Archiv für den Monat: Dezember 2013

Freedom for „Oma Gerti“

BusIn den letzten Tagen war die Tagespresse voll von Berichten über „Oma Gerti“, die 87 Jahre alte Gertrud F., der mehrfaches Schwarzfahren vorgeworfen worden ist und die vom AG Wuppertal in Haft genommen worden war, weil sie zweimal nicht zur Hauptverhandlung erschienen war.Die „SZ berichte heute über das Verfahren unter: Weit außerhalb der Norm.

Nun: Das Verfahren ist zunächst mal zu Ende. Es wird geprüft, ob „Oma Gerti“ verhandlungs- und schuldfähig ist. Man fragt sich, warum das erst jetzt passiert, was man aber sicherlich ohne Kenntnis der Akten nicht abschließend beurteilen kann. Aber jedenfalls ist „Oma Gerti“ erst mal auf freiem Fuß. Das AG hat den Haftbefehl aufgehoben. (vgl. zum gestrigen Tag u.a. hier).

Ach so: Man ist schon erstaunt, welche Wellen das Ganze schlägt. Nicht nur in der Berichterstattung, sondern: „Konto zur Soforthilfe für „Oma Gerti“ (87) eingerichtet“ und natürlich auch etwas auf You Tube:

http://www.youtube.com/watch?v=o4emjWuQ1z4

Ein wenig zu langsam war die StA…

© a_korn - Fotolia.com

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Ein wenig zu langsam hat die StA Berlin in einer Haftsache in Berlin in einem Verfahren wegen Körperverletzung mit Todesfolge gearbeitet. Ergebnis: Wegen des Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot in Haftsachen hat das KG im Haftprüfungsverfahren nach den §§ 121, 122 StPO den Haftbefehl mit KG, Beschl. v. 09.08.2013 – (4) 141 HEs 44/13 (23/13) – aufgehoben.  In der Sache ging es um das in der Praxis bekannte Problem der (nicht) rechtzeitigen Einholung von Sachverständigengutachten. Insoweit hält das KG dem LG zwei Versäumnisse vor:

„Bei Eingang der Akten bei der Staatsanwaltschaft am 12. März 2013 standen noch die Ergebnisse der im Anschluss an die Obduktion des C. eingeleiteten weiteren gerichtsmedizinischen Untersuchungen (neuropathologische und feingewebliche Begutachtung der inneren Organe) aus. Diese wurden von der Staatsanwaltschaft am 13. März 2013 telefonisch im Büro des hiermit beauftragten Sachverständigen unter Hinweis auf das Beschleunigungsgebot in Haftsachen angemahnt. Ob die Staatsanwaltschaft damit ihrer Aufgabe gerecht geworden ist, den Sachverständigen zu überwachen und auf eine beschleunigte Erstellung des Gutachtens hinzuwirken, kann dahin stehen. Denn die neuropathologische Begutachtung des Gehirns und feingewebliche Untersuchung von Lunge, Leber, Milz und Nieren des Verstorbenen waren am 5. April 2013 abgeschlossen, was für derartige Untersuchungen eine noch angemessene Dauer darstellt. Wann das an diesem Tage gefertigte und an die Staatsanwaltschaft abgesendete schriftliche Gutachten bei dieser eingegangen ist, kann der Senat den ihm vorliegenden Akten nicht entnehmen. Spätestens am 15. April 2013 lag es dem sachbearbeitenden Staatsanwalt aber vor, denn an diesem Tag verfügte er die Vorlage der mitübersandten Rechnung und einer Kopie des Gutachtens an die Berechnungsstelle zur Entschädigung des Sachverständigen.

 Obwohl nach Eingang des (letzten) gerichtsmedizinischen Gutachtens eine umgehende Anklageerhebung geboten war, um dem Beschleunigungsgrundsatz Rechnung zu tragen, wurde die Anklageschrift erst am 31. Mai 2013 gefertigt und sogar erst am 10. Juni 2013 zum Landgericht erhoben, ohne dass sich den Akten Gründe hierfür entnehmen lassen.

bb) Neben der späten Anklageerhebung hat es die Staatsanwaltschaft zusätzlich versäumt, forensisch-psychiatrische Gutachten zur Schuldfähigkeit der Beschuldigten noch im Ermittlungsverfahren in Auftrag zu geben, obwohl sich deren Notwendigkeit schon frühzeitig aufdrängte.

Um dem Beschleunigungsgebot in Haftsachen zu genügen, hat die Staatsanwaltschaft möglichst früh auch alle erforderlichen Untersuchungen in Auftrag zu geben (vgl. Senat, Beschlüsse vom 9. Juli 2009 – [4] 1 HEs 26/09 [17/09] – und vom 27. Mai 2011 – [4] 1 HEs 22/11 [21/11] –; KG, Beschluss vom 25. August 2009 – [2] 1 HEs 30/09 [6-7/09] –). Dies gilt auch und insbesondere für die Einholung forensisch-psychiatrischer Gutachten zur Schuldfähigkeit des Beschuldigten (ständige Rechtsprechung der Senate des Kammergerichts, vgl. etwa Beschlüsse vom 25. August 2009 – [2] 1 HEs 30/09 [6-7/09] –; vom 13. Oktober 2009 – [4] 1 HEs 41/09 [27/09] –; vom 29. September 2010 – [4] 1 HEs 37, 44/10 [20-23/10] – ; vom 11. November 2010 – [4] 1 HEs 45/10 [29-32/10] – und vom 2. März 2012 – [4] 141 HEs 21/12 [7/12] –). Gleichwohl hat es die Staatsanwaltschaft Berlin vorliegend abermals ohne ersichtlichen Grund unterlassen, insoweit bereits ihrerseits das Erforderliche zu veranlassen. Die deutliche tataktuelle Alkoholisierung der Beschuldigten, die sich – neben den mit den Erstermittlungen befassten Polizeibeamten – insbesondere auch der (einzigen) unmittelbaren Tatzeugin N. offenbart hatte, war bereits mit der Anzeigenaufnahme aktenkundig gemacht worden und ergab sich aus dem Protokoll der Vernehmung der Zeugin N. vom Tattag. Zudem hatten beide Beschuldigte in ihren Vernehmungen am Tattag angegeben, in erheblichen Mengen Alkohol getrunken zu haben. Der Angeklagte F. hatte zudem einen Cannabiskonsum am Tattag behauptet. Seit Ende Januar bzw. Februar 2013 war auf Grund der Untersuchung des Bluts und des Urins beider Beschuldigter und entsprechender Rückrechnungsgutachten deren Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit (F.: max. 3,12 ‰) und der begleitende Drogenkonsum (Cannabis) des Angeklagten F. bekannt. Die Staatsanwaltschaft sah die Begutachtung der Beschuldigten (auch) zum Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen für die Anordnung einer Maßregel nach § 63 StGB und (insbesondere) § 64 StGB ausweislich eines Vermerks vom 8. März 2013 („ … Es fehlen dann noch die abschließenden Untersuchungen der Gerichtsmedizin. Nach deren Eingang sollen die Sachverständigen beauftragt und die Anklage begonnen werden.“) auch als erforderlich an. Gründe, warum sie gleichwohl (auch) nach Eingang des neuropathologischen Gutachtens von der Einholung solcher Gutachten abgesehen hat, lassen weder die Akten noch der Vorlagevermerk der Staatsanwaltschaft erkennen.“

Strafzumessung: Das „Fehlen von Rettungsbemühungen“

© Martin Fally - Fotolia.com

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Häufig sind es Kleinigkeiten, die bei der Prüfung der Strafzumessungserwägungen dazu führen, dass eine Revision im Rechtsfolgenausspruch beim BGH Erfolg hat. Das zeigt m.E. der BGH, Beschl. v. 06.11.2013 –  1 StR 525/13. Da hatte die Strafkammer auf die „vorbenannten Strafzumessungsgesichtspunkte“ Bezug genommen. Die hatte der BGH aber als fehlerhaft beanstandet. Das war es dann:

„2. Der Strafausspruch kann jedoch keinen Bestand haben. Das Landge-richt hat bei der Prüfung einer Strafrahmenverschiebung nach § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB das „Fehlen von Rücktrittsbemühungen“ bzw. das „Fehlen von Rettungsbemühungen“ zum Nachteil des Angeklagten gewertet. Diese Erwägungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Sie stellen im Ergebnis nur die Feststellung dar, dass der Angeklagte vom Versuch nicht strafbefreiend zurückgetreten ist, was jedoch erst die Strafbarkeit wegen versuchten Totschlags begründet und daher im Hinblick auf das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB einer Strafrahmenmilderung nicht entgegenstehen kann (BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2000 – 2 StR 381/00, BGHR StGB § 23 Abs. 2 Strafrahmenverschiebung 13, vgl. auch BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2003 – 2 StR 332/03).

Zwar hat das Landgericht die Verschiebung des Strafrahmens wegen Versuchs letztlich vorgenommen. Da es im Rahmen der konkreten Strafzumessung u.a. die „vorbenannten Strafzumessungsgesichtspunkte“ berücksichtigt hat, kann der Senat aber dennoch nicht ausschließen, dass es ohne Berücksichtigung der zu beanstandenden Erwägungen zu einer milderen Strafe gelangt wäre.

Der Strafausspruch bedarf daher einer erneuten tatrichterlichen Prüfung und Entscheidung. Bei dieser sind strafschärfende Erwägungen, dass der Geschädigte die Tat nicht veranlasst habe, zu vermeiden. Diese sind geeignet, die Besorgnis zu wecken, dass dem Angeklagten das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes zur Last gelegt wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. September 2009 – 3 StR 294/09, NStZ-RR 2010, 24 f.; vom 13. August 2013 – 4 StR 288/13).“

Feuer unter dem Hintern, oder: Nackt durch Münster

© pure-life-pictures . Fotolia.com

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Über eine Wette der besonderen Art berichten heute die „Westfälischen Nachrichten„. Ein junger Mann aus Münster (?) hat eine Wette verloren. Er hatte gewettet, dass er dann, wenn ein bei Facebook eingestelltes Bild 1000 x geliked worden ist, nackt auf dem Motorrad durch Münster fährt. Das Bild wurde 1000 x geliked und der junge Mann hat seine Wette eingelöst und ist nackt auf dem Motorrad durch Münster gefahren. Das Ganze endet in einem sog. „Burnout“ vor einem der münsterischen Weihnachtsmärkte.

http://www.youtube.com/watch?v=kSb02o1Eo88

Geäußert hat sich bereits auch die Polizei. Dazu heißt es in den „Westfälischen Nachrichten“:

„Die Direktion Verkehr schaut sich das an. Wir gehen davon aus, dass es sich um eine Ordnungswidrigkeit handelt“, sagt Andreas Bode von der Polizei in Münster. Es sei sicher schwer, den Fahrer zu ermitteln. „Er ist ja nicht erkennbar“, sagt Bode. Zumindest müsste der Beschuldigte zur Identifikation zum zweiten Mal seine Sachen ausziehe. Selbst wenn man den Halter des Motorrades kenne, so der Pressesprecher, müsse man ihm nachweisen, dass er am Steuer saß. „Sehr schwierig“, so Bode. Trotzdem werde die Polizei ermitteln.“

Wenn es denn stimmt und keine Montage ist: Könnte bei den Klicks auf You Tube von Münster Marketing sein.

„An sich nehmen“ oder „entwenden“. Reicht nicht für einen Diebstahl..

© eccolo - Fotolia.de

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Berichten will ich hier über zwei OLG-Beschlüsse, die Ausführungen zu den erforderlichen Feststellungen bei einem Diebstahl (§ 242 StGB) machen. Eigentlich eine einfache „Allerweltsvorschrift“, bei der sich aber auch aus den tatsächlichen Feststellungen die Tatbestandsvoraussetzungen ergeben müssen. Darauf haben jetzt (noch einmal) das OLG Bamberg im OLG Bamberg, Beschl. v. 01.10. 2013 – 3 Ss 96/13 – und das OLG Hamm im OLG Hamm, Beschl. v. 14.11.2013 – 5 RVs 111/13 – die Aufhebung amtsgerichtlicher Urteil gestützt (vgl. dazu auch schon den OLG Hamm, Beschl. v. 06.05.2013 – III 5 RVs 38/13 und dazu “Entwenden” reicht für “Wegnahme” nicht). Beide OLG vermissen ausreichende Feststellungen zur „Wegnahme“.

Beim OLG Bamberg heißt es dazu:

„Den tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil kann bereits nicht entnommen werden, ob die Diebstähle jeweils vollendet wurden. Im angefochtenen Urteil ist lediglich mitgeteilt, dass der Angekl. die Waren in einem Drogeriemarkt „an sich genommen“ habe, um sie ohne Bezahlung für sich zu behalten. Damit ist aber das Tatbestandsmerkmal der Wegnahme i.S.v. § 242 I StGB nicht belegt. Wegnahme bedeutet Bruch fremden und Begründung neuen Gewahrsams. Die rudimentären Feststellungen lassen nicht die Beurteilung zu, ob der bisherige Gewahrsam des Berechtigten aufgehoben worden oder ob es lediglich zu einer bloßen Gewahrsamslockerung gekommen war. Zwar würde (bei Sachen geringen Umfangs) bereits das Einstecken in die Tasche oder das Verbergen der Beute für die Vollendung der Wegnahme genügen (BGH NStZ-RR 2013, 276; Fischer StGB 60. Aufl. § 242 Rn. 18).

Und das OLG Hamm führt aus:

„Die Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen Diebstahls nicht. Die Urteilsgründe leiden an einem Darstellungsmangel, weil sie keine Feststellungen zur Wegnahmehandlung enthalten. Die alleinige Feststellung, der Angeklagte habe eine Hose „entwendet“, ohne den Entwendungsvorgang näher zu beschreiben, reicht nicht aus, um eine Wegnahme des Gegenstandes festzustellen. Die von der Kammer gewählte Formulierung lässt keinerlei Schluss darauf zu, wie sich der Wegnahmevorgang abgespielt hat. Ungeachtet dessen, dass der Angeklagte ausweislich der Urteilsgründe in vollem Umfang geständig war, reicht dies zur Feststellung des Gewahrsamswechsels nicht aus (zu vgl. Senatsbeschluss v. 06.05.2013 — III 5 RVs 38/13 —, zitiert nach juris).“

Fazit: Ein bisschen Mehr als „Entwenden“ und/oder „An sich nehmen“ muss schon im Urteil stehen. Man will wissen, was der Angeklagte gemacht hat.

Ich weiß, es wird Kommentare geben, dass die OLG das viel zu streng sehen. Wirklich?