Archiv für den Monat: Februar 2017

(Zulässige) Berufungseinlegung per E-Mail? oder: So weit sind wir noch nicht

entnommen openclipart

Die ohne digitale Signatur und vor Eröffnung des elektronischen Rechtsverkehrs in Strafsachen per E-Mail mittels eines angehängten und mit seiner eingescannten Unterschrift versehenen PDF-Dokuments eingelegte Berufung eines Angeklagten genügt dem Schrifterfordernis des § 314 Abs. 1 StPO, wenn das PDF-Dokument bei Gericht aufforderungsgemäß und fristwahrend ausgedruckt und zu den Akten genommen wird und an der Urheberschaft des Verfassers und an dessen Willen, das Rechtsmittel einzulegen, kein Zweifel besteht. So der OLG Rostock, Beschl. v. 06.01.2017 – 20 Ws 311/16.

Nach dem Sachverhalt des Beschlusses war der Angeklagte vom AG verurteilt worden. Gegen das Urteil hatte er sich mit einer mit dem Wort „Berufung“ überschriebenen, an das AG gerichteten E-Mail, der diverse Anlagen im PDF-Format beigefügt waren, gewendet. Im Text der E-Mail hatte er um Öffnung der Anhänge gebeten. Dem war das AG nachgekommen und hatte die E-Mail nebst 6 Blatt Anlagen ausgedruckt und mit einem Eingangsstempel versehen. Eine der Anlagen bestand aus einem zweiseitigen Schreiben, in dem der Angeklagte – bezugnehmend auf das Urteil des AG unter Nennung des korrekten Aktenzeichens – ausdrücklich Berufung einlegt und diese näher begründet. Der Schriftsatz enthielt auf der zweiten Seite eine – möglicherweise eingescannte – Unterschrift, die den sonst in den Akten befindlichen Unterschriften des Angeklagten entsprach. Das LG hat die Berufung des Angeklagten als unzulässig verworfen. Dagegen richtete sich dessen sofortige Beschwerde (§ 322 Abs. 2 StPO). Diese hatte Erfolg.

Das OLG ist unter Hinweis auf die obergerichtliche Rechtsprechung zur Erfüllung des Schriftlichkeitsgebotes (vgl. GmS-OGB NJW 2000, 2340) von einer den Form- und Fristanforderungen des § 314 Abs. 1 StPO genügenden Berufung ausgegangen. § 41a Abs. 1 StPO erlaube für den Bereich der Strafrechtspflege mittlerweile vom Grundsatz her, dass an das Gericht gerichtete Erklärungen, Anträge oder deren Begründung, die nach dem Gesetz ausdrücklich schriftlich abzufassen oder zu unterzeichnen sind, auch als elektronisches Dokument eingereicht werden können, wenn die näheren Voraussetzungen der Norm (qualifizierte elektronische Signatur nach dem Signaturgesetz, Zulassung des elektronischen Rechtsverkehrs für den jeweiligen Bereich durch die dafür zuständige Stelle, § 41a Abs. 2 StPO) vorliegen. Nicht abschließend geklärt seit allerdings der Fall, dass Dokumente als (z.B. eingescannte) Anlagen zu elektronischen Nachrichten versandt werden. Dazu verweist das OLG auf den Zivilrechtsbereich. Für den hat BGH entschieden, dass der Ausdruck einer an eine elektronische Nachricht angehängten Bilddatei – nicht jedoch die Bilddatei selbst – ein schriftliches Dokument darstelle, sofern bei der Bilddatei die sonstigen Formerfordernisse eingehalten seien. Maßgeblich für den – ggf. fristwahrenden – Eingang der Erklärung bei Gericht sei dann das Datum des Ausdrucks der Bilddatei (vgl. BGH NJW 2015, 1527). Diese Rechtsprechung wendet das OLG „ohne weiteres“ auf den Bereich des Strafrechts an.

Nicht zu früh „freuen“. Denn: Das OLG hat nicht etwa allgemein die Einlegung der Berufung – oder anderer Rechtsmittel – durch Email (in Mecklenburg-Vorpommern) als zulässig angesehen. Denn der elektronische Rechtsverkehr in Strafsachen ist im Land Mecklenburg-Vorpommern – erlaubtermaßen – bislang überhaupt nicht eröffnet (§ 41a Abs. 2 StPO, § 1 ERVVO M-V i.V.m. Anlage zu § 1). Das bedeutet, dass unabhängig vom Vorliegen einer qualifizierten Signatur für die Gerichte keine Verpflichtung besteht, elektronische Post in Strafsachen überhaupt zur Kenntnis zu nehmen und Öffnungen von Anhängen zu E-Mails vorzunehmen. Damit naturgemäß verbundene Risiken im Hinblick auf Form- und Fristwahrung gehen also nach wie vor zulasten des Absenders, der die für ihn risikobehaftete Art der Schriftsatzübermittlung selbst gewählt hat. Fazit: Man sollte weiterhin lieber die Finger von der Rechtsmitteleinlegung durch Email lassen, nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern sondern auch in anderen Bundesländern (zur Diskussion u.a. Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 8. Aufl., 2016, Rn 592 ff. m.w.N.).

Und: Die Anhänge müssen natürlich die Voraussetzungen für eine formgerechte Berufung erfüllen. Das war hier der Fall.

M5 Speed ist standardisiert, oder: Wir verteidigen mit „Zähnen und Klauen“ …..

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Im VerkehrsrechtsBlog ist schon über den OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.01.2017 – IV-2 RBs 10/17 – berichtet worden (Ja, wenn man nur Verkehrsrecht macht, ist man ggf. schneller 🙂 ). Ich stelle den Beschluss heute aber dann hier auch vor, weil er drei Grundaussagen enthält, über die man berichten/auf die man hinweisen soll/kann. Es geht um eine Geschwindigkeitsüberschreitung, die mit einer Messung mit dem  Gerät M5 Speed der Firma VDS Verkehrstechnik GmbH (VDS) durchgeführt worden ist.

Und dazu führt das OLG aus:

  1. Eine Messung mit dem  Gerät M5 Speed der Firma VDS Verkehrstechnik GmbH (VDS) stellt ein sog. standardisiertes Messverfahren dar. Das OLG ist m.E. das erste OLG, das sich zu diesem Messverfahren so äußert.
  2. In der Begründung taucht dann – auch hier – wieder das Argument „Bauartzulassung durch die PTB als „antizipiertes Sachverständigengutachten“ auf: „Von der PTB zugelassene Systeme zur Geschwindigkeitsmessung sind grundsätzlich als standardisierte Messverfahren anzuerkennen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Juli 2014 – IV-1 RBs 50/14, zitiert aus juris; OLG Bamberg DAR 2016, 146f). Denn der Bauartzulassung durch die PTB kommt die Funktion eines antizipierten Sachverständigengutachtens zu. Mit der amtlichen Zulassung des Messgerätes bestätigt die PTB, die Zugriff auf alle maßgeblichen Herstellerinformationen hat, nach umfangreichen messtechnischen, technischen und administrativen Prüfungen sowie Festlegung der Eichprozeduren im Wege eines Behördengutachtens, dass sie die Ermittlung des Messwertes auf der Grundlage der in der Gebrauchsanweisung festgelegten Vorgehensweise einer Sachverständigenprüfung unterzogen und die Messergebnisse als innerhalb einer zulässigen Toleranz liegend eingestuft hat. Damit ist die generelle Zuverlässigkeit und Geeignetheit des Gerätes festgestellt, die Informationen zu dessen genauer Funktionsweise durch den Tatrichter entbehrlich macht (vgl. OLG Bamberg a.a.O.)“. M.E. falsch, aber gegen die geballte, unerforschliche Weisheit der OLG kommt man nicht an. Vor allem nicht, wenn die OLG das standardisierte Messverfahren mit „Zähnen und Klauen“ verteidigen und mit diesem Argument Beweiserhebungen, wenn nicht im Keim ersticken, so aber dann doch richtig schwer machen wollen.
  3. So wie der Verteidiger hier einen Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dem Messverfahren gestellt hatte, geht es nicht. Insoweit hat das OLG Recht, wenn es ausführt: „Dessen ungeachtet hätte die Rüge auch in der Sache keinen Erfolg. Die mit dem abgelehnten „Beweisantrag“ begehrte Feststellung, dass es sich bei dem angewendeten Messverfahren um kein standardisiertes Messverfahren handele, stellt keine dem Beweis zugängliche Tatsachenbehauptung dar, sondern eine vom Gericht zu würdigende Rechtsfrage.“

Letzteres wird man als Verteidiger beachten müssen, auf die beiden ersten Punkte muss man sich einstellen. Aber wie: Denn an der Stelle beginnt der „Teufelskreis“. Aber das ist ein anderes Thema…………….

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Welche gebührenrechtlichen Auswirkungen hat die „Kölner Knöllchen Panne“?

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Nun, die Frage vom vergangenen Freitag: Ich habe da mal eine Frage: Welche gebührenrechtlichen Auswirkungen hat die „Kölner Knöllchen Panne“?  hat m.E. nicht nur für den „Aufhänger“ „Kölner Knöllchen Skandal“ Bedeutung, sondern ist – wenn es um die Wiederaufnahme von Verfahren geht, m.E. von allgemeinem Interesse. Meine Antwort auf die Frage des Kollegen:

„Die Logik verstehe ich zwar nicht, weil ja immer auch noch ein Punkt im Spiel ist und die Frage des Fahrverbots und wie man damit umgeht.

Zu den Gebühren:

Die Nr. 5115 VV RVG entfällt nicht. Warum sollte sie entfallen? Das ist der Rechtsgedanke des § 15 Abs. 4 RVG.

Das Wiederaufnahmeverfahren wäre eine neue Angelegenheit. Die Gebühren für das Wiederaufnahmeverfahren richten sich nach Vorbem. 5.1.3 Abs. 2 VV RVG i.V.m. Nr. 5109 VV RVG.

Im wiederaufgenommenen Verfahren entstehen dann noch einmal die Gebühren Nr. 5109, 5110 VV RVG (s. § 17 Nr. 13 RVG).“

Also: Es handelt sich um drei Angelegenheiten – Ursprungsverfahren, Wiederaufnahmeverfahren, wiederaufgenommenes Verfahren. In jedem der Verfahren können nach § 15 RVG Gebühren entstehen. Ergebnis: Es kann eine ganze Menge an Gebührenzusammenkommen, so dass – wenn es nur um die Geldbuße gehen sollte – ein Wiederaufnahmeverfahren wirtschaftlich nicht sinnvoll gewesen wäre.

Denn dann ist ja auch noch die Frage nach den Kosten des Wiederaufnahmeverfahrens, wenn es erfolgreich war. Dafür gilt: Die Anordnung der Wiederaufnahme nach § 370 Abs. 2 StPO bzw. § 85 OWiG bedarf keiner Kostenentscheidung. Über die Kosten des Wiederaufnahmeverfahrens wird in diesem Fall nämlich in der abschließenden Entscheidung des wieder aufgenommenen Verfahrens entschieden, und zwar nach § 473 Abs. 6 Nr. 1 StPO entsprechend § 473 Abs. 1 bis 4 StPO entsprechend. War das wieder aufgenommene Verfahren erfolgreich, werden die Kosten und die notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt (§ 473 Abs. 3 StPO), bei einem Teilerfolg gilt § 473 Abs. 4 StPO. In Betracht wäre hier allenfalls ein Teilerfolg gekommen.

Aber die Frage stellt sich ja nun nicht mehr, wenn die Stadt Köln zurückzahlt.

Allerdings stellt sich in den „Rückzahlunsgfällen“ jetzt noch eine ganz andere Frage: Wie wird denn nun die Tätigkeit eines Rechtsanwalts, der den betroffenen Betroffenen bei der Rückzahlung hilft vergütet? Nun: Da handelt es sich m.E. um Vollstreckung mit der Folge, dass dafür eine Verfahrensgebühr nach Nr. 5200 Anm. 4 VV RVG. Wer die ggf. erstattet, ist dann wieder eine andere Frage 🙂 .

Vollmacht zur Vertretung in der Hauptverhandlung, oder: Was will das OLG?

Nach dem Posting zum AG Mettmann, Beschl. v. 25.01.2017 – 32 OWI 174/16 (vgl. dazu: (Keine) Verjährungsunterbrechung, oder: Bloß keine Vollmacht vorlegen) eine weitere Entscheidung mit einer Vollmachtsproblematik, und zwar der OLG Hamm, Beschl. v. 24.11.2016 – 5 RVs 82/16 und 5 Ws 360/16. Er behandelt noch einmal die Frage der Vertretung des Angeklagten in der Berufungshauptverhandlung und/oder die der Anforderungen an die schriftliche Verteidigervollmacht bei Nichterscheinen des Angeklagten.

Es geht in dem Beschluss um die Verwerfung der Berufung des Angeklagten nach § 329 Abs. 1 StPO. Der Angeklagte hatte dagegen u.a. Revision eingelegt – den Wiedereinsetzungsantrag lassen wir mal außen vor – und mit der Verfahrensrüge geltend gemacht, dass § 329 StPO verletzt worden sei. Das hatte beim OLG keinen Erfolg:

„Mit der Revision wird zwar eine Verletzung des § 329 Abs. 1 StPO gerügt und insoweit beanstandet, dass der abwesende Angeklagte durch einen mit schriftlicher Vertretungsvollmacht ausgestatteten und vertretungsbereiten Verteidiger vertreten gewesen sei. Jedoch ist die Rüge insoweit nicht in der von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO geforderten Form ausgeführt und daher unzulässig (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 21.11.2013 – III – 5 RVs 95/13 – m.w.N.). Danach muss eine Verfahrensrüge so ausgeführt werden, dass das Revisionsgericht allein aufgrund der Revisionsrechtfertigungsschrift prüfen kann, ob der geltend gemachte Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen zutreffen. Da sich die Rüge dagegen richtet, das Berufungsgericht habe die Berufung des Angeklagten verworfen, obwohl ein Verteidiger mit schriftlicher Vertretungsvollmacht in der Berufungsverhandlung erschienen sei, hätte es des Vortrages bedurft, dass eine solche schriftliche Vollmacht für den Verteidiger in der vorliegenden Strafsache erteilt worden sei. Dies ist nicht der Fall. Der Angeklagte trägt in der Revisionsbegründung lediglich vor, dass sein Verteidiger in der Berufungsverhandlung die schriftliche Vollmacht zu den Akten gereicht habe. Nach dem Vortrag des Angeklagten lautet der Wortlaut der Vollmacht auszugweise: „… wird hiermit in der Strafsache gegen L Prozessvollmacht erteilt …“ (Bl. 210 d. A.). Damit wird zwar deutlich, dass sich die Vollmacht auf eine bestimmte Angelegenheit beziehen soll, offen bleibt aber bereits, auf welche Strafsache, so dass die Rüge nicht in der gebotenen Form ausgeführt und daher unzulässig ist.“

Tja, das war es dann – das Wiedereinsetzungsgesuch hatte nämlich auch keinen Erfolg. Allerdings weiß ich nicht so recht, wie ich mit dem Beschluss umgehen soll. M.E. überspannt das OLG die Anforderungen, zumindest dann, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass noch weitere Starfsachen gegen den Beschuldigten laufen. Und was bitte schön möchte das OLG: Nur den Vortrag, dass die vorliegende/vorgelegte Vollmacht in der anhängigen Strafsache erteilt worden ist – das liegt m.E. durch die Bezugnahme auf den Auffindeort auf der Hand? Oder will man noch weitere Erläuterungen wie Aktenzeichen – war das bei Erteilung der Vollmacht denn überhaupt shcon bekannt? – oder den Verfahrensgegenstand?

(Keine) Verjährungsunterbrechung, oder: Bloß keine Vollmacht vorlegen

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Aus der „Rubrik“/Gruppe von Entscheidungen mit der Überschrift: „Bloß keine Vollmacht vorlegen“ stammt der AG Mettmann, Beschl. v. 25.01.2017 – 32 OWI 174/16. Es geht um die Zustellung eines Bußgeldbescheides und die damit (nicht) herbeigeführte Verjährungsunterbrechung. Letzte die Verfolgungsverjährung unterbrechende Handlung war die Anhörung des Betroffenen vom 11.12.2015. Verfolgungsverjährung ist daher am 11.03.2016 eingetreten. Zwischendurch ist zwar noch der Bußgeldbescheid erlassen worden. Aber:

„Für den Bußgeldbescheid vom 22.01.2016 findet sich keine Zustellungsurkunde in der Akte. Die Verwaltungsbehörde beruft sich auf eine „Zustellung nach § 50 Abs. 2 OWiG durch Empfangsbekenntnis“, da der Rechtsanwalt Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt hat. Der Verteidiger hat in der Hauptverhandlung Verjährung eingewendet, da der Bußgeldbescheid seinem Mandanten nicht zugestellt worden sei. Er habe Einspruch eingelegt, da ihm der Bußgeldbescheid formlos übersandt worden sei.

50 Abs. 2 OWiG lautet: „Bei der Bekanntmachung eines Bescheides der Verwaltungsbehörde, der durch einen befristeten Rechtsbehelf angefochten werden kann, ist die Person, an die sich die Maßnahme richtet, über die Möglichkeit der Anfechtung und die dafür vorgeschriebene First und Form zu belehren.“ Wie sich daraus die Zulässigkeit der Zustellung per Empfangsbekenntnis ergeben soll, erschließt sich dem Gericht nicht. Auch aus der Kommentierung ist nichts Entsprechendes ersichtlich. § 50 Abs. 2 OWiG schreibt viel mehr die Rechtsbehelfsbelehrung zwingend vor.

Nach § 51 Abs. 1 OWiG richtet sich das Zustellungsverfahren nach dem Landeszustellungsgesetz (LZG). Im LZG ist u.a. die Zustellung durch die Post mittels Zustellungsurkunde (§ 3), mittels Einschreiben (§ 4), durch die Behörde gegen Empfangsbekenntnis, und die Zustellung an Bevollmächtigte (§ 7) geregelt. Die Behörde hat nach § 2 Abs. 3 LZG die Wahl zwischen den einzelnen Zustellungsarten. Hier hat sich die Behörde für die Zustellungen durch die Post mittels Zustellungsurkunde entschieden. Allerdings ist die Zustellungsurkunde durch die Post verloren gegangen. Somit liegt ein Nachweis für die Zustellung erst mal nicht vor.

Nach § 8 LZG gilt das Schriftstück in einem solchen Fall als zugestellt, wenn es dem Empfangsberechtigten nachweislich zugegangen ist. Dieser Zeitpunkt ist aus der Akte jedoch nicht ersichtlich. Dieser Zeitpunkt muss aber nachweislich, also feststellbar, sein. Der Eingang beim Verteidiger ist insoweit nicht ausreichend, da der Verteidiger nach § 7 Abs. 1 LZG, wie auch nach § 51 Abs. 3 OWiG, nicht empfangsberechtigt war. Es lag zum Zeitpunkt der Zustellung keine schriftliche Vollmacht vor. Auch bis heute befindet sich eine solche nicht bei den Akten (auch wenn laut BI. 22 d.A. dem Schreiben eine solche beigefügt gewesen sein soll). Neben der Zustellung an den Betroffenen ist dem Verteidiger auch formlos eine Abschrift des Bescheides übersandt worden (BI. 3 d.A.). Der Einspruch des Verteidigers sagt damit nichts über den Zugang des Bescheides beim Betroffenen aus. Auf diesen kommt es aber entscheidend an. Es ist im Rahmen des Möglichen (und sogar sehr wahrscheinlich), dass der Verteidiger beauftragt war, grundsätzlich gegen jeden Bußgeldbescheid Einspruch einzulegen. Der Rückschluss, dass der Betroffene auch zwingend Kenntnis vom Bußgeldbescheid hatte, als der Verteidiger Einspruch eingelegt hat, ist nach hiesiger Auffassung nicht möglich.

Die Verjährung ist daher durch den Bußgeldbescheid nach § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG nicht unterbrochen worden. Die Ordnungswidrigkeit vom 23.11.2015 ist daher verjährt.“