Archiv für den Monat: Juni 2012

Entwarnung für Kassenärzte

Es ist ja schon in anderen Blogs über die lange erwartete Entscheidung des BGH zur Frage der Amtsträgereigenschaft von Kassenärzten berichtet worden. Der Vollständigkeit halber weise ich hier – wegen Urlaubs allerdings verspätet – auch darauf hin. Bisher liegt jedoch nur die PM des BGH zum BGH, Beschl. v. 29.03.2012 – GSSt 2/11 – vor. In der heißt es u.a.:

„Keine Strafbarkeit von Kassenärzten wegen Bestechlichkeit

Kassenärzte, die von einem Pharma-Unternehmen Vorteile als Gegenleistung für die Verordnung von Arzneimitteln dieses Unternehmens entgegennehmen, machen sich nicht wegen Bestechlichkeit nach § 332 StGB strafbar. Auch eine Strafbarkeit wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr nach § 299 Abs. 1 StGB scheidet aus. Entsprechend sind auch Mitarbeiter von Pharmaunternehmen, die Ärzten solche Vorteile zuwenden, nicht wegen Bestechung (§ 334 StGB) oder Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299 Abs. 2 StGB) strafbar. Der niedergelassene, für die vertragsärztliche Versorgung zugelassene Arzt handelt nämlich bei der Wahrnehmung der ihm gemäß § 73 Abs. 2 SGB V übertragenen Aufgaben, insbesondere bei der Verordnung von Arzneimitteln, weder als Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB noch als Beauftragter der gesetzlichen Krankenkassen im Sinne des § 299 StGB.

Das hat der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs entschieden. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Ausgangsverfahren war eine Pharmareferentin, die Kassenärzten Schecks über einen Gesamtbetrag von etwa 18.000 € übergeben hatte, wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Der Übergabe des Schecks hatte ein als „Verordnungsmanagement“ bezeichnetes Prämiensystem des Pharmaunternehmens zugrunde gelegen. Dieses sah vor, dass Ärzte als Prämie für die Verordnung von Arzneimitteln des betreffenden Unternehmens 5 % des Herstellerabgabepreises erhalten sollten.

Die Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen beruht im Wesentlichen auf folgenden Erwägungen:

Die gesetzlichen Krankenkassen sind zwar Stellen öffentlicher Verwaltung im Sinne der Amtsträgerdefinition in § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB. Auch erfüllt das System der gesetzlichen Krankenversicherung als Ganzes eine aus dem Sozialstaatsgrundsatz folgende, in hohem Maße der Allgemeinheit dienende Aufgabe. Die Kassenärzte sind aber nicht dazu bestellt, Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen. Der freiberuflich tätige Kassenarzt ist weder Angestellter noch Funktionsträger einer öffentlichen Behörde. Er wird auf Grund der individuellen, freien Auswahl des gesetzlich Versicherten tätig. Sein Verhältnis zu dem Versicherten, der ihn regelmäßig individuell auswählt, wird – ungeachtet der mit der Zulassung verbundenen Verpflichtung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung – wesentlich von persönlichem Vertrauen und einer Gestaltungsfreiheit gekennzeichnet, die der Bestimmung durch die gesetzlichen Krankenkassen weitgehend entzogen ist. Innerhalb des Behandlungsverhältnisses konkretisiert die Verordnung eines Arzneimittels zwar den gesetzlichen Leistungsanspruch des Versicherten auf Sachleistungen; sie ist aber untrennbarer Bestandteil der ärztlichen Behandlung und vollzieht sich innerhalb des personal geprägten Vertrauensverhältnisses zwischen dem Versicherten und seinem Arzt, der die Verordnung nach seiner aus § 1 BÄO folgenden Verpflichtung auszurichten hat. Die Einbindung des Vertragsarztes in das System öffentlich gelenkter Daseinsfürsorge verleiht der vertragsärztlichen Tätigkeit danach nicht den Charakter hoheitlich gesteuerter Verwaltungsausübung. Dies entspricht auch der zivilrechtlichen Betrachtungsweise.

Dem Kassenarzt fehlt es bei der Verordnung eines Arzneimittels auch an der Beauftragteneigenschaft im Sinne von § 299 Abs. 1 StGB. Gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 SGB V wirken die Leistungserbringer, also auch die Kassenärzte, mit den gesetzlichen Krankenkassen zur Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung zusammen, begegnen sich nach der darin zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertung also auf einer Ebene der Gleichordnung. Von wenigen Ausnahmen abgesehen sind unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen den Kassenärzten und den Krankenkassen gesetzlich ausgeschlossen. Dem Begriff des Beauftragten ist aber schon vom Wortsinn her die Übernahme einer Aufgabe im Interesse des Auftraggebers immanent, der sich den Beauftragten frei auswählt und ihn bei der Ausübung seiner Tätigkeit anleitet. Es kommt hinzu, dass die Krankenkasse den vom Versicherten frei gewählten Arzt akzeptieren muss. Dieser wird vom Versicherten als „sein“ Arzt wahrgenommen, den er beauftragt hat und dem er sein Vertrauen schenkt. Eine sachgerechte Bewertung der ärztlichen Verordnung vor dem Hintergrund des sozialrechtlichen Regelungsgefüges führt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass der Kassenarzt kein Beauftragter der Krankenkassen ist. Dass die Verordnung von Medikamenten (und Hilfsmitteln) dabei auch Relevanz für die Krankenkasse hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Der Große Senat für Strafsachen hatte nur zu entscheiden, ob korruptives Verhalten von Kassenärzten und Mitarbeitern von Pharmaunternehmen nach dem geltenden Strafrecht strafbar ist. Das war zu verneinen. Darüber zu befinden, ob die Korruption im Gesundheitswesen strafwürdig ist und durch Schaffung entsprechender Straftatbestände eine effektive strafrechtliche Ahndung ermöglicht werden soll, ist Aufgabe des Gesetzgebers.

Beschluss vom 29. März 2012 – GSSt 2/11

 

Strafzumessung: Verfahrensverzögerungen – ein paar Anhaltspunkte

© Thomas Becker – Fotolia.com

Nach der vom BGH in inzwischen ständiger Rechtsprechung vertretenen Vollstreckungslösung sind der Justiz anzulastende  Verfahrensverzögerungen bei der Strafzumessung zu kompensieren. Da ist es ganz gut, wenn man als Verteidiger weiß, was der BGH denn nun als zu lang/als verzögert ansieht. Ein paar Anhaltspunkte dazu gibt der BGH, Beschl. v. 24.05.2012 – 5 StR 145/12:

„2. Darüber hinaus macht die Revision zu Recht Verstöße gegen den Grundsatz zügiger Verfahrensförderung gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK geltend. Zwischen Anklageerhebung und Erlass des Eröffnungsbeschlusses ist eine erhebliche, der Justiz anzulastende Verfahrensverzögerung (von mindestens neun Monaten) eingetreten, die bereits im angefochtenen Urteil zu der Anordnung hätte führen müssen, dass ein bezifferter Teil der verhängten Freiheitsstrafe als vollstreckt gilt. Zu einer weiteren erheblichen rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung (von mindestens elf Monaten) ist es zwischen dem Erlass des erstinstanzlichen Urteils und seiner Zustellung gekommen, die erst nach mehr als einem Jahr im Dezember 2011 erfolgte. Das neue Tatgericht wird die wegen Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK gebotene Kompensation der eingetretenen rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung im Wege des Vollstreckungsmodells (BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 – GSSt 1/07, BGHSt 52, 124) nachzuholen und festzulegen haben, welcher bezifferte Teil der neu zu bemessenden Gesamtstrafe zur Kompensation der Verzögerung als vollstreckt gilt. Angesichts des von der Revision dargelegten Ausmaßes der Verzögerungen erscheint dabei ein Abschlag von nur einem Monat Freiheitsstrafe, wie vom Generalbundesanwalt beantragt, als deutlich zu gering.“

Man müsste mal eine Zusammenstellung der BGH-Rechtsprechung zu der Problematik machen. Ist aber nicht so einfach, da vieles vom Einzelfall abhängt. Denn was heißt z.B. „deutlich zu gering“.

Der BGH gibt der Strafkammer übrigens noch ein Weiteres mit auf den Weg weg:

Der Senat sieht Anlass zu dem Hinweis, dass Verzögerungen des tat-gerichtlichen Verfahrens in dem von der Revision aufgezeigten Umfang im Hinblick auf die damit nicht nur für den Angeklagten, sondern gerade im Bereich der Taten des sexuellen Missbrauchs von Kindern auch für die Geschädigten einhergehenden Belastungen sowie regelmäßig damit verbundenen Verschlechterung der Beweislage unvertretbar erscheinen.

 

Wieder da – Mist beseitigt, es kann weitergehen

So, nach einem einwöchigen Urlaub wieder am Platz :-). Aus der Ferne/Ägäis habe ich das Geschehen hier nur am BlackBerry verfolgen können/wollen. Geht aber, auch wenn es manchmal schwer fällt :-). Inzwischen ist dann auch das Postfach bereinigt. Da war ich dann doch erstaunt, wie viel Mist sich da ansammelt, obwohl mein Spamfilter eigentlich recht gut funktioniert.

Von dem „Mist“ eine kleine Auswahl:

  • Gleich mehrfach

„Wir suchen einen Operationsmanager.

ÜBER UNS
Heidt Group bietet den auf den Erfolg gezielten Leitern und Manager Dienstleistungen
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Wir erreichen Erfolge auf jedem Gebiet dank der engen Zusammenarbeit unserer Fachleute mit den Mitarbeitern des Kunden,
sowie dank der pflichtigen Ausbildung des Kundenpersonals zur Realisierung der von uns ausgearbeiteten Innovationen….“

  • Dann überprüft PayPal mal wieder mein Konto – muss dringen sein, war nämlich auch mehrfach vorhanden, obwohl ich da gar keins habe 🙂 –

Sehr geehrter PayPal-Mitglied

Im Rahmen unserer Sicherheitsmaßnahmen prüfen wir Regelmäßige Aktivität Konten.
Um die Kontinuität der Vermeidung einige inaktive Accounts.
Wir möchten einige bekommen Informationen zu Ihrem Konto, um die Sicherheit zu gewährleisten es:

Klicken Sie auf den Link auf mein Konto zugreifen :“

  • Sehr schön dann auch die Bitte, im Social Media Bereich „aufzurüsten – ich kaufe mir Twitter-Followers 🙂

Sehr geehrte Damen und Herren,

 da Sie in einem Bereich tätig sind, in dem Social-Media eine enorm wichtige Rolle spielt, würden wir uns als Marktführer im deutschsprachigen Raum sehr freuen, Ihre Social-Media-Präsenz zu verbessern oder optimal an Ihre Bedürfnisse anzupassen.

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– YouTube Plays ( Preis 1000 Stk / 4,98 Euro ) ( Preis 10000 Stk / 34,98 Euro )

– MySpace Views ( Preis 1000 Stk / 2,98 Euro ) ( Preis 10000 Stk / 17,99 Euro )

– Digg Follower ( Preis 1000 Stk / 19,98 Euro ) ( Preis 5000 Stk / 74,98 Euro )

– linkedin Follower ( Preis 1000 Stk / 19,98 Euro ) ( Preis 5000 Stk / 74,98 Euro )

– StumbleUpon Follower ( Preis 1000 Stk / 19,98 Euro ) ( Preis 5000 Stk / 74,98 Euro )

– MixCloud Plays ( Preis 1000 Stk / 89,98 Euro ) ( Preis 5000 Stk / 299,98 Euro )

– Soundcloud Plays ( Preis 1000 Stk / 39,98 Euro ) ( Preis 10000 Stk / 298,98 Euro )

 

  • Dazu passt dann – und damit soll es auch gut sein,  dass mit auf Twitter jetzt der Betreiber eines Online-Shops für Rasentraktoren-Motoren folgt.Na ja, hat entfernt ja auch noch was mit Verkehrsrecht zu tun. 🙂 😀

Im „privaten Bereich“ war es dann auch interessant. Da fragt über ein Portal, bei dem die Fewo gelistet ist

  • in Herr Hong de Wong aus China, ob die Wohnung noch für drei Wochen frei ist (an sich schöne Buchung). Er wollte mit 17 Personen, davon 10 Kindern und 4 Haustieren kommen. Wenn frei gewesen wäre, hätte ich natürlich sofort zugesagt. Das Geschäft darf man sich nicht entgehen lassen.

Widerstreitende Interessen beim Kanzleiwechsel?

§ 3 der anwaltlichen Berufsordnung regelt das Verhalten bei sog. widerstreitenden Interessen. Da heißt es:

§ 3 Widerstreitende Interessen, Versagung der Berufstätigkeit
(1) Der Rechtsanwalt darf nicht tätig werden, wenn er eine andere Partei in derselben Rechtssache im widerstreitenden Interesse bereits beraten oder vertreten hat oder mit dieser Rechtssache in sonstiger Weise im Sinne der §§ 45, 46 Bundesrechtsanwaltsordnung beruflich befasst war.
(2) Das Verbot des Abs. 1 gilt auch für alle mit ihm in derselben Berufsausübungs- oder Bürogemeinschaft gleich welcher Rechts- oder Organisationsform verbundenen Rechtsanwälte. Satz 1 gilt nicht, wenn sich im Einzelfall die betroffenen Mandanten in den widerstreitenden Mandaten nach umfassender Information mit der Vertretung ausdrücklich einverstanden erklärt haben und Belange der Rechtspflege nicht entgegenstehen. Information und Einverständniserklärung sollen in Textform erfolgen.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für den Fall, dass der Rechtsanwalt von einer Berufsausübungsoder Bürogemeinschaft zu einer anderen Berufsausübungs- oder Bürogemeinschaft wechselt.

Mit der Reichweite Reichweite des Tätigkeitsverbots wegen widerstreitender Interessen bei einem Kanzleiwechsel befasst sich der Bayerischer AnwGH, Beschl. v. 24. 4.2012 – BayAGH II – 16/11. Dort heißt es im Leitsatz:

War der aus der Berufsausübungs- oder Bürogemeinschaft ausgeschiedene Rechtsanwalt nicht mit der Sachbearbeitung befasst und übernimmt in dessen neuer Berufsausübungs- oder Bürogemeinschaft ein anderer Rechtsanwalt die Vertretung des vormaligen Gegners in derselben Rechtssache ausschließlich, ist für den übernehmenden Rechtsanwalt allein deswegen kein Fall des § 3 Abs. 2 und 3 BerufsO gegeben.


Fahrverbot bei frei beruflichen Architekten?

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An der „Fahrverbotsfront“ ist es derzeit verhältnismäßig ruhig. D.h., es gibt wenig Entscheidungen, über die zu berichten ist. Von daher freut man sich, wenn man mal eine neuere Entscheidung entdeckt. So den OLG Hamm, Beschl. v. 28.03.2012 – III 3 RBs 19/12, der allerdings für den Betroffenen nachteilig war. Das AG hatte zwar vom Fahrverbot beim Betroffenen abgesehen. Das hat dann aber beim OLG nicht „gehalten.

Die Begründung des AG war dem OLG – gelinde gesagt – ein wenig knapp. Das OLG bezieht sich auf die Grundsätze in seiner und der Rechtsprechung aller OLG: Danach reichen berufliche und wirtschaftliche Schwierigkeiten als Folge eines angeordneten Fahrverbotes nicht für das Absehen von der Verhängung eines Regelfahrverbotes, sondern nur schwerwiegende Härten wie z. B. der drohende Verlust des Arbeitsplatzes oder einer sonstigen wirtschaftlichen Existenzgrundlage.

Und vor allem: Die Entscheidung über das Absehen vom Regelfahrverbot ist eingehend zu begründen und mit ausreichenden Tatsachen zu belegen; eine unkritische Übernahme der Einlassung des Betroffenen ist nicht ausreichend. Da lag der Fehler der amtsgerichtlichen Entscheidung.  Sie enthält zudem Ausführungen dazu, was alles bei einem frei beruflich tätigen Architekten darzulegen ist, wenn vom Fahrverbot abgesehen wird.