausgehende Wartepflicht besteht unabhängig davon, ob den Betroffenen an der Verspätung ein Verschulden trifft, es sei denn, ihm fällt grobe Fahrlässigkeit oder Mutwillen zur Last (vgl. Senat, a. a. O.).

b) So verhielt es sich hier. Nach dem nachvollziehbaren und glaubhaften Rechtsbeschwerdevortrag war die Abteilungsrichterin bereits vor Terminsbeginn darüber unterrichtet, dass sich der Betroffene „geringfügig“, nämlich 15 bis 25 Minuten, verspäten würde. Dass der Betroffene beim ersten Aufruf der Sache um 10.34 Uhr und beim zweiten Aufruf um 10.45 Uhr fehlte, beruhte also, wie das Gericht wusste, nicht darauf, dass der Betroffene kein Interesse an der Rechtsverfolgung hatte. Es ergab sich vielmehr, wie das Amtsgericht im Urteil auch zutreffend feststellt, daraus, dass der Betroffene seine „Obliegenheit“ verletzt hatte, sich über die pandemiebedingten Zugangsregeln zu informieren. Eine solche Pflichtwidrigkeit erfüllt aber jedenfalls dann nicht die Voraussetzungen des in § 74 Abs. 2 OWiG genannten Merkmals der nicht genügenden Entschuldigung, wenn das alsbaldige Erscheinen des Betroffenen angekündigt und tatsächlich zu erwarten ist. Dies war hier der Fall. Auch grobe Fahrlässigkeit oder gar Mutwillen stehen hier schon angesichts der Volatilität der Pandemieregeln nicht in Rede.

c) Die Generalstaatsanwaltschaft vertritt in ihrer auf die Verwerfung der Rechtsbeschwerde antragenden Zuschrift die bedenkenswerte Auffassung, es könne dahinstehen, ob das Amtsgericht den Einspruch des Betroffenen bereits nach einer fünfzehnminütigen Wartezeit verwerfen durfte. Jedenfalls beruhe das Urteil nicht auf einem solchen – unterstellten – Verstoß gegen § 74 Abs. 2 OWiG, denn die Rechtsbeschwerde verschweige, ob sich der Betroffene überhaupt wieder zurück zum Gericht begeben habe und wann er dort eingetroffen sei.

Dieser Überlegung ist zuzugeben, dass sich die Rechtsbeschwerde nicht dazu verhält, ob und wann sich der Betroffene tatsächlich verhandlungsbereit vor dem Gerichtssaal eingefunden hat. Weiter ist anzuerkennen, dass die gerichtliche Wartepflicht auch dann nicht unbegrenzt andauert, wenn dem Gericht die Gründe der Verspätung bekannt sind. Daraus lassen sich die Erfordernisse ableiten, dass die Rechtsbeschwerde die Dauer der tatsächlichen oder zu erwarten gewesenen Verspätung beziffern und auch mitteilen muss, dass diese dem Tatrichter unterbreitet worden ist. Denn nur in diesem Fall kann das Rechtsbeschwerdegericht beurteilen, ob dem Amtsgericht ein Zuwarten tatsächlich zumutbar war.

Allerdings teilt die Rechtsbeschwerde hier mit, dass von einer 15- bis 25-minütigen Verspätung auszugehen gewesen sei und dem Amtsgericht demzufolge eine „geringfügige Verspätung“ angekündigt worden sei. Nach der Auffassung des Senats reicht dies für die Bewertung aus, dass das Amtsgericht nicht bereits nach einer fünfzehnminütigen Wartezeit den Einspruch des Betroffenen verwerfen durfte. Es dürfte die Anforderungen überspannen, würde vom Betroffenen die Mitteilung verlangt, dass und wann er sich im Falle eines bereits verkündeten Verwerfungsurteils tatsächlich verhandlungsbereit an Gerichtsstelle eingefunden hat.“

OWi I: Einmal entbunden, immer entbunden….?, oder: Das KG fragt mit einer Vorlage den BGH

Heute dann noch einmal ein OWi-Tag, und zwar mirt drei Entscheidungen zu Enbidnungsfragen :-), also zu den §§ 73, 74 OWiG.

Ich beginne mit dem KG, Beschl. v. 28.02.2022 – 3 Ws (B) 31/22. Das ist eine/die Divergenzvorlage des KG zur Reichweite einer Entbindungsentscheidungdes AG.

Das KG hat dem BGH folgende Frage zur Entscheidung vorgelegt:

 

Führt die Verlegung eines Hauptverhandlungstermins dazu, dass die vorangegangene Entbindung des Betroffenen von der Verpflichtung des persönlichen Erscheinens „verbraucht“ ist, so dass sie für den neuen Termin gegebenenfalls neu beantragt und angeordnet werden muss?

Nach dem Sachverhalt, der der Vorlage zugrunde liegt, war der Betroffene vom AG gem. § 73 OWiG von seiner Anwesenheitspflicht in der Haupverhandlung entbunden worden. Danach hatte der Amtsrichter dann den Hauptverhandlungstermin auf einen anderen Tag verlegt. Zum Hauptverhandlungstermin sind dann weder der Verteidiger noch der Betroffene erschienen. Das AG hat das Fernbleiben des Betroffenen am Terminstag als unentschuldigt bewertet und seinen Einspruch nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen.

Die möchte das KG verwerfen, weil es die Rechtsauffassung vertritt, dass die Entbindungsanordnung durch die Terminverlegung obsolet geworden ist, so dass der Betroffene dem (neuen) Hauptverhandlungstermin im Sinne des § 74 Abs. 2 OWiG unentschuldigt ferngeblieben ist und das AG den Einspruch verwerfen durfte. Das hat aber das OLG Bamberg vor einiger Zeit anders gesehen (OLG Bamberg, Beschl. v. 30.03.2016 – 3 Ss OWi 1502/15 – dazu Einmal entbunden, immer entbunden….). Deshalb musste die Frage nun dem BGH zur Entscheidung vorgelegt werden. Mal sehen, was der BGH daraus macht.

OWi III: Verkehrsverstoß mit SUV => erhöhte Geldbuße, oder: In meinen Augen „Blödsinn“

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Und dann habe ich zum Tagesschluss hier noch das AG Frankfurt/Main, Urt. v. 03.06.2022 – 974 OWi 533 Js-OWi 18474/22, das ja schon andere Blogs und auch die Tagespresse beschäftigt hat. Das ist die Sache, in der das AG Frankfurt/Main die Geldbuße wegen eines Rotlichtverstoßes u.a. deshlab erhöht hat, weil der Verstoß mit einem SUV begangen worden ist. Das AG führt zur Geldbußenbemessung aus:

„1. Es war ein Bußgeld festzusetzen. Bei der Bemessung der Höhe des Bußgeldes hat sich das Gericht an den Regelsätzen des Bußgeldkataloges – hier Ziffer 132.3 in Höhe von 200 Euro – orientiert.

Bei der Bemessung hat das Gericht im Rahmen des § 3 Abs. 1 BKatV berücksichtigt, dass die betroffene Person mehrere Voreintragungen im Fahreignungsregister aufweist. Dementsprechend war die Geldbuße zu erhöhen.

Zudem wurde die erhöhte Betriebsgefahr des verwendeten Kraftfahrzeugs bei der Bemessung der Geldbuße zu Lasten der betroffenen Person berücksichtigt. Die kastenförmige Bauweise und wegen der größeren Bodenfreiheit erhöhte Frontpartie des Fahrzeugs erhöhen bei einem SUV das Verletzungsrisiko für andere Verkehrsteilnehmer. Gegenüber einem Pkw in üblicher Bauweise liegt deshalb eine erhöhte Betriebsgefahr vor (vgl. auch OLG Hamm, Urteil vom 30.09.1996 – 6 U 63/96, NZV 1997, 230).

Aufgrund der größeren abstrakten Gefährdung durch das geführte Kraftfahrzeug stellt sich der begangene Rotlichtverstoß gravierender als der Normalfall dar; insbesondere, da die Regelungen des § 37 StVO zu Wechsellichtzeichen darauf abzielen, querende Verkehrsteilnehmern im Kreuzungsbereich der Lichtzeichenanlage bei einer Kollision zu schützen. Daher weist dieser Fall eine Besonderheit auf, die ihn von gewöhnlichen Tatumständen unterscheidet, sodass die Regelbuße entsprechend zu erhöhen ist.“

Vor dem Hintergrund dieser Erwägungen erachtet es das Gericht als tat- und schuldangemessen eine Geldbuße von 350 Euro festzusetzen.“

Ich meine: Blödsinn. Denn: Nach 1 Abs. 2 Satz 2 BKatV, wonach der BKat von gewöhnlichen Tatumständen, kann m.E. nur die Begehungsweise der Tat eine Rolle bei der Bußgeldbemessung spielen, wenn nich ausdrücklich im BKat auf das Fahren mit einem Lkw abgestellt wird. Auf die hat aber die Art des Pkws keine Auswirkungen. Auch hat m.E. die Betriebsgefahr, auf die wohl mit dem Hinweis auf die OLG Hamm-Entscheidung abgestellt werden soll, bei der Bemessung keine Bedeutung.

Zudem: Würde man dem AG folgen, hätte das zur Folge, das jeweils untersucht und festgestellt werden müsste, mit welchem Pkw ein Verstoß begangen worden ist. Ergebnis wäre, dass dann ggf. der Rotlichtverstoß mit einem Fiat Panda milder geahndet werden müsste als der mit einem der Mercedes E-Klasse begangene. Genau das will aber der BKat mit seinen Regelsätzen vermeiden.

Man darf gespannt sein, ob und wie sich das OLG Frankfurt am Main zu der Frage. Da gegen den Betroffenen auch ein Fahrverbot festgesetzt worden war, muss dieses die Rechtsbeschwerde gegen das amtsgerichtliche Urteil nicht zulassen. Ich befürchte aber, dass das OLG zu der Frage ggf. gar nichts sagen wird, da ja due geldbuße auch aus anderen Gründen erhöht worden ist. Man wird sich ggf. darauf zurückziehen, dass man sagt: Passt schon so. Ist vielleicht auch besser. Denn beim OLG Frankfurt weiß man ja nie.

 

OWi II: PoliscanSpeed ohne Rohmessdaten verwertbar, oder: „Hochzonung prozessualer Unannehmlichkeiten“

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Und zum Mittag dann eine Entscheidung des OLG Frankfurt am Main. Die hätte an sich auch ganz gut zu dem Morgenposting gepasst. Aber die Entscheidung ist „bemerkenswert“ – finde ich jedenfalls. Daher soll sie eine Alleinstellung bekommen. Der kundige Leser ahnt nichts Gutes.

Und er hat Recht. Denn die Ausführungen und die Diktion im OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 14.06.2022 – 3 Ss-OWi 476/22 – sind m.E. schon bemerkenswert. Es geht um die Verwertbarkeit einer Messung mit PoliscanSpeed. Das OLG sieht die Messung (natürlich) als verwertbar an und führt in dem Zusammenhang: Führt die Nichtspeicherung von Rohmessdaten zu einem Beweisverwertungsverbot, aus:

„Es entspricht der Rechtsprechung – auch derjenigen des Bundesverfassungsgerichts -, dass es in erster Linie Aufgabe des Gesetzgebers ist, als Ausdruck des fair trial-Grundsatzes Beweisverwertungsverbote zu kodifizieren (vgl. Jahn, Gutachten zum 67. Deutschen Juristentag 2008, S. C 88 m. zahlr. Nachw.). Dieser grundsätzlichen Verpflichtung hat er sich im straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren ohne Weiteres erkennbar nicht in einer Weise entzogen, die rechtsstaatlich Unverzichtbares preisgäbe. Grundsätzlich nur äußerst zurückhaltende richterrechtliche Korrekturen auf der Grundlage des Prinzips eines fairen Verfahrens in straßenverkehrsrechtlichen OWi-Sachen verhindern zudem, dass fair trial entgegen seiner individualrechtlichen Verwurzelung im Menschenwürdeprinzip zur kleinen Münze im justiziellen Alltagsbetrieb verkommt und zweckwidrig als Instrument der Hochzonung prozessualer Unannehmlichkeiten in Verfassungsverstöße durch die Verfahrensbeteiligten umfunktionalisiert wird (vgl. Trechsel, ZStR 96 [1979], 337, 339; Berkemann, JR 1989, 221, 226; Jahn, ZStW 127 [2015], 549, 570; MüKo-StPO/Kudlich, 2014, Einl. Rn. 85).

Es bedarf dabei keiner abschließenden Entscheidung darüber, ob die Rohmessdaten überhaupt geeignet sind, die Überprüfung der Messung im Nachhinein zu ermöglichen. Das Bußgeldverfahren dient nicht der Ahndung kriminellen Unrechts, sondern der bloß verwaltungsrechtlichen Pflichtenmahnung (BGH, Beschl. v. 19.8.1993 – 4 StR 627/92, NJW 1993, 3081, 3083). Aus diesem Grund ist der gesamte Verfahrensgang durch Vereinfachungen gegenüber dem strafprozessualen Verfahren geprägt. Dies wird schon durch die gesetzgeberischen Einschränkungen des Beweisrechts oder der Rechtsmittelmöglichkeit im Ordnungswidrigkeitenverfahren deutlich (vgl. weiterführend den Entwurf des Bundesrats eines Gesetzes zur Effektivierung des Bußgeldverfahrens, BT-Ds. 20/1545 vom 27.4.2022, S. 13 f.). Aus diesem Grund ist es ausreichend, diejenigen Informationen zur Feststellung eines Geschwindigkeitsverstoßes vorzuhalten, welche nach den Grundsätzen zum standardisierten Messverfahren entscheidungserheblich sind. Gleichfalls bietet die Zulassung durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) bei Verwendung des Messgeräts im Rahmen der Zulassungsvorgaben grundsätzlich ausreichende Gewähr dafür, dass die Messung bei Einhaltung der vorgeschriebenen Bedingungen für den Einsatz auch im Einzelfall ein fehlerfreies Ergebnis liefert (BVerfG, Beschl. v. 12.11.2020 – 2 BvR 1616/18, NJW 2021, 455, 457).

Auf den ersten Blick ja nichts Neues. Nur, wenn man liest: „Grundsätzlich nur äußerst zurückhaltende richterrechtliche Korrekturen auf der Grundlage des Prinzips eines fairen Verfahrens in straßenverkehrsrechtlichen OWi-Sachen verhindern zudem, dass fair trial entgegen seiner individualrechtlichen Verwurzelung im Menschenwürdeprinzip zur kleinen Münze im justiziellen Alltagsbetrieb verkommt und zweckwidrig als Instrument der Hochzonung prozessualer Unannehmlichkeiten in Verfassungsverstöße durch die Verfahrensbeteiligten umfunktionalisiert wird“ muss man dann doch schlucken. Man weiß aber: Man ist beim OLG Frankfurt am Main. :-). On das das BVerfG allerdings eben so sieht, wage ich dann doch zu bezweifeln. Ich bin immer erstaunt, für was der Beschluss vom 12.11.2020- 2 BvR 1616/18 alles herhalten muss.

Man kann im Übrigen ja über alles reden. Aber bitte doch nicht so. Der Beschluss zeigt m.E. sehr schön, was das OLG Frankfurt am Main von den Betroffenenrechten hält: Nicht viel.

OWI I: Informationsrechte/Informationsparität, oder: Zweimal KG zum standardisierten Messverfahren

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Heute dann ein OWi-Tag. Und ich stelle an dem u.a. auch wieder einige KG-Entscheidungen vor. Da habe ich vor einigen Tagen einiges bekommen, das sonst zu alt wird.

Zunächst hier im ersten Posting Entscheidungen zum standardisierten Messverfahren und was dazu gehört. Und zwar hier dann folgende Entscheidungen, jeweils nur mit dem Leitsatz:

1. Zur Ausübung der Informationsrechte bei standardisiertem Messverfahren

2. In Verkehrssachen wird es sich nie um einen Beweisantrag (im technischen Sinne) handeln, wenn ein Beweismittel dafür benannt wird, dass der Betroffene nicht Fahrer gewesen ist.

3. Die (formlose) Beweisanregung evoziert ebenso wie der (förmliche) Beweisantrag lediglich die Amtsaufklärung, so dass es einer genauen Qualifizierung des Beweisersuchens in aller Regel nicht bedarf.

4. § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG setzt nicht voraus, dass die Aussichtslosigkeit der beantragten Beweiserhebung außer Zweifel steht, sondern rechtfertigt die Ablehnung eines Beweisantrages schon dann, wenn die Beweiserhebung nicht naheliegt bzw. sich dem Gericht nicht aufdrängt.

5. Macht der Betroffene von seinem Schweigerecht Gebrauch und besteht auch anderweitig kein Hinweis darauf, ein Dritter könnte sich seines Führerscheins bemächtigt und bedient haben, wird auch das Tatgericht einen solchen Missbrauch von Ausweispapieren (§ 281 StGB) in aller Regel nicht in Rechnung stellen müssen.

 

1. Die Informationsrechte sind vom Betroffenen gegenüber der Verwaltungsbehörde proaktiv, idealerweise im Ermittlungsverfahren, jedenfalls aber substantiell vor der Hauptverhandlung, auf eigene Kosten auszuüben.

2. Konsequenz des Rechts auf Informationsparität ist, dass der Betroffene beim standardisierten Messverfahren Einfluss auf die gerichtliche Beweiserhebung nur nehmen kann, wenn er substantiierte, also auf Tatsachen gründende Einwände gegen die konkrete Messung vorbringt.