Archiv für den Monat: Oktober 2015

Verkehrsstrafverfahren: Wenn es doch immer so einfach mit der Mittelgebühr wäre

RVG KasseDer Kollege Riemer aus Greifswald hat mir den von seinem Büro „erstrittenen“ LG Stralsund, Beschl. v. 25.09.2015 – 26 Qs 186/15 – übersandt und war natürlich über die Entscheidung des LG hoch erfreut. Kann er auch sein, nachdem die Rechtspflegerin mal wieder die Kassen geschlossen hatte und der Auffassung gewesen war, dass es sich nicht um ein durchschnittliches Verfahren gehandelt hat, für das die Mittelgebühr dann angemessen wäre. Es kommt aber auf eine Gesamtschau an und die führte nach (zutreffender) Auffassung des LG dann zur Mittelgebühr, und zwar:

„Ausgangspunkt für die Gebühr, die der Rechtsanwalt gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG unter Berücksichtigung aller Umstände nach billigem Ermessen zu bestimmen hat, ist nach überwiegend vertretener Auffassung grundsätzlich der Mittelbetrag der einschlägigen Rahmengebühr (Hartmann, Kostengesetze, 45. Auflage, § 14 RVG Rdn. 14). Die Mittelgebühr soll gelten, wenn sämtliche gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG zu berücksichtigenden Umstände, also insbesondere Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, Bedeutung der Angelegenheit sowie die wirtschaftlichen Verhältnisse des Auftraggebers, als durchschnittlich einzuordnen sind. Sie gilt wegen der vorzunehmenden Gesamtabwägung aber auch, wenn erhöhende und vermindernde Bemessungskriterien etwa gleichgewichtig sind oder wenn ein Bestimmungsmerkmal ein solches Übergewicht erhält, dass dadurch das geringere Gewicht mehrerer anderer Merkmale kompensiert wird.

……

Unter Anwendung dieses Maßstabes lässt sich eine Unbilligkeit im vorliegenden Fall nicht feststellen. Vielmehr erachtet die Kammer die Ansetzung von Mittelgebühren für angemessen. Ausgehend von der Mittelgebühr ist festzustellen, dass es sich um ein Verkehrsstrafverfahren mit einer simplen Fragestellung, nämlich der Fahrereigenschaft des Angeklagten, handelte. Rechtliche Schwierigkeiten gab es nicht. Die Anzahl der Zeugen sowie der Umfang ihrer Vernehmungen waren gering. Die Aussagen der verschiedenen Zeugen waren auch nicht schwierig zu erfassen. Der Aktenumfang bis zur Anklageerhebung war ebenfalls gering, er betrug 41 Seiten, von denen nur 5 Seiten (die Strafanzeige und die Aussagen der Zeugen) relevant waren. Es war mithin von einer Angelegenheit mit unterdurchschnittlichem Schwierigkeitsgrad und unterdurchschnittlichem Umfang auszugehen. Dies würde eine Unterschreitung der Mittelgebühr rechtfertigen. Entscheidend kommt es hier jedoch, wie auch in der Begründung des Kostenfestsetzungsantrags zutreffend ausgeführt, auf die Bedeutung der Sache für den ehemaligen Angeklagten an. Bei einem Verkehrsstrafverfahren ist der Ansatz von Mittelgebühren angemessen, wenn es sich zwar um eine Angelegenheit mit unterdurchschnittlichem Schwierigkeitsgrad und unterdurchschnittlichem Umfang handelte, die Sache aber für den Angeklagten wegen einer zu erwartenden Freiheitsstrafe, die nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt hätte werden können, von hoher Bedeutung war (vgl LG Koblenz, JurBüro 2010, 34). In Anbetracht der umfangreichen Vorstrafenliste, die eine Vielzahl von einschlägigen Delikten enthält, hätte hier der Angeklagte im Falle eines Schuldspruchs tatsächlich mit der Verhängung einer-Freiheitsstrafe zu rechnen gehabt, deren Vollstreckung nicht mehr zur Bewährung hätte ausgesetzt werden können. Diese Gewichtigkeit hebt die die vorgenannten Bemessungsgründe in dem Sinne auf, als dass hier von einer Mittelgebühr ausgegangen werden kann.“

Für Verkehrsstrafrechtler m.E. sicherlich von Interesse. Kann man mit argumentieren….

Tagessatzhöhe: Keine Schätzung „ins Blaue“, sondern „Butter bei die Fische“

© PhotoSG - Fotolia.com

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Zwar ist der BVerfG, Beschl. v. 01.06.2015 – 2 BvR 67/15 – in einem verkehrsstraflichen Verfahren ergangen, er hat aber eine Problematik zum Gegenstand, die darüber hinausgeht und ist daher von allgemeiner Bedeutung. Es geht nämlich in dem Beschluss um die Frage, die von allgemeinem Interesse im Strafverfahren ist: Wie verhält es sich mit bzw. was ist bei der Schätzung des Einkommens des Angeklagten in Zusammenhang mit der Festsetzung der Tagessatzhöhe (§ 40 StGB) zu beachten?

Die Angeklagte war vom AG zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je 80 € verurteilt worden. Während im Hauptverhandlungsprotokoll, das vom Strafrichter und der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unterzeichnet wurde, die Erklärung der Angeklagten vermerkt ist, sie habe kein Einkommen und sei arbeitssuchend als Verkehrspilotin, führte das Urteil im Hinblick auf die Festsetzung der Höhe des einzelnen Tagessatzes aus: „Nachdem die Angeklagte erklärt hat, dass sie Verkehrspilotin sei, diesen Beruf aber derzeit nicht ausübe, aber auch nicht arbeitslos sei, schätzt das Gericht das monatliche Einkommen auf mindestens 2.400,00 Euro netto und hat, da anrechenbare Schulden oder Unterhaltsverpflichtungen nicht bekannt sind, die Höhe des einzelnen Tagessatzes auf 80,00 Euro festgesetzt.“

Die Revision der Angeklagten blieb beim OLG Karlsruhe erfolglos, die Verfassungsbeschwerde hatte hingegen Erfolg. Das BVerfG legt die Grundsätze der Tagessatzbemessung dar und führt dann aus:

„Nach diesem Maßstab verletzen das Urteil des Amtsgerichts und der Beschluss des Oberlandesgerichts die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG. Die vom Oberlandesgericht bestätigten Ausführungen des Amtsgerichts zur Schätzung des monatlichen Einkommens der Beschwerdeführerin auf 2.400 Euro sind unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich haltbar. Sie verstoßen in unvertretbarer und damit objektiv willkürlicher Weise gegen die gesetzliche Regelung des § 40 Abs. 3 StGB.

a) Weil es nicht möglich ist, in allen Fällen – gerade auch der kleineren und der Verkehrskriminalität – sämtliche Umstände, die für die Festsetzung des Nettoeinkommens von Bedeutung sein können, abschließend aufzuklären und ins Einzelne gehende Ermittlungen regelmäßig unverhältnismäßig wären, kommt der in § 40 Abs. 3 StGB geregelten Schätzung der Bemessungsgrundlagen besondere Bedeutung zu (siehe – auch zum Folgenden – Häger, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl. 2007, § 40 Rn. 68 ff.; H.-J. Albrecht, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 4. Aufl. 2013, § 40 Rn. 47 ff.). Eine Schätzung ist immer dann angezeigt, wenn ein Angeklagter – der zu Auskünften nicht verpflichtet ist – keine, unzureichende oder gar unzutreffende Angaben macht und eine Ausschöpfung der Beweismittel das Verfahren unangemessen verzögern würde oder der Ermittlungsaufwand zu der zu erwartenden Geldstrafe in einem unangemessenen Verhältnis stünde. Eine volle Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Beweismittel ist dabei nicht geboten. Jedoch setzt eine Schätzung die konkrete Feststellung der Schätzungsgrundlagen voraus; bloße Mutmaßungen genügen nicht. Die Grundlagen, auf welche sich die Schätzung stützt, müssen festgestellt und erwiesen sein sowie im Urteil überprüfbar mitgeteilt werden.

b) Eine solche Mitteilung der Schätzungsgrundlagen lässt das Urteil des Amtsgerichts in nicht mehr hinzunehmender Weise vermissen. Es beschränkt sich auf die Feststellung, die Angeklagte habe erklärt, dass sie Verkehrspilotin sei, diesen Beruf derzeit nicht ausübe, jedoch auch nicht arbeitslos sei. Daher werde das monatliche Nettoeinkommen auf 2.400 Euro geschätzt. Diese Vorgehensweise ist zwar nicht bereits deshalb zu beanstanden, weil im Hauptverhandlungsprotokoll die abweichende Erklärung der Beschwerdeführerin festgehalten ist, sie habe kein Einkommen und sei arbeitssuchend als Verkehrspilotin. Denn bei einem Widerspruch zwischen Protokollinhalten im Sinne des § 273 Abs. 2 Satz 1 StPO und den Urteilsgründen sind allein letztere maßgebend (Gemählich, in: Kleinknecht/Müller/Reitberger, StPO, § 273 Rn. 29 [Nov. 2009]). Jedoch kommt die Annahme eines monatlichen Nettoeinkommens von 2.400 Euro – wie sie bereits dem Strafbefehl zugrunde gelegen hatte – aufgrund der tatsächlich völlig ungeklärten Einkommensverhältnisse einer bloßen „Schätzung ins Blaue hinein“ gleich. Die Ausübung einer Beschäftigung, die mit einer festen Vergütung verbunden ist, oder eine sonstige Einkommensquelle wurden nicht im Ansatz festgestellt. Der Zeuge K… wurde zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Beschwerdeführerin nicht befragt, obwohl er offensichtlich in einer persönlichen Beziehung zu ihr stand. Denkbar wäre es auch gewesen, die Polizei mit Umfeldermittlungen zu betrauen; auch das ist durch das Amtsgericht unterblieben.“

Also: Butter bei die Fische 🙂 .

Wenn der Betroffene nicht kommt, muss nicht der Verteidiger da sein….

© sss78 – Fotolia.com

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Häufig tauchen (Rechts)Fragen in der Rechtsprechung der Obergerichte wieder auf, obwohl die Fragen an sich längst entschieden sind. So die Frage, ob eigentlich der (bevollmächtigte) Verteidiger verpflichtet ist, im Fall des Nichterscheinens des von seiner Anwesenheitspflicht befreiten Betroffenen an der Hauptverhandlung teilzunehmen und ob das AG, wenn weder der von seiner Anwesenheitspflicht befreite Betroffene noch der Verteidiger erscheinen, die Voraussetzungen für ein Verwerfungsurteil nach § 74 Abs. 2 OWiG vorliegen. Die Frage(n) hat das OLG Hamm schon im Jahr 2001 im OLG Hamm, Beschl. v. 25.06.2001 – 2 Ss OWi 531/01 (NZV 2001, 401) verneint. Dennoch musste es jetzt erneut zu der Frage Stellung nehmen und hat sie – was nicht verwundert – erneut verneint (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 30.06.2015 – 5 RBs 84/15):

„Die Voraussetzungen für eine Verwerfung des Einspruchs nach § 74 Abs. 2 OWiG haben nicht vorgelegen. Nach § 74 Abs. 2 OWiG muss das Gericht den Einspruch ohne Verhandlung zur Sache durch Urteil (nur) dann verwerfen, wenn der Betroffene ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben ist, obwohl er von der Verpflichtung zum Erscheinen nicht entbunden war. Vorliegend ist der Betroffene aber durch die Verfügung des Amtsgerichts vom 18. Februar 2015 gemäß § 73 Abs. 2 OWiG von seiner Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden worden. Damit hätte das Amtsgericht, als der Betroffene nicht erschien, nach § 74 Abs. 1 S. 1 OWiG verfahren und die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Betroffenen durchführen müssen. Dass auch der Verteidiger des Betroffenen, der ordnungsgemäß zur Hauptverhandlung geladen war, in der Hauptverhandlung nicht erschienen ist, ist unerheblich. § 73 Abs. 3 OWiG verpflichtet den Betroffenen nicht, sich durch einen bevollmächtigten Verteidiger vertreten zu lassen. Der (bevollmächtigte) Verteidiger ist zudem auch nicht verpflichtet, im Fall des Nichterscheinens des von seiner Anwesenheitspflicht befreiten Betroffenen an der Hauptverhandlung teilzunehmen (vgl. OLG Hamm, NZV 2001, 491).“

Ich frage mich immer,w arum solche Entscheidungen eigentlich nötig sind. Man muss doch nur mal ein wenig schauen….

„Disziplinierung“ durch „vorauseilenden Gehorsam“, oder: Das zu schnell eingeholte Sachverständigengutachten

© fotomek - Fotolia.com

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Kollegen haben mir in der letzten Zeit wiederholt davon berichtet, dass die AG teilweise dazu übergegangen sind, bei Einwänden des Betroffenen gegen die Ordnungsgemäßheit einer Messung (von sich aus) Sachverständigengutachten einzuholen. Darüber habe ich hier ja auch schon im Zusammenhang mit dem AG Frankfurt (Oder), Beschl. v. 25.01.2013 – 4.9 OWi 289 Js 14760/12 (156/12) berichtet (vgl. dazu: „Zu schnelle“ Einholung eines SV-Gutachtens – unrichtige Sachbehandlung – Niederschlagung der Kosten). Hintergrund für dieses Vorgehen – in quasi vorauseilendem Gehörsam – dürfte u.a. eben häufig sein, dass man Verteidiger/Betroffene disziplinieren und von weiteren Anträgen (in anderen Verfahren) abhalten/abschrecken will, indem hohe Kosten verursacht werden, die möglicherweise in keinem angemessenen wirtschaftlichen Verhältnis zur verhängten Geldbuße stehen.

Dem lässt sich vom Verteidiger jetzt auch der LG Ingolstadt, Beschl. v. 30.09.2015 – 2 Qs 48/15 – entgegenhalten. Da hatte der Verteidiger  lediglich die Übersendung der Messdatei nebst Beweisfoto beantragt, um diese von einem durch den Betroffenen zu beauftragenden Sachverständigen überprüfen zu lassen. Allein das führte zu einem Beweisbeschluss über die Einholung eines SV-Gutachtens – Kosten dann über 2.000 € -, von dem das AG noch nicht einmal Abstand genommen hat, als der Verteidiger ausdrücklich klargestellt und mitgeteilt hat, dass es lediglich darum gehe, die Messung von einem eigenen Sachverständigen überprüfen zu lassen, um ggf. im Anschluss hieran konkrete Anhaltspunkte für eine Fehlbedienung oder Fehlmessung vorzutragen.

Das LG verweist auf die Rechtsprechung der Obergerichte zum standardisierten Messverfahren und darauf, dass danach nur konkrete Einwände das AG zur Beweisaufnahme zwingen. Und dann:

„…. Derartige konkrete Anhaltspunkte für Messfehler waren im Verfahren nicht dargetan. Der Betroffene hat vielmehr mit Schriftsatz vom 19.05.2014 lediglich die Übersendung der Messdatei nebst Beweisfoto beantragt, um diese von einem durch den Betroffenen zu beauftragenden Sachverständigen überprüfen zu lassen.

Der Antrag des Betroffenen vom 19.05.2014 konnte auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass der Betroffene hiermit die Richtigkeit der Messung in einer Art und Weise angezweifelt hätte, dass die Erholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens erforderlich gewesen wäre. Denn konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler waren, was Voraussetzung für die Erholung eines Sachverständigengutachtens gewesen wäre, seitens des Betroffenen gerade noch nicht aufgezeigt worden.

Vorstehendes hat der Betroffene unmittelbar im Nachgang zum Beweisbeschluss des Amtsgerichts Ingolstadt vom 22.05.2014 mit Schriftsatz vom 02.06.2014 unter näherer Darlegung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nochmals ausdrücklich klargestellt und mitgeteilt, dass zum damaligen Zeitpunkt konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler weder bestünden noch dass ein solcher seitens des Betroffenen konkret behauptet würde. Dem Betroffenen gehe es lediglich darum, die Messung von einem eigenen Sachverständigen überprüfen zu lassen, um ggf. im Anschluss hieran konkrete Anhaltspunkte für eine Fehlbedienung oder Fehlmessung vorzutragen.

Spätestens im Anschluss an den klarstellenden Schriftsatz vom 02.06.2014 wäre der Tatrichter zur Vermeidung unnötiger Verfahrenskosten gehalten gewesen, den Beweisbeschluss auf entsprechenden Antrag des Betroffenen aufzuheben.

Da angesichts der dargestellten gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung letztlich eine Beweisaufnahme über erkennbar nicht erhebliche Tatsachen stattgefunden hat (vgl. Binz/Dörndorfer/Petzold/ Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 3. Auflage 2014, § 21 Rn 7 m. w. N.; OLG München NJW-RR 2003, 1294), ist es vorliegend geboten, gem. § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG von der Erhebung der Gutachterkosten i. H. v. 2.054,54 € abzusehen.“

Immer wieder Hinweispflicht, oder: Auch das mildere Gesetz ist ein anderes….

© Blackosaka - Fotolia.com

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Ich habe hier ja schon häufig/immer wieder über die mit einem (unterlassenen) rechtlichen Hinweis nach § 265 StPO berichtet; zuletzt u.a. über den dem KG, Beschl. v. 14.07.2015, (3) 121 Ss 96/15 (75/15) und dazu Schmankerl im Verkehrsrecht: Der vergessene rechtliche Hinweis auf die (isolierte) Sperrfrist). Die damit zusammenhängenden Fragen spielen auch in der Rechtsprechung des BGH immer wieder eine Rolle, Revisionen, die die Verfahrensrüge auf einen unterlassenen Hinweis stützen, sind meist auch „Selbstläufer“. Das zeigt dann auch der BGH, Beschl. v. 02.09.2015 – 2 StR 242/15 mit der Variante: Verurteilung wegen eines milderen Gesetzes, nämlich Verurteilung wegen Diebstahls in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung statt des angeklagten schweren räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Aber auch da bedarf es aber eines rechtlichen Hinweises:

„Die in zulässiger Weise ausgeführte Verfahrensrüge einer Verletzung des § 265 StPO hat in vollem Umfang Erfolg und führt zur Aufhebung des Urteils im Ganzen.

Die Strafkammer hat es rechtsfehlerhaft unterlassen, die Angeklagte auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts einer möglichen – und dann später erfolgten – Verurteilung wegen Diebstahls in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung statt des ange-klagten schweren räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen hinzuweisen. Wie der Revisionsführer zutreffend ausgeführt hat, ist auch das mildere Strafgesetz regelmäßig ein anderes Gesetz im Sinne von § 265 Abs. 1 StPO (Meyer-Goßner/Schmitt – Meyer-Goßner, StPO, 58. Auflage 2015, § 265 StPO, Rn 9 mwN). Ein entsprechender – unter Umständen auch konkludent möglicher – Hinweis insbesondere auf die Möglichkeit einer tateinheitlichen Verurteilung wegen Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB) ist nicht protokolliert und damit auch nicht erteilt worden. Bei den Schlussvorträgen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung ist lediglich die offensichtlich in der Hauptverhandlung erörterte – von der Anklage abweichende – Strafbarkeit wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen in Tatmehrheit mit (einfachem) Diebstahl vermerkt (SA Bd. II, Bl. 356). Dass auch die (vom Gericht schließlich auch angenommene) tateinheitlich verwirklichte Nötigung erörtert worden wäre, lässt sich daraus nicht herleiten.

Dass das Urteil auf diesem Verfahrensverstoß beruht, hat der Revisionsführer weiter zutreffend damit begründet, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich die Angeklagte in Kenntnis dieser Veränderung der rechtlichen Bewertung des Tatgeschehens anders und möglicher-weise wirkungsvoller, nämlich im Sinne des Ablegens eines (Teil-)Ge-ständnisses, verteidigt hätte.“

Dem schließt sich der Senat an.“

Und ich mich auch.