Archiv für den Monat: April 2016

Habe fertig, die Druckmaschinen laufen für „Burhoff/Kotz (Hrsg.), Rechtsmittel und Rechtsbehelfe, 2. Aufl., 2016

HB_Rechtsmittel_kleinSo habe mal wieder fertig 🙂 . Die Druckfahnen für „Burhoff/Kotz (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtlichen Rechtsmittel und Rechtsbehelfe, 2. Aufl., 2016“ sind seit gestern auf dem Weg in die Druckerei. Wenn nun nichts mehr passiert, ist die Neuauflage im Juni auf dem Markt bzw. auf dem Tisch des Rechtsanwalts/Verteidiger, wohin ja, wenn man Rezensionen liest, heute alle Bücher gehören; den Tisch möchte ich mal sehen 🙂 .

Es war mal wieder ein gehöriges Stück Arbeit, aber letztlich hat alles im Zeitplan gepasst, da Herausgeber, Autoren und Verlag gut zusammen gearbeitet haben.

Für mich ist das Buch dann ein Besonderes. Denn es schließt die Serie der Neuauflagen-/erscheinungen meiner Handbücher dann ab. Alle dann jetzt in neuem Gewand. Und das Quartett ist komplett aktualisiert. Jetzt kann ich est mal Luft holen 🙂 , aber nur kurz.

So und der regelmäßige Blogleser weiß: Dieses ist ein Werbeposting, das ich mit dem Hinweis darauf abschließe:

  • (Vor)Bestellungen von Burhoff/Kotz (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtlichen Rechtsmittel und Rechtsbehelfe, 2. Aufl., 2016, sind – wie immer möglich. Das geht dann hier beim Bestellformular.
  • Es gibt ein „Burhoff-Paket 2“. Das besteht aus der Neuauflage „Burhoff/Kotz (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtlichen Rechtsmittel und Rechtsbehelfe, 2. Aufl., 2016“ und aus dem Ende 2015 erschienenen „Burhoff/Kotz (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtliche Nachsorge, 2016„. Bei Bestellung des Pakets spart man 39 EUR. Auch das Paket ist beim Bestellformular vorzubestellen.

Also: Noch ein wenig Geduld, dann „spielt“ das Quartett.

Der dritte Pflichtverteidiger? – auch das gibt es…..

© santi_ Fotolia.com

© santi_ Fotolia.com

Ich war dann doch etwas überrascht, als ich den LG Dessau-Roßlau, Beschl. v. 18.03.2016 — 1 Ks (115 Js 4512/12) – gelesen habe. Da hat das LG – offenbar ohne große Schwierigkeiten – einem Angeklagten den dritten Pflichtverteidiger beigeordnet. Nun  ja, das gibt es – siehe z.B. das NSU-Verfahren, da hat die Angeklagte Zschäpe sogar vier Pflichtverteidiger. Aber so ganz häufig ist das dann doch nicht, so dass sich ein Hinweis auf den Beschluss „lohnt“:

„Die Beiordnung eines dritten Pflichtverteidigers erweist sich als notwendig, weil aufgrund des Vortrages seitens der bisherigen Verteidigung eine zügige Durchführung der Hauptverhandlung ohne einen dritten Pflichtverteidiger nicht gesichert ist.

Die Kammer beabsichtigt, die mit Beginn im Mai 2016 geplante Hauptverhandlung grundsätzlich an zwei Tagen allwöchentlich durchzuführen. Seitens der bisherigen Verteidigung des Angeklagten ist mitgeteilt worden, dass es insbesondere zu Beginn der hiesigen Hauptverhandlung zu unvermeidbaren Terminskollisionen kommen wird. Zwar sind diese noch nicht im Einzelnen benannt worden, was allerdings in Ermangelung einer konkreten Terminierung der Hauptverhandlung auch noch nicht möglich ist. Ein Zuwarten mit einer Entscheidung über die Bestellung eines dritten Pflichtverteidigers erscheint indes auch nicht angezeigt, da der Umfang des Verfahrensstoffes dem neu zu bestellenden Pflichtverteidiger eine nicht unerhebliche Einarbeitungszeit abverlangt,

Eine regelmäßige Verteidigung durch mindestens zwei Pflichtverteidiger erscheint aber aufgrund des Umfangs des Verfahrensstoffes geboten. Abgesehen von dem Aktenumfang mit 40 Bänden Strafakten, über 60 Sonderheften und diversen Beiakten hat die vorangegangene Hauptverhandlung in diesem Verfahren über 80 Verhandlungstage angedauert. Nach der Aufhebungsentscheidung durch den Bundesgerichtshof, die keine der Feststellungen aus dem aufgehobenen Urteil als für die neu zu treffende Entscheidung bereits bindend hat bestehen lassen, ist ein erneuter Hauptverhandlungsumfang von ähnlicher Dauer zu erwarten,

Ein Auswechseln eines Pflichtverteidigers aufgrund schon jetzt vorhersehbarer Terminkollisionen in erheblichem Umfang erscheint nicht angezeigt, da die Terminskollisionen nicht als das gesamte Verfahren überdauernd zu erwarten sind und aufgrund der Verfahrenskenntnisse der bisherigen Pflichtverteidiger deren weitere grundsätzliche Mitwirkung an dem Verfahren geboten erscheint.

Auch eine Verweisung des Angeklagten darauf, dass ihm im Fell von Terminskollisionen eines oder beider Pflichtverteidiger für einzelne Termine vertretungsweise ein anderer Pflichtverteidiger bestellt werden kann, erscheint nicht sachgerecht…….

Zudem handelt es sich nicht um die Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers zu dem Zweck, dass sich die Pflichtverteidiger des Angeklagten pp. in ihrer Teilnahme an den Hauptverhandlungsterminen jeweils vertreten können. Vielmehr dient die Bestellung eines dritten Pflichtverteidigers dazu, zumindest grundsätzlich die Anwesenheit von zwei Pflichtverteidigern zu ermöglichen.“

Das Cordon bleu des Sachverständigen, oder: Verbrannt

entnommen wikimedia Author Usien

entnommen wikimedia
Author Usien

In die Abteilung Schmankerl gehört für mich der LG Ingolstadt, Beschl. v. 08.04.2016 – 1 Ks 11 Js 13880/13 -, den mir der Kollege Zukowski aus Dresden übersandt hat. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes, denn: Es geht um ein Cordon bleu, und zwar ein verbranntes, und um dessen Auswirkungen auf die Verteidigergebühren. Da hatte sich in einem Schwurgerichtsverfahren in der Mittagspause einer der gerichtlichen Sachverständigen (in einem Restaurant) ein Cordon bleu bestellt. Serviert wurde zunächst ein verbranntes Cordon bleu. Der Sachverständige hat dann reklamiert und es gab ein neues. Das Ganze hat so lange gedauert, dass der gerichtliche Sachverständige nicht rechtzeitig zum Wiederbeginn der Hauptverhandlung im Gericht zurück war. Dadurch entstand für den Kollegen, der Pflichtbeistand war Wartezeit. Mit dieser Wartezeit war die 5-Stunden-Grenze der Nr. 4122 VV RVG überschritten und der Kollege hatte den Längenzuschlag geltend gemacht. Der Rechtspfleger – und natürlich auch der Bezirksrevisor – wollten den nicht festsetzen. Das LG sagt dann: An sich berücksichtigen wir eine Mittagspause bei der Berechnung der Hauptverhandlungsdauer nicht, aber in diesem Fall ist es keine „Mittagspause“, sondern Wartezeit und die wird angerechnet:

„Der Längenzuschlag ist allerdings wegen der unvorhergesehenen Verspätung der Sachverständigen beim Mittagessen begründet. Da die Hauptverhandlung nach dem glaubhaft gemachten Sachverhalt nicht wie geplant um 13:00 Uhr fortgesetzt werden konnte, weil sich die Gerichtssachverständigen beim Mittagessen verspätet hatten, und da hierdurch für den rechtzeitig um 13:00 Uhr erschienenen Nebenklägervertreter eine zusätzliche Wartezeit von 15 Minuten entstanden ist, ist diese ausnahmsweise in die Dauer der Hauptverhandlung einzurechnen. Denn während dieser Wartezeit, die jederzeit mit Erscheinen der Sachverständigen aus der Mittagspause hatte enden können, hat sich der Nebenklägervertreter für die Fortsetzung der Hauptverhandlung dem Gericht zur Verfügung gehalten.

Eine derartige Wartezeit ist ebenso wie eine unvorhergesehene Wartezeit bei Sitzungsbeginn (vgl. hierzu KG, Beschluss vom 25.05.2007 – 1 Ws 36/07 m. w. N.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 08.08.2005 – 4 Ws 118/05; OLG Braunschweig, Beschluss vom 28.04.2014 – 1 Ws 132/14) oder kleinere Unterbrechungen während der Hauptverhandlung (vgl. hierzu OLG Saarbrücken, Beschluss vom 20.11.2007 – 1 Ws 221/07; OLG München, Beschluss vom 23.10.2008 – 4 Ws 150/08; KG, Beschluss vom 04.08.2009 – 2 StE 2/08-2; OLG Frankfurt, Beschluss vom 19.06.2012 – 2 Ws 83/12; OLG Braunschweig, Beschluss vom 28.04.2014 – 1 Ws 132/14) ausnahmsweise der Dauer der Hauptverhandlung hinzuzurechnen, weil sich der Anwalt während der Dauer derartiger Wartezeiten oder Unterbrechungen in allen Fällen gleichsam dem Gericht zur Verfügung hält.

Da sich die Mittagspause somit um 15 Minuten verkürzt und da die entsprechende Wartezeit der Dauer der Hauptverhandlung zuzurechnen ist, hat die Hauptverhandlung insgesamt 5 h 5 min gedauert, sodass der Längenzuschlag zu gewähren ist.“

Die weiterwirkende Zustellungsvollmacht des Pflichtverteidigers

© vege - Fotolia.com

© vege – Fotolia.com

Der OLG Hamm, Beschl. v. 23.02.2016 – 2 Ws 49/16 – verhält sich zur Wirkungsdauer/zum Wirkungsumfang. Es ging um die Wirksamkeit der Zustellung einer sog. Nachtragsentscheidung, nämlich eines Gesamtstrafenbeschlusses. Dagegen war Beschwerde eingelegt, fraglich war, ob rechtzeitig. Im Rahmen des Wiedereinsetzungsverfahrens führt das OLG dann aus:

b) Das Landgericht ist in dem angefochtenen Beschluss zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts Bochum der Verurteilten durch Übersendung an ihren Pflichtverteidiger spätestens am 24. Februar 2015 wirksam nach § 145 a Abs. 1 StPO zugestellt worden ist und deshalb die sofortige Beschwerde von der Verurteilten verspätet eingelegt wurde.

Eine wirksame Zustellung des Gesamtstrafenbeschlusses an den Pflichtverteidiger der Verurteilten nach § 37 Abs. 1 StPO, § 174 Abs. 1 ZPO gegen Empfangsbekenntnis ist nicht erfolgt. Zwar findet sich eine diesbezügliche Zustellungsanordnung der zuständigen Richterin des Amtsgerichts Bochum in den Akten. Auch ist die von dem Landgericht Bochum in der angegriffenen Entscheidung vertretene Auffassung, dass die Pflichtverteidigerbestellung am 5. Januar 2011 für das Verfahren der nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß § 460 StPO, § 55 StGB mangels Zurücknahme bzw. Widerruf der Pflichtverteidigerbeiordnung fortwirkte (vgl. KG, a.a.O.; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 140 Rdnr. 33), zutreffend. Die Rechtswirksamkeit einer Zustellung an einen Rechtsanwalt gegen Empfangsbekenntnis nach § 37 Abs. 1 StPO, § 174 Abs. 1 ZPO (vormals § 212 a ZPO) setzt jedoch neben der Übermittlung des zuzustellenden Schriftstücks und dem Willen des Absenders (hier des Gerichts), es zuzustellen, auf Seiten des Anwalts die Kenntnis von der Zustellungsabsicht der Geschäftsstelle sowie dessen Willen voraus, das in seinen Gewahrsam gelangte Schriftstück als zugestellt anzunehmen (zu vgl. BVerfG, NJW 2001, 1563; BGH, NStZ-RR 2005, 77; NJW 1994, 2297; OLG Celle, StraFo 2000, 279; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 37 Rdnr. 19; KK-Maul, StPO, 7. Aufl., § 37 StPO Rdnr. 8). Diesen unverzichtbaren Annahmewillen muss der Rechtsanwalt grundsätzlich unter Beifügung des Datums durch seine Unterschrift auf dem Empfangsbekenntnis dokumentieren. Dies muss nicht zwingend auf dem üblichen gerichtlichen Vordruck oder in Schriftform geschehen. Bei einer Zustellung gegen Empfangsbekenntnis an einen Rechtsanwalt kann der Zustelladressat seinen Annahmewillen und seine Empfangsbereitschaft auch konkludent zum Ausdruck bringen etwa in der Weise, dass er sich auf den Inhalt des zugegangenen Schriftstücks einlässt (vgl. BGH, NStZ-RR 2005, 77). Eine konkludente Bekundung des Willens, ein ihm gegen vorbereitetes Empfangsbekenntnis zugegangenes Urteil als zugestellt anzunehmen, hat der Bundesgerichtshof in der zitierten Entscheidung (NStZ – RR 2005, 77) in einem Fall angenommen, in dem der Verteidiger auf das ihm zugegangene Urteil in einer von ihm verfassten Revisionsbegründung und der darin ausgeführten Sachrüge Bezug genommen hat. Eine vergleichbare Fallgestaltung liegt hier jedoch nicht vor. Aus dem Vermerk der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Bochum vom 24. Februar 2015 und dem nachfolgenden Schriftsatz des Pflichtverteidigers der Verurteilten vom 2. März 2015 geht vielmehr hervor, dass dieser das „Verteidigungsmandat“ zu der Verurteilten (wenn auch irrtümlich) aufgrund des seit langem nicht mehr bestehenden Kontakts zu der Verurteilten als beendet angesehen hat. Insbesondere mit seiner in dem Schriftsatz geäußerten Bitte, vom Gericht aus eine Zustellung (unmittelbar) an die Verurteilte zu veranlassen, hat der Pflichtverteidiger der Verurteilten hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass ihm der Wille fehlte, das in seinen Gewahrsam gelangte Schriftstück (Gesamtstrafenbeschluss) als zugestellt anzunehmen. Nur so ist auch erklärlich, dass er das vorbereitete Empfangsbekenntnis trotz mehrfacher Aufforderung nicht zurücksandte. Bei einer – wie hier – fehlenden Empfangsbereitschaft des Rechtsanwalts, die für eine Zustellung gegen Empfangsbekenntnis nach § 37 Abs. 1 StPO, § 174 Abs. 1 ZPO unverzichtbar ist, ist auch eine Heilung des Zustellungsmangels nach § 37 Abs. 1 StPO, § 189 ZPO nicht möglich (vgl. BGH, NStZ-RR 2005, 77).“

Verschmähte Liebe“ als Belastungsmotiv?

© Dan Race Fotolia .com

© Dan Race Fotolia .com

In einem Verfahren wegen Vergewaltigung u.a. ging es um die Frage, ob ein Geschlechtsverkehr stattgefunden hat oder nicht und ob er den in beiden angeklagten Fällen einvernehmlich erfolgte oder aber mit Gewalt vom Angeklagten erzwungen wurde. Im Verfahren stand dazu Aussage gegen Aussage. Es gab aber konkrete Anhaltspunkte für das Vorhandensein eines Falschbelastungsmotivs der an einer Borderlinestörung erkrankten Geschädigten. Das LG hatte seine Überzeugung vom Tathergang, soweit er von der Einlassung des Angeklagten abwich, und insbesondere davon, dass es in beiden Fällen zu nicht einvernehmlichen Geschlechtsverkehr gekommen ist, im Wesentlichen auf die Angaben der an einer Borderlinestörung erkrankten Geschädigten/Nebenklägerin gestützt. Zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit ihrer Aussage hatte die Strafkammer einen aussagepsychologischen Sachverständigen hinzugezogen. Und mit dem von diesem eingeholten Gutachten hatte sich das LG nach Auffassung des BGH im BGH, Beschl. v. 25.02.2016 – 2 StR 308/15 nicht ausreichend auseinander gesetzt:

Die Strafkammer ist den Aussagen des Sachverständigen „gefolgt“ und hat es – nach einer kursorischen eigenen Würdigung – im Ergebnis für ausgeschlossen erachtet, dass die Nebenklägerin das „tatsächliche Geschehen falsch berichtet“ habe.

„b) Es fehlt die bei dieser Lage notwendige besonders sorgfältige Würdigung der Aussage der Nebenklägerin. Zwar lässt sich – worauf auch der Sachverständige hingewiesen hat – aus einer festgestellten Belastungsmotivation beim Zeugen nicht zwingend auf das Vorliegen einer Falschaussage schließen (BGH, Urteil vom 30. Juli 1999 – 1 StR 618/98, BGHSt 45, 164, 175). Warum die Unwahrhypothese hier letztlich überwunden werden konnte, erschließt sich jedoch nicht und lässt durchgreifende Erörterungs- und Darstellungsmängel erkennen.

Schon die Annahme, es handele sich nur um ein „hypothetisches“ Falschbelastungsmotiv geht darüber hinweg, dass die Nebenklägerin, die an einer Persönlichkeitsstörung vom Borderlinetyp leidet, nach den Feststellungen „nicht ausschließbar“ eine Liebesbeziehung mit dem Angeklagten erhofft hatte und auf den sexuellen Kontakt zum Angeklagten Wert legte. Die vor diesem Hintergrund nahe liegende Hypothese einer verschmähten Liebe als konkretes Motiv wird indes weder näher konkretisiert noch fallbezogen überprüft. Der Tatrichter ist jedoch bei konkreten Anhaltspunkten für das Vorliegen eines  Falschbelastungsmotivs gehalten, diese naheliegende Möglichkeit zu prüfen (vgl. auch BGH, Urteil vom 27. März 2003 – 1 StR 524/02, NStZ-RR 2003, 206, 208).

Auch soweit der Sachverständige und ihm folgend die Strafkammer im Rahmen einer Gesamtbewertung den Umständen, „die (theoretisch) für eine Falschbelastung“ sprechen können, vor allem im Hinblick auf Qualität und Kon-stanz der Aussage der Geschädigten kein durchschlagendes Gewicht zumessen, zeigen sich Erörterungsmängel. Es wurde ersichtlich nicht bedacht, dass gerade dann, wenn die Vorwürfe im Rahmen einer bestehenden sexuellen Beziehung zwischen Täter und Opfer erhoben werden, bei der emotionale Erlebnisse und neutrales Randgeschehen ohne weiteres aus neutralen Erlebnis-wahrnehmungen generierbar sind, vorhandene Realkennzeichen, die sonst auf eine erlebnisfundierte Schilderung hindeuten, im konkreten Fall wenig aussagekräftig insbesondere dafür sein können, ob ein früheres Einverständnis mit dem Geschlechtsverkehr bestanden haben kann.

Aber auch soweit auf die Konstanz der Aussage abgestellt wird, bleibt offen, weshalb die allein im Hinblick auf das Kerngeschehen der Vergewaltigungen bestehende Konstanz maßgeblich mit zur Widerlegung der Unwahrhypothese beitragen kann. Der bloße Hinweis des Sachverständigen, dass die in zentralen und peripheren Angaben bestehenden Abweichungen für die Ge-schädigte „nicht alle wichtig“ waren, kann dies schon deshalb nicht auflösen, da an anderer Stelle auch darauf hingewiesen wird, dass die Nebenklägerin insbe-sondere zu ihrem Interesse an dem Angeklagten und ihren Kontakten zu ihm widersprüchlich berichtet habe und auch in ihrer Selbstpräsentation Abwei-chungen festzustellen seien. Überhaupt konnte der Sachverständige im Hinblick auf die teilweise inkonstanten Schilderungen der Nebenklägerin zu den Begleitumständen der Taten und der Art ihrer Beziehung zum Angeklagten im Ergebnis nur eine „abgestufte Konstanz“ feststellen (UA. S. 31).

Letztlich wäre der Tatrichter unter diesen Umständen auch gehalten gewesen, in den Urteilsgründen im Zusammenhang darzustellen, was die Nebenklägerin bei früheren Vernehmungen, beim Sachverständigen und in der Hauptverhandlung ausgesagt hat, um dem Revisionsgericht eine Überprüfung der Beweiswürdigung, insbesondere der Aussagekonstanz, zu ermöglichen (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juli 2007 – 2 StR 258/07, StV 2008, 237; Beschluss vom 2. Dezember 2014 – 4 StR 381/14, NStZ-RR 2015, 82, 83). Die nur fragmentarische Erwähnung einzelner vom Sachverständigen in Bezug genommener Angaben der Geschädigten, wobei ihre Aussage in der Hauptverhandlung nahezu vollständig ausgeblendet wird, lässt dies nicht zu.“