Ich stelle heute dann StPO-Entscheidungen vor, und zwar vornehmlich Pflichtverteidigungsentscheidungen vor. Da hat sich in den letzten Wochen einiges angesammelt, was mir die Kollegen geschickt haben. Allen besten Dank.
Zunächst kommen Entscheidungen zur Frage der rückwirkenden Beiordnung. Da es so viel ist, mache ich hier mal nur eine kleine Rechtsprechungsübersicht. Unterteilt in: „Pro“ und „Contra“.
Ja, inzwischen gibt es einige Entscheidungen, die entgegen der wohl h.M. die rückwirkende Bestellung ablehnen. Teilweise hat man zumindest den Versuch einer Begründung unternommn, die sich aber letztlich immer nur auf das Argument: „Pflichtverteidigung dient nicht dem Kosteninteresse des Verteidigers“ zurückzieht. Und dann wird häufig auch nur alte Rechtsprechung bzw. Rechtsprechung zum neuen Recht zitiert, die sich selbst dann nur auf alte Rechtsprechung bezieht. Nicht so toll. Wenn man schon ablehnt, sollte man es vielleicht mal mit neuen Argumenten versuchen und nicht nur das Mantra der OLG zum alten Recht wiederholen.
Hier dann also:
Pro rückwirkende Bestellung
- AG Düsseldorf, Beschl. v. 9.11.2020 – 152 Gs 1822/20
- AG Karlsruhe, Beschl. v. 12.11.2020 – 2 Gs 3/20
- AG Tiergarten, Beschl. v. 08.10.2020 – (329 Gs) 282 Js 599/20 (49/20)
- LG Bochum, Beschl. v. 18.09.2020 – II-10 Qs-36 Js 596/19 – 6/20, mit sehr schönen Ausführungen auch zur „Unverzüglichkeit“ der Bestellung
- LG Erfurt, Beschl. v. 11.11.2020 – 7 Qs 199/20
Contra rückwirkende Bestellung
- LG Ansbach, Beschl. v. 09.11.2020 – 3 Qs 48/20, das die Frage gar nicht entscheiden musste, aber getrue dem Spruch „Herr Lehrer, ich weiß was.“ die Frage dann schon mal vorab entschieden hat – man weiß ja nie,
- LG Freiburg, Beschl. v. 04.11.2020 – 16 Qs 62/20, auch mit Ausführungen zur „Unverzüglichkeit“,
- LG Halle, Beschl. v. 10.8.2020 – 10a Qs 84/20
- LG Halle, Beschl. v. 07.10.2020 – 3 Qs 109/20 und LG Halle, Beschl. v. 18.11.2020 – 3 Qs 109/20, der auf die Gegenvorstellung zum Beschluss vom 07.10.2020 ergangen ist.
- LG Osnabrück, Beschl. v. 16.11.2020 – 1 Qs 47/20