Archiv für den Monat: Juni 2012

Unterhaltspflichtverletzung: Kannste überhaupt zahlen?

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Ich habe ja schon häufiger über eine der Schnittstellen Strafrecht/Familienrecht berichtet. Sie liegt bei der Unterhaltspflichtverletzung (§ 170 StGB; vgl. z.B. hier unter Unterhaltspflichtverletzung: Strafrecht meets Familienrecht. Zusammenfassend kann man dazu sagen, dass es für die Tatrichter nicht einfach ist, an der Stelle die „Enden zusammen zu bekommen“ = ausreichende tatsächliche Feststellungen zu treffen. das zeigt sich auch immer im OLG Hamm, Beschl. v. 17.04.2012 – III 3 RVs 24/12. Danach gilt:

  • Der Schuldspruch wegen Unterhaltspflichtverletzung setzt zunächst voraus, dass der Tatrichter den Umfang der Unterhaltspflicht, welche sich nach der Lebensstellung des Bedürftigen bestimmt (§ 1610 Abs. 1 BGB), feststellt und die dem zugrunde liegenden Tatsachen im Urteil ausführt.
  • Der Höhe des geschuldeten Unterhalts hat der Tatrichter alsdann die finanzielle Leistungsfähigkeit des Verpflichteten gegenüberzustellen  und auszuführen, ob und inwieweit der Pflichtige zumindest zu Teilleistungen auf den geschuldeten Unterhalt in der Lage ist.
  • Ferner sind ggf. Feststellungen über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Mutter erforderlich.
  • Schließlich muss sich das AG auch mit ggf. bestehenden weiteren Unterhaltspflichten auseinander setzen.

Also: Umfangreiches Programm, das häufig nicht erfüllt wird.

 

Der Poller – besondere Verkehrssicherungspflichten??

Wir kennen sie alle: Sog „Polleranlage“, bestehend aus elektronisch absenkbaren Pollern, die im Straßenverkehr bestimmte Bereiche schützen bzw. Ein- und Zufahrt regeln. Mit den Verkehrssicherungspflichten bei solchen Polleranlagen befasst sich das OLG Saarland, Urt. v. 15.05.2012 – 4 U 54/11-16. Danach gilt:

Eine elektronisch zu steuernde Sperrvorrichtung in Form absenkbarer Poller stellt eine besondere Gefahrenquelle im Straßenraum dar, die vor allem daraus resultiert, dass der Poller in abgesenktem Zustand für die Benutzer der Straße nicht immer leicht zu erkennen ist. Von einem sich mitten auf der Fahrbahn befindlichen Poller, der unbemerkt ausfährt, geht ein erhebliches Gefahrenpotenzial für den fließenden Verkehr aus. Diese Gefahren rechtfertigen es, an die Verkehrssicherungspflicht besondere Anforderungen zu stellen. In einem solchen Fall muss der Verkehrssicherungspflichtige die Verkehrsteilnehmer nachhaltig davor warnen, dass die Polleranlage nur einzeln passiert werden darf. Genügt der Verkehrssicherungspflichtige dieser Warnpflicht, ist es zur Verkehrssicherung aber nicht erforderlich, die Polleranalge so zu konstruieren, dass sich der Poller auch dann wieder absenkt, wenn sich ein Fahrzeug dem ausfahrenden Poller nähert.

Also Vorsicht bei den Pollern.

 

Etwas mehr Sorgfalt bitte.., oder: § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO lässt grüßen

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Etwas mehr Sorgfalt bei Abfassung der Urteilsgründe wünscht man sich schon manchmal schon. Da wird der Angeklagte vom Landgericht wegen besonders schweren Raubes, räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit  gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Seine Revision hat zuimndest teilweise Erfolg, denn der BGH, Beschl. v. 02.05.2012 – 3 StR 37/12 – hebt das landgerichtliche Urteil teilweise auf. Begründung:

„1. Im Fall II. 1. der Urteilsgründe wird die Verurteilung wegen räuberischer Erpressung durch die Feststellungen nicht belegt. Danach „trafen die Angeklagten“ – neben dem Beschwerdeführer die Nichtrevidenten A. und R. G. – „auf den Geschädigten“. Dieser merkte, dass er verfolgt wurde und lief davon. Er wurde zu Boden gestoßen und A. G. versetzte ihm mehrere Faustschläge und Fußtritte. Sodann forderte R. G. von ihm Geld, worauf er diesem etwa 70 bis 100 Euro herausgab. „Die Angeklagten wussten jedoch, dass sie keinen Anspruch auf dieses Geld hatten.“ Sie kauften sodann von dem Geld Bier und Zigaretten, die sie gemeinsam konsumierten.

Damit sind lediglich die Anwesenheit des Angeklagten am Tatort und seine Mitwirkung am Beuteverzehr festgestellt. Ob er sich an der räuberischen Erpressung als Täter oder Gehilfe (zur Abgrenzung vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 27. März 2012 – 5 StR 114/12 mwN) beteiligt hat, ist dem Urteil auch im Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht zu entnehmen.

2. Gleiches gilt für die Verurteilung wegen besonders schweren Raubes im Fall II. 3 der Urteilsgründe. Danach war der Angeklagte mit drei gesondert verfolgten Männern nachts in einem Auto unterwegs. Sie besprachen, dass sich in der Wohnung des E. Z. „mitnehmenswerte Gegenstände befin-den könnten, die entwendet werden sollten“. Als der Geschädigte später dem Angeklagten und den gesondert Verfolgten Zugang zu seiner Wohnung ermöglicht hatte, „entwendeten“ diese „aus der Wohnung … absprachegemäß steh-lenswerte Gegenstände“. Damit ist lediglich die Begehung eines Diebstahls festgestellt. Zwar hatte der gesondert verfolgte M. zuvor den Geschädigten auf der Straße mit einem Baseballschläger bedroht und ein Getränk von ihm verlangt. Ob diese Drohung durch M. schon dazu diente, den Tätern später den Zutritt zur Wohnung zu ermöglichen sowie den Widerstand des Geschädig-ten gegen die Wegnahme von Gegenständen zu unterbinden, ist dem Urteil nicht zu entnehmen. Erst recht fehlt es an der Feststellung, dass der Angeklagte die Bedrohung als final für einen Raub erkannte und als Willensbeugungselement im Hinblick auf die Wegnahme von Gegenständen aus der Wohnung billigte. Dass der Geschädigte während der Wegnahme der Gegenstände in der Küche seiner Wohnung eingesperrt und somit einvernehmlich Gewalt zur Ermöglichung der Tat gegen ihn angewendet worden war, konnte die Strafkammer gerade nicht feststellen.

Wenn man das so liest und sich überlegt, dass ein Referendar das als Urteilsentwurf abgegeben hätte. Na, der hätte was zu hören bekommen. § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO lässt grüßen…

Unschuldsvermutung beim Bewährungswiderruf

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Die Entscheidung des EGMR vom 03.10.2002, 37568/97, hatte in der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung Auswirkungen auf den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 f Abs. 1 Nr. 1 StGB wegen einer neuen Straftat im Hinblick auf die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK. Die OLG sind im Anschluss an diese Entscheidung z.T. davon ausgegangen, dass ein Widerruf wegen einer neuen Straftat eine rechtskräftige Aburteilung voraussetzte. Allerdings haben sich dann bald erste „Aufweichungserscheinungen“ in dieser Linie gezeigt (so z.B. OLG Hamm, Beschl. v. 13.07.2007, 3 Ws 672/07, 3 Ws 681/07). Die hat jetzt der 3. Strafsenat des OLG Hamm im OLG Hamm, Beschl. v. 30.04.2012 – III 3 ws 101 u. 102/12 bestätigt. In den Leitsätzen heißt es:

1. Soweit der Senat die Auffassung vertreten hatte, nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 03.10.2002 setze der Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 f Abs. 1 Nr. 1 StGB wegen einer neuen Straftat im Hinblick auf die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK grundsätzlich voraus, dass wegen der neuen Straftat eine rechtskräftige Aburteilung erfolgt sei, hält er hieran nicht mehr fest

2. Ohne eine Aburteilung der Anlasstat ist der Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung wegen einer neuen Straftat des Verurteilten ausnahmsweise dann zulässig und verstößt auch nicht gegen die Unschuldsvermutung, wenn der Verurteilte die neue Straftat glaubhaft eingestanden hat.

3. Ausreichend ist nach Auffassung des Senats jedes prozessordnungsgemäß zustande gekommene glaubhafte Geständnis des Verurteilten hinsichtlich der Anlasstat.

Also: Wie so häufig – es kommt darauf an.

 

Aufgepasst: Rechtsmissbrauch bei der Vergütungsvereinbarung

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Dem OLG München, Urt. v. 02.05.2012 – 15 U 2929/11 Rae dürfte – lässt sich wegen der Bezugnahmen im Urteil nicht so ganz genau klären – etwas folgender Sachverhalt zugrunde liegen:

Der Rechtsanwalt schließt eine Vergütungsvereinbarung über 30.000 €.  Die ist unwirksam, wohl weil der Rechtsanwalt auf gesetzliche Gebühren verzichtet hat. Der Rechtsanwalt fordert nun aber vom Mandanten die gesetzlichen Gebühren.

Das OLG München sagt/meint: Das geht nicht. Die Forderung von höheren gesetzlichen Rechtsanwaltsgebühren unter Berufung auf die Unwirksamkeit einer getroffenen Vergütungsvereinbarung  verstößt gegen Treu und Glauben, wenn der unter Berufung auf das RVG nachträglich Gebühren geltend macht, auf die er ursprünglich durch Abschluss einer Vergütungsvereinbarung, die wegen Verstoßes gegen das RVG unwirksam ist, verzichtet hat. Etwas anderes ergibt sich für das OLG München auch nicht daraus, wenn sich der Mandant zuerst auf die Unwirksamkeit der Vergütungsvereinbarung berufen hat.