Archiv für den Monat: Dezember 2020

Unfallschadenregulierung II: Mietwagenkosten beim „Luxusauto“, oder: Wenn man einen Ferrari fährt

entnommen wikimedia.org
By Axion23 – LaFerrari in Beverly Hills, CC BY 2.0,

In der zweiten Entscheidung des Tages, dem OLG Celle, Urt. v. 25.11.2020 – 14 U 93/20, geht es auch noch einmal um Unfallschadenregulierung und auch wieder um Mietwagenkosten. Geltend gemacht hatte der Kläger 5.644, 17 EUR, gezahlt worden waren 122,53 EUR. Den Rest hatte der Kläger geltend gemacht. Das OLG hat die aber nicht zugesprochen. Das Besondere an dem Fall: Bei dem beschädigten Pkw handelte es sich um einen Ferrari:

Restliche Mietwagenkosten in Höhe von 5.521,64 EUR (5.644,17 EUR abzüglich der ausgeurteilten 122,53 EUR) stehen dem Kläger nicht zu. Für die Auffassung des Klägers, die von der Einzelrichterin gewählte Schätzungsmethode gemäß § 287 ZPO sei vorliegend ungeeignet, seinen erstattungsfähigen Schaden zu ermitteln, spricht zwar die Entscheidung des KG Berlin [Urteil vom 11. Juli 2019 – 22 U 160/17 –, Ziffer 2e), VersR 2020, 46 (47)], das moniert, dass die Fraunhofer- und Schwacke-Listen Fahrzeuge aus dem gehobenen Luxuswagenbereich nicht enthalten. Sie sind auf dem Fahrzeugmarkt nicht in einem Umfang verfügbar, der es erlaubt, Mietpreise zu erheben und zu vergleichen. Gegen eine Erstattung der (noch) geltend gemachten 5.521,64 EUR sprechen aber jedenfalls die folgenden Gesichtspunkte:

Gemäß § 249 Abs. 2 BGB sind im Rahmen einer Schadensregulierung diejenigen Kosten vom Schädiger zu ersetzen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten zum Ausgleich seines Fahrzeugs für erforderlich halten durfte [BGHZ 63, 182 (188); BGH, Urteil vom 12. April 2011 – VI ZR 300/09 –, Rn. 10, zitiert nach juris]. Der Halter eines Pkw ist im Schadensfall grundsätzlich berechtigt, sich ersatzweise denselben oder einen vergleichbaren Wagentyp zu beschaffen [BGH, NJW 1970, 1120; KG Berlin, VersR 2020, 46, 47]. Wer einen Sportwagen fährt, darf also im Haftpflichtschadenfall grundsätzlich einen typengleichen Sportwagen als Mietfahrzeug wählen [OLG Düsseldorf, NJW-RR 1999, 907]. Dies gilt allerdings nicht völlig schrankenlos:

Der Geschädigte hat sich auf den Ausgleich der Nachteile zu beschränken, die nach der Verkehrsauffassung Vermögenswert besitzen, wozu auch gute Fahreigenschaften, normaler Komfort, bequemer Sitz, Klimaanlage und eine dem Gebrauchszweck dienende besondere Einrichtung gehören [BGH, Urteil vom 2. März 1982 – VI ZR 35/80 –, Rn. 10, zitiert nach juris]. Dagegen wird ein Verzicht auf den Ausgleich derjenigen Nachteile befürwortet, die lediglich zweckfrei die Freude am Fahren und das äußere Erscheinungsbild betreffen bzw. die durch eine ausgesprochene Luxusausstattung bedingt sind [ders., a. a. O.; BGH, VersR 1970, 547 (548)]. Deshalb kann ein Geschädigter gehalten sein, sich für eine kurze Zeit mit einem weniger komfortablen Wagentyp zu begnügen, wenn ein typengleiches Fahrzeug nur für eine besonders hohe Miete zu haben ist [BGH, Urteil vom 2. März 1982 – VI ZR 35/80 –, Rn. 11 m. w. N.; LG München II, Urteil vom 8. Mai 2012 – 2 S 4044/11 –, Rn. 14; beide zitiert nach juris]. Das war hier der Fall:

Der Kläger trägt selbst vor, dass ein seinem Ferrari vergleichbarer Mietwagen auf dem regionalen Markt nur zu einem Tagessatz von 600,- bis 700,- EUR anmietbar gewesen sei. Dagegen hat die Beklagte unwidersprochen vorgetragen, ein Porsche Carrera oder ein 8-er BMW hätten für ca. 90,- EUR bis 230,- EUR pro Tag angemietet werden können. Mit den gezahlten und ausgeurteilten 1.618,36 EUR ist dem Kläger durch die Beklagte und die Einzelrichterin ein Tagessatz von 147,- EUR zur Verfügung gestellt worden. Hierfür hätte unstreitig ein Fahrzeug der höchsten Gruppen 10 und 11 nach den Fraunhofer- bzw. Schwacke-Listen angemietet werden können, folglich ein Pkw, der hohen Fahrkomfort, eine gehobene Bequemlichkeit und eine erheblich überdurchschnittliche Fahrzeugausstattung geboten hätte (z. B. ein hochklassiger Audi oder BMW). Selbstverständlich sind solche Fahrzeuge mit einem Ferrari oder einem Lamborghini nicht unmittelbar vergleichbar. Aber der Beklagten ist darin zuzustimmen, dass es der Kläger versäumt hat, darzulegen, wozu er während der relativ kurzen Mietdauer von elf Tagen und einer Laufleistung von insgesamt 658 km unbedingt einen Sportwagen der Spitzenklasse benötigte. Auch mit einem sportiven BMW, Audi, Mercedes, Porsche oder einer anderen Marke hätte er technisch auf hohem Niveau und beträchtlicher Reputation unterwegs sein können. Die besonderen Fahreigenschaften eines Ferrari und dessen Ansehen stellen keine Werte dar, auf die der Kläger nicht für wenige Tage hätte verzichten können. Angesichts des Umstandes, dass der Tagesmietpreis für ein solches Fahrzeug deutlich – mehr als das Vierfache – über demjenigen für ein Fahrzeug aus der höchsten Fahrklasse der Fraunhofer- oder Schwackelisten gelegen hat, erscheint es dem Senat aus der Sicht eines wirtschaftlich und vernünftig denkenden Geschädigten nicht mehr angemessen, lediglich aus Gründen der Fahrfreude und des allgemeinen Prestiges auf Kosten des Schädigers einen exorbitant teuren Lamborghini anzumieten. Diese Gesichtspunkte begründen keinen ersatzfähigen materiellen Schaden, sondern stellen ideelle Werte dar, die keine Vermögenseinbuße begründen.

Somit erfolgte die überwiegende Klagabweisung zu den vom Kläger geltend gemachten Mietwagenkosten ebenfalls zu Recht.

Unfallschadenregulierung I: Mietwagenkosten, oder: Wie werden sie berechnet?

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Heute ist Samstag und damit „Kessel-Buntes-Tag“.  Und den eröffne ich mit dem OLG Dresden, Urt. v. 04.11.2020 – 1 U 995/20.

Mit ihm hat das OLG eine Frage entschieden, die im Rahmen von Unfallschadensregulierung immer wieder eine Rolle spielt. Nämlich der Ersatz von Mietwagenkosten.

Ich stelle hier heute aber nur die Leitsätze der OLG-Entscheidung ein. Die ist nämlich recht umfangreich begründet und eigent sich daher m.E. eher zum Selbststudium. Aus den Leitsätzen kann man aber recht ableiten, worum es in dem Urteil geht. Die Leitsätze lauten:

1. Die Höhe der erforderlichen Mitwagenkosten ist nach dem arithmetischen Mittel der Fraunhofer-Liste und des Schwacke-Mietpreisspiegels zu schätzen, § 287 ZPO.

2. Die Frage, ob es sich bei dem vom Geschädigten angemieteten Pkw um ein Selbstfahrervermietfahrzeug handelt, ist bei Anmietung von einem Gewerbetreibenden im Verhältnis zum Schädiger grundsätzlich unbeachtlich.

Und dies war übrigens ein besonderes Posting. Es war nämlich das 11.111 🙂 .

Ich habe da mal eine Frage: Kann ich bei der „Einziehung“ die Nr. 4142 VV RVG abrechnen

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Und im RVG-Rätsel schlummert dann heute eine Frage zur Nr. 4142 VV RVG, also zusätzliche Verfahrensgebühr in den Einziehungsfällen pp.

Gefragt wurde:

„Ich frage auch noch mal:

In einem Verfahren (BtM) werden im Rahmen der Durchsuchung 10.000 € beschlagnahmt, für erweiterte Einziehung. Ich vertrete die Schwester, deren Geld das tatsächlich und legal war. Diese Bekommt das Geld nach umfangreichem Vrtrag zurück.

Welche Gebühr rechne ich bei der Schwester ab? Nr. 4142 VV RVG? „

Abrechnung der Tätigkeiten des Zeugenbeistandes, oder: Immer wieder falsch

Smiley

Und als zweite „unschöne“ Entscheidung dann der LG Berlin, Beschl. v. 30.11.2020 – (536 KLs) 246 Js 716/14 (3/19). Die habe ich vom Kollegen Hoenig aus Berlin erhalten.

Entschieden hat das LG über die Abrechnung der Tätigkeiten des Kollegen als Zeugenbeistand. Es überrascht mich nicht wirklich, dass das LG natürlich nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG – also Einzeltätigkeit – abrechnet. Man betet brav nach, was das KG falsch vorgebetet hat:

„Nach der Vorbemerkung 4 Abs. 1 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG sind für die Bezahlung des Zeugenbeistands die Vorschriften in Teil 4 des Vergütungsverzeichnisses entsprechend anzuwenden. Das bedeutet aber nicht, dass er Gebühren wie ein Verteidiger verlangen kann. Die Vorbemerkung 4 bezieht sich nicht nur auf den Abschnitt 1 („Gebühren des Verteidigers“), sondern nach ihrem Wortlaut auf sämtliche Vorschriften in Teil 4 des Vergütungsverzeichnisses, wozu auch der Abschnitt 3 („Einzeltätigkeiten“) mit dem Gebührentatbestand Nr. 4301 W RVG gehört (vgl. KG, Beschluss vom 11. Oktober 2013 —1 Ws 52/13 —, juris).

Welche Gebühren einem Rechtsanwalt aus der Staatskasse zu zahlen sind, richtet sich danach, für welche Tätigkeit er beigeordnet worden ist (§ 48 Abs. 1 RVG). Im Falle des § 68b StPO umfasst die Beiordnung nach Absatz 1 Satz 1 dieser Vorschrift nur „die Dauer der Vernehmung“ des Zeugen. Die dabei erbrachte Beistandsleistung des Rechtsanwalts ist eine Einzeltätigkeit, die nach Art und Umfang der gemäß Nr. 4301 Ziff. 4 VV RVG honorierten Beistandsleistung für einen Beschuldigten bei dessen Vernehmung entspricht und deshalb in entsprechender Anwendung (Vorbemerkung 4 Abs. 1 VV RVG) dieses Gebührentatbestandes zu vergüten ist. Die Vorbemerkung 4.3 Absatz 1 W RVG steht dem nicht entgegen. Nach dieser Bestimmung sind die im 3. Abschnitt aufgeführten Gebühren nur dann subsidiär, wenn dem Rechtsanwalt die Verteidigung oder Vertretung übertragen ist, was hier aber nicht der Fall ist. Der nach § 68b StPO beigeordnete Rechtsanwalt ist nämlich nicht „voller Vertreter“ des Zeugen. Er kann ihn bei seiner Aussage nicht vertreten und nicht gestaltend in das Verfahren eingreifen. Seine Rechtsstellung ist mit der des Verteidigers oder Verletztenbeistandes nicht vergleichbar, so dass für eine (entsprechende) Anwendung der auf diesen Personenkreis zugeschnittenen Gebührentatbestände kein Raum ist (vgl. zum Vorstehenden KG, Beschluss vom 18. Januar 2007 — 1 Ws 2/07 —, Rn. 4 – 5, juris m.w.N.).“

Dass das falsch ist und warum es falsch ist, habe ich schon einige Male dargelegt. Es bringt aber nichts, eine einmal aufgestellte OLG-Behauptung kann man kaum ändern. Und es wird mit dem KostRÄG leider nicht besser werden. Ich weise nur auf die Änderung in Vorbem. 5 Abs. 1 VV RVG hin, die Auswirkungen auf diese Problematik haben wird.

 

Rücknahme des Strafbefehlantrags, oder: Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren ja, aber…..

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Es ist Freitag und damit stehen RVG-Entscheidungen an. Heute stelle ich dann zwei LG-Entscheidungen vor. Beide nicht so schön, leider.

Ich starte mit dem LG Nürnberg, Beschl. v. 13.10.2020 -7 Qs 56/20 -, den mir der Kollege Hölldobler aus Regensburg geschickt hat.

Ein im Grunde ganz einfacher Sachverhalt: Die Staatsanwaltschaft hat am 31.07.2019 den Erlass eines Strafbefehls gegen den Beschuldigten beantragt. Mit Verfügung vom 08.08.2019 sandte der Strafrichter die Akte vom AG an die Staatsanwaltschaft zurück mit dem Hinweis, dass die bisher durchgeführten Ermittlungen keinen hinreichenden Tatverdacht einer Straftat begründen würden. Am 18.90.2019 ging bei der Staatsanwaltschaft die Vertretungsanzeige des Kollegen mit einem Akteneinsichtsgesuch ein. Auf Hinweis der Staatsanwaltschaft, dass das AG derzeit aktenführend sei, wandte sich der Verteidiger mit Schreiben vom 28.11.2019 an das AG und beantragte Akteneinsicht. Akteneinsicht wurde gewährt. Der Verteidiger nahm sodann Stellung zum Strafbefehlsantrag.

Am 08.01.2020 nahm die Staatsanwaltschaft Nürnberg den Strafbefehlsantrag zurück. Mit Verfügung vom 17.01.2020 wurde das Verfahren nach einem Telefonat zwischen Verteidiger und dem zuständigen Staatsanwalt ohne weitere Ermittlungen gemäß § 153 Abs. 1 StPO eingestellt..

Der Kollege hat die die notwendigen Auslagen des Angeklagten geltend gemacht, und zwar u.a. auch eine Verfahrensgebühr für das Ermittlungsverfahren Nr. 4104 VV RVG und die Nr. 7002 VV RVG für das Vorverfahren. Beide sind nicht gewährt worden:

„Die Beschwerde hat in der Sache aber keinen Erfolg.

a) Gebühr Nr.4104 VV RVG

Die Gebühr Nr. 4104 VV RVG entsteht für eine Tätigkeit des Verteidigers im vorbereitenden Verfahren bis zum Eingang u.a. des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls bei Gericht (s. Anmerkung zu RVG VV Nr. 4104). Die Gebühr Nr. 4106 VV RVG entsteht mit Beginn des gerichtlichen Verfahrens, u.a. mit dem Eingang des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls bei Gericht. Hierbei hat sich der Gesetzgeber für klare Tatbestandsmerkmale, jeweils bezogen auf den Eingang bei Gericht als entscheidende Trennlinie entschieden. Eine Ausnahmeregelung für den Fall der Rücknahme einer Verfahrenshandlung der Staatsanwaltschaft hat der Gesetzgeber für den Vergütungstatbestand der Nr. 4104 VV RVG sowie Nr. 4106 VV RVG nicht mit aufgenommen. Insofern ist auf die allgemeinen Vorschriften zurückzugreifen.

Infolge der Rücknahme des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls wird das Verfahren wieder in das vorbereitende Verfahren (Ermittlungsverfahren) zurückversetzt (Meyer-Goßner StPO, 63. Aufl. § 156 Rn. 2). Dies ändert jedoch nichts daran, dass bereits ein gerichtliches Verfahren begonnen hatte und diesbezüglich der Anfall der Gebühr Nr. 4106 VV RVG bereits verwirklicht wurde, wenn der Verteidiger (erstmals) im gerichtlichen Verfahren tätig geworden ist (vgl. hierzu AG Gießen, Beschluss vom 29.6.2016, 507 Ds 604 Js 35439/13 = BeckRS 2016, 13454). Auch die Kammer ist der Auffassung, dass die Rücknahme des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls gebührenrechtlich keinen Einfluss auf die Eigenschaft eines gerichtlichen Verfahrens hat, zumal Nr. 4106 VV RVG lediglich auf den Eingang des Antrags bei Gericht abstellt und nicht auf den Erlass des Strafbefehls. Sofern hier im weiteren Verfahren ein neuer Antrag auf Erlass eines Strafbefehls bei Gericht eingegangen wäre, wäre dies gebührenrechtlich jedenfalls als dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 2 RVG zu behandeln gewesen.

Übereinstimmende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur sei es zudem, dass dem Verteidiger – sofern er nach Rücknahme des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls anschließend im Ermittlungsverfahren tätig war z.B. aufgrund weiterer Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft, die zu einem erneuten Antrag auf Erlass eines Strafbefehls oder aber zu einer Einstellung geführt haben – zusätzlich die Gebühr VV 4104 RVG zusteht (Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 24. Aufl. 2019, RVG VV 4104, Rn. 4; LG Berlin, Beschluss vom 28.12.2016 – 536 Qs 22/16 = BeckRS 2016, 114021; AG Gießen, a.a.O.). Diese Gebühr gilt für die gesamte Tätigkeit des RA im vorbereitenden Verfahren mit Ausnahme der (besonderen) Tätigkeiten, die z.B. durch die Grundgebühr nach W 4100 RVG abgegolten werden. Auf den Umfang der Tätigkeit kommt es für den Anfall der Gebühren nicht an, das ist ein Problem des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG (Gerold/Schmidt/Burhoff, 24. Aufl. 2019, RVG VV 4104, Rn. 6). Ein Automatismus beim Anfall der Gebühr, wenn der Verteidiger auch im Ermittlungsverfahren bestellt war, besteht jedoch nach Auffassung der Kammer – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Bezirksrevisors beim Amtsgericht Nürnberg vom 8.9.2020 nicht.

Der Beschwerdeführer hat das Mandat unstreitig erst erhalten, als bereits der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls bei Gericht eingegangen war und somit das gerichtliche Verfahren – unabhängig von der späteren Rücknahme des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls – begonnen hatte (Nr. 4106 VV RVG). Im gerichtlichen Verfahren ist der Verteidiger tätig geworden und hat Akteneinsicht erhalten und eine Stellungnahme abgegeben, weshalb der Anfall der Gebühren Nr. 4100 VV RVG und Nr. 4106 VV RVG nicht zu beanstanden ist.

Infolge der Rücknahme des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls am 8.1.2020 ist das Verfahren sodann wieder in das vorbereitende Verfahren (Ermittlungsverfahren) zurückversetzt worden. Jedoch vermag die Kammer aus den Stellungnahmen des Verteidigers – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Bezirksrevisors vom 3.7.2020 – keine Tätigkeit im Zeitraum 8.1.2020 bis 17.1.2020 erkennen, mit der die Verwirklichung des Tatbestands der Nr. 4104 VV RVG begründet werden könnte. Zwar wurde mit Verfügung vom 17.1.2020 das Verfahren nach einem Telefonat des Verteidigers mit dem zuständigen Staatsanwalt sowie nach einem Gespräch mit seinem Mandanten, die sich beide nur auf eine mögliche Einstellung des Verfahrens beziehen konnten, eingestellt, allerdings ohne dass zuvor noch Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft durchgeführt wurden. Das Telefonat und das Gespräch werden gebührenrechtlich jedoch in Nr. 4141 VV RVG als die dort erforderliche Mitwirkung abgegolten (vgl. BeckOK RVG, v. Seltmann, 49. Edition, Stand 1.9.2020, RVG VV 4141 Rn. 15ff, insbesondere Rn. 17) und können nicht zusätzlich im Rahmen des Tatbestands Nr. 4104 VV RVG berücksichtigt werden (vgl. LG Saarbrücken, Beschluss vom 5.2.2015 – 6 Qs 7/15, Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 24. Aufl., 4106, 4107 VV Rdnr. 8ff). Weitere Tätigkeiten des Verteidigers im Ermittlungsverfahren sind aus der Akte weder ersichtlich noch wurden solche dargelegt.

b) Gebühr Nr. 7002 VV RVG

Pro Angelegenheit entfällt eine Pauschale nach Nr. 7002 VV RVG.

Für Strafsachen gelten gemäß § 17 Nr. 10 RVG, dass das strafrechtliche Ermittlungsverfahren und ein nachfolgendes gerichtliches Verfahren verschiedene Angelegenheiten sind. Sonstige Aussagen trifft das RVG hierzu nicht.

Nachdem dem Beschwerdeführer die Gebühr Nr. 4104 VV RVG für eine vorbereitende Tätigkeit im Ermittlungsverfahren nicht zustand (siehe oben), ist damit die zusätzliche Gebühr Nr. 7002 VV RVG für das vorbereitende Verfahren ebenfalls nicht angefallen.“

Die Entscheidung ist falsch.

Zutreffend ist es zwar, wenn das LG davon ausgeht, dass in diesen Fällen grundsätzlich die Nr. 4104 VV RVG entstehen kann. Falsch sind dann aber die weiteren Ausführungen des LG, das davon ausgeht, dass im Zeitraum 08.01.2020 – Rücknahme des Strafbefehlsantrags – bis 17.1.2020 – Einstellung des Verfahrens – keine Tätigkeiten dargelegt oder ersichtlich seien, mit denen die Verwirklichung des Tatbestands der Nr. 4104 VV RVG begründet werden könnte. Insoweit übersieht das LG schon, dass allein die Entgegennahme der Mitteilung über die Rücknahme des Strafbefehlsantrags die Gebühr Nr. 4104 VV RVG ausgelöst hat. Hinzu kommt das vom LG angeführte Telefonat des Verteidigers mit dem Staatsanwalt und das Gespräch über die Einstellung mit dem Mandanten. Es ist unzutreffend, wenn das LG meint, diese seien durch die Gebühr Nr. 4141 VV RVG abgegolten. Es ist zwar richtig, dass zumindest durch das Telefonat des Verteidigers mit dem Staatsanwalt die Gebühr Nr. 4141 VV RVG entstanden ist, weil es sich insoweit um „Mitwirkung“ i.S. der Nr. 4141 VV RVG handelt. Im Zusammenspiel der Nr. 4104 VV RVG und der Nr. 4141 VV RVG ist jedoch für das Entstehen der der Nr. 4141 VV RVG nicht eine zusätzliche, über den Abgeltungsbereich der Nr. 4104 VV RVG hinausgehende Tätigkeit erforderlich/vorausgesetzt. Vielmehr führt die Tätigkeit, die ggf. zum Anfall der jeweiligen Verfahrensgebühr, hier der Nr. 4104 VV RVG, führt, auch zum Entstehen der Nr. 4141 VV RVG. Die Tätigkeit wird aber nicht – auch – von der Nr. 4141 VV RVG honoriert, sondern von der Verfahrensgebühr, hier der Nr. 4104 VV RVG. Die Nr. 4141 VV RVG honoriert hingegen den Wegfall der dem Verteidiger im Fall einer Hauptverhandlung ggf. zustehenden Terminsgebühr als zusätzliche Verfahrensgebühr (vgl. Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Nr. 4141 VV Rn 3 ff.). Offenbar will man das in bayern jetzt anders sehen.