Archiv für den Monat: Juni 2015

Alles richtig gemacht…, oder: Streitvermeidung

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Ja, alles richtig gemacht, hat es ein (beigeordneter) Nebenklägervertreter in einem Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a. Das LG München II hatte den Angeklagten u.a. wegen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt, seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung aber abgelehnt. Dagegen hat die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt, über die der BGH inzwischen mit BGH, Urt. v. 28.04.2015 – 1 StR 594/14 – entschieden hat. Aber darum geht es hier gar nicht in erster Linie, sondern um den BGH, Beschl. v. 27.04.2015 – 1 StR 594/14, der eine gebührenrechtliche Frage zum Gegenstand hat.

Nämlich die für den Nebenklägervertreter interessante Frage: Fahre ich zum Hauptverhandlungstermin beim BGH und wenn ich fahre, bekomme ich Reisekosten ersetzt? Das hängt nun wieder davon ab, ob die Reise erforderlich ist/war und da hatte der Nebenklägervertreter – wohl weil es (nur) eine Revision der Staatsanwaltschaft war – Zweifel/Bedenken. Und ich denke, dass in der Situation der Nebenklägervertreter sich an § 46 Abs. 2 RVG erinnert und die Möglichkeit einen Antrag dahin zustellen, die Notwendigkeit der Reise anch München festzustellen. Den hat er dann gesteellt und der BGh hat ihn im Beschl. v. 27.04.2015 positiv beschieden.

„Der Antragsteller ist beigeordneter Nebenklägervertreter (§ 397a StPO) des durch die verfahrensgegenständlichen Straftaten geschädigten Kindes. Er hat mit am 2. April 2015 eingegangenen Schriftsatz beantragt festzustellen, dass seine Reise zu der am 28. April 2015 vor dem Senat stattfindenden Hauptverhandlung über die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 16. Juni 2014 erforderlich ist.

Dem Antrag war gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 RVG zu entsprechen. Die Teilnahme des Antragstellers an der Revisionshauptverhandlung, in der über die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Unterbleiben der Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen den Angeklagten zu entscheiden ist, ist zur Wahrnehmung der Interessen des Nebenklägers und seiner Rechte (§ 397 Abs. 1 StPO) geboten. Dass der Nebenkläger die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung nicht isoliert rügen könnte (§ 400 Abs. 1 StPO), steht nicht entgegen. Bei einem zulässigen Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft bleiben die Beteiligungsrechte des Nebenklägers aus § 397 StPO bestehen. Dies begründet die Notwendigkeit der Reise des Antragstellers, der in die Strafsache aufgrund seiner Beiordnung bereits in erster Instanz eingearbeitet ist.

Es wird darauf verwiesen, dass über die Angemessenheit von Auslagen erst bei der Festsetzung der Vergütung zu entscheiden ist (vgl. BFH, Beschluss vom 10. August 2007 – III S 26/07 Rn. 6).“

Damit konnte der Nebenklägervertreter zum Termin fahren. Die Reisekosten waren gesichert. Denn der Beschluss nach § 46 Abs. 2 RVG hat für das Vergütungsfestsetzungsverfahren bindende Wirkung. Der Nebenklägervertreter muss sich also nach Abschluss des Verfahrens nicht (mehr) mit dem Rechtspfleger über die Erforderlichkeit seiner Reise streiten.

Piep, piep, piep – wir – 2. und 4. Strafsenat des BGH – haben uns wieder lieb

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Im vergangenen Jahr hat es einen (Zuständigkeits)Streit beim BGH gegeben, in dem es darum ging, ob denn nun der 2. Strafsenat  oder der 4. Strafsenat des BGH aufgrund seiner Sonderzuständigkeit für das Verkehrsstrafrecht über eine Revision zu entscheiden hat. Das war die Frage nach dem Vorliegen eines räuberischen Angriffs auf einen Kraftfahrer (§ 316a StGB) bei vorgetäuschter Polizeikontrolle. Der 2. Strafsenat hatte die  Frage u.a. im BGH, Beschl. v. 23.07.2014 – 2 StR 104/14 bejaht, allerdings die Sache an den 4. Strafsenat abgegeben, das aber erst nach durchgeführter Revisionshauptverhandlung. Der 4. Strafsenat war darüber „not amused“ und hatte die Übernahme – getreu dem Grundsatz: „Berührt, geführt“ – abgelehnt (vgl. BGH, Beschl. 09.09.2014 – 4 ARs 20-1/14), was der 2. Strafsenat dann mit einer erneuten Abgabe an den 4. Strafsenat beantwortet hat (BGH, Beschl. v. 08.10.2014 – 2 StR 104/14), der dann mit BGH, Beschl. v. 18.11.2014 – 4 ARs 20-1/14 die Sache dem Präsidium des BGH vorgelegt hat. Entschieden hat dann nach dem „Kompetenzgerangel“ – wohl aufgrund einer Entscheidung des Präsidiums – jetzt der 4. Strafsenat.

Uff, so weit sind wir dann also (endlich). Und nach dem ganzen Hin und Her muss man sich dann aber nicht auch noch darüber wundern, dass der 4. Strafsenat die Sachfrage dann anders sieht als der 2. Strafsenat und ggf. dann noch den Großen Senat für Strafsachen anruft 🙂 . In der Sache  sind sich die Senate einig, wie man dem BGH, Urt. v. 23.04.2015 – 4 StR 607/14 – entnehmen kann und auf das ich, um Wiederholungen zu vermeiden, verweise. Na, dann ist ja alles wieder gut.

Aber hallo: Da fehlte eine Seite –> Zack, war die Verfahrensrüge unzulässig

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Revisionsrecht ist schwer und „formenstreng“. Das weiß jeder, der Revisionsrecht macht. Und das gilt vor allem bei der Verfahrensrüge, für die das „scharfe Schwert“ des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO gilt. Und wie scharf das Schwert sein kann, das beweist mal wieder der BGH, Beschl. v. 19.05.2015 – 4 StR 576/14.

Da hatte der Verteidiger im Revisionsverfahren offenbar ein (abgelehntes) Ablehnungsgesuch (§§ 24 ff. StPO) zum Gegenstand einer Verfahrensrüge gemacht. Der GBA hatte u.a. die Auffassung vertreten, dass unter den im Verfahren vorliegenden Umständen,  der Angeklagte auch zu der Frage hätte vortragen müssen, ob die Ablehnung verspätet war. Das sieht der BGh anders, aber:

„Wie der Generalbundesanwalt im Weiteren aber zutreffend dargelegt hat, ist die Rüge unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil der Beschwerdeführer die Seite 16 des Zurückweisungsbeschlusses vom 13. Juni 2014 nicht vorgelegt hat….“

Na, das wird im Zweifel zu einem ernsten Gespräch des Verteidigers mit seinem Büropersonal führen (müssen), allerdings nachgezählt hat der Verteidiger selbst dann wohl auch nicht (richtig) 🙂 .

Aber ganz so schlimm sollte/wird es nicht werden, denn – so der BGH:

„….die Verfahrensbeschwerde wäre darüber hinaus auch unbegründet, weil der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO nicht gegeben ist.“

Leicht säuerlich reagiert das OVG Münster auf das BVerfG , oder: Kritik mögen wir nicht

© angelo sarnacchiaro - Fotolia.com

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Im Februar 2015 hatte ich im Posting: Verkehrsrechtler aufgepasst – BVerfG: „erhebliche Bedenken”, wenn man den Richtervorbehalt „flächendeckend aushebelt…” über den BVerfG, Beschl. v. 28.06.2014 – 1 BvR 1837/12 berichtet. Nun, der hat – zumindest kleine – Kreise gezogen und ist jetzt auch beim OVG Münster angekommen, das allerdings im OVG Münster, Beschl. v. 04.05.2015 – 16 B 426/15 – m.E. -„leicht säuerlich“ zu in der in dem Beschluss des BVerfG enthaltenen Kritik an der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte reagiert/formuliert:

„Die Antragstellerin beruft sich ohne Erfolg auf ein Beweisverwertungsverbot wegen eines möglichen Verstoßes gegen den Richtervorbehalt nach § 81a StPO. Ein Verwertungsverbot im Straf? oder Ordnungswidrigkeitenverfahren führt jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht zur Unverwertbarkeit der jeweiligen Erkenntnisse auch im fahrerlaubnisrechtlichen Verfahren. Während nämlich Beweisverwertungsverbote im vorrangig repressiven Zwecken dienenden Strafprozess dem Spannungsverhältnis zwischen dem staatlichen Strafverfolgungsanspruch einerseits und dem Grundrechtsschutz des Betroffenen andererseits Rechnung tragen, sind im rein präventiven, auf keine Bestrafung gerichteten Fahrerlaubnisverfahren maßgeblich auch Rechtsgüter einer unbestimmten Zahl Dritter, namentlich Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer, zu beachten. Mit dem Schutz der Allgemeinheit vor ungeeigneten Fahrerlaubnisinhabern wäre es nicht zu vereinbaren, wenn die Fahrerlaubnisbehörden an der Berücksichtigung (eventuell) strafprozessual fehlerhaft gewonnener Erkenntnisse allgemein gehindert wären oder wegen eines außerhalb ihres Verantwortungsbereichs begangenen Verfahrensfehlers sehenden Auges die gravierenden Gefahren hinzunehmen hätten, die mit der Verkehrsteilnahme eines derzeit kraftfahrungeeigneten Fahrerlaubnisinhabers verbunden sind.

Vgl. zuletzt etwa OVG NRW, Beschluss vom 13. März 2014 ? 16 B 228/14 ?, juris, Rn. 2 f. (mit weiteren Nachw.).

Die in einem Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts BVerfG, Beschluss vom 28. Juni 2014 ? 1 BvR 1837/12 ?, NJW 2015, 1005 = juris, Rn. 13 geäußerten Zweifel an dieser Praxis können jedenfalls im auf summarischer tatsächlicher Grundlage ? d. h. insbesondere ohne nähere Kenntnis der genauen Umstände der Anordnung nach § 81a StPO ? geführten Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu keiner anderen Handhabung führen, zumal mit Blick auf die kurzen Nachweiszeiten für Drogen im Blut(serum) viel für das Vorliegen von Gefahr im Verzug wegen drohenden Beweismittelverlusts sprach.“

Akteneinsicht im Büro ja, aber nicht in Bilder vom nackten Verletzten

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In einer Haftsache ergangen ist der OLG Köln, Beschl. v. 05.03.2015 – 2 Ws 115/15. Vorgeworfen wird dem Beschuldigten schwerer sexueller Missbrauch eines Kindes und der Besitz kinderpornographischer Schriften. Der Beschuldigte soll im Jahre 2014 mit einem zur Tatzeit zehn Jahre alten Jungen bei zwei Gelegenheiten in seiner Wohnung bzw. in einem Kellerraum Analverkehr durchgeführt haben. Das Tatgeschehen soll auf Bilddateien zu sehen sein, die der Beschuldigte mit einer Kamera angefertigt haben soll. Auf diese Bilddateien stützt sich der dringende Tatverdacht. Die Bilddateien sind dem Verteidiger bei der Akteneinsicht nicht mit ins sein Büro übersandt worden.

Ist so richtig, sagt das OLG im OLG Köln, Beschl. v. 05.03.2015 – 2 Ws 115/15:

„….Der dringende Tatverdacht wegen der dem Haftbefehl zugrunde liegenden Tatvorwürfe ergibt sich vollständig aus den bei den Akten befindlichen Bilddateien, in die der Senat Einblick genommen hat. Das Bildmaterial ist von den Vorinstanzen der Haftanordnung rechtmäßig zugrunde gelegt worden. Gegen den insoweit zu beachtenden Grundsatz der Waffengleichheit ist nicht verstoßen worden. Dem Verteidiger ist die Einsichtnahme in das die Haftanordnung tragende Bildmaterial in verfahrensrechtlich nicht zu beanstandender Weise auf der Geschäftsstelle angeboten worden. Die Staatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 28.01.2015 zur Haftbeschwerde zutreffend auf Nr. 220 Abs. 2, Nr. 225 RiStBV verwiesen, wonach Lichtbilder von Verletzten, die sie ganz oder teilweise unbekleidet zeigen, in einem verschlossenen Umschlag oder – wie hier geschehen – gesondert geheftet zu den Akten zu nehmen, bei der Gewährung von Akteneinsicht vorübergehend aus den Akten zu entfernen sind und insoweit nach § 147 Abs. 4 S.1 StPO Akteneinsicht auf der Geschäftsstelle zu gewähren ist. § 147 Abs. 4 S.1 StPO nimmt im Übrigen Beweisstücke, zu denen die in Rede stehenden Bilddateien gehören, ausdrücklich von der Mitgabe in die Geschäftsräume des Verteidigers aus.“

Frage dann: Und was ist, wenn ich als Verteidiger nicht „vor Ort“ bin und ggf. weit(er) fahren muss? Da hilft dann wohl nur ein Antrag auf Akteneinsicht bei der „örtlichen“ Staatsanwaltschaft. Und vielleicht auch die Nr. 183 RiStBV.