Archiv für den Monat: September 2013

Wochenspiegel für die 38. KW, das waren eine vorgetäuschte Vergewaltigung, Zoff um Pflichtverteidigerhonorare im NSU-Prozess und ein Highlight aus dem Bereich „die dümmsten Autofahrer“

© Aleksandar Jocic – Fotolia.com

Diese Woche hat insbesodere das Schicksal von Horst Arnold die Blogleser bewegt. Interessant waren ferner der Ausraster eines gestressten Vaters und natürlich der Streit um das Pflichtverteidigerhonorar von Beate Zschäpes Anwalt. Die Themen der nächsten Woche können Sie heute selbst beeinflussen, also: Wählen gehen! 🙂

1. Mit einer erlogenen Vergewaltigung hat Heidi K. das Leben ihres Kollegen zerstört, jetzt wurde die Lehrerin selbst zu fünf Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Für den zu unrecht Beschuldigten kommt das zu spät.  Die Reue der Justiz im Fall Horst Arnold

2. Die „Spinner“ wehren sich: Darf die NPD dem Bundespräsidenten den Mund verbieten lassen?

3.  NSU: Krach um das Geld für die Verteidiger  und auch in Zschäpes Anwalt und das Geld

4. Dümmer geht nimmer: Fahren ohne Führerschein: Angeklagter kommt mit dem Auto zum Gerichtstermin

5. Wer aus dem Senat muss die Akten lesen bzw. sind  vier BGH-Richter-Augen ausreichend? Entscheidungen über Akten, die man nicht gelesen hat

6. Praktisch, aber datenschutzrechtlich nicht ohne: Fahrscheinkontrolleure mit Fahndungslisten

7. Einen zweifelhaften Ruhm dürfte sich dieser Vater erworben haben:  Eklat vor der Grundschule: Gestresster Vater greift Polizisten an

8. Das lasse ich mir nicht bieten! Notwehr gegen Raucher

9. Tragt mich zum Auto, ich fahr Euch nach Hause….Mal sehen, wer nachher noch fahren kann

10. Dieser „Trick“ kann im Rosenkrieg teuer werden! Scheidungstrick: Alle Anwälte abgrasen

Logbucheintrag IX vom 22.09.2013: New York – der Big Apple

© David Gn – Fotolia.com

Logbucheintrag IX vom 22. und ein wenig auch noch 23.09.2013: New York. Wir sind da. Was soll man da noch viel schreiben. Ziel erreicht. 🙂 :-D. In New York werden alte Erinnerungen aufgefrischt: Vielleicht nochmal auf das Empire State – mit dem Aufzug, zu fuß wäre wahrscheinlich besser, ein wenig auf der 5.th Avenue schlendern und/oder dann raus zur Liberty. Mal sehen, und vielleicht reicht die Zeit dann ja auch noch für ein Broadway-Musical.

Und wer sehen will, wie das Wetter in New York ist: Hier geht es zu den Wetterkameras :-).

Die „Gebetsmühle“ des BGH zur Aufklärungsrüge

In dem vorhin vorgestellten KG, Urt. vom hat ja auch die Frage der Begründung der Aufklärungsrüge eine Rolle gespielt. Die war nicht ausreichend begründet, wie so häufig. Dazu passt dann der BGH, Beschl. v. 30.07.2013 – 4 StR 190/13, den ich auch bereits in anderem Zusammenhang erwähnt hatte (vgl. Das ist der GBA wohl etwas weit gegangen…), der dazu noch einmal ausführt:

„Ergänzend zum Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts vom 8. Mai 2013 ist anzumerken :

Die Aufklärungsrüge, das Gericht habe es unterlassen, ein Sachverständigengutachten zur Aussagefähigkeit der einzigen Belastungszeugin einzuholen, obgleich sie seit mehreren Jahren Cannabis konsumiere, die schädigende Wirkung des Cannabiskonsums auf kindliche/jugendliche Personen wissenschaftlich feststehe und keine verlässlichen Aussagen zu ihrem Konsumverhalten bestünden, ist nicht zulässig erhoben. Denn die Revision trägt lediglich vor, das Gutachten „hätte möglicher-weise ergeben, dass eine glaubhafte Aussage nur eingeschränkt möglich“ sei (RB S. 20), ohne bestimmte Beweistatsachen und ein zu erwartendes, konkretes Beweisergebnis mit der erforderlichen inhaltlichen Bestimmtheit zu behaupten (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2013 – 1 StR 320/12, NJW 2013, 1688, 1689; Urteil vom 26. August 1988 – 5 StR 157/88, BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 1).“

Leute, also wirklich: So schwer ist es nicht. Und der BGH wiederholt es doch „gebetsmühlenartig“:

Immer wieder: Warum kann man keinen vernünftigen Beweisantrag stellen?

© M. Schuppich – Fotolia.com

M.E kann es doch nicht so schwer sein, einen vernünftigen, dem Anforderungen des § 244 Abs. 2 und 3 StPO entsprechenden Beweisantrag auf die Reihe zu bekommen. Aber offenbar, doch wie die zahlreichen dazu veröffentlichten Entscheidungen des BGH und des OLG immer wieder beweisen. Und ich meine zunächst mal nur das „Basiswissen“ und nicht den Beweisantrag am Hochreck, wenn es z.B. um eine Negativtatsache geht. Aus der Rechtsprechung daher dann noch einmal ein Hinweis, und zwar auf das KG, Urt. v. 16.05.2013 – (4) 161 Ss 52/13 (66/13) , das ich hier schon einmal in einem anderen Zusammenhnag vorgestellt hatte, nämlich Die “Ticstörung” und die Aussagetüchtigkeit, und Revisionsrecht am Hochreck – die Aufklärungsrüge?. Man sieht also, was man alles aus einem Urteil herausholen kann. Das KG führt zum Beweisantrag aus:

Soweit die Verteidigung vorträgt, sie habe beantragt „ein aussagepsychologisches Sachverständigengutachten zur Glaubhaftigkeit der Angaben der zum Zeitpunkt der Tat kindlichen Zeugen V. K., geb. am pp. , und M. K., geb. am pp. einzuholen“, kann die Angeklagte keinen Verstoß gegen § 244 Abs. 3 und 4 StPO rügen, denn dies setzt voraus, dass ein Beweisantrag fehlerhaft abgelehnt worden ist. Das ist – soweit erkennbar – hier aber nicht der Fall. Ein Beweisantrag zeichnet sich dadurch aus, dass der Antragsteller eine konkrete Tatsache behauptet und verlangt, mittels eines bestimmt bezeichneten Beweismittels darüber Beweis zu erheben (vgl. Senat, Urteil vom 11. September 2012 – [4] 161 Ss 89/12 [175/12]). Diese Voraussetzungen sind nach dem Vortrag nicht erfüllt. Beweisbehauptungen fehlen vielmehr gänzlich, denn es sind keine tatsächlichen Umstände oder Geschehnisse (oder sachverständig zu bewertende Tatsachen) zum Gegen­stand des Antrags gemacht worden, sondern allenfalls Beweisziele angedeutet worden („Glaubhaftigkeit der Angaben“), die sich erst aufgrund weiterer, vom Gericht zu ziehender Schlüsse ergeben könnten (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 1993 – 5 StR 279/93 – [juris] = BGHSt 39, 251; Urteil vom 6. November 1984 – 5 StR 628/84 – bei: Pfeiffer, NStZ 1985, 204 [205/ 206]). Zumindest eine ungefähre Eingrenzung der „Angaben“, deren Glaubhaftigkeit überprüft werden soll, wäre insoweit zu verlangen gewesen, um das Begehren als förmlichen Beweisantrag zu qualifizieren, zumal es sich dabei um „Angaben“ zweier verschiedener Zeugen handeln soll.“

Also Leute: So schwer ist es doch gar nicht. Und die Weichen werden in der Hauptverhandlung gestellt, nicht hinterher mit der Aufklärungsrüge.

Schützt den Unmittelbarkeitsgrund, entleert nicht die Hauptverhandlung!!

© Corgarashu – Fotolia.com

Über den OLG Celle, Beschl. v. 15.07.201331 Ss 24/13, der die Verlesung von Protokollen und Vermerken der Strafverfolgungsbehörden in der Hauptverhandlung nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO behandelt, kann man m.E. mit Fug und Recht schreiben: Schützt dem Unmittelbarkeitsgrund, entleert nicht die Hauptverhandlung, den sonst ist es keine „Verhandlung“. sondern nur noch eine „Verlesung“. Darauf läuft es nämlich dem Grunde nach hinaus, wenn man die die Zulässigkeit der Verlesung von Protokollen und Vermerken der Strafverfolgungsbehörden über Ermittlungshandlungen nicht von vornherein auf Routinevorgänge beschränkt, sondern eine Beschränkung nur durch die Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO, deren Verletzung dann nur mit der Aufklärungsrüge geltend gemacht werden kann, vornimmt. Viele Entscheidungen zu dieser durch das 1. JuMoG 2004  in die StPO aufgenommenen Vorschrift gibt es nicht, daher sind die, die veröffentlicht werden von besonderem Interesse.

In der Sache geht es um einen den Angeklagte,n der vom AG vom Vorwurf der Sachbeschädigung (§ 303 Abs. 2 StGB) durch Anbringen von schwarzen Schriftzügen auf Bildern in einer Gaststättentoilette frei gesprochen worden war. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hat das LG den Angeklagten wegen Sachbeschädigung verurteilt. Die Revision des Angeklagten hatte keinen Erfolg.

In der Revision stellte sich dann die verfahrensrechtliche Frage, ob die Grundlage für die Verurteilung wegen Sachbeschädigung in der Hauptverhandlung (§ 261 StPO) richtig ermittelt worden war. Das OLG hat das bejaht und nimmt in dem Zusammenhang auch auf einen Vermerk eines Polizeibeamten Bezug, in dem die notwendigen Informationen über die Herstellung von Abbildungen enthalten waren Der ist in der Hauptverhandlung verlesen worden.

„Abgesehen davon war jedenfalls die Verlesung des Vermerks des POK K. vom 25. Oktober 2012 nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO zulässig, weil er eine Erklärung über Ermittlungshandlungen der Polizei enthält und keine Vernehmung zum Gegenstand hat. Soweit die Revision meint, dass die Verlesung des Vermerks unzulässig war, weil er keinen Routinevorgang betreffe, kann ihr nicht gefolgt werden. Eine derartige Beschränkung der Verlesungsmöglichkeit kann weder dem Gesetzeswortlaut noch den Materialien entnommen werden. Zwar ergibt sich aus der amtlichen Begründung zum Gesetzentwurf, dass der Gesetzgeber bei Schaffung dieser Regelung in erster Linie „Protokolle und Vermerke über Routinevorgänge wie Beschlagnahme, Spurensicherung, Durchführung einer Festnahme, Sicherstellungen, Hausdurchsuchungen etc.“ im Blick hatte (vgl. BT-Drucks. 15/1508 S. 26). Weiter heißt es dort aber auch, dass der Polizeibeamte „bei den meist routinemäßig erstellten Protokollen“ (Hervorhebung d. d. Senat) ohnehin nicht mehr bekunden könne als das, was bereits schriftlich festgelegt sei (BT-Drucks. a. a. O.). Diese Formulierung zeigt, dass die Vorschrift auch nicht routinemäßig erstellte Protokolle und Vermerke erfasst. Mit Ausnahme von Vernehmungen erlaubt das Gesetz also grundsätzlich die Verlesung aller Protokolle und Vermerke über polizeiliche Ermittlungshandlungen (vgl. BGH NStZ 2008, 529; Meyer-Goßner § 256 Rn. 26; Pauly/Folkert-Hösser in Ratke/Hohmann StPO § 256 Rn. 19). Eine Beschränkung erfährt die Ver­lesungsmöglichkeit nur durch die Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO. Ein Verstoß hiergegen ist allerdings mit einer Aufklärungsrüge geltend zu machen (vgl. BGH NStZ 1993, 397; Meyer-Goßner a. a. O. Rn. 30; Pauly/Folkert-Hösser a. a. O. Rn. 23), welche hier nicht in zulässiger Form erhoben worden ist, wie die Generalstaatsanwaltschaft bereits zutreffend ausgeführt hat. Im Übrigen betrifft der Vermerk vom 25. Oktober 2012 die Spurensicherung und damit einen der in der Begründung zum Gesetzentwurf ausdrücklich erwähnten Routinevorgänge. Das zur Tatortaufnahme eingesetzte PHIDIAS-Verfahren stellt entgegen der Revision auch nicht deshalb eine außergewöhnliche Besonderheit dar, weil es von speziell dafür ausgebildeten Polizeibeamten angewandt wird. Generell wird die Spurensicherung von dafür speziell ausgebildeten Polizeibeamten vorgenommen und ist dennoch in den Augen des Gesetzgebers ein Routinevorgang.

Der vom OLG gezogene Schluss ist m.E. nicht zwingend und schränkt die Unmittelbarkeit der Hauptverhandlung(§ 250 StPO) noch mehr ein, als sie durch die neue Vorschrift so oder so schon eingeschränkt wird. Warum das OLG sich „so weit aus dem Fenster gelehnt“ hat, erschließt sich mir nicht. Nötig wäre das nicht gewesen bzw. die Frage hätte man offen lassen können. Denn wenn man davon ausgeht, dass der Vermerk vom 25. 10. 2012 die Spurensicherung betrifft  und damit einen der in der Begründung zum Gesetzentwurf des § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO ausdrücklich erwähnten Routinevorgang, dann kam es auf die Frage, ob die Vorschrift auch besondere Vorgänge erfasst nicht mehr. Es sei denn, das OLG war sich doch nicht so sicher, wie es zuvor hinsichtlich der Beurteilung der im Vermerk enthaltenen Erkenntnisse und Vorgänge schreibt.

Allerdings wird sich der Verteidiger auf diese Auffassung des OLG einstellen müssen und darauf zu achten haben, dass er „richtig“ reagiert. Das bedeutet, dass er, wenn er sich nicht mit der Verlesung zufrieden geben will, dieser widersprechen und im Hinblick auf § 244 Abs. 2 StPO einen Beweisantrag stellen muss. Den braucht er auch allein schon deshalb, weil er sonst die in der Revision nach Auffassung des OLG zu erhebende Aufklärungsrüge kaum ausreichend wird begründen können .