Archiv für den Monat: März 2017

Verjährungsunterbrechung? oder: Hier nicht durch dinglichen Arrest oder Akteneinsicht

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So, in die neue Woche, die 10. KW des Jahres 2017, strate ich dann mit zwei Entscheidungen, die Verjährungsfragen zum Gegenstand haben. Die erste ist der – schon etwas ältere – KG, Beschl. v. 20.05.2016 – 1 Ws 83/15, der in einem Verfahren wegen des Vorwurfs eines Vergehens gegen das Wertpapierhandelsgesetz ergangen ist. In ihm war von der Staatsanwaltschaft die Anordnung des Verfalls beantragt worden. Das LG hatte den Antrag wegen Verfolgungsverjährung abgelehnt. Und um die Frage, ob nun Verjährung eingetreten ist oder nicht wird gestritten. Das KG trifft dazu zwei Aussagen, die im Verfahren ergangene Maßnahmen betreffen, denen verjährungsunterbrechende Wirkung zukommen könnte, und zwar (zunächst):

Die Anordnung des dinglichen Arrestes gemäß §§ 111b Abs. 2, 111d StPO unterbricht nicht die Strafverfolgungsverjährung, da es sich nicht um eine richterliche Beschlagnahmeanordnung im Sinne des § 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB handelt.

Und dann geht es noch um die Frage der Unterbrechung der Strafverfolgungsverjährung durch Gewährung von Akteneinsicht, die in der Praxis sicherlich eine große Rolle spielt. Dazu stellt das KG fest:

„c) Auch die Verfügung vom 1. Dezember 2009, mit der die Staatsanwaltschaft dem Verteidiger des Beschuldigten G. Akteneinsicht gewährte, hat die Verjährung nicht unterbrochen.

aa) Dabei ist von folgenden Grundsätzen auszugehen: Es ist anerkannt, dass in der Gewährung der Akteneinsicht zugleich die Bekanntgabe einer Verfahrenseinleitung im Sinne von § 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB liegen kann. Die Bekanntmachung der Einleitung der Ermittlungen bedarf keiner besonderen Form und ist auch gegenüber dem bevollmächtigten Verteidiger möglich; sie muss dem Beschuldigten nur deutlich machen, dass gegen ihn wegen einer bestimmten Tat ein Ermittlungsverfahren geführt wird (vgl. BGH NStZ 2002, 229). Ob die Gewährung von Akteneinsicht die Verjährung unterbricht, lässt sich nicht allgemein beantworten und hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. BGHR StGB § 78c Abs. 1 Nr. 1 Bekanntgabe 4; OLG Saarbrücken ZfSch 2009, 532). Die Staatsanwaltschaft muss im Zeitpunkt der Einsichtsgewährung bereits einen Strafverfolgungswillen haben, der sich auf eine bestimmte Tat beziehen muss (vgl. BGH StV 1997, 187; BGHR StGB § 78c Abs. 1 Handlung 3). Aus den Umständen muss klar ersichtlich sein, dass die dem Verteidiger gewährte Akteneinsicht zur Information des Beschuldigten über Inhalt und Umfang des Ermittlungsverfahrens dienen soll und auch tatsächlich gedient hat (vgl. BGH NStZ 2008, 214). Hat die Bekanntgabe der Einleitung des Ermittlungsverfahrens eine Unterbrechung der Verfolgungsverjährung nach § 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB bewirkt, so können weitere nach dieser Norm durchgeführte Maßnahmen nicht zu einer nochmaligen Unterbrechung führen (vgl. BGH NStZ-RR 2014, 340; BGH NStZ 2009, 205).

bb) Daraus folgt, dass die dem Verteidiger des Beschuldigten im Dezember 2009 gewährte Akteneinsicht zwar grundsätzlich die Voraussetzungen für eine Verjährungsunterbrechung erfüllte. Gleichwohl ist diese nicht eingetreten, weil die vorangegangene erstmalige Teilgewährung von Akteneinsicht im Frühjahr 2008 die Verjährungsunterbrechung gemäß § 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB „verbraucht“ hatte und die wiederholte Akteneinsicht keine erneute Unterbrechung bewirken konnte.“

Und das legt das KG dann für das dem Verteidiger Akteneinsicht gewährende Schreiben der Staatsanwaltschaft dar.

Sonntagswitz: Heute die Ostfriesen

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So, in der vergangenen Woche war ich am Sonntag auf Borkum, habe aber keine Ostfriesenwitze gebracht, sondern wegen Karneval:Sonntagswitz: Heute mal „Lecker Bierchen“ trinken. Die Ostfriesenwitze hole ich dann heute nach – war ja Rosenmontag auch noch auf Borkum 🙂 . Und da sind – kann sein, dass ich den ein oder anderen schon mal hatte:

Warum ruft ein ostfrisischer Wissenschaftler den Schlüsseldienst an?
Um eine Nachicht zu verschlüsseln.


Was machen die Ostfriesen wenn sie einen Stromausfall haben?
Dann gehen sie an den Strand und holen sich ein paar Kilo Watt.


Dazu passt:

Warum geht ein Ostfriese mit einem Radio ins Meer?
Er sucht die Kurzwelle.


Einsatzbesprechung im ostfriesischen Raumfahrtzentrum.
Der Raumschiffkapitän informiert seine Astronauten: „Männer, unser erster Raumflug führt uns zur Sonne.“
Meint ein Astronaut: „Aber ist es da nicht fürchterlich heiß ?“
Darauf der Kapitän: „Aber, aber, wir landen natürlich nachts!“


Warum haben sich Ostfriesen noch nie über Ostfriesenwitze beschwert?
Weil sie die Witze nicht verstehen.


 

Wochenspiegel für die 9. KW, das war: Weg ist Wendt, Rasermörder, Poliscan und beA

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In der vergangenen Woche war zwar im Rheinland „Feierwoche“, das bedeutet aber nicht, dass es nicht interessante Themen in den Blogs gegeben hat. Denn in den anderen Landesteilen ist gearbeitet worden. Ich berichte daher über:

  1. Mord durch Rasen (LG Berlin), und: Neues zum Raser – Wissenschaftskritik, oder: War es wirklich Mord? Zum Urteil des LG Berlin im Fall des tödlichen Autorennens auf dem Kurfürstendamm, sicherlich ein strafrechtliches Prüfungsthema in der nächsten Zeit,
  2. Rainer Wendt – endlich weg vom Fenster,
  3. dazu passt dann: Wendt schon wieder,
  4. Aufwandsentschädigung für Mietwagenfirma nach Blitzer – rechtswidrig?,
  5. Unfallort Waschstraße – wer haftet, wenn es kracht?,
  6. Bei hartnäckigem Falschparken kann die Fahrerlaubnis entzogen werden,
  7. Literatur zum Anwaltspostfach beA ,
  8. Akteneinsichtsrecht im Besteuerungsverfahren,
  9. und ein Wochenspiegel ohne Poliscan geht nicht: PoliScan Speed-Betroffener frei­ge­spro­chen: AG Schwetzingen hält Messung für un­ver­wert­bar, dazu dann: OLG Zweibrücken: Poliscan ist/bleibt standardisiert, oder: Teufelskreis bzw: Bock zum Gärtner machen? und: PoliscanSpeed – OLG-Beschluss „widerspricht jedenfalls der technischen Realität“, oder: Die Karawane zieht weiter,
  10. und dann war da noch ein zivilrechtliches Examensthema: LG Arnsberg: Doch keine Bierkasten GBR,

Unfallmanipulation? – die Daten des Electronic Data Recorders sprechen (auch) dafür

entnommen wikimedia.org

Das LG Bochum, Urt. v. 17.10.2016 – I 5 O 291/15 – behandelt (mal wieder) einen Fall der Unfallschadenmanipulation (um Kommentare zu vermeiden, nehme ich nicht den „getürkten Unfall“ 🙂 ). Die macht im Rahmen einer fiktiven Abrechnung Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall geltend. Hierzu behauptete sie, dass ihr am Straßenrand abgestelltes – hochwertiges – Kfz vom Typ Audi A-7 durch den Beklagten mit einem Fahrzeug beschädigt worden sein soll, welches dieser angemietet hatte. Der Beklagte hat angegeben, dass er in der Nähe vom Unfallort nicht gehalten, sondern gleich in die Straße des Kollisionsortes eingebogen wäre. Bei starkem Regen wäre dann überraschend die Fahrzeugelektronik ausgefallen und dies wäre die Ursache für ein Abkommen nach rechts von der Fahrbahn gewesen.

Das LG geht von einem manipulierten Unfall aus. Insoweit nichts Neues, wenn es ausführt:

„Auf das Vorliegen eines manipulierten Unfallereignisses kann bereits dann geschlossen werden, wenn ein solches nicht mit Sicherheit festgestellt werden kann, jedoch hinreichend starke Indizien dafür sprechen, dass eine Absprache der Beteiligten vorliegt (vgl. OLG Hamm, Beschl v. 25.6.2014 -Az. 20 U 66/14). Entscheidend ist dabei eine Gesamtschau aller Umstände, nicht die isolierte Würdigung einzelner Aspekte des Sachverhalts (KG, Urt. v. 6.2.2006 -12 U 4/04).“

Auch die herangezogenen Indizien sind dann nicht neu: Hochwertiges Fahrzeug wird durch ein gemietetes Fahrzeug beschädigt, Abrechnung auf der Grundlage fiktiver Reparaturkosten,  zeitnaher Verkauf des geschädigten Fahrzeugs, vermeintlich klare Haftungslage.

Aber ein Kriterium ist dann doch „neu“ bzw. macht die Entscheidunge berichtenswert. Nämlich:

„Neben der Vielzahl der dargestellten Indizien spricht jedoch insbesondere das auf der Auswertung des „Electronic Data Recorder“ basierende Gutachten für einen gestellten Verkehrsunfall. Aus den insgesamt gut nachvollziehbaren Ausführungen – ¬denen die Klägerin ebenfalls nicht entgegengetreten ist – ergibt sich ein Unfallhergang, der vollständig von den Schilderungen des Beklagten zu 1) abweicht. Hiernach stand das Fahrzeug fünf Sekunden vor der Kollision und wurde dann relativ stark auf eine Geschwindigkeit von 34 km/h beschleunigt. Das Lenkrad war dabei nach links gedreht. Anschließend folgte eine leichte Lenkbewegung nach rechts sowie ein leichtes Abbremsen. Sodann kam es zu der Kollision. Dies weicht erheblich von den Schilderungen des Beklagten zu 1) ab und stellt kein plausibles und nachvollziehbares Fahrmanöver dar.

Es besteht zudem kein Grund an dem Parteigutachten, das durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen erstattet wurde, zu zweifeln. Insbesondere besteht kein Grund zu der Vermutung, dass die vom „Electronic Data Recorder“ zur Verfügung gestellten Daten durch einen etwaigen Ausfall der Elektronik beeinflusst worden sind. Dies ergibt sich ebenfalls aus dem Gutachten. Wäre es zu einem solchen Ausfall gekommen, hätte der „Electronic Data Recorder“ andere oder ggf. gar keine Daten aufgezeichnet.

Es bestehen im Hinblick auf die Auswertung dieser Daten auch keine datenschutzrechtlichen Bedenken. Bei den Aufzeichnungen des Electronic Data Recorder dürfte es sich um personenbezogene Daten im Sinne des BDSG handeln, da dieser Begriff weit auszulegen ist und keine gesteigerte Persönlichkeitsrelevanz oder Eingriffsintensität voraussetzt (Tager/Gabel-Buchner, BDSG, § 3 Rn. 11). Die Datenverarbeitung ist jedoch nach § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG zulässig, da sie zur Wahrung berechtigter Interessen erforderlich ist und keine überwiegenden schutzwürdigen Interessen des Betroffenen ersichtlich sind. Im Rahmen der erforderlichen Abwägung überwiegt das Interesse an der Aufklärung des Geschehensablaufs das Interesse des Betroffenen am Schutz der personenbezogenen Daten, zumal diese hier nahezu keine Rückschlüsse auf persönlichkeitsrelevante Merkmale erlauben (vgl. Pötters/Wybitul, NJW 2014, 2074, 2076 ff.).“

Ersatz der Reparaturbestätigung, – die wird bei fiktiver Schadensabrechnung i.d.R, nicht ersetzt, so der BGH

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In der vergangenen Woche ist auf der Homepage des BGH das BGH, Urt. v. 24.01.2017 – VI ZR 146/16 – veröffentlicht worden. Eine Leitsatzentscheidung, was zeigt, wie wichtig der BGH die entschiedene Frage nimmt, wenn er selbst den Leitsatz bildet. Darüber gibt es dann nur noch die Veröffentlichung in BGHZ 🙂 .

In der Entscheidung ging es um eine Restschadenabrechnung aus einem Verkehrsunfall vom 22. Juli 2014 in Anspruch. Die volle Haftung des Beklagten für den Unfallschaden war nicht im Streit. Ein Privatsachverständiger ermittelte die Kosten für die Reparatur des Unfallschadens am Fahrzeug der Klägerin mit netto 4.427,07 €. Die Klägerin rechnete auf Gutachtenbasis mit dem Beklagten ab, der den ermittelten Betrag erstattete. Die Reparatur ließ die Klägerin von ihrem Lebensgefährten, einem gelernten Kfz-Mechatroniker vornehmen. Die Ordnungsgemäßheit der Reparatur ließ sie sich von dem Sachverständigen bestätigen, der für die Erstellung der Reparaturbestätigung 61,88 € in Rechnung stellte. Und um diesen Betrag wurde noch gestritten. Das AG hatte die Klage abgewiesen, das LG die vom AG zugelassene Berufung zurückgewiesen.

Und der BGH? Der gibt dem LG Recht und hat die Revision zurückgewiesen. Der Leitsatz:

Wählt der Geschädigte den Weg der fiktiven Schadensabrechnung, sind die im Rahmen einer tatsächlich erfolgten Reparatur angefallenen Kosten einer Reparaturbestätigung für sich genommen nicht ersatzfähig. Eine Kombination von fiktiver und konkreter Schadensabrechnung ist insoweit unzulässig.

Also: Entscheidet sich der Geschädigte für die fiktive Schadensabrechnung, sind die im Rahmen einer tatsächlich erfolgten Reparatur angefallenen Kosten nicht (zusätzlich) ersatzfähig. Der Geschädigte muss sich vielmehr an der gewählten Art der Schadensabrechnung festhalten lassen. Aber:

„Etwas anderes könnte gelten, wenn die Reparaturbestätigung aus Rechtsgründen zur Schadensabrechnung erforderlich gewesen wäre, etwa im Rahmen der Abrechnung eines zusätzlichen Nutzungsausfallschadens (vgl. AG Düsseldorf, Urteil vom 30. Juli 2015 – 235 C 11335/14, juris Rn. 18; AG Schwabach, Urteil vom 22. November 2012 – 2 C 999/12, juris Rn. 5 ff.; AG Mainz, Urteil vom 15. Mai 2012 – 86 C 113/12, juris Rn. 12; AG Frankfurt, Urteil vom 3. Februar 2011 – 29 C 2624/10, juris Rn. 97 ff.). Die Reparaturbescheinigung wäre – ihre Eignung im Übrigen vorausgesetzt – dann als Nachweis der tatsächlichen Gebrauchsentbehrung (vgl. zu dieser Anspruchsvoraussetzung Senatsurteile vom 23. März 1976 – VI ZR 41/74, BGHZ 66, 239, 249; vom 10. März 2009 – VI ZR 211/08, VersR 2009, 697 Rn. 9; Geigel/Knerr, Der Haft-pflichtprozess, 27. Aufl., Kap. 3 Rn. 96; Wussow/Zoll, Unfallhaftpflichtrecht, 16. Aufl., Kap. 41 Rn. 90) erforderlich zur Rechtsverfolgung im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Entsprechendes kann im Fall der den Wiederbeschaffungsaufwand überschreitenden fiktiven Reparaturkosten für den Nachweis der ver-kehrssicheren (Teil-)Reparatur des Unfallfahrzeugs und damit des tatsächlich bestehenden Integritätsinteresses des Geschädigten (vgl. hierzu Senatsurteile vom 29. April 2008 – VI ZR 220/07, NJW 2008, 1941; vom 29. April 2003 – VI ZR 393/02, BGHZ 154, 395; Geigel/Knerr, aaO, Rn. 35; Wussow/Zoll, aaO, Rn. 10 f.) gelten.“