Archiv für den Monat: August 2018

Wenn die Kostenentscheidung falsch ist, oder: Sie gilt auch dann

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Bei der zweiten Entscheidung mit gebührenrechtlichem Einschlag handelt es sich um den OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.03.2018 – I-10 W 49/18, I-2 W 44/17. Der „Kundige“ erkennt sofort am Aktenzeichen, dass es sich um eine Entscheidung eines Zivilsenats handelt. Aber die angesprochene Frage kann auch in Strafverfahren von Beseutung sein. Nämlich: Wie ist mit einer „unrichtigen“ Kosten(grund)entscheidung umzugehen? Kann die im Rahmen der Kostenfestsetzung oder beim Kostenansatz repariert werden? Das OLG Düsseldorf verneint die Frage:

„Die Erinnerung ist gemäß § 66 Abs. 1 S. 1 GKG zulässig und auch in der Sache erfolgreich.

Die vom 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf in dem Beschluss vom 7. Dezember 2017 getroffene Kostenentscheidung steht nicht zur Überprüfung an. Nach dieser Kostenentscheidung trägt der Kläger die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu 70%. Zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zählen auch die Gerichtskosten. Darauf, ob diese Kostenentscheidung „richtig“ ist bzw. ob eine Quotelung in einem derartigen Fall vom Gesetz vorgesehen ist oder nicht, kommt es nicht an. Die getroffene Kostenentscheidung ist nach ihrem Wortlaut eindeutig und nicht auslegungsfähig. Diese Kostenentscheidung ist dem Kostenansatz und der darauf beruhenden Kostenrechnung zugrundezulegen.“

Also: Was entschieden ist, gilt. Lediglich, wenn das offenkundig nichtig ist, kann davon abgewichen werden.

Übernachtungskosten des auswärtigen Rechtsanwalts, oder: Sicherheitspuffer

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Immer wieder Freude macht im Bereich der Kostenerstattung die Frage nach der Erstattung von Reisekosten des am Sitz der Partei ansässigen Rechtsanwalts und din dem Zusamnmenhnag dann das „Unterproblem“: Übernachtungskosten. Zu beiden Fragen verhält sich der OLG Frankfurt, Beschl. v. 07.05.2018 – 6 W 37/18, mit dem ich heute den „Gebührenfreitag“ eröffne.

Zur grundsätzlichen Frage der Kostenerstattung beim „auswärtigen“ Rechtsanwalt der Leitsatz der Entscheidung:

Beauftragt die Partei einen nicht am Gerichtsort, sondern am Sitz der Partei ansässigen Prozessbevollmächtigten („Distanzanwalt“), sind dessen Reisekosten zur Wahrnehmung des Verhandlungstermins grundsätzlich erstattungsfähig; etwas anderes gilt ausnahmsweise nicht allein deshalb, weil dem Verfahren ein Eilverfahren vorausging.

Zu den Übernachtungskosten heißt es dann:

„3. Die Kosten der Hotelübernachtungen sind hingegen entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht für beide Verhandlungstermine, sondern nur für den Termin am 21.04.2015 erstattungsfähig, da sie nur für einen Termin notwendig waren.

Einer Partei kann nicht abverlangt werden, die in einer Rechtssache notwendig werdenden Reisen zur Nachtzeit durchzuführen. Als Nachtzeit ist in Anlehnung an § 758a IV ZPO die Zeit von 21.00 Uhr bis 6.00 Uhr anzusehen. Eine Anreise, bei welcher der Prozessbevollmächtigte seine Kanzlei vor 6.00 Uhr morgens hätte verlassen müssen, musste dieser also nicht durchführen.

Dies wäre aber erforderlich gewesen, wenn der Prozessbevollmächtigte zu Terminsbeginn am 21.04.2015 um 11.00 Uhr im Gerichtsgebäude in Stadt1. hätte anwesend sein wollen. Ausgehend von einer durch X ermittelten Fahrzeit von 3:51 Min wäre eine Abreise um 06:00 Uhr nicht ausreichend gewesen, um den Termin um 11.00 Uhr rechtzeitig zu erreichen. Der Prozessbevollmächtigte konnte und musste nämlich einen Sicherheitspuffer einberechnen, um etwaigen Verzögerungen wie Staus begegnen zu können. Hier hält der Senat einen Zeitraum von 1:15 Std. für ausreichend, aber auch notwendig.

Hinsichtlich des Termins am 23.03.2017 hingegen war schon nach dem eigenen Vortrag des Prozessbevollmächtigten eine Anreise am Prozesstag möglich und zumutbar. Er nämlich insoweit vorgetragen, bei einem Termin um 11.00 Uhr bereits um 06.00 Uhr losfahren zu müssen, für den Termin um 11.15 Uhr hingegen keine Aussage getroffen. Nach Auffassung des Senats ist ein Puffer von 1:15 ausreichend, um möglichen Eventualitäten wie z.B. Staus gegenüber gewappnet zu sein. Ein weitergehender Puffer ist hingegen in Anbetracht der Strecke und gewöhnlichen Fahrzeug nicht erforderlich. Für den Termin war daher eine Fahrzeit von 5:06 (3:51 Std. Fahrzeit zuzüglich 1:15 Std. Puffer) einzuplanen, so dass eine Abfahrt zum Termin um 11.15 Uhr nach 06:00 Uhr – und damit nicht mehr in der Nachtzeit – hätte erfolgen können.“

Zur Erstattung der Übernachtungskosten siehe auch noch OLG Naumburg, Beschl. v. 08.06. 2016 – 12 W 36/16 (KfB) und VG Würzburg VG Würzburg, Beschl. v. 11.07.2017 – W 8 M 17.30937, die für die Erstattungsfähigkeit ebenfalls auf eine Abreise vor 6 Uhr morgens abstellen. Die Entscheidungen enthalten allerdings keine Ausführungen zu einem „Sicherheitspuffer“.

Berufungsverwerfung nach neuem Recht, oder: Das geht jetzt auch in einem Fortsetzungstermin

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Und zum Abschluss des Tages dann der OLG Nürnberg, Beschl. v. 30.04.2018 – 2 OLG 2 Ss 240/17, der zum „neuen“ – nun ja so neu ist es nicht mehr – Berufungsrecht Stellung nimmt. Es geht um die Verwerfung der Berufung des Angeklagten nach § 329 StPO.

Verworfen worden ist die Berufung, weil der Angeklagte in einem Fortsetzungstermin – nach Auffassung des LG – unentschuldigt ausgeblieben war. Dazu die Leitsätze der OLG-Entscheidung:

In § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO heißt es nach neuem Recht „bei Beginn eines Hauptverhandlungstermins“. Das bedeutet, dass es sich anders als früher nicht um die erste Berufungsverhandlung in der anhängigen Sache handeln muss und somit z.B. auch das Nichterscheinen in einem Fortsetzungstermin erfasst wird.

Es bleibt offen, ob § 329 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StPO auch gilt, wenn nach Unterbrechung der Hauptverhandlung gemäß § 228 Abs. 1, § 229 Abs. 1 StPO der Angeklagte zum Fortsetzungstermin überhaupt nicht erschienen ist.

Und aus dem Beschluss:

2. Das Landgericht hat die Berufung des Angeklagten rechtsfehlerhaft ohne Verhandlung zur Sache verworfen, weil angesichts des Inhalts des Urteils und der in der Hauptverhandlung am 12.12.201 7 getroffenen Feststellungen nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Angeklagte im Fortsetzungstermin am 12.06.2017 unentschuldigt nicht erschienen ist.

a) Soweit sich das Landgericht für die Verwerfung auf § 329 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StPO gestützt hat, bestehen bereits rechtliche Bedenken hinsichtlich der Anwendbarkeit dieser regelt nämlich den Fall, dass der Angeklagte sich ohne genügende Entschuldigung entfernt hat und kein Verteidiger mit schriftlicher Vertretungsvollmacht anwesend ist, und nicht den Fall, in dem der Angeklagte nach Unterbrechung (der Hauptverhandlung gemäß § 228 Abs. 1, § 229 Abs. 1 StPO zum Fortsetzungstermin überhaupt nicht erschienen ist (anders Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 60. Aufl., § 329 Rn. 17).

b) Dies kann aber letztlich dahinstehen. Denn es liegt jedenfalls ein Fall des § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO vor, wonach die Berufung des Angeklagten verworfen werden kann, wenn bei Beginn eines Hauptverhandlungstermins weder der Angeklagte noch ein Verteidiger mit schriftlicher Vertretungsvollmacht erschienen und das Ausbleiben nicht genügend entschuldigt ist.

Anders als nach der früheren Rechtslage ist seit der Neufassung des § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO durch das am 25.07.2017 in Kraft getretene Gesetz zur Stärkung des Rechts des Angeklagten auf Vertretung in der Hauptverhandlung und über die Anerkennung von Abwesenheitsentscheidungen in der Rechtshilfe vom 17.07.2015 (BGBl. I S. 1332) der für das Erscheinen des Verteidigers und das Vorliegen der schriftlichen Vertretungsvollmacht entscheidende Zeitpunkt nicht mehr der Beginn der Hauptverhandlung, sondern der Beginn „eines“, also jedes „Hauptverhandlungstermins“. Danach hat eine Verwerfung der Berufung des Angeklagten gemäß Absatz 1 Satz 1 auch dann zu erfolgen, wenn eine unterbrochene Berufungshauptverhandlung in einem oder mehreren weiteren Terminen fortgesetzt wird (§ 229 StPO), in denen der Angeklagte oder sein Verteidiger im Falle der Vertretung ohne genügende Entschuldigung nicht erscheint (vgl. BT-Drucks. 18/3462, S. 68). § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO ist somit anwendbar, wenn der Angeklagte zu Beginn irgendeines Hauptverhandlungstermins, also auch zu einem Fortsetzungstermin nach Unterbrechung der Hauptverhandlung, unentschuldigt ausbleibt (vgl. OLG Oldenburg StV 2018, 151 juris Rn. 8; BeckOK-StPO/Eschelbach § 329 Rn. 13 und 17; SK-StPO/Frisch, 5. Aufl. § 329 Rn. 6a).

Die Voraussetzungen für eine Verwerfung der Berufung des Angeklagten im Fortsetzungstermin am 12.06.2017 lagen gleichwohl nicht vor. Denn es kann nach den Feststellungen im Urteil und in der Hauptverhandlung nicht davon ausgegangen werden, dass der Angeklagte dem Fortsetzungstermin am 12.06.2017 unentschuldigt ferngeblieben ist…….“

Also: Neues Recht. Muss man beachten….

Rücknahme des rechtlichen Hinweises erforderlich?, oder: BGH sagt nein…

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Die zweite Entscheidung kommt heute vom BGH. Es ist der BGH, Beschl. v. 03.07.2018 – 5 StR 38/18. 

Eine weitere Entscheidung, in der der BGH zu den Auswirkungen der Änderungen – bei § 265 StPO – durch das „Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens“ vom 17.08.2017 (BGBl I, S. 3202) Stellung nimmt. Es geht um die Frage, ob das Tatgericht zur (ausdrücklichen) Rücknahme eines rechtlichen Hinweises verpflichtet ist. Der BGH sagt – wie auch schon früher: Nein:

„Ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens bzw. gegen § 265 StPO liegt nicht vor. Nach Erteilung seines rechtlichen Hinweises, es komme abweichend von der Anklage auch eine Verurteilung wegen Beihilfe in Betracht, war das Landgericht nicht zur „Rücknahme“ dieses Hinweises verpflichtet, bevor es zu einer Verurteilung wegen Täterschaft gemäß der Anklage gelangt ist. Die Erteilung eines rechtlichen Hinweises gemäß § 265 Abs. 1 StPO begründet kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass das Gericht lediglich diesem Hinweis gemäß urteilt (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 1998 – 4 StR 633/97, NJW 1998, 3654, 3655). Durch die Neufassung von § 265 Abs. 2 Nr. 2 StPO hat sich daran nichts geändert.“

Ich sehe es anders. Aber: Karlsruhe locuta….

Mal wieder BVerfG zur Klageerzwingung, oder: Mal wieder zu hohe Anforderungen

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Heute dann mal „Verschiedenes“ 🙂 .

Ich eröffne mit dem BVerfG, Beschl. v. 02.07.2018 – 2 BvR 1550/17, in dem das BVerfG noch einmal/mal wieder zu den Anforderungen an einen (zulässigen) Klageerzwingungsantrag (§ 172 StPO) Stellung nimmt. Die Hürden sind an der Stelle in der Rechtsprechung der OLG sehr hoch gelegt, das BVerfG hat schon häufiger beanstandet, dass sie zu hoch sind.

Im entschiedenen Fall ging es um ein Klageerzwingungsverfahren, das den Tatvorwurf der fahrlässigen Tötung gegen behandelnde Ärzte wegen des Verdachts einer fehlerhaft durchgeführten Chemotherapie eines Mammakarzinoms zum Gegenstand hatte. Das OLG Rostock hatte den Klageerzwingungsantrag als unzulässig verworfen,“ weil dieser nicht den formalen Erfordernissen des § 172 Abs. 3 StPO entsprochen habe. Die Antragsschrift enthalte keine aus sich heraus verständliche, konkrete und substantiierte Sachdarstellung, die es dem Senat ermögliche, das mit dem Antrag verfolgte Begehren ohne Beiziehung der staatsanwaltlichen Ermittlungsakten und anderer Schriftstücke zu überprüfen. So werde allein zum Beweis für den verfahrensgegenständlichen Krankheitsverlauf und die angeblich fehlerhafte ärztliche Behandlung auf 16 Anlagen mit insgesamt 136 Blatt Bezug genommen, deren inhaltliche Kenntnisnahme durch den Senat notwendig sei, um sich ein eigenes Bild von der Krankheit, deren Verlauf und den Behandlungsmaßnahmen zu machen. Daran schlössen sich Ausführungen zum äußeren Ablauf der staatsanwaltlichen Ermittlungen an und eine Auseinandersetzung mit dem Ergebnis der durchgeführten Obduktion mit anschließender toxikologischer und histologischer Zusatzuntersuchung sowie mit diversen eingeholten ärztlichen und juristischen Stellungnahmen und Gutachten, die in der Antragsschrift teilweise nur insoweit zusammenfassend wiedergegeben würden, als sie die Sichtweise des Antragstellers stützten, wohingegen möglicherweise entgegenstehende Ausführungen nur verkürzt wiedergegeben würden. Der Senat müsste deshalb zur eigenen Beurteilung der Sache weitere 196 Seiten durchsehen. Bereits derart umfangreiche Bezugnahmen auf Unterlagen, die der Antragsschrift lediglich als Anlagen beigefügt seien, obwohl es auf deren genauen und vollständigen Wortlaut ankäme, seien unzulässig. Zudem seien die im Antrag genannten Anlagen erst einen Tag nach Ablauf der Frist des § 172 Abs. 2 Satz 1 StPO eingegangen. Dem fristgemäß per Fax eingegangenen Klageerzwingungsantrag seien sie nicht beigefügt gewesen.“

Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung anzunehmen. Begründung: Zwar verletzt der Beschluss des OLG Rostock den Beschwerdeführer in seinem Grundecht aus Art. 19 Abs. 4 GG. Nicht angenommen worden ist jedoch, weil die Tat möglicherweise verjährt ist. Zum Klageerwzingungsantrag führt das BVerfG unter Hinweis auf seine stäündige Rechtsprechung aus, dass die Darlegungsanforderungen an einen zulässigen Klageerzwingungsantrag nicht überspannt werden dürfen. Das sei hier aber der Fall:

„b) Gemessen daran halten die Erwägungen des Oberlandesgerichts Rostock den Anforderungen der Rechtsschutzgarantie nicht stand. Das Gericht hat die an einen Klageerzwingungsantrag zu stellenden Voraussetzungen überspannt.

aa) Der Klageerzwingungsantrag enthält entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts eine Darstellung des wesentlichen Inhalts der mitgeteilten Beweismittel.

Die Verpflichtung zur Wiedergabe des wesentlichen Inhalts eines Beweismittels dient dazu, dem Gericht die Überprüfung der schlüssigen Darlegung des genügenden Anlasses zur Erhebung der öffentlichen Klage zu ermöglichen, nicht jedoch des hinreichenden Tatverdachts an sich. Sie hat ferner den Zweck, eine Irreführung des Gerichts über den Inhalt und den Beweiswert des Beweismittels zu verhindern. Deshalb sind auch die Tatsachen mitzuteilen, die dem Antragsbegehren den Boden entziehen könnten (OLG Koblenz, Beschluss vom 21. Mai 2007 – 2 Ws 272/07 -, juris, Rn. 8). Bei einer nur selektiven, im Einzelfall vielleicht sogar sinnentstellenden Wiedergabe eines Beweismittels kann ein unzutreffendes Bild vom Ermittlungsergebnis entstehen, das nicht ohne Weiteres wieder berichtigt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Mai 2015 – 2 BvR 987/11 -, juris, Rn. 34; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juli 2016 – 2 BvR 2040/15 -, juris, Rn. 15). Die Wiedergabe des wesentlichen Inhalts eines Beweismittels versetzt das Gericht in die Lage, die Schlüssigkeitsprüfung ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten vorzunehmen (vgl. BVerfGK 2, 45 <50>; 5, 45 <48>; 14, 211 <214 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats, a.a.O., Rn. 14).

Es gehört im Hinblick auf ein Sachverständigengutachten dagegen nicht zur Darstellung des wesentlichen Inhalts des mitgeteilten Beweismittels, dass die Ausführungen eines Sachverständigen vollständig wiedergegeben werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Mai 2017 – 2 BvR 1107/16 -, juris, Rn. 23). Müsste der Klageerzwingungsantrag den weitgehend vollständigen Inhalt der Beweismittel enthalten, könnte das Gericht schon allein anhand der Antragsschrift das Bestehen eines hinreichenden Tatverdachts prüfen, und nicht nur dessen schlüssige Darstellung. Einer Beiziehung der Ermittlungsakte bräuchte es dann selbst zur Prüfung eines genügenden Anlasses für die Erhebung der öffentlichen Klage nicht mehr. Eine Arbeitserleichterung wäre mit einem derart umfassenden Darlegungserfordernis nicht verbunden, wenn das Gericht die Schlüssigkeit anhand eines Klageerzwingungsantrags prüfen müsste, dessen Inhalt und Umfang sich kaum von dem der beizuziehenden Ermittlungsakte unterscheidet.

Der Klageerzwingungsantrag gibt den wesentlichen Inhalt auch der Gutachten wieder, die gegen das Bestehen eines hinreichenden Tatverdachts sprechen. Dabei handelt es sich um die Auszüge aus dem vorläufigen Sektionsgutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin G. vom 16. August 2010, aus dem toxikologisch-chemischen Gutachten des Arbeitsbereiches Forensische Toxikologie und Alkoholanalytik des Universitätsklinikums G. vom 6. Januar 2011, aus dem Sachverständigengutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin G. vom 6. Dezember 2012, dem Onkologischen Gutachten der Klinik für Hämatologie und Medizinische Onkologie der Universitätsmedizin Gö. vom 10. Februar 2014 sowie der ergänzenden Stellungnahme des Instituts für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin G. vom 18. Dezember 2016. Diese Gutachten werden in ihrem Kerngehalt und ihren Schlussfolgerungen dargestellt. Ein unzutreffendes oder entstellendes Bild des Ermittlungsergebnisses wird dem Gericht hierdurch nicht präsentiert und es werden auch keine Umstände verheimlicht, die dem Antragsbegehren den Boden entziehen könnten. Hinzu kommt, dass sich der Antragsteller in seinem Klageerzwingungsantrag detailliert und argumentativ mit diesen Gutachten auseinandersetzt und versucht, deren Unrichtigkeit darzulegen. Zwar betont der Beschwerdeführer die für einen hinreichenden Tatverdacht sprechenden Umstände stärker und widmet diesen mehr Raum als Umständen, die gegen dessen Vorliegen sprechen. Das macht den Antrag jedoch noch nicht unzulässig. Die Würdigung der im Ermittlungsverfahren hervorgebrachten Beweise ist vielmehr eine Frage der Begründetheit des Antrags.

bb) Die Antragsschrift widerspricht im vorliegenden Einzelfall auch nicht deswegen den Anforderungen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO, weil sie Scans von und Direktzitate aus Sachverständigengutachten enthält oder auf Anlagen Bezug nimmt.

(1) Ein Klageerzwingungsantrag ist grundsätzlich unzulässig, wenn in Bezug genommene Bestandteile in die Antragsschrift hineinkopiert werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Januar 2017 – 2 BvR 225/16 -, juris, Rn. 7; VerfGH Berlin, Beschluss vom 30. April 2004 – VerfGH 128/03 -, NJW 2004, 2728; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Mai 1983 – 1 Ws 335/83 -, StV 1983, 498; OLG Celle, NStZ 1997, 406; vgl. auch OLG Hamm, Beschluss vom 16. Dezember 2014 – III-1 Ws 521/14, 1 Ws 521/14 -, juris, Rn. 11; Graalmann-Scheerer, in: Löwe-Rosenberg, Strafprozessordnung, 26. Aufl. 2007, § 172, Rn. 156; Kölbel, in: Münchener Kommentar zur StPO, 1. Aufl. 2016, § 172 Rn. 70; Moldenhauer, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. 2013; § 172 Rn. 37). Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, sich den entscheidungserheblichen Sachverhalt selbst aus Anlagen zusammenzustellen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 8. September 2003 – 1 Ws 242/03 -, NStZ-RR 2003, 331; Moldenhauer, a.a.O.), insbesondere wenn durch das Einkopieren von Strafanzeigen oder Beschwerdeschriften die Sachdarstellung verunklart wird. Ausnahmen hiervon werden jedoch für zulässig erachtet, wenn es auf den Wortlaut der eingefügten Unterlagen ankommt und das Hineinkopieren lediglich das – anderenfalls notwendige – vollständige Abschreiben dieser Unterlagen ersetzt. Entscheidend ist, dass das Gericht nicht gezwungen wird, sich den relevanten Verfahrensstoff aus einer Vielzahl (möglicherweise unsystematisierter) Kopien selbst zusammenzustellen (OLG Hamm, a.a.O., Leitsatz und Rn. 11; Kölbel, a.a.O., Rn. 71). Anderenfalls läuft der Antragsteller Gefahr, zu wenig aus dem Gutachten eines Sachverständigen oder der Aussage eines Zeugen wiederzugeben, so dass sein Antrag an der Hürde zur Wiedergabe des wesentlichen Inhalts eines Beweismittels (vgl. aa) scheitern würde.

(2) Vor dem Hintergrund der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG kann es keinen Unterschied machen, ob der Antragsteller in einem Klageerzwingungsantrag entscheidende Passagen aus dem Gutachten eines Sachverständigen in indirekter Rede im Fließtext wiedergibt oder sich der Einfügung von Scans oder Direktzitaten bedient. Die in die Antragsschrift eingefügten Auszüge aus Sachverständigengutachten haben lediglich erläuternden Charakter. Sie dienen dazu, den wesentlichen Inhalt der Beweismittel darzustellen, die Argumentation der dem Antrag zugrunde gelegten Beweiswürdigung zu unterstreichen und die den Beschuldigten zur Last liegenden Pflichtverletzungen zu konkretisieren. Sie haben – gemessen am Gesamtumfang der Antragsschrift – einen nicht übermäßig ins Gewicht fallenden Umfang. Das Gericht musste sich aus den eingefügten Scans und Direktzitaten nicht erst selbst den entscheidungserheblichen Sachverhalt oder den wesentlichen Inhalt der Beweismittel heraussuchen.

cc) Der Klageerzwingungsantrag widerspricht auch nicht deshalb den Anforderungen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO, weil er angeblich auf weitere Anlagen mit einem Umfang von insgesamt 136 oder 196 Seiten Bezug nimmt, die das Oberlandesgericht hätte lesen müssen, um sich ein eigenes Bild vom Krankheitsverlauf und den durchgeführten Behandlungsmaßnahmen zu verschaffen. Der Strafsenat übersieht hierbei, dass die Anlagen nicht derart in Bezug genommen werden, dass die Kenntnis ihres Inhalts den im Klageerzwingungsantrag erforderlichen Sachvortrag ersetzen soll. Der wesentliche Inhalt der in Bezug genommenen Anlagen war bereits in einer § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO genügenden Art und Weise im Antrag selbst enthalten. Die an sich überflüssige Bezugnahme auf Anlagen kann einen zulässigen Klageerzwingungsantrag nicht unzulässig machen. Sie hatten offensichtlich nur den Zweck, die Übereinstimmung der Angaben des Antragstellers mit dem Akteninhalt zu belegen.“

Liest sich alles gut/schön. Nur: Es wird wahrscheinlich nicht die letzte Entscheidung des BVerfG zu § 172 StPO sein. Denn die OLG rücken – wenn überhaupt – nur widerwillig – von ihren strengen Vorgaben ab.