Vor einigen Tagen haben die „Wstfälischen Nachrichten“ über eine neue Warnschilder berichtet, die an 17 Standorten in Münster aufgestellt worden sind. Die sollen vor dem sog. „Geisterradeln“, dem unerlaubten Radfahren entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung fahren. Angeblich soll es sich dabei um eine der Hauptursachen für die vielen Fahrradunfälle in Münster handeln. Ob das was bringt, wage ich zu bezweifeln. So lange nämlich nicht viele Radfahrer grundsätzlich umdenken und anerkennen, dass die StVO nicht nur für die Autofahrer und die Fußgänger gilt, wird sich m.E. nichts Grundlegendes ändern und werden die Radfahrerunfälle kaum zurückgehen. Aber ein Versuch ist es natürlich wert. Und ganz nett sehen die neuen Schilder ja auch aus. Hier geht es zum Bericht: „Gefahr durch „Geisterradler“: Kampagne für mehr Sicherheit im Radverkehr „.
Archiv für den Monat: März 2013
Der unrichtige Rat des Rechtsanwalts; oder: Trau, schau wem
In der letzten Zeit sind wiederholt Entscheidungen veröffentlicht worden, die sich mit der Frage auseinander setzen, ob das Ausbleiben des Angeklagten/Betroffenen in der Berufungshauptverhandlung oder in der Hauptverhandlung des Bußgeldverfahrens entschuldigt ist, wenn der Angeklagte/Betroffene aufgrund eines unrichtigen Rates oder Hinweises seines Verteidigers ausbleibt.
Zusammenfassend wird man sagen können: Die obergerichtliche Rechtsprechung sieht in diesen Fällen das Ausbleiben grds. als entschuldigt an, so lange der Angeklagte/Betroffene keinen Grund hatte dem Rat/Hinweis seines Verteidigers zu misstrauen. Das bestätigt jetzt noch mal der OLG Hamm, Beschl. v. 31.01.2013, III-1 RBs 178/12:
„Das Amtsgericht hat den Einspruch des Betroffenen mit dem angefochtenen Urteil zu Unrecht nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen. Die Voraussetzung eines Ausbleibens „ohne genügende Entschuldigung“ lag im Hauptverhandlungstermin nicht vor. Im Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren ist überwiegend anerkannt, dass ein Ausbleiben zu einem Gerichtstermin auch dann als entschuldigt i.S.d. § 74 Abs. 2 OWiG anzusehen sein kann, wenn es auf einem (wenn auch unrichtigen) Rat oder Hinweis des Verteidigers beruht (OLG Hamm, Beschluss vom 06.03.2006, 4 Ss OWi 44/06; OLG Hamm, NZV 1999, 307; Göhler-Seitz, OWiG, 16. Aufl., § 74 Rdnr. 32).
……Ein Fall, dass ausreichende Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der vom Verteidiger erteilten Auskunft bestanden hätten, die den Betroffenen zur Nachfrage bei Gericht veranlasst hätten (vgl. insoweit BayObLG, NZV 2003, 293 m.w.N.), lag hier nicht vor. Dies hätte man allenfalls annehmen können, wenn die Ladung zu dem neuen Hauptverhandlungstermin am 19.10.2012 dem Betroffenen deutlich nach dem entsprechenden Hinweis des Verteidigers zugegangen wäre, so dass er Zweifel hätte haben müssen, ob es noch bei der angedachten Verfahrensweise (Beschlussentscheidung) verblieb. Ein solcher Ablauf ist hier aber nicht ersichtlich.
Psychotherapeutische Behandlung eines Gefangenen
Der KG, Beschl. v. 04.01.2013 – 2 Ws 532/12 Vollz – setzt sich mit der für den Strafvollzug bedeutsamen Frage zu den Voraussetzungen einer externen psychotherapeutischen Behandlung eines Gefangenen und der Gewährung damit verbundener Vollzugslockerungen auseinander. Dazu gilt:
1. Rechtsgrundlage für die Zulassung einer externen psychotherapeutischen Behandlung und die Gewährung damit verbundener Ausgänge oder Ausführungen ist § 58 StVollzG und nicht § 11 StVollzG. Das Begehren des Gefangenen ist rechtlich auf die Durchführung einer externen Behandlung und nur mittelbar auf die Gewährung von zweckgebundenen Ausgängen oder Ausführungen zur Teilnahme an der Behandlung gerichtet.
Es ist obergerichtlich entschieden, dass dem Gefangenen nach § 58 StVollzG ein subjektiv-öffentliches Recht auf gesundheitliche Betreuung im Rahmen sachgerechter Erwägungen zusteht (vgl. Senat, Beschluss vom 23. Mai 2005 – 5 Ws 168/05 Vollz – mit weiteren Nachw.; std. Rspr. ). Die Zuziehung eines externen Therapeuten kommt dabei nur bei der Erforderlichkeit und dem Fehlen ausreichender Behandlungsmöglichkeiten in der Justizvollzugsanstalt in Betracht (vgl. BVerfG NStZ 1996, 614; Senat, Beschlüsse vom 10. Juli 2012 – 2 Ws 97/12 Vollz -, 14. Juli 2011 – 2 Ws 249/11 Vollz -, 24. Juni 2011 – 2 Ws 137/11 Vollz – und 21. Februar 2007 – 2/5 Ws 541/06 Vollz –; OLG Nürnberg NStZ 1999, 479; OLG Karlsruhe NStZ 1998, 638).
Ausreichende Behandlungsmöglichkeiten fehlen, wenn in der Anstalt entweder zur Therapie der Störung keinerlei Angebote vorhanden sind oder wenn sich die Krankheit als so schwerwiegend erweist, dass sie mit den Mitteln der Anstalt nicht beherrschbar oder therapierbar ist (vgl. Senat, Beschluss vom 21. Februar 2007 – 2/5 Ws 541/06 Vollz -). Übersteigen die fachspezifischen therapeutischen Erfordernisse die Möglichkeiten der Anstalt, so gebieten das Resozialisierungsziel des Strafvollzuges (vgl. BVerfG NStZ 1996, 614) als auch der Schutz der Allgemeinheit (vgl. OLG Karlsruhe NStZ 1998, 638, 639), die Teilnahme an geeigneten externen Behandlungskonzepten sicherzustellen. „Geeignet“ und „erfolgversprechend“ ist eine Maßnahme indes nicht schon dann, wenn sie der Gefangene und ein sich anbietender Therapeut oder eine therapeutische Einrichtung so bezeichnen. Die Eignung der externen Therapie muss vielmehr von vornherein fachspezifisch bestätigt und unangefochten sein. Ferner ist es unabdingbar, dass sich die begehrte Therapie als ein harmonisches Ganzes in das Resozialisierungskonzept der Vollzugsbehörde einpasst; denn auch dann, wenn die Justizvollzugsanstalt die erforderliche Therapie nicht selber leisten kann, obliegt doch weiterhin ihr der gesetzliche Resozialisierungsauftrag. Die Vollzugsbehörde kommt ihrer Aufgabe, für den Fall vorzusorgen, dass eine externe Therapie nötig wird, dadurch nach, dass ihr eigener psychologischer Dienst eine Liste geeigneter externer Anbieter führt, die sich zur Kooperation mit der Justizvollzugsanstalt bereiterklärt haben (vgl. Senat, Beschluss vom 21. Fe-bruar 2007 – 2/5 Ws 541/06 Vollz -).
Die Aufnahme einer externen Psychotherapie setzt in formaler Hinsicht neben einem entsprechenden Antrag des Gefangenen seine Einverständniserklärung zur Einblicknahme des beauftragten Therapeuten in Unterlagen der Gefangenenpersonalakte voraus. Zusätzlich muss eine Indikation für eine externe Therapie durch die Vermittlungsstelle für externe Psychotherapie im Berliner Strafvollzug gegeben sein (vgl. Senat, Beschlüsse vom 4. Mai 2012 – 2 Ws 121/12 Vollz – und vom 3. November 2011 – 2 Ws 415/11 Vollz – mit weiteren Nachw.; std. Rspr.).
Lehnt die Vermittlungsstelle die Indikation für eine externe Psychotherapie des Gefangenen unter Beachtung der vorgenannten obergerichtlichen Vorgaben zu § 58 StVollzG ab, hat der Gefangene auch keinen Anspruch auf die Gewährung von damit verbundenen Ausgängen oder Ausführungen.
Die Entscheidung der Vermittlungsstelle für externe Psychotherapie kann die Justizvollzugsanstalt allerdings nur dann rechtlich im Hinblick auf § 58 StVollzG überprüfen, wenn ihr die Gründe der Entscheidung bekannt sind. Nur dann ist sie in der Lage, sich inhaltlich damit auseinanderzusetzen und nachfolgend eine Entscheidung auch hinsichtlich etwaiger zweckgebundener Gewährung von Vollzugslockerungen zu treffen. Erlangt die Justizvollzugsanstalt aus Umständen, die der Gefangene zu vertreten hat, keine Kenntnis von den Gründen für eine ablehnende Entscheidung der Vermittlungsstelle, geht die darauf beruhende fehlende Überprüfbarkeit der Entscheidung zu Lasten des Gefangenen. In diesem Fall kann die Justizvollzugsanstalt einen Antrag auf Zulassung zu einer externen Psychotherapie und auf zweckgebundene Vollzugslockerungen in der Regel nur unter Hinweis auf die Entscheidung der Vermittlungsstelle ablehnen.
Der Kuss des Musiklehrers als Nötigung
Bei der kann ich es ja mal versuchen, hatte sich offenbar der der Angeklagte Gitarrenlehrer im Hinblick auf eine seiner Musikschülerinnen gedacht. Die Schülerin hielt von seinen Avancen jedoch nichts und hat das auch klar zum Ausdruck gebracht. Dennoch „holte“ sich der Angeklagte von der Zeugin einen Kuss als er und sie nahe voreinander standen. Das brachte ihm eine Anklage und Verurteilung wegen Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB), die jetzt mit dem OLG Hamm, Beschl. v. 26.02.2013 – III 5 RVs 6/13 – bestätigt worden ist. Der Angeklagte hatte sich darauf berufen, dass der Tatbestand der Nötigung ein zweiaktiges Geschehen des Inhalts voraussetzte, dass das Opfer erst auf die Nötigungshandlung hin mit einem abwehrenden Verhalten reagieren und der Täter daraufhin mit (erneuter) Gewalt oder Drohung, ein weiteres Verhalten erzwingen müsste. Das hat das OLG verneint:
Kennzeichnend für die Anwendung von Gewalt ist neben einer körperlichen Kraftentfaltung des Täters – an die allerdings nur geringe Anforderungen zu stellen sind – die hierdurch verursachte unmittelbare physische Zwangswirkung auf das Opfer (vgl. insoweit Fischer, StGB, 60. Aufl., § 240 Rdnr. 19 m. w. Nachw.). Hierfür genügt das vom Landgericht festgestellte Heranziehen der Geschädigten zum Körper des Angeklagten. Ausweislich der Feststellungen standen sich der Angeklagte und die Geschädigte frontal gegenüber, nachdem beide von dem Tisch, an dem sie zuvor gesessen hatten, aufgestanden waren. In dieser Position hat der Angeklagte die Geschädigte zu sich herangezogen und sie auf den Mund geküsst. Damit steht eine wenn auch geringe – körperliche Kraftentfaltung des Angeklagten genauso außer Frage wie der körperlich wirkende Zwang für die Geschädigte, deren räumliche Position verändert worden ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Geschädigte bereits vor dem Heranziehen derart nah bei dem Angeklagten gestanden hat, dass dieser sie auch – ohne das Heranziehen – unvermittelt hätte küssen können. Entscheidend ist, dass der Angeklagte die Geschädigte tatsächlich angefasst und zu sich herangezogen hat, so dass sie ihm räumlich (noch) näher gekommen ist und dem nachfolgenden Kuss nicht mehr ausweichen konnte.
Es fehlt auch nicht an der Kausalität des Gewalteinsatzes für das erzwungene Verhalten.
Eine Nötigung setzt zwar voraus, dass der Täter der anderen Person ein bestimmtes Verhalten aufzwingt, d.h. sie gegen ihren Willen dazu veranlasst. Letzteres beinhaltet, dass ein entgegenstehender Wille überhaupt vorhanden ist. Denn wer keinen Willen zu einem bestimmten Verhalten hat, kann nicht zum gegenteiligen Verhalten gezwungen werden, weshalb nach ständiger Rechtsprechung (vgl. BGH, NJW 1982, 2264; NStZ 2010, 698; Senatsbeschluss vom 31. Juli 2012 – 5 RVs 62/12 OLG Hamm -) überraschende, das Opfer lediglich „überrumpelnde“ Handlungen ausscheiden, auch wenn die betroffene Person sie nicht will. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Tatbestand der Nötigung ein zweiaktiges Geschehen des Inhalts voraussetzt, dass das Opfer erst auf die Nötigungshandlung hin mit einem abwehrenden Verhalten reagieren und der Täter daraufhin mit (erneuter) Gewalt oder Drohung, ein weiteres Verhalten erzwingen müsste. Vielmehr reicht es aus, wenn das Opfer im Vorfeld der) ersten Nötigungshandlung seinen entgegenstehenden Willen gegen- über dem Täter klar zum Ausdruck bringt. Im Fall eines — wie hier — sexuell motivierten Täterhandelns kann der entgegenstehende Wille selbstverständlich auch im Zusammenhang mit zunächst verbalen Anzüglichkeiten des Täters geäußert werden.
Vorliegend hatte die Geschädigte einen derartigen entgegenstehenden Willen gebildet und diesen auch unmissverständlich gegenüber dem Angeklagten formuliert, so dass – entgegen der Revisionsbegründung — nicht von einem das Opfer lediglich „überraschenden“ Verhalten des Angeklagten auszugehen ist. Ausweislich der vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hatte der Angeklagte den der Geschädigten erteilten Gitarrenunterricht unterbrochen und die Pause zu verbalen Annäherungsversuchen und Anzüglichkeiten genutzt. Die Geschädigte hat daraufhin „deutlich geäußert, dass sie so etwas nicht wolle“. Weder hiervon noch von dem Hinweis der Geschädigten, dass sie einen Freund habe, hat sich der Angeklagte ab¬halten lassen, sondern sinngemäß geantwortet, dass „das ja nichts ausmache“. Vor diesem Hintergrund hat das Landgericht zu Recht angenommen, der Angeklagte habe sich über einen bereits zuvor gebildeten und deutlich geäußerten (entgegenstehenden) Willen der Geschädigten hinweggesetzt, indem er sie am Ende der Pau¬se an sich herangezogen und auf den Mund geküsst hat. Da bereits das Heranziehen der Geschädigten als Gewalt zu qualifizieren ist und der Nötigungserfolg bereits mit dem Erdulden des Kusses eingetreten war, kam es auch nicht darauf an, ob der Angeklagte die Geschädigte während des Kusses weiter festgehalten hat. Auch dies hat das Landgericht zutreffend gewürdigt.
Vergütungsvereinbarung per Email?
Vergütungsvereinbarung per Email? Ist das möglich oder muss eine strengere Form eingehalten werden? Die Antwort: Nein.
Denn in § 3a Abs. 1 Satz 1 RVG wird für den Abschluss einer Vergütungsvereinbarung nur die Textform i.S.v. § 126b BGB gefordert. Damit hat das RVG die einfachste gesetzliche Form vorgeschrieben. Diese ist nach eingehalten, wenn die Erklärung in einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeignete Weise abgegeben worden ist, die Person des Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift oder anders erkennbar gemacht wurde. Die Textform setzt lediglich voraus, dass die Erklärung in Schriftzeichen lesbar abgegeben wird (zu allem auch Burhoff in: Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl. 2012, Teil A: Vergütungsvereinbarung, Rn. 1524 m.w.n.). Erforderlich ist allerdings eine Erklärung in einer Urkunde oder in einer anderen, zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeigneten Weise. Geeignete Schriftträger sind somit neben Urkunden also auch elektronische Speichermedien, sofern nur die gespeicherten Daten in Schriftzeichen lesbar sind und der Schriftträger geeignet ist, die Daten dauerhaft festzuhalten. Eine Vergütungsvereinbarung kann somit wirksam per oder E-Mail (Burhoff/Burhoff, a.a.O.; Burhoff StRR 2008, 252 = VRR 2008, 254).
Das hat im Übrigen vor kurzem das LG Görlitz, Urt. v. 01.03.2012 – 1 S 51/12 – bestätigt.
Allerdings: Falls es nicht besonders eilig: Lieber das klassische Vertragsformular mit beiderseitiger Unterschrift.