Archiv für den Monat: Juli 2016

Schweigen in der Hauptverhandlung, oder: das „nonverbale Verhalten“ zeigt keine Unrechtseinsicht

© Corgarashu – Fotolia.com

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Starten wir heute mal mit einer „Strafzumessungsentscheidung“, nämlich dem OLG Hamm, Beschl. v. 19.04.2016 – 1 RVs 20/16. Das AG hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen Mitführens einer Schutzwaffe bei einer öffentlichen Versammlung unter freiem Himmel zu einer Geldstrafe verurteilt. Nach den Feststellungen des AG war der Angeklagte Teilnehmer einer Demonstration unter dem Motto „keine Rückzugsräume für Nazis“, welche in E anlässlich zweier gleichzeitig stattfindender Versammlungen der Partei „die Rechte“ unter Beteiligung von zunächst ca. 1.000 Menschen stattfand. Der Angeklagte trug eine schwarze Jacke und darunter einen schwarzen Kapuzenpullover. Die Kapuze seines Pullovers hatte er über den Kopf gezogen. Vor seinem Gesicht trug er eine nach dem äußeren Zuschnitt dem Visier eines Helmes ähnliche rechteckig zugeschnittene durchsichtige Kunststofffolie, mit der Augen und Nase überdeckt und geschützt waren und darunter eine schwarze Sonnenbrille. Durch das Tragen der selbst gefertigten Folie, die mit einem Gummiband am Kopf über der Kapuze befestigt war, wollte der Angeklagte nach den getroffenen Feststellungen verhindern, dass er im Fall eines Polizeieinsatzes oder aber durch Verhalten der anderen Versammlungsteilnehmer durch verwendetes Pfefferspray oder pyrotechnische Erzeugnisse im Gesicht getroffen und in seiner Handlungsfähigkeit beeinträchtigt werden würde.

Das OLG äußert sich zum „Schutzwaffenbegriff“, den es bejaht. So weit, so gut, das mag dem Selbststudium des Lesers vorbehalten bleiben. Mich interessieren mehr die Strafzumessungserwägungen des AG, die das OLG als rechtsfehlerhaft beanstandet hat:

„2. Der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils hält dagegen hinsichtlich der erkannten Geldstrafe entsprechend den Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Das Amtsgericht hat zur Strafzumessung im Hinblick auf den in der Hauptverhandlung schweigenden Angeklagten unter anderem folgendes ausgeführt:

„Dagegen musste sich zu Lasten des Angeklagten auswirken, dass er durch sein Verhalten, insbesondere sein Nachtatverhalten den Polizeieinsatz in einer sehr unübersichtlichen Situation erschwert hat.

Auch sein nonverbale Verhalten in der Hauptverhandlung lies nicht den geringsten Ansatz von Unrechtseinsicht und Problembewusstsein für die schwierige Lage der Polizei in E an diesem Tag erkennen.“

Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu in ihrer Zuschrift vom 17. März 2016 wie folgt Stellung bezogen:

„Soweit das Amtsgericht Dortmund strafschärfend berücksichtigt hat, „auch das nonverbale Verhalten der Hauptverhandlung“ habe „nicht den geringsten Ansatz von Unrechtseinsicht und Problembewusstsein für die schwierige Lage der Polizei in E an diesem Tag“ erkennen lassen, begegnet dies gemessen an vorstehenden Anforderungen durchgreifenden Bedenken, da es unzulässig ist, das Fehlen eines Geständnisses strafschärfend zu berücksichtigen. Zudem kann ein sich nicht einlassender oder leugnender Angeklagter weder Reue noch Schuldeinsicht zeigen, ohne seine (rechtlich zulässige) Verteidigungsposition aufzugeben, weswegen auch ein solches Verhalten nicht strafschärfend berücksichtigt werden darf (zu vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 46 Rn. 50b).

Darüber hinaus findet der vom Amtsgericht strafschärfend berücksichtigte Umstand, der Angeklagte habe durch „sein Nachtverhalten (Anmerkung des Senats: gemeint ist offenbar Nachtatverhalten) den Polizeieinsatz in einer sehr unübersichtlichen Situation erschwert“, weder eine Grundlage in den Feststellungen des angefochtenen Urteils, noch ist ersichtlich, an welche der in § 46 Abs. 2 StGB genannten Strafzumessungsgesichtspunkte das Tatgericht insoweit anknüpfen will. Das Verhalten nach der Tat ist als Strafzumessungsgrund nur verwertbar, soweit sich aus ihm Rückschlüsse auf die innere Einstellung des Täters zu seiner Tat oder auf deren Unrechtsgehalt ziehen lassen (zu vgl. Fischer, a.a.O., § 46 Rn. 46). Das Erschweren eines Polizeieinsatzes in unübersichtlicher Situation lässt für sich genommen einen derartigen Rückschluss nicht zu.“

Dem schließt sich der Senat nach eigener Prüfung uneingeschränkt an.“

Dazu passt: Immer wieder….

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Welche Gebühren verdiene ich für die Tätigkeit vor dem „Gericht der EU“

© haru_natsu_kobo Fotolia.com

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Die Frage vom letzten Freitag: Ich habe da mal eine Frage: Welche Gebühren verdiene ich für die Tätigkeit vor dem „Gericht der EU“  hatte nun wirklich ein etwas abgelegenes Gebiet zum Gegenstand. Da musst ich mich für die Antwort selbst erst mit den europäischen Institutionen – hier also der europäischen Justiz – befassen. Und ich räume ein: Dass es ein „Gericht“ der EU gibt, hatt ich nicht auf dem Schirm, EuGH und EGMR ja, aber Gericht der EU – nein.

Nun und damit ist die Antwort vorgegeben. Auch das RVG kennt dieses Gericht nicht. Denn in § 38 RVG ist nur das „Verfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft“ geregelt und in § 38a RVG das „Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte“. Es besteht also eine Lücke an dieser Stelle. Daher konnte ich dem Kollegen/der Kollegin nur den Rat geben, es über eine analoge Anwendung des § 38 RVG zu versuchen. Und, wenn noch genügend Zeit ist: Schließen Sie eine Vergütungsvereinbarung (§ 3a RVG) ab.

Bisschen Nachhilfe beim Beweisantrag, oder: Beweistatsache

© eyetronic Fotolia.com

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Der BGH, Beschl. v. 14.06.2016 – 3 StR 540/15 – behandelt mal wieder eine Beweisantragsproblematik, nämlich die Frage nach der konkreten Beweistatsache. Die Eigenschaft hatte die Strafkammer in einem Verfahren wegen des Vorwurfs der Untreue der Behauptung: „sog. untertägige Überziehungen seien „nicht in die „Überziehungskompetenz“ der Sachbearbeiter eingerechnet“ abgesprochen. Der BGH sieht es (wohl) anders:

„Soweit die Strafkammer den Beweisantrag der Verteidigung des Angeklagten vom 16. Juni 2015 mit der Begründung abgelehnt hat, es handele sich nicht um konkret fassbare Beweistatsachen, begegnet dies hinsichtlich der unter Ziff. 2 Buchstabe d) dieses Antrags aufgeführten Behauptung, sog. untertägige Überziehungen seien „nicht in die ‚Überziehungskompetenz‘ der Sachbearbeiter eingerechnet worden“, rechtlichen Bedenken, denn es wird nicht deutlich, warum eine solche tatsächliche Handhabung – unterlassene rechnerische Einbeziehung – dergestalt von (rechtlichen) Wertungen abhängig sein sollte, dass sie nicht Gegenstand eines Beweisantrages sein konnte.“

Aber: Gebracht hat es dem Angeklagten nichts, denn:

Auf einem etwaigen Rechtsfehler bei der Bescheidung dieses Antrages würde das Urteil indes nicht beruhen: Die Beweisbehauptung könnte allein die „Überziehungskompetenz“ des Angeklagten betreffen, mithin seine ihm von der Sparkasse eingeräumte Befugnis zur Kreditgewährung. Hätte er diese nicht überschritten, würde insoweit allenfalls eine Verwirklichung des Missbrauchstatbestands der Untreue gemäß § 266 Abs. 1 Alternative 1 StGB in Frage gestellt. Das Landgericht hat indes – unabhängig von dieser Frage und auch im Übrigen rechtsfehlerfrei – das Vorliegen der Voraussetzungen des Treubruchstatbestands gemäß § 266 Abs. 1 Alternative 2 StGB ebenfalls bejaht, so dass der Schuldspruch in jedem Fall Bestand hat.

Mit Blick auf die ausgesprochene Verwarnung mit Strafvorbehalt schließt der Senat aus, dass die Strafkammer – hätte sie insoweit die Verwirklichung des Missbrauchstatbestands abgelehnt – auf eine noch mildere Rechtsfolge erkannt hätte.

„Wunder gibt es immer wieder?“, oder: „ungewöhnlicher Verfahrensablauf“ beim § 111a-Beschluss

Entnommen wikimedia.org Urheber Mediatus

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Schon etwas länger hängt der LG Berlin, Beschl. v. 09.03.2016 – 528 Qs 15/16 – in meinem Blogordner, den der Kollege Kroll aus Berlin mir übersandt hat. Auf den ersten Blick nichts Besonderes, aber dann: Nun, ob die Überschrift: „Wunder gibt es immer wieder“ passt oder damit der Beschluss vielleicht doch etwas zu hoch gehängt wird, mag der Leser für sich selbst entscheiden. Aber jedenfalls scjon außergwöhnlich(er), was das LG Berlin da gemacht hat. Nämlich eine § 111a-Beschwerde nicht einfach nur durchgewunken, sondern den zugrunde liegenden § 111a-Beschluss des AG Tiergarten aufgehoben. Begründung: Keine „dringende“, sondern nur „hinreichende“ Gründe, dass die Fahrerlaubnis entzogen werden wird. Und: Ich habe den Eindruck, dass dem LG der Verfahrensablauf nicht gepasst hat.

Und hier dann der Beschluss:

„Der angefochtene Beschluss war aufzuheben, da die Voraussetzungen des § 111a StPO nicht erfüllt sind. Derzeit liegen keine dringenden, sondern nur hinreichende Gründe für die Annahme vor, dass pp. die Fahrerlaubnis entzogen werden wird.

Gegen den Beschwerdeführer besteht insbesondere durch die schriftlichen Angaben des Zeugen Dr. U. der hinreichende Tatverdacht einer am 14. März 2015 in Berlin begangen Gefährdung des Straßenverkehrs. Dieser entfällt auch nicht durch die Darstellungen des Sachverständigen Dr. W., denn danach besteht technisch lediglich die Möglichkeit, dass die bestreitende Einlassung des Angeklagten zutreffend ist. Gegen die Glaubhaftigkeit der Einlassung sprechen nach der im Beschwerdeverfahren nur möglichen summarischen Bewertung jedoch die Angaben der Zeugen W., K. und Dr. U. Keiner der Augenzeugen bestätigte, dass der Zeuge Kappel mit seinem PKW die Unfallursache gesetzt habe.

Aufgrund des ungewöhnlichen Verfahrensablaufs und der verbleibenden Unsicherheiten am Unfallhergang fehlt es derzeit jedoch an der für die Maßnahme erforderlichen dringenden Annahme des Fahrerlaubnisentzuges. Nachdem alle Verfahrensbeteiligten zunächst von einer Ordnungswidrigkeit ausgegangen waren, erlangte das Amtsgericht Tiergarten erst im November 2015 – nach der Terminsladung im Ordnungswidrigkeitenverfahren – Kenntnis von den schriftlichen Angaben des Zeugen Dr. U. Nach der Aussetzung der Hauptverhandlung am 13. Januar 2016 ging das Amtsgericht daraufhin in das Strafverfahren über und nahm — knapp zehn Monate nach der Tat — ohne weitere Prüfung den dringenden Tatverdacht i.S.d. § 69 Abs. 1 S. 1 StGB an. Die schriftlichen Erklärungen des Sachverständigen Dr. W. berücksichtigte das Gericht bislang nicht, wobei diese angesichts der fehlenden Zeugenbefragungen auch nur unvollständig sind. Die unter diesen Umständen für die Entscheidung erforderliche umfassende Würdigung der Beweismittel muss der Hauptverhandlung vorbehalten bleiben.“

Sonntagswitz: Heute mal wieder die Juristen

© Teamarbeit - Fotolia.com

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Auch in dieser Woche soll es einen Sonntagswiz geben, trotz der unschönen Eriegnisse der letzten Woche. Und ich nehme mal wieder die Juristen, in der Hoffnung, dass es keine „Gut-Menschen-Kommentare“ gibt 🙂 . Da sind dann also – zum Teil sicherlich schon bekannt, aber immer wieder schön:

Zwei Richter sitzen in der Kantine.
Plötzlich kommt ein Mann hereingestürmt und sagt zu einem:
„Ihr Hund hat mir meine Hose zerfetzt.“
Der Richter beruhigt ihn und gibt ihm 100 €.
Fragt der andere: „Seit wann hast du denn einen Hund?“
„Ich habe keinen, aber man weiß nie, wie die Gerichte entscheiden.“


Fragt der Richter den Angeklagten: „Brauchen Sie einen Pflichtverteidiger?“
Antwortet der Angeklagter „Lieber wäre mir ein Entlastungszeuge.“


Eine Frau will sich scheiden lassen. Der Anwalt möchte nun Probleme in der Ehe erfragen, um einen guten Deal herauszuschlagen:
„Trinkt ihr Mann?“

„Nein.“
„Ist er gewalttätig?“
„Nein.“
„Und wie steht es mit der Treue?“
„Sehr gut, damit können Sie was anfangen! Zwei von unseren Kindern sind nicht von ihm!“


Und ein wenig böse:

Was ist geschehen, wenn man einen Rechtsanwalt bis zum Hals im Sand begraben findet?
Es war nicht genug Sand vorhanden.