Archiv für den Monat: April 2013

Der “umstrittene Anwalt“, Schmähkritik oder zulässige Meinungsäußerung?

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In der Diskussion in Streit-/Rechtsfragen geht es manchmal hoch bzw. höher her und es wird auch nicht selten scharf geschossen. Damit muss man ggf. leben (können). Bei manchen Äußerungen stellt sich dann aber für den Betroffenen doch die Frage, ob er sich diese als freie Meinungsäußerung des Gegners „gefallen lassen muss“, oder obe es sich um Schmähkritik handelt, gegen die man vorgehen kann. So in einem Fall, der vor einiger Zeit das OLG Dresden beschäftigt hat. Es geht offenbar um einen Streit/einen Sachverhalt, der im Reiserecht spielt. Dort wird ein Artikel veröffentlicht, in dem ein Kollege als ein „umstrittener Rechtsanwalt“ bezeichnet wird bzw. ausgeführt wird, er gelte in der Reisebranche „als „umstritten“. Der Kollege macht im Wege der einstweiligen Verfügung einen Unterlassungsanspruch geltend, hat damit aber weder beim LG noch beim OLG Dresden Erfolg. Das OLG Dresden geht im OLG Dresden, Beschl. v. 27.09.2012 – 4 W 1036/12 von zulässiger Meinungsäußerung aus.

„Eine derartige Schmähkritik hat das Landgericht in der Bezeichnung des Antragstellers als „umstritten“ mit Blick auf den in dem Artikel selbst mitgeteilten Sachbezug und den Umstand, dass der dort mitgeteilte Tatsachenkern für das Verfügungsverfahren als wahr zu behandeln ist, zu Recht nicht gesehen. Diese Anknüpfung an ein eigenes und in dem Artikel aufgeführtes Verhalten des Antragstellers unterscheidet die hier gegebene Konstellation von der Fallgestaltung, die dem Urteil des OLG Köln (Urteil vom 18.7.2012, 16 U 184711-juris) zugrunde lag. Dort hatte das OLG die Bezeichnung des Klägers als „Winkeladvokat“ mit der Begründung als unzulässig angesehen, unter einem Winkeladvokat sei „jedenfalls derjenige zu verstehen, der eine Sache entsprechend seinem Berufsstand nicht verantwortungsbewusst zu vertreten befähigt ist, was bedeute, dass damit ein Rechtsanwalt gemeint sei, der „eine mangelnde fachliche Eignung aufweist und dessen Zuverlässigkeit zweifelhaft ist“, der „sich zwar noch im Rahmen des geltenden Rechts bewegt, aber dessen Grenzen in bedenklichem Maße austestet“, sich dabei „ nicht nur in zulässiger Weise taktisch [verhält], sondern … eine Verhaltensweise an den Tag [legt], die „hart an der Grenze“ ist, um für seinen Mandanten etwas „herauszuholen“, wobei ihm „jeder „Winkelzug“ recht [sei], um das für seinen Mandanten günstige Ergebnis zu erreichen“ und der bereit sei, „sich bei der Berufsausübung über Vorschriften hinwegzusetzen und Recht zu verbiegen, wenn ihm dies zum eigenen Vorteil verhilft“ (OLG Köln aaO.). Eine solche Zuschreibung schließt die Begriffserläuterung in dem streitgegenständlichen Artikel aus. Die Bewertung als „umstritten“ weist überdies neben den o.a. negativen Assoziationen auch darauf hin, dass es neben denjenigen, die das Vorgehen des Antragstellers kritisieren, auch Befürworter gibt und wertet auch vor diesem Hintergrund den Antragsteller nicht in vergleichbaren Maße ab.

Eine unzulässige Schmähkritik kann auch nicht aus der Verbindung des Textes mit dem begleitenden Foto hergeleitet werden, das nach der Bildunterschrift einen „Mann mit einem Esel aus Ägypten“ zeigt. In dem Artikel wird ein Zusammenhang mit der Berichterstattung dadurch hergestellt, dass die Gegendarstellung, die der Antragstellers gegen das Portal www.hotelling.net erwirkt hatte und die Gegenstand der Berichterstattung auf der von der Antragsgegnerin betriebenen Seite war, in einem „Hamburger Reise Magazin, das auch über Ägypten berichtet“ erfolgte. Der durchschnittliche Leser, der den Artikel zur Kenntnis nimmt, wird bei dieser Sachlage das Bild nicht auf die Person des Antragstellers, sondern auf den Gegenstand der Berichterstattung beziehen, auch wenn er die Motivauswahl für eine Berichterstattung über eine Gegendarstellung als willkürlich und ungeschickt empfinden wird, weil sie die Kernaussage des Berichts nicht unterstützt, sondern wie eine zufällige Verlegenheitslösung mangels passenderer Bilder wirkt. Selbst wenn es angesichts dessen dem Leser nicht gelingt, zwischen dem Bild und dem Text des Artikels eine solche Verbindung herzustellen, so wird er jedenfalls nicht zwingend und unabweisbar zu der vom Antragsteller genannten Schlussfolgerung gelangen, dieser solle hier als „Esel“ verunglimpft werden. Ein solches Wortverständnis steht mit der Bewertung als „umstritten“, die unterschwellig nicht auf die mit der Beschimpfung als „Esel“ verbundene Dummheit, sondern im Gegenteil auf eine besondere Gerissenheit des so Bezeichneten hinweist, nicht in Einklang. Es tritt hinzu, dass sich der Esel auf der Fotographie im Bildhintergrund befindet und der Blick des Betrachters daher zunächst auf den ägyptischen Mann fällt, bei dem es sich um einen Bauern oder Händler handelt. Eine Verbindung zwischen dem abgebildeten „Ägypter“ und dem Antragsteller, die sich als Schmähkritik oder Formalbeleidigung darstellen würde, zeigt aber auch die Beschwerde nicht auf.

Zum erwähnten „Winkeldekladvokatenurteil“ des OLG Köln: Der Kollege “Winkeladvokat”

Zum Wochenende die Frage: „Wären Sie gern reich?“

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Da ist mal wieder eine interessante 🙂 Mail mit einer interessanten Frage:

„Hallo,

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Ich habe die Webseite mal lieber nicht aufgesucht. Muss also weiter arbeiten. Mal sehen, ob ich mit „10 Std./Tag“ auskomme.

Wer zurückkehren will, ist nicht flüchtig, und zwar auch nicht der Ausländer

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In der Praxis spielt bei der Verteidigung ausländischer Mandanten häufig die Frage, ob ggf. deshalb bei ihnen Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) zu bejahen ist, weil sich der Mandant (wieder) in sein Heimatland begeben hat, eine Rolle. Dazu verhält sich jetzt noch einmal der KG, Beschl. v. 01.03.2013 – 4 Ws 14/13 – mit den (amtlichen) Leitsätzen:

Keine Flucht bei Aufenthalt im Ausland bei feststehendem Rückkehrwillen

1. Begibt sich ein ausländischer Beschuldigter in Kenntnis des gegen ihn in Deutschland geführten Ermittlungsverfahrens in sein Heimatland, ist er flüchtig im Sinne des § 112 Abs. 2 Nr. 1 StPO, wenn sein Verhalten von dem Willen getragen ist, sich dauernd oder länger dem Strafverfahren zu entziehen. Reist er dagegen mit Rückkehrwillen zu einem nur vorübergehenden Aufenthalt in sein Heimatland, ist er auch dann nicht flüchtig, wenn die Wirkung der Unerreichbarkeit für die deutschen Strafverfolgungsbehörden und das Gericht tatsächlich eintritt, weil sein Heimatland eigene Staatsangehörige grundsätzlich nicht an Deutschland zum Zwecke der Strafverfolgung ausliefert.

2. Ernsthafte Rückkehrbemühungen stehen der Annahme entgegen, der ausländische Beschuldigte verbleibe im Ausland, um sich den Zugriffsmöglichkeiten der deutschen Justiz zu entziehen. Sie sprechen gegen das Vorliegen des für die Annahme einer Flucht im Sinne des § 112 Abs. 2 Nr. 1 StPO erforderlichen subjektiven Elements (Fluchtwillen).

Nur: Blutprobe verwechselt und unbemerkt beigemischt? Das reicht so nicht

Folgender Sachverhalt: Bei einer Kfz-Führerin werden in einer Blutprobe Amphetamin und Methamphetamin festgestellt. Ihr wird darauf die Fahrerlaubnis  (vorläufig) entzogen. Dagegen setzt sie sich beim VG mit dem Antrag, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs wieder herzustellen, zur Wehr. Zur Begründung trägt sie u.a. vor, ihr seien die in ihrem Blut festgestellten Wirkstoffe unbemerkt beigebracht worden und das von einem rechtsmedizinischen Institut untersuchte Blut sei nicht das ihre. Mit beiden „Einlassungen“ hat sie – weder beim VG noch beim OVG – Erfolg. Dazu der OVG Sachsen, Beschl. v. 14.12.2012 – 3 B 274/12:

Dabei ist das Verwaltungsgericht Chemnitz im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Behauptung der Antragstellerin, die in ihrem Blut festgestellte Wirkstoffkonzentration sei ihr unbemerkt beigebracht worden, unglaubhaft sein dürfte. Offen bleiben kann dabei, ob – wie das Gericht meint – die Antragstellerin bei der bei ihr festgestellten Wirkstoffkonzentration starke Nebenwirkungen hätten bemerken müssen, wenn es sich – wie von dieser behauptet – um eine erstmalige Drogeneinnahme gehandelt hatte. Jedenfalls ist die Behauptung der Antragstellerin, ein Dritter habe ihr möglicherweise während des Toilettengangs Betäubungsmittel in ein Getränk gemischt, nicht geeignet, Zweifel an der Vermutung zu begründen, sie habe die in ihrem Körper aufgefundene Methamphetamindosis selbst und absichtlich zu sich genommen. Grundsätzlich kann zwar das Vorbringen, unwissentlich Betäubungsmittel zu sich genommen zu haben, für die Kraftfahreignung von Bedeutung sein. Allerdings ist es einhellige Meinung in der obergerichtlichen Rechtsprechung, dass sich ein Fahrerlaubnisinhaber für die Frage des einmaligen Konsums von „harten Drogen“ im Fahrerlaubnisentziehungsverfahren grundsätzlich nicht allein mit dem pauschalen Vorbringen entlasten kann, das Betäubungsmittel sei ihm ohne sein Wissen von Dritten verabreicht worden. Angesichts der von einem grundsätzlich ungeeigneten, weil harte Drogen konsumierenden Fahrerlaubnisinhaber für andere Verkehrsteilnehmer ausgehenden erheblichen Gefahren sind an die Plausibilität der Einlassungen des Betroffenen erhöhte Anforderungen zu stellen. Der Fahrerlaubnisinhaber muss deswegen zumindest eine nachvollziehbare Schilderung abgeben, wie es trotz der gegen eine zufällige Einnahme von in Getränken aufgelösten Betäubungsmitteln sprechenden Umständen zu einem unbewussten, zufälligen oder durch Dritte manipulierten Genuss des Betäubungsmittels gekommen sein soll (vgl. Beschl. des erkennenden Senats v. 12. Januar 2012 – 3 A 928/10 – Rn. 7 m.w.N.; jüngst auch BayVGH, Beschl. v. 21. November 2012 – 11 CS 12.2171 -, […] Rn. 8, sowie OVG LSA, Beschl. v. 8. November 2012 – 3 M 599/12 -, […] Rn. 6, jeweils m.w.N.). Diesen Vorgaben wird das mit der Beschwerde auch nicht mehr ausdrücklich weiterverfolgte Vorbringen der Antragstellerin nicht gerecht, da mit dem bloßen Hinweis darauf, unbekannte Personen hätten ohne ihr Wissen Betäubungsmittel in ihre Getränke gemischt, nicht plausibel gemacht werden kann, dass ein anderer Konsument mit dem Betäubungsmittel leichtfertig verfahren würde oder absichtlich einem Unbekannten ohne nachvollziehbares Motiv einen kostenlosen Rausch verschaffen wollte. Bei dieser Sachlage ist es daher ohne Belang, ob die Antragstellerin als drogengewöhnte Konsumentin bei der bei ihr vorgefundenen Wirkstoffkonzentration keine Nebenwirkungen verspürt oder – als Erstkonsumentin -die von den Betäubungsmitteln ausgehenden Wirkungen bemerkt hätte, und, welche individuelle Reaktion bei der vorgefundenen Wirkstoffkonzentration zu erwarten gewesen wäre (SächsOVG a.a.O. mit Hinweis auf die für Amphetamin festgelegte Wirkungsgrenze).

Auch ist an der von der Antragstellerin angegriffenen Feststellung des Verwaltungsgerichts Chemnitz nicht zu zweifeln, dass eine Verwechselung von Blutproben ausgeschlossen werden könne. Das Gericht hat anhand der hierfür einschlägigen Vorschriften im Einzelnen überprüft, ob die Vorgaben, die bei Blutentnahme und -probe einzuhalten sind, vorliegend erfüllt worden sind. Wie sich dem in den Behördenakten enthaltenen und vom Gericht herangezogenen Unterlagen (Protokoll und Antrag zur Feststellung von Betäubungsmitteln [AS 31], ärztlicher Untersuchungsbericht [AS 32], Befundbericht [3-4]) ergibt, ist die Blutprobe unter der der Antragstellerin zugeordneten Identifikationsnummer „SN 149363″ durchgeführt worden. Angesichts der dokumentierten Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens kann mit dem alleinigen Hinweis darauf, dass der Klebezettel, der die Identifikationsnummer der Antragstellerin enthielt, theoretisch einem anderen Blutentnahmeröhrchen aufgeklebt worden sein könnte, im vorliegenden Fall nicht von der Möglichkeit oder der Gefahr einer Verwechselung ausgegangen werden. Auch insoweit entspricht es nämlich der obergerichtlichen Rechtsprechung, dass mit der bloßen Behauptung des Gegenteils der dokumentierte ordnungsgemäße Ablauf der Untersuchung nicht in Frage gestellt werden kann, so dass die von der Antragstellerin angeregte Einholung eines DNA-Tests nicht erforderlich ist (jüngst OVG NRW, Beschl. v. 11. September 2012 – 16 B 944/12 -, […] Rn. 10; BayVGH, Beschl. v. 11. Mai 2010 – 11 CS 10.68 -, […] Rn. 20-21, jeweils m.w.N.).“

Im Verkehrsstrafrecht, wo man diese Einlassungen auch immer wieder mal findet, gilt übrigens dasselbe: „Butter bei die Fische“, wenn es Erfolg haben soll

 

Sorry, aber das kann der Rechtspfleger nicht ernst gemeint haben, oder doch?

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Im gebührenrechtlichen Forum auf meiner Homepage Burhoff-online hat ein Kollege vor einigen Tagen eine Frage  eingestellt, die mich dann doch ein wenig in Erstaunen – gelinde ausgedrückt – versetzt hat. Er schreibt:

„Ich benötige mal Hilfe in folgender Sache:
Mandant bekommt Pflichtverteidiger im Ermittlungsverfahren.
Es meldet sich ein Wahlverteidiger
Daraufhin wird gemäß § 143 StPO die PV zurückgenommen.
Bevor der Beschluss nach § 143 StPO zugestellt wurde, haben wir die bisherigen Kosten bei Gericht geltend gemacht. Nachdem der Beschluss ergangen ist, hat der Kostenbeamte die Erstattung der Gebühren mit dem Hinweis der Rücknahme des § 143 StPO abgelehnt.
Gibt es da eine Entscheidung zu? Ich finde hierüber nichts.
Laut Argumentation des Gerichts würde kein Pflichtverteidiger Geld bekommen wenn der Pflichtverteidiger entpflichtet wird oder die PV zurückgenommen wird.
Die Gebühren sind ja schon vor der Rücknahme entstanden.
Das Gericht begründet seine Entscheidung damit, dass keine Entpflichtung stattgefunden hat, sondern eine Rücknahme der PV so dass die Gebühren und Auslagen eines PV nicht festgesetzt werden können.

Sorry, aber das kann der Rechtspfleger nicht ernst gemeint haben. Daher mein Antwort:

„Hallo, in meinen Augen nicht haltbar, ich wollte erst schreiben „Blödsinn“. Zunächst: Wo bitte soll der Unterschied zwischen einer Rücknahme und einer Entpflichtung liegen? Den sehe ich nicht.
Und dann: Die bis zur Beendigung der Pflichtverteidigung entstandenen Gebühren bleiben dem ehemaligen Pflichtverteidiger (natürlich) erhalten (das ergibt sich schon aus dem Rechtsgedanken des § 15 Abs. 4 RVG). Die Auffassung des Rechtspflegers würde ja dazu führen, dass in allen Fällen der Entpflichtung/Rücknahme die Staatskasse „vergütungsfrei“ würde und der Pflichtverteidiger „umsonst“ gearbeitet hätte.“

Aber, man weiß ja nie. Vielleicht habe ich ja auch ein gebührenrechtliches Brett vor dem Kopf.

Ich brauche jetzt aber keinen Kommentar, der auf § 54 RVG verweist. Den kenne ich und die Problematik stellt sich nach dem Sachverhalt.