Archiv für den Monat: März 2018

Nochmals: Das Geld in der Kühltruhe, oder: Fristsetzung

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Ich hatte vor einigen Tagen über den LG Landau, Beschl. v. 11.05.2017 – 3 Qs 28/17 u. 29/17 – berichtet. Der ein oder andere Leser wird sich erinnern. Das war die Sache mit den gesparten 170.000 € in der Kühltruhe (vgl. 170.000 € in der Kühltruhe “gespart”, oder: Dinglicher Arrest/Vermögensabschöpfung). In der Sache hat mit der Kollege Sorge noch einen weiteren Beschluss des LG Landau zukommen lassen, und zwar den LG Landau, Beschl. v. 02.01.2018 – 5 Qs 261/17. Er hatte sich für die Mandantin über die Dauer der Auswertung der bei der Durchsuchung sichergestellten Gegenstände beschwert. Das LG sagt: Die dauert noch nicht zu lange, aber: Allmählich wird es Zeit:

 

„Zur Begründung nehme ich auf die zutreffenden Ausführungen des Beschlusses 1 Gs 1222/ 17 vom 25.10.2017 (BI. 264 d.A.) Bezug. Die Angaben zu dem gesetzlichen Tatbestand und dem Tatvorwurf waren bereits Gegenstand der Beschlagnahmeanordnung 1 Gs 347/ 17 vom 09.03.2017 (BI. 34 d.A.).

Die Staatsanwaltschaft Landau führt gegen die Beschwerdeführerin ein Ermittlungsverfahren wegen Diebstahls. Das Amtsgericht Landau erließ am 09.03.2017 einen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss, der am 17.03.2017 durch Beamte des Polizeiinspektion Germersheim vollzogen wurde. Bei der Durchsuchung wurden die im Beschluss des Amtsgerichts Landau 1 Gs – 1222/17 konkret bezeichneten Unterlagen beschlagnahmt, die für das weitere Verfahren und den Tatnachweis von Bedeutung waren.

Die Auswertung der Unterlagen und Durchführung weiterer Ermittlungen wurde aufgrund des eingegangenen Antrags der Beschwerdeführerin nach § 98 ‚Abs. 2 StPO vom 07.09.2017 (BI. 175 d.A.) unterbrochen und die Sachakten und Asservate wurden zu Zwecken der Weiterleitung an das Amtsgericht, an die Staatsanwaltschaft Landau übersandt.

Eine Verletzung des Beschleunigungsgebotes ist bei einer Verfahrensdauer von sechs Monaten nicht ersichtlich. Von Beginn der Durchsuchung am 17.03.2017 bis zum Eingang des Antrags am 11.09.2017 gab es keine ermittlungsverzögernde Unterbrechungen. Dass die Beschlagnahme der Gegenstände nun in den achten Monat fortdauert ist nicht zuletzt durch die Erforderlichkeit der gerichtlichen Entscheidungen bedingt worden und kann den Ermittlungsbehörden nicht als willkürliche Verfahrensverzögerung angelastet werden. Die Ermittlungen wurden in angemessener Zeit geführt, Die von der Beschwerdeführerin vorgetragene „missliche personelle Lage der Ermittlungsbehörden“ hat auf die Dauer des hiesigen Ermittlungsverfahrens keinen unmittelbaren Einfluss. Die Beschlagnahme über den Beschwerdezeitpunkt hinaus rechtfertigt sich durch die noch nicht vollständig abgeschlossene Auswertung der Unterlagen.

Die Beschuldigte hat u.a. Notizen zum Verbleib der verfahrensgegenständlichen Banknoten – insbesondere auch in dem dringend zurückgeforderten Tischkalender „2017″ – gefertigt (vgl. BI. 257 d.A.). Die Beweismittel geben außerdem Aufschluss über die zwischenmenschlichen Beziehungen und streitbedingten Vorkommnisse zwischen den Beteiligten. 

Gründe die die Erforderlichkeit und Angemessenheit der Maßnahme auch vor dem Hintergrund des Art. 14 GG – tatsächlich in Zweifel ziehen könnten wurden nicht vorgetragen.“

Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer jedenfalls insoweit an, als die Beschwerde derzeit noch unbegründet ist. Die Auswertung der Unterlagen wird in Anbetracht der inzwischen seit März 2017 andauernden Beschlagnahme innerhalb weniger Wochen (max. ein Monat) abgeschlossen sein müssen, um eine Entscheidung darüber zu treffen, ob die Unterlagen verfahrensrelevant sind oder ob sie mangels Beweiserheblichkeit zurückzugeben sind. Soweit die Auswertung der USB-Sticks noch nicht vollständig erfolgt ist, wird in Betracht gezogen werden müssen, die darauf befindlichen Daten zum Zweck der Auswertung zunächst auf einem anderen Datenträger zu sichern, bis eine Entscheidung über die Beweiserheblichkeit dieser Daten getroffen werden kann. Nur bei einem zeitnahen Abschluss der Auswertung der Unterlagen kann dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz noch genügt werden.“

Man könnte auch sagen: Fristsetzung 🙂 .

„Staatsanwalt als Zeuge, oder: Fleißkärtchen

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Immer mal wieder gibt es Entscheidungen zu der Problematik: „Staatsanwalt als Zeuge“. Mit der Problematik befasst sich dann auch der BGH, Beschl. v. 14.02.2018 – 4 StR 550/17 -, der die damit zusammenhängenden Fragen sehr schön zusammenfasst:

„Auch soweit der Beschwerdeführer beanstandet, dass Staatsanwältin B. nach ihrer Zeugenvernehmung weiter als Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft an der Hauptverhandlung mitgewirkt hat, bleibt die Verfahrensrüge ohne Erfolg.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Staatsanwalt, der in der Hauptverhandlung als Zeuge vernommen worden ist, insoweit an der weiteren Wahrnehmung der Aufgaben als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung gehindert, als zwischen dem Gegenstand seiner Zeugenaussage und der nachfolgenden Mitwirkung an der Hauptverhandlung ein unlösbarer Zusammenhang besteht (vgl. BGH, Urteile vom 13. Juli 1966 – 2 StR 157/66, BGHSt 21, 85, 89 f.; vom 18. Mai 1976 – 5 StR 529/75; vom 20. Juli 1976 – 1 StR 327/76; vom 7. Dezember 1993 – 5 StR 171/93, NStZ 1994, 194; vom 3. Februar 2005 – 5 StR 84/04, bei Becker, NStZ-RR 2006, 257; Beschluss vom 30. Januar 2007 – 5 StR 465/06, BGHR StPO § 24 Staatsanwalt 7; enger BGH, Urteile vom 7. Juni 1956 – 3 StR 148/56, bei Dallinger, MDR 1957, 16; vom 3. Mai 1960 – 1 StR 155/60, BGHSt 14, 265; zweifelnd BGH, Urteil vom 25. April 1989 – 1 StR 97/89, NStZ 1989, 583; Beschluss vom 24. Oktober 2007 – 1 StR 480/07, StV 2008, 337; vgl. Rogall in SK-StPO, 5. Aufl., vor § 48 Rn. 51 ff.). Nimmt der Staatsanwalt im Rahmen der weiteren Sitzungsvertretung eine Würdigung seiner eigenen Zeugenaussage vor oder bezieht sich seine Mitwirkung auf einen Gegenstand, der mit seiner Aussage in einem untrennbaren Zusammenhang steht und einer gesonderten Bewertung nicht zugänglich ist, liegt ein relativer Revisionsgrund nach § 337 StPO vor (vgl. BGH, Urteil vom 3. Mai 1960 – 1 StR 155/60 aaO), der im Falle eines gegebenen Beruhenszusammenhangs zur Aufhebung des Urteils führt (vgl. BGH, Urteile vom 5. Mai 1976 – 2 StR 709/75; vom 19. Oktober 1982 – 5 StR 408/82, StV 1983, 53; Beschluss vom 7. Juni 1983 – 5 StR 854/82, StV 1983, 497; Urteile vom 15. April 1987 – 2 StR 697/86, NJW 1987, 3088, 3090; vom 21. Dezember 1988 – 2 StR 377/88, BGHR StPO § 24 Staatsanwalt 2). Soweit sich die Aufgabenwahrnehmung in der Hauptverhandlung inhaltlich von der Erörterung und Bewertung der eigenen Zeugenaussage trennen lässt, ist der Staatsanwalt dagegen von einer weiteren Sitzungsvertretung nicht ausgeschlossen.

In Fällen, in denen – wie hier – nach der Zeugenvernehmung der vernommene Staatsanwalt und ein weiterer hinzugezogener Staatsanwalt gemeinsam als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft auftreten, liegt ein Verfahrensfehler nur dann vor, wenn der vernommene Staatsanwalt bei seiner weiteren Aufgabenwahrnehmung die dargestellten Grenzen einer zulässigen Mitwirkung nicht beachtet. Mit der Verfahrensrüge, die eine verfahrensfehlerhafte Wahrnehmung der Sitzungsvertretung durch den als Zeugen vernommenen Staatsanwalt geltend macht, muss daher im Rahmen des nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erforderlichen Tatsachenvortrags konkret dargetan werden, dass der Staatsanwalt bei der Aufgabenwahrnehmung in der Hauptverhandlung seine eigenen zeugenschaftlichen Bekundungen gewürdigt oder in sonstiger Weise die Grenzen einer zulässigen Mitwirkung überschritten hat (vgl. BGH, Urteile vom 25. Oktober 1983 – 5 StR 736/82, NStZ 1984, 182; vom 10. Juli 1996 – 3 StR 50/96, BGHR StPO § 24 Staatsanwalt 5; Beschluss vom 30. Januar 2007 – 5 StR 465/06, BGHR StPO § 24 Staatsanwalt 7; Häger in Gedächtnisschrift für Karlheinz Meyer, 1990, S. 170, 180 f.).

2. Dass Staatsanwältin B. im Rahmen der weiteren Wahrnehmung der Aufgaben als Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft bis zu den Schlussvorträgen eine Würdigung der eigenen Zeugenvernehmung vorgenommen oder ihre Mitwirkung sonst einen mit der Aussage untrennbar verbundenen Gegenstand betroffen hat, wird von der Revision nicht vorgetragen. Soweit die Revisionsbegründung auf Stellungnahmen zu von der Verteidigung gestellten Beweisanträgen und auf einen von der Staatsanwältin gestellten Antrag auf Aufrechterhaltung und weitere Vollstreckung des Haftbefehls gegen den Angeklagten verweist, wird deren Inhalt ebenso wenig mitgeteilt, wie das der Stellungnahme zur Haftfrage vorausgegangene Verfahrensgeschehen. Auch dem Vorbringen zur Beteiligung von Staatsanwältin B. an dem von der Strafkammervorsitzenden angeregten Verständigungsgespräch lässt sich eine Würdigung des Beweisergebnisses durch die Staatsanwältin nicht entnehmen. Die hierbei im Zusammenhang mit einer bei der Strafhöhe zu vermeidenden Schlechterstellung des gesondert Verfolgten K. von ihr zum Ausdruck gebrachte Einschätzung von dessen Einlassungsverhalten in seiner Hauptverhandlung war so bereits Gegenstand der Anklage und beinhaltete keine Stellungnahme zur Beweisaufnahme…..“

Da hat sich ein „Hiwi“ viel Mühe gemacht. Gibt sicher ein Fleißkärtchen 🙂 .

2 Strafsenat als Spezialsenat für „legendierte Durchsuchungen“, oder: Janusköpfige Maßnahme

entnommen openclipart.org

Der 2. Strafsenat des BGH scheint sich zum Spezialsenat für „besondere Durchsuchungen“ zu entwickeln. Nach dem BGH, Urt. v. 26.04.2017 – 2 StR 247/16 – (dazu Durchsuchung I: Die vorgetäuschte Polizeikontrolle, oder: Zulässig ja, Beweisverwertungsverbot nein, aber Pflicht zur Offenlegung) und dem BGH, Urt. v. 15.11.2017 – 2 StR 128/17 (dazu  Nochmals die “legendierte Kontrolle” – durch den Zoll, oder: Erlaubt, kein Beweisverwertungsverbot) nun das BGH, Urt. v. 17.01.2018 – 2 StR 180/17 – mit folgendem Sachverhalt:

Ergangen ist das Urteil in einem Verfahren u.a. wegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln. Nach den Feststellungen des LG „stand der Angeklagte im Verdacht, der Drogenlieferant des gesondert verfolgten D.  zu sein. Am 4. August 2016 wurde den Ermittlungsbehörden bekannt, dass D. ein größeres Drogengeschäft plante. Gegen 14.45 Uhr rief dieser den Angeklagten an und zitierte ihn zu seinem Garten in M. bei O., wo der Angeklagte um 15.35 Uhr eintraf. Das Treffen wurde polizeilich observiert. Nach Verlassen des Gartens gegen 16.26 Uhr verstaute der Angeklagte im hinteren rechten Bereich seines Fahrzeugs einen Gegenstand. In diesem Moment kam bei den Polizeieinsatzkräften, die bislang davon ausgegangen waren, es handle sich bei dem Angeklagten um den Drogenlieferanten des D. , der Verdacht auf, D. habe dem Angeklagten in seinem Garten Rauschgift übergeben. Die Einsatzleiterin, Kriminaloberkommissarin Dö. , ordnete daraufhin wegen Gefahr im Verzug an, das Fahrzeug des Angeklagten zu verfolgen und zu durchsuchen, bevor die vermeintlichen Drogen in Umlauf gelangen könnten. Um das aus ihrer Sicht höherrangige Verfahren gegen D. nicht zu gefährden, erteilte sie die Weisung, dem Angeklagten vorzuhalten, er werde aufgrund einer Personen- und Fahrzeugbeschreibung im Rahmen eines Raubdelikts angehalten. Nachdem es dem Angeklagten zunächst gelungen war, sich durch verkehrswidriges Fahrverhalten kurzzeitig der polizeilichen Verfolgung zu entziehen, wurde sein PKW gegen 17.00 Uhr auf dem Parkplatz eines Schnellrestaurants festgestellt. Der Angeklagte befand sich zu diesem Zeitpunkt in dem Restaurant. Unter dem Vorwand, es handele sich um eine Routineüberprüfung betreffend ein kürzlich begangenes Raubdelikt, wurde der Angeklagte durch die Polizeibeamten Z. und M. kontrolliert und sein Kraftfahrzeug durchsucht. Dabei wurden im hinteren rechten Fondbereich 86,82 Gramm Kokain mit einem Anteil an Kokainhydrochlorid von 67,5 % (58,47 Gramm) aufgefunden. Der Angeklagte hatte dieses am Nachmitttag desselben Tages von dem gesondert verfolgten D. auf Kommission zu einem Preis von 40 € pro Gramm erhalten und beabsichtigte, es für 60 € pro Gramm weiterzuverkaufen. Eine Dokumentation der Gründe für das Vorliegen von Gefahr im Verzug erfolgte nicht.

2. Aufgrund dieses Rauschgiftfunds beantragte Kriminaloberkommissarin Dö.   unter Einbindung des zuständigen Staatsanwalts bei dem Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Offenbach am Main den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses für die Wohnung des Angeklagten in F. . Gegen 17.42 Uhr ordnete der Ermittlungsrichter die Durchsuchung mündlich an. Eine vorherige Anhörung des Angeklagten unterblieb, um das polizeiliche Vorgehen nicht zu gefährden.“

Die Durchsuchung wird durchgeführt und es wird Rauschgilft gefunden. Der Angeklagte hat der Verwertung von Beweismitteln, die mit der Durchsuchung seines Kraftfahrzeuges und seiner Wohnung im Zusammenhang stehen, in der Hauptverhandlung widersprochen. Der BGh hat gegen deren Verwendung zur Feststellung des Wirkstoffgehalts jedoch keine Bedenken:

„Die durch die Einsatzleiterin Dö.  angeordnete Durchsuchung des PKW war rechtmäßig. Sie hat ihre Kollegen angewiesen, „die Verfolgung des Angeklagten aufzunehmen und aufgrund von Gefahr im Verzug, bevor die vermeintlichen Drogen in Umlauf gelangten, den Angeklagten anzuhalten und ihn zu durchsuchen.“ Während die Intention, das Inverkehrbringen der Drogen zu verhindern, für eine präventive Maßnahme spricht, deutet die Annahme von Gefahr im Verzug auf repressives Handeln hin.

Wenn eine Maßnahme – wie hier – sowohl der Gewinnung von Beweismitteln als auch der Gefahrenabwehr dient, besteht grundsätzlich kein Vorrang strafprozessualer Eingriffsbefugnisse. Polizeibehörden dürfen daher auch während eines bereits laufenden Ermittlungsverfahrens aufgrund präventiver Ermächtigungsgrundlagen zum Zwecke der Gefahrenabwehr tätig werden. Die Rechtmäßigkeit der Maßnahme ist dann ausschließlich nach den gefahrenabwehrrechtlichen Voraussetzungen zu beurteilen. Die Verwertbarkeit der dabei gewonnenen Beweismittel im Strafverfahren bestimmt sich nach § 161 Abs. 2 Satz 1 StPO (Senat, Urteil vom 26. April 2017 – 2 StR 247/16, NJW 2017, 3173 Rn. 37 ff.). Letztlich kann die rechtliche Einordnung der Maßnahme hier dahingestellt bleiben, da sowohl die gefahrenabwehrrechtlichen als auch die strafprozessualen Voraussetzungen für die Durchsuchung des PKWs gegeben waren.

aa) Die Voraussetzungen der gefahrenabwehrrechtlichen Eingriffsgrundlage des § 37 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 HSOG (i.V.m. § 36 Abs. 1 Nr. 1 HSOG bzw. § 40 Nr. 1 und 4 HSOG) lagen zum Zeitpunkt der Durchsuchung vor. Aus den Telefonüberwachungsmaßnahmen und der Observation des Treffens des Angeklagten mit dem gesondert Verfolgten D.   waren aus Sicht der handelnden Polizeibeamten tatsächliche Anhaltspunkte dafür gegeben, dass der Angeklagte in seinem Fahrzeug Drogen, mithin (verbotene) Gegenstände im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 HSOG (i.V.m. § 40 Nrn. 1 und 4 HSOG) mit sich führte, von denen eine erhebliche Gefahr für die Volksgesundheit ausging. Einer vorherigen richterlichen Anordnung bedurfte es nach dem Hessischen Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht. Da die Erkenntnisse aus der Fahrzeugdurchsuchung der Aufklärung einer „schweren Straftat“ im Sinne des § 100a Abs. 2 Nr. 7 StPO dienten, aufgrund derer eine Durchsuchung nach der Strafprozessordnung ohne weiteres hätte angeordnet werden dürfen, liegen auch die Voraussetzungen des § 161 Abs. 2 Satz 1 StPO vor.

bb) Die Durchsuchung des Kraftfahrzeuges des Angeklagten war auch als repressive Maßnahme zulässig. Ein Verstoß gegen den Richtervorbehalt ist nicht zu besorgen. Die Annahme von Gefahr im Verzug hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.

Gefahr im Verzug liegt dann vor, wenn die vorherige Einholung der richterlichen Anordnung den Erfolg der Durchsuchung gefährden würde (vgl. BVerfG, Urteil vom 20. Februar 2001 – 2 BvR 1444/00, BVerfGE 103, 142, 154; Senat, Urteil vom 6. Oktober 2016 – 2 StR 46/15, BGHSt 61, 266, 273; BGH, Urteil vom 10. Juli 2014 – 3 StR 140/14, NStZ-RR 2014, 318, 319; Beschluss vom 30. August 2011 – 3 StR 210/11, NStZ 2012, 104 jeweils mwN). Für die Frage, ob die Ermittlungsbehörden eine richterliche Entscheidung rechtzeitig erreichen können, kommt es auf den Zeitpunkt an, zu dem die Staatsanwaltschaft oder ihre Hilfsbeamten die Durchsuchung für erforderlich hielten (BGH, Urteil vom 18. April 2007 – 5 StR 546/06, BGHSt 51, 285, 288 f.).

Dieser Zeitpunkt war vorliegend gegeben, als der Angeklagte den Garten des anderweitig Verfolgten D. überraschend mit einem Päckchen verließ. Erst zu diesem Zeitpunkt war bei den observierenden Beamten, die bislang davon ausgingen, bei dem Angeklagten handele es sich um einen Drogenlieferanten des D. , der Verdacht aufgekommen, D. seinerseits habe dem Angeklagten Drogen übergeben (vgl. zur nicht vorhersehbaren Aufgreifsituation: Löwe-Rosenberg/Tsambikakis, StPO, 26. Aufl., § 105 Rn. 87). Da eine unverzügliche Weitergabe der vermeintlichen Drogen durch den Angeklagten zu befürchten war, ist die Annahme von Gefahr im Verzug rechtlich nicht zu beanstanden. Die mangelnde Dokumentation der Dringlichkeit der Maßnahme ist hier unbeachtlich, da die Beschreibung der tatsächlichen Umstände das Vorliegen von Gefahr im Verzug als evident erscheinen lässt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 2005 – 2 BvR 308/04, NJW 2005, 1637, 1639; Senat, Beschluss vom 15. März 2017 – 2 StR 23/16, NStZ 2017, 713). Die kurzzeitige Flucht des Angeklagten führte zu keiner Zäsur der kurz zuvor rechtmäßig angeordneten Maßnahme (vgl. Senat, Beschluss vom 15. März 2017 – 2 StR 23/16, aaO).

b) Soweit der Angeklagte beanstandet, die Staatsanwaltschaft habe gegen die Grundsätze der Aktenwahrheit und -klarheit verstoßen, weil zum Zeitpunkt der Anklageerhebung der Akteninhalt suggeriert habe, bei der Durchsuchung des Kraftfahrzeuges habe es sich um eine zufällige Maßnahme gehandelt und die wesentlichen Unterlagen, aus denen sich der tatsächliche Hintergrund der Durchsuchung ergebe, seien erst drei Tage nach Anklageerhebung durch die Polizei übersandt worden, handelt es sich der Sache nach um die Rüge des fairen Verfahrens (vgl. Senat, Urteil vom 26. April 2017 – 2 StR 247/16, NJW 2017, 3173, 3178 f.). Unschädlich ist, dass der Beschwerdeführer den verletzten Verfahrensgrundsatz nicht explizit benennt. Denn die Angriffsrichtung – hier die Beeinträchtigung der Verteidigung durch die Zurückhaltung von für das Ermittlungsverfahren wesentlichen Informationen – ergibt sich noch ausreichend aus dem Revisionsvorbringen (vgl. Senat, Urteil vom 29. November 1989 – 2 StR 264/89, NJW 1990, 584, 585; KK-StPO/Gericke, 7. Aufl., § 344 Rn. 34). Jedoch führt hier bereits widersprüchlicher Tatsachenvortrag zur Unzulässigkeit der Rüge (BGH, Beschluss vom 28. August 1997 – 1 StR 291/97, NStZ 1998, 52; Urteil vom 19. Oktober 2005 – 1 StR 117/05, NStZ-RR 2006, 181, 182 mwN). So macht die Revision geltend, die Verfahrensakte sei, nachdem der staatsanwaltschaftliche Sachbearbeiter auf Blatt 172 ff. der Akte den Abschluss der Ermittlungen vermerkt habe, dem Gericht ohne Hinweis auf das Hintergrundverfahren und den tatsächlich der Durchsuchung des Kraftfahrzeugs zugrundeliegenden Sachverhalt vorgelegt worden. An späterer Stelle teilt sie hingegen mit, auf Blatt 112 der Verfahrensakten finde sich eine Dokumentation des durch die Kriminalpolizei kontaktierten Bereitschaftsrichters vom 4. August 2016 folgenden Inhalts:

„Am 4.8. um ca. 18 h rief K 34 an und teilte folgenden Sachverhalt mit: Der Beschuldigte K. , geb. , wh S. str. in F. wurde bereits abgehört, er sei bei einem BtM-Geschäft beobachtet, danach kontrolliert worden, in seinem Fzg. sei 89 gr. Kokain gefunden worden, der StA von der StA DA hat Durchsuchung seiner Wohnräume in F. beantragt.“

Aus diesem Vermerk ergibt sich eindeutig, dass der Durchsuchung des Kraftfahrzeuges strafprozessuale Maßnahmen gegen den Angeklagten vorangegangen waren, was auch der Verteidigung aufgrund entsprechender Akteneinsicht bekannt gewesen sein muss.“

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Dauerbrenner Erstreckung- geht das auch beim “Dreier”?

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Die Frage vom vergangenen Freitag: Ich habe da mal eine Frage: Dauerbrenner Erstreckung- geht das auch beim “Dreier”? war dann im Ergebnis m.E. recht einfach zu beantworten, nämlich:

Also: Es kann in allen drei Verfahren abrechnet werden. Ich gehe davon aus, dass Sie in A, B und C vor Anklageerhebung tätig gewesen sind. Dann:

A: 4100, 4104, 4106
B: 4100, 4104, 4106
C: 4101, 4105, 4107 und ggf. TG

Also wie der Kollege ppp. Ich würde zur Sicherheit in B noch einen Erstreckungsantrag stellen. M.E. nicht erforderlich, aber man weiß nie.“

Mal sehen, was festgesetzt wird. Die Kollegin wird sicherlich berichten.

58 Punkte in Flensburg glauben wir, oder: „Habt Ihr sie noch alle?“

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Und als zweite Strafzumessungsentscheidung dann der OLG Naumburg, Beschl. v. 04.09.2017 – 2 Rv 95/17. Das ist eine, „wie sie im Buche steht“. Man fragt sich, wenn man die Ausführungen des LG liest, was sich die Berufungskammer eigentlich bei ihrer Entscheidung gedacht hat und was das LG eigentlich getan hat. Beides Fragen kann man m.E., nur mit „Nichts“ beantworten.

Das LG hat den Angeklagten im Berufungsverfahren wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt (Einzelstrafen: viermal acht Monate). Dagegen richtet sich die Revision des Angeklagten, die zur Aufhebung des Strafausspruchs führt:

Das Gericht hat ausdrücklich strafschärfend berücksichtigt, „dass der Angeklagte, wie die erhebliche Anzahl der im Fahreignungsregister vermerkten Punkte zeigt, zum Führen eines Fahrzeuges ungeeignet ist und somit eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer darstellt“. Hinsichtlich der vermerkten Punkte hat die Kammer ausgeführt, im Fahreignungsregister seien auf dem Punktekonto des Angeklagten 58 Punkte vermerkt, wobei sie diese vermeintliche Erkenntnis allein auf die Einlassung des Angeklagten stützt.

Die strafschärfende Berücksichtigung der 58 Punkte und der daraus gefolgerten fehlenden Eignung des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen offenbart zwei Rechtsfehler. Zum einen durfte die Kammer die Feststellung der 58 Punkte nicht allein auf die Einlassung des Angeklagten stützen. Es ist anerkannt, dass Angaben, mit denen der Angeklagte sich selbst belastet, jedenfalls dann nicht ohne weitere Nachprüfung den Feststellungen zugrunde gelegt werden dürfen, wenn sie in höchstem Maße unwahrscheinlich sind. Ein Punktestand von 58 im Fahreignungsregister dürfte angesichts der Tilgungsvorschriften und der Tatsache, dass die Punktzahlen für einzelne Ordnungswidrigkeiten seit Beginn des Fahreignungsregisters drastisch minimiert worden sind, kaum möglich sein. Den beiden Mitgliedern des Senates, die seit Anfang 2011 durchgängig Verkehrsordnungswidrigkeiten bearbeiten, ist jedenfalls in über 1500 Verfahren kein einziger Fall untergekommen, in dem auch nur die Hälfte von 58, also 29 Punkte, erreicht worden ist. Das gilt auch für die Geltungszeit des Verkehrszentralregisters, in der die Anzahl der Punkte für die einzelnen Verfehlungen im Schnitt mehr als doppelt so hoch war wie gegenwärtig. Das Gericht hätte daher die Angaben des Angeklagten über sein Punktekonto nur zu seinem Nachteil verwerten dürfen, wenn es diese, etwa durch Einholung einer Auskunft aus dem Fahreignungsregister, verifiziert hätte.

Am Rande bemerkt der Senat, wenngleich revisionsrechtlich unerheblich, dass eine Auskunft aus dem Fahreignungsregister betreffend den Angeklagten vom 29. August 2017 einen Punktestand von vier ergab, wovon zwei Punkte auf eine Eintragung entfallen, die am Tag der Berufungshauptverhandlung noch nicht registriert war.

Auch abgesehen von der rechtsfehlerhaften Feststellung des Punktestandes hätte das Gericht die hieraus geschlossene Ungeeignetheit des Beschwerdeführers zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht strafschärfend berücksichtigen dürfen. Der Gesetzgeber hat nämlich Fahren ohne Fahrerlaubnis im Wesentlichen deswegen unter Strafe gestellt, weil er zu Recht davon ausgeht, dass eine Person, die keine gültige Fahrerlaubnis hat, zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Die strafschärfende Berücksichtigung der Ungeeignetheit verstößt daher gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB.

Entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft ziehen die fehlerhaften Strafzumessungserwägungen auch die Aufhebung des Strafausspruchs nach sich. Zwar ist der Angeklagte massiv, überwiegend einschlägig, vorbestraft. Es liegen jedoch bei allen Taten zwei gewichtige Milderungsgründe vor, nämlich das umfassende Geständnis und die Tatsache, dass die Fahrstrecke jeweils kurz war. Von diesem Hintergrund kommen durchaus auch mildere Einzelstrafen als die hier verhängten, zwei Drittel des Strafrahmens ausschöpfenden jeweils acht Monate und damit auch eine mildere Gesamtfreiheitsstrafe in Betracht.“

Wenn man das liest, fragt man sich, ob man sich bei der Berufungskammer des LG Halle eigentlich die „Hose mit der berühmten Kneifzange zumacht“? Oder: warum kommt man eigentlich nicht auf die Idee, einen vom Angeklagten angegebenen Punktestand von 58 Punkten (!!) im FAER zu hinterfragen. M;an glaubt doch sonst Angeklagten auch nicht alles. Und was hätte man, wenn man seine Hausaufhaben in Form einer Anfrage in Flensburg gemacht hätte, festgestellt: Es waren wohl zum Zeitpunkt des Berufungsverfahrens nur zwei Punkte. Man fasst es wirklich nicht.

Auch die weitere Strafzumessungserwägung: Strafschärfung beim Fahren ohne Fahrerlaubnis wegen Ungeeignetheit des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen zeugt nicht von besonderem Sachverstand in der Berufungskammer.

Solche Revisionen sind Selbstläufer.