Archiv für den Monat: Juni 2012

Trunkenheitsfahrt – kein Fahrverbot? Selten, aber möglich..

© ExQuisine – Fotolia.com

In der Praxis ist eine deutliche Verschärfung der Rechtsprechung zum Absehen vom Fahrverbot zu erkennen, die dazu führt, dass in noch weniger Fällen vom Fahrverbot abgesehen wird als es schon früher der Fall war. Daher sind manche Entscheidungen besonders überraschend. So für mich das AG Strausberg, Urt. v. 30. 5. 12 – 14 OWi 282 Js-OWi 3933/11 (113/11) , das einen selbständigen Fliesenleger betroffen hat. Das AG hat bei ihm vom Fahrverbot abgesehen und hat seine Absehensentscheidung damit begründet, dass bei dem Betroffenen eine Existenzgefährdung durch das Fahrverbot nicht auszuschließen sei. Dies sei insbesondere der Fall, weil der Betroffene ständig und durchgehend bereit sein müsse, Aufträge im gesamten Bundesgebiet anzunehmen, Urlaub für ihn nicht in Betracht komme und auch eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ausgeschlossen sei, da der Betroffene darauf angewiesen sei, auch Arbeits- und Baumaterial zu transportieren.

Was ist daran nun besonders. Nun, der Betroffene ist wegen eines Verstoßes gegen § 24a Abs. 1 StVG verurteilt worden, also wegen einer Trunkenheitsfahrt. In den Fällen ist aber nach der obergerichtlichen Rechtsprechung ein Absehen von einem Fahrverbot nur bei außergewöhnlichen Tatumständen oder Härten möglich/zulässig (vgl. u.a. OLG Hamm NZV 1995, 496 = VRS 90, 207; DAR 1999, 84 = VRS 96, 231 = NZV 1999, 214; zuletzt VA 2008, 156). Das wird mit der Formulierung in § 25 Abs. 1 Satz 2 StVG begründet, wonach ein Fahrverbot „in der Regel anzuordnen ist“. In § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG ist für die Fälle des Fahrverbotes nach § 24 StVG nur formuliert, dass ein Fahrverbot angeordnet werden „kann“. Von daher ist die Entscheidung des AG sehr großzügig. Denn „außergewöhnlich“ i.S. der obergerichtlichen Rechtsprechung sind/waren die vom AG dargelegten Umstände nicht. Das AG hat sich auch mit keinem Wort mit der o.a. obergerichtlichen Rechtsprechung auseinander gesetzt. Dem Betroffenen wird es egal sein. Er wird sich über die Entscheidung freuen.

Verteidiger, kommst du nach Münster, dann pass auf! Verhaftung droht, aber warum jetzt und warum hier?

© Frankonius – Fotolia.com

Beherrschendes Thema der vergangenen Woche war – zumindest für die StrafBlogs – sicherlich die Verhaftung des Pflichtverteidigers im Gerichtssaal während einer Hauptverhandlung beim LG Münster. Ich hatte darauf ja auch gestern schon im Wochenspiegel hingewiesen (vgl.zur Verhaftung des (Pflicht)Verteidigers im Gerichtssaal, auch hier, hier und hier, hier und hier).

Die Geschichte hatte ich schon während des Urlaubs über den JuraBlogs-Newsletter verfolgt. Als ich es gelesene habe, war mein erster Gedanke: So eine „spannende“ Geschichte, und du kannst nicht bloggen. Der zweite Gedanke war dann: Das geht doch gar nicht. Denn ich erinnerte mich an eine Entscheidung des 2. Strafsenats, und zwar den OLG Hamm, Beschl. v. 06.06.2003 – 2 Ws 122/03. Grundlage dieses Beschlusses war auch die Verhaftung eines Verteidigers im Gerichtssaal. Die hatte allerdings beim OLG, das noch am gleichen Tag den Haftbefehl außer Vollzug gesetzt hatte, keinen Bestand. Allerdings – und das habe ich dann jetzt hier aus den Beiträgen und auch aus der örtlichen Presse entnommen – lag der Entscheidung ein anderer Sachverhalt zugrunde. Da war der Verteidiger nämlich wegen Ungebühr mit Ordnungshaft belegt und sogleich festgenommen worden.Da liegt also zunächst mal der entscheidende Unterschied in den Sachverhalten. „Verhaftung“ auf der Grundlage der §§ 177, 178 GVG geht gar nicht. Damit hatten wir es in Münster in der vergangenen Woche aber auch nicht zu tun. Da war es ein Haftbefehl auf der Grundlage des § 112 StPO wegen versuchter Anstiftung zur Falschaussage.

Eine ganz andere Frage ist das Procedere. Wenn ich nachträglich den Bericht in der Welt lese, dann frage ich mich: Warum muss die Verhaftung in der Hauptverhandlung durchgeführt werden – lassen wir mal die ggf. noch darüber hinausgehende Frage der „zufälligen“ Anwesenheit eine Kamerateams außen vor? Wobei – um Kommentaren vorzubeugen: Dass die Hauptverhandlung unterbrochen wurde, spielt für mich keine Rolle, das ergibt sich automatisch aus ihrem normalen Ablauf, § 243 StPO sieht eben keinen „Programmpunkt“ „Verhaftung des Verteidigers“ vor. Da ist m.E. jedes Gefühl für Verhältnismäßigkeit, man könnte auch sagen Fingerspitzengefühl, verloren gegangen.Auch eine Staatsanwaltschaft sollte, nein muss sich überlegen, wo und wie ich einen Beschuldigten, für den ja immer noch die Unschuldsvermutung streitet, (vorläufig) festnehme. Da ist man m.E. hier gehörig über das Ziel hinausgeschossen. „Rambo“ bzw. amerikanische Gerichtsfilme lässt/lassen grüßen.

Mir erschließen sich Zeitpunkt und Ort der Festnahme jedenfalls nicht. Dafür hätte man ja schon gerne eine Erklärung der Staatsanwaltschaft gelesen/gehört. Ich finde derzeit keine, wenn ich in den alten Ausgaben der örtlichen Presse aus der vergangenen Woche nichts überlesen habe. Jedenfalls steht bei den aktuellen Pressemitteilungen der StA Münster auf deren Homepage nichts, was weiter führen würde. Also: Warum zu dem Zeitpunkt und warum an dem Ort?

Allerdings: LTO und der Kollege Vetter können berichten, dass der verhaftete Kollege wieder frei ist. Wenigstens etwas.

 

Entziehung der Fahrerlaubnis – bei BtM-Delikten nicht „automatisch“

© sashpictures – Fotolia.com

Der 50. Band von BGHSt enthält zwei für die Praxis wichtige Entscheidungen. Das ist einmal die des Großen Senats für Strafsachen zur Absprache (BGHSt 50, 40) und dann die des Großen Senats für Strafsachen zur Entziehung der Fahrerlaubnis bei den Delikten der allgemeinen Kriminalität (BGHSt 50, 93). Letztere spielt im BGH, Beschl. v. 23.05.2012 – 5 StR 185/12 eine Rolle. Die Ausführungen und die Begründung des BGH sprechen für sich:

„5. Schließlich hält die gegen die Angeklagten B. und R. jeweils angeordnete Entziehung der Fahrerlaubnis rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Das Landgericht hat dazu lediglich festgestellt, dass die Angeklagten langjährige Betäubungsmittelkonsumenten seien, der Angeklagte R. sogar betäubungsmittelabhängig sei, und die Vielzahl der Fahrten es nahe lege, dass „auch die Beschaffungsfahrten unter Betäubungsmitteleinfluss stattgefunden haben, bei denen mit einer Situation gerechnet werden musste, in der es zu einer Gefährdung oder Beeinträchtigung des Verkehrs kommen konnte“ (UA S. 47). Zudem sei der Angeklagte R. bereits wegen Verkehrsstraftaten verurteilt und der Angeklagte B. am 6. Oktober 2011 als Fahrer eines Kraftfahrzeugs mit Amphetaminen und Metamphetamin im Urin festgestellt worden. Die Strafkammer zweifele daher nicht daran, dass die Angeklagten bei den jeweiligen Taten bereit waren, die Sicherheit des Straßenverkehrs den jeweiligen kriminellen Interessen unterzuordnen.

Diese Feststellungen tragen die Maßregelanordnungen nicht. „Aus der Tat“ kann sich die charakterliche Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen nur dann ergeben, wenn die Anlasstat selbst tragfähige Rückschlüsse auf die Bereitschaft des Täters zulässt, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Zielen unterzuordnen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. April 2005 – GSSt 2/04, BGHSt 50, 93, 102 f.; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 69 StGB Rn. 13 mwN). Derartiges ist dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen. Namentlich fehlen Feststellungen zu einem etwaigen den Fahrten vorausgegangenen Drogenkonsum, zum täglichen Konsumverhalten der Angeklagten, die zumindest einen Schluss hierauf zulassen, oder zur Fahrweise der unter Observation stehenden Angeklagten. Vielmehr stellt das Landgericht insoweit nur Vermutungen an. Ferner sind die Belange der Verkehrssicherheit in Kurierfällen, in  denen der Täter im Fahrzeug Rauschgift transportiert, auch nicht ohne Wei-teres beeinträchtigt; es besteht kein allgemeiner Erfahrungssatz, dass Rauschgifttransporteure bei Verkehrskontrollen zu besonders riskanter Fahrweise entschlossen sind (BGH, aaO, S. 104; König, aaO, § 69 StGB Rn. 14b).“

Sonntagswitz: Dämliche Diebe X

Es ist mal wieder Zeit für einige Besonderheiten aus dem Bereich „Dämliche Diebe“:

Der dümmste Campingdieb war ein gewisser Fitzgerald F., der seine Ferien auf dem Campingplatz von San Diego (Kalifornien) verbrachte.
Lange schon hatte er ein Auge auf die Wertsachen im Nachbar-Wohnwagen geworfen. Eines Tages fühlte er sich sicher – die Nachbarn waren fort gefahren. Er brach ein, raubte Fotoapparate, Schmuck, Sportgeräte und ein Angelset.
Als die Familie Sanders, der der Wohnwagen gehörte, zurückkam, kam sie auch schnell dem Dieb auf die Spur: Der Angelhaken hatte sich in der Tür verklemmt und die Angelleine sich abgespult.
Man brauchte also nur noch der Leine zu folgen. Man folgte der Schnur und begegnete prompt Fitzgerald, der sie- als ordentlicher Mensch – gerade wieder neu auf die geklaute Angelrolle aufspulen wollte.

————————————–

In Frankfurt schoss sich ein flüchtender Bankräuber aus Nervosität in die linke Hand, und dann bekam er das Schloss seines Fluchtfahrrades nicht auf – 5 Jahre Haft.

————————————–

Pech hatte auch ein Ausbrecher aus dem englischen Northeye-Gefängnis bei der Wahl seines „Fluchtfahrzeugs“.
Er versteckte sich in einem Lieferwagen, der die Gefängnisküche mit Gemüse belieferte.
Nach langer Fahrt schlich sich der Ausbrecher aus dem Fahrzeug und fand sich in den Mauern der Haftanstalt zu Lewes wieder.

————————————–

Ein zu markantes Gesicht hatte ein 22jähriger Bankräuber aus dem nordrhein-westfälischen Kirchhundem.
Er überfiel eine Bank im Nachbarort und entkam mit  der Beute.
Aber bereits 45 Minuten später konnte er schon gefasst werden. Eine Bankangestellte hatte in ihm ianhand seiner markanten Mike-Krüger-Nase einen ehemaligen Schulkameraden erkannt.

Was lernen wir daraus: Wenn schon, dann nicht nebenan 🙂

————————————–

Und dazu passt dann auch:

In Recklinghausen überfiel ein Arbeitsloser eine Bankfiliale im Stadtteil Suderwich.
Nach dem Überfall flüchtete er mit seinem eigenen Auto. Verhaftet wurde er wenig später nur einige hundert Meter von der überfallenen Filiale entfernt – in seiner Wohnung

Wochenspiegel für die 25 KW, das war (natürlich) die Verhaftung im Gerichtssaal, die Sackkarre des Verteidigers und legales Cannabis

Wir berichten in dieser Woche über folgende Themen, die in der letzten Woche u.E. interessant waren und/oder die Diskussion beherrscht haben, und zwar über:

  1. die Verhaftung des (Pflicht)Verteidigers im Gerichtssaal, auch hier, hier und hier, hier und hier,
  2. legales Cannabis,
  3. den Trend zur eigenen Sackkarre des Verteidigers,
  4. die Frage, wie lange Firmenfestplatten beschlagnahmt werden dürfen,
  5. die Schwierigkeit, im Rahmen einer Verständigung, ein Geständnis abzulegen,
  6. Alkoholtester in französischen Pkws,
  7. die humorlose Loriot-Erbin,
  8. über einen Freispruch nach Messung mit Leivtex XV 2,
  9. die Einlassung des in der Hauptverhandlung anwesenden Angeklagten durch seinen Verteidiger,
  10. und dann war da noch zum Schluss etwas zum Schmunzeln.