Archiv für den Monat: Juni 2018

Ich habe da mal eine Frage: PV-Bestellung aufgehoben, was ist mit meinen Gebühren?

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Und zum Abschluss des Tages dann die „Gebührenfrage“, und zwar wie folgt:

„Hallo Herr Burhoff,,

da ich selbst in Ihrem RVG-Kommentar nicht fündig geworden bin, gestatten Sie mir bitte eine Frage auf diesem Wege:

In Zivilverfahren verliert der Rechtsanwalt den Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse nicht, wenn die PKH nach § 124 ZPO aufgehoben wird. Für bereits entstandene Gebühren besteht der Anspruch und ist festzusetzen.

Wie ist es aber, wenn die PV-Bestellung aufgehoben wird, etwa auf Beschwerde der StA? Ich habe mir die Augen auch in StPO-Kommentaren ausgesucht, aber nichts gefunden.“

Na, Lösungen?

Aufhebung von PKH-Bewilligung(im Loveparade-Verfahren), oder: Wer ist zuständig?

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Bei der zweiten Entscheidung mit gebührenrechtlichem Einschlag handelt es sich um den OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.03.2018 – III-2 Ws 94/18, der im sog. „Loveparade-Verfahren“ ergangen ist. Es geht um die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung für einen Nebenkläger durch den Rechtspfleger.

Der Beschwerdeführer ist in dem sog. Loveparade-Verfahren als Nebenkläger zugelassen worden. Ihm ist im November 2014  Prozesskostenhilfe für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts bewilligt worden. Mit Schreiben der für das Verfahren vor der zuständigen Strafkammer zuständigen Rechtspflegerin vom 17. November 2017 wurde der Nebenkläger aufgefordert, eine aktualisierte Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einzureichen. Da sich seine wirtschaftlichen Verhältnisse verbessert hatten, wurde mit Beschluss der Rechtspflegerin vom 3. Januar 2018 die zugunsten des Nebenklägers erfolgte Bewilligung der Prozesskostenhilfe wegen Nichtanzeige einer wesentlichen Verbesserung seiner wirtschaftlichen Lage aufgehoben (§ 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO). Hierbei wurde dem Nebenkläger eine Rechtsmittelbelehrungnach Maßgabe des § 127 Abs. 2 ZPO erteilt (sofortige Beschwerde binnen eines Monats). Gegen die Aufhebungsentscheidung richtet sich die „sofortige Beschwerde“ des Nebenklägers. Die Rechtspflegerin hat der „sofortigen Beschwerde“ nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Das OLG sagt:

  1. Der Nebenkläger kann die Entscheidung, durch welche die Bewilligung der Prozesskostenhilfe für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts wegen Nichtanzeige einer wesentlichen Verbesserung der Einkommensverhältnisse (§ 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO) aufgehoben worden ist, mit der Beschwerde nach § 304 Abs. 1 StPO anfechten.
  2. Bei einem Nebenkläger entscheidet der Vorsitzende des mit der Sache befassten Gerichts auch im Falle des § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO über die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe. Für eine solche Entscheidung besteht im Strafverfahren keine funktionelle Zuständigkeit des Rechtspflegers.
  3. Hat der Rechtspfleger die Aufhebungsentscheidung anstelle des funktionell zuständigen Vorsitzenden der Strafkammer getroffen, bedarf es keiner Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Vielmehr kann der Strafsenat als das beiden übergeordnete Beschwerdegericht gemäß § 309 Abs. 2 StPO in der Sache selbst entscheiden.

Und in der Sache hat das OLG dann die PKH-Bewilligung aufgehoben. Es geht von der Missachtung der Mitteilungspflichtauch, die sich  auch als grobe Nachlässigkeit darstelle:

„……Atypisch ist im sog. Loveparade-Verfahren die lange Dauer zwischen der Erhebung der Anklage im Februar 2014 und der Eröffnung des Hauptverfahrens, die im Beschwerdeverfahren durch den Senatsbeschluss vom 18. April 2017 erfolgt ist. Dazwischen liegt der Nichteröffnungsbeschluss der 5. Strafkammer des Landgerichts Duisburg vom 30. März 2016.

Wenn das laufende Verfahren zwischenzeitlich aus dem Blick des Nebenklägers geraten sein sollte, so hat er es jedenfalls wieder in den Blick genommen, als er gegen die Nichteröffnungsentscheidung vom 30. März 2016 mit Schriftsatz seines anwaltlichen Beistands vom 6. April 2016 sofortige Beschwerde eingelegt hat. Dieses Rechtsmittel ist mit Schriftsatz vom 22. September 2016 „aus Kostengründen“ zurückgenommen worden, was erkennen lässt, dass dem Nebenkläger finanzielle Risiken (auch im Verhältnis zu den damals Angeschuldigten) bewusst waren. Schon durch die Einlegung der sofortigen Beschwerde hatte die als Beistand hinzugezogene Rechtsanwältin weitere Vergütungsansprüche gegen die Landeskasse erworben, die im Rahmen der auferlegten 48 Raten zu Lasten des Nebenklägers wirken mussten.

Mit der Eröffnung des Hauptverfahrens durch den Senatsbeschluss vom 18. April 2017 war für den Nebenkläger klar, dass das Verfahren in ein neues Stadium getreten war und eine Hauptverhandlung stattfinden wird. Er hat auch auf die neue Situation reagiert, indem sein anwaltlicher Beistand die Anträge auf Zulassung der Nebenklage und Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Schriftsatz vom 19. Juni 2017 „vorsorglich neu gestellt“ hat. Dabei wurde keine aktuelle Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt, sondern auf die „bereits übersandte Erklärung“ Bezug genommen.“

Gegenstandswert bei der Einziehung, oder: Auch Kleinvieh macht Mist

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Den „Gebührenfreitag“ eröffne ich mit dem LG Aschaffenburg, Beschl. v. 29.05.2018 – KLs 112 8389/17. Er stammt aus der Rubrik „klein aber fein“ oder: „Auch Kleinvieh macht Mist“. Es geht um die Höhe des Gegenstandswertes bei der zuästzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG in einem Verfahren wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. In der Anklageschrift war die StA von einer Einziehung von Taterträgen in Höhe von 24.000 € ausgegangen worden, eingezogen wurden im Urteil dann nur 18.000 €. Der Kostenbeamte ist zunächst von einem Gegenstandswert von 18.000 € ausgegangen, das LG sagt auf die Erinnerung der Kollegin: Nein, 24.000 €, denn:

„Mit Erinnerung vom 23.05.2018 wendet sich Rechtsanwältin pp. gegen den Festsetzungsbeschluss vom 14.05.2018 hinsichtlich der Berechnung der Verfahrensgebühr nach Nr. 4142 VV RVG aus einem Gegenstandswert von 18.000,– Euro. Die Erinnerung ist begründet, da die Gebühr gerichtliche und außergerichtliche Tätigkeiten des Anwalts erfasst, auch eine Beratungstätigkeit. Da laut Anklageschrift die Voraussetzungen für die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 24.000,– Euro vorlagen, ist für die Beratungstätigkeit der Anwältin pp. die Gebühr nach 4142 VV RVG aus einem Gegenstandswert von 24.000,– Euro angefallen, obwohl im Urteil nur die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 18.000,– Euro gegen den Verurteilten angeordnet wurde. Es war daher die Differenz zwischen der bereits angesetzten Gebühr 4142 VV RVG aus einem Gegenstandswert von 18.000,– Euro und der beantragten Gebühr 4142 VV RVG aus einem Gegenstandswert von 24.000,– Euro nebst entsprechender Mehrwertsteuer festzusetzen.2

Hat hier im Ergebnis zur 31,33 € gebracht, aber immerhin. Und: es kann ja auch mal mehr sein.

Tavor im Kaffee, oder: Schwere Vergewaltigung?

entnommen wikimedia.org
Fotograf: Christian „VisualBeo“ Horvat

Und zum Tagesschluss dann der Hinweis auf den BGH, Beschl. v. 07.03.2018 – 5 StR 652/17. Das LG hatte den Angeklagten wegen schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Der BGH ändert den Schludspruch, da es sich nicht um eine „schwere“ Vergewaltigung gehandelt hat, und hebt den Strafausspruch auf:

1. Der Schuldspruch wegen „schwerer“ Vergewaltigung hat keinen Bestand.

a) Nach den Feststellungen des Landgerichts betäubte der Angeklagte die Nebenklägerin am 25. Dezember 2016 während eines gemeinsamen Kaffeetrinkens durch Beimischung einer beträchtlichen Menge des Medikaments Tavor (Wirkstoff Lorazepam) in ihren Kaffee, um ungestört ihr Smartphone daraufhin kontrollieren zu können, wo sie Silvester verbringe. Die Nebenklägerin verfiel in einen schwer bewusstseinsgetrübten Zustand bis hin zur Bewusstlosigkeit, der bis zum Folgetag andauerte. Der Angeklagte entschloss sich nun, unter Ausnutzung der geschaffenen Situation auch sexuelle Handlungen an der widerstandsunfähigen Nebenklägerin durchzuführen. Er fertigte eine Reihe von Bildaufnahmen unter anderem von ihrem unbekleideten Geschlechtsteil und vollzog den Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss.

b) In Übereinstimmung mit der Auffassung des Generalbundesanwalts ergeben diese Feststellungen weder den vom Landgericht angenommenen Qualifikationstatbestand nach § 177 Abs. 7 Nr. 2 StGB noch einen anderen Qualifikationstatbestand gemäß § 177 Abs. 7 oder 8 StGB. Dabei kann offenbleiben, ob das insoweit allein in Betracht kommende narkotisierende Medikament als „Werkzeug oder Mittel“ im Sinne von § 177 Abs. 7 Nr. 2 StGB oder als „gefährliches Werkzeug“ nach § 177 Abs. 7 Nr. 1, Abs. 8 Nr. 1 StGB gelten könnte (vgl. zum „gefährlichen Werkzeug“ BGH, Beschluss vom 27. Januar 2009 – 4 StR 473/08, NStZ 2009, 505; krit. LK StGB/Hörnle, 12. Aufl., § 177 Rn. 271). Denn der Angeklagte fasste den Vergewaltigungsvorsatz erst, nachdem er die Nebenklägerin bereits betäubt hatte. Damit fehlt es sowohl an der in § 177 Abs. 7 Nr. 2 StGB bezeichneten Absicht als auch am Merkmal des Verwendens bei der Tat im Sinne von § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB. Aus demselben Grund scheidet § 177 Abs. 7 Nr. 3 StGB aus. Den Urteilsgründen kann ferner nicht entnommen werden, dass der Angeklagte das Medikament als Täter einer Vergewaltigung, mithin bei der Tat, bei sich führte (§ 177 Abs. 7 Nr. 1, 2 StGB).“

 

Das Messer im BH, oder: Beihilfe

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Nur kurz und knapp ist der BGH, Beschl. v. 09.05.2018 – 5 StR 616/17 – begründet. Zum Sachverhalt lässt sich dem BGH, Beschluss nur so viel entnehmen: Offenbar ist die Angeklagte wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung – begangen während eines Diskothekenbesuchs – verurteilt worden. Als Beihilfehandlung ist wohl die Herausgabe eines Messers angesehen worden, dass die Angeklagte in ihre BH verwahrt hatte. Der BGH meint:

„Die Angeklagte durfte dem Angeklagten das für ihn während des Diskobesuchs in ihrem BH verwahrte Messer nicht herausgeben, nachdem sie erkannt hatte, dass er dieses bei einem Angriff auf Personen aus der Gruppe des Nebenklägers einsetzen würde.
Eine zivilrechtliche Herausgabepflicht vermag die Ermöglichung einer strafbaren Handlung nicht zu rechtfertigen (LK/Rönnau, 12. Aufl., Vor § 32 Rn. 121). Das strafrechtliche Verbot der Unterstützung einer Straftat steht dem bürgerlich-rechtlichen Herausgabeanspruch entgegen und „drückt der gleichwohl erfolgenden Zurückgabe des zur Begehung der Straftat bestimmten Werkzeugs den Stempel der Rechtswidrigkeit auf (…). Denn auch das bürgerliche Recht versagt einer von ihm verliehenen Befugnis jede Anerkennung, sobald sie mit dem Strafgesetz in Widerspruch tritt (§ 134 BGB),“ (RG, Urteil vom 6. Oktober 1921 – I D 339/21, RGSt 56, 168, 170 f.).“