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Konfetti im Gerichtssaal – Bärendienst?

entnommen wikimedia.org Urheber: Florian.b

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Der Prozess ist die Fortsetzung des Protestes mit anderen Mitteln….“ So beginnt ein Kommentar (zum ganzen Kommentar hier)  in den heutigen „Westfälischen Nachrichten“ zu einem Gerichtsverfahren beim AG Gronau. Dort war es in einem Verfahren, in dem eine Frau wegen einer (angeblichen) Beleidigung eines Polizeibeamten bei einer Protestaktion gegen die dortige Uranreicherungsanlage angeklagt war, gekommen. Da muss es hoch hergegangen sein (vgl. wegen der Einzelheiten hier):

  • Während der Verhandlung Zwischenrufe aus dem Publikum.
  • Der Aufforderung des Richters, den Sitzungssaal zu verlassen, folgen die Störenden nicht.
  • Daraufhin ordnet der Richter an, die Betreffenden aus dem Saal zu entfernen.
  • Mehrere Personen wehrten sich dagegen und werden von Polizeibeamten aus dem Raum getragen.

In den „WN“ heißt es dazu: Der Richter ordnete die Räumung des Saals an. Daraufhin spielten sich tumultartige Szenen ab: Polizeibeamte – sowohl in Uniform und in Zivil, darunter auch die beiden Beamten, die als Zeugen geladen waren – führten die Störer aus dem Saal. Dabei widersetzten sich einige, die aus dem Raum getragen wurden. Ein junger Mann wurde von drei Polizisten überwältigt und gefesselt. Währenddessen wurde mit kleinen Konfettikanonen geschossen, auch der Richter bekam eine Ladung ab. Das Verfahren selbst geriet fast zur Nebensache. Der Richter vertagte die Verhandlung. „

Da fragt man sich wirklich: Muss das sein und erweist man dem Anliegen – über dessen Berechtigung will ich jetzt hier gar nicht streiten – nicht einen „Bärendienst“?

Verteidiger, kommst du nach Münster, dann pass auf! Verhaftung droht, aber warum jetzt und warum hier?

© Frankonius – Fotolia.com

Beherrschendes Thema der vergangenen Woche war – zumindest für die StrafBlogs – sicherlich die Verhaftung des Pflichtverteidigers im Gerichtssaal während einer Hauptverhandlung beim LG Münster. Ich hatte darauf ja auch gestern schon im Wochenspiegel hingewiesen (vgl.zur Verhaftung des (Pflicht)Verteidigers im Gerichtssaal, auch hier, hier und hier, hier und hier).

Die Geschichte hatte ich schon während des Urlaubs über den JuraBlogs-Newsletter verfolgt. Als ich es gelesene habe, war mein erster Gedanke: So eine „spannende“ Geschichte, und du kannst nicht bloggen. Der zweite Gedanke war dann: Das geht doch gar nicht. Denn ich erinnerte mich an eine Entscheidung des 2. Strafsenats, und zwar den OLG Hamm, Beschl. v. 06.06.2003 – 2 Ws 122/03. Grundlage dieses Beschlusses war auch die Verhaftung eines Verteidigers im Gerichtssaal. Die hatte allerdings beim OLG, das noch am gleichen Tag den Haftbefehl außer Vollzug gesetzt hatte, keinen Bestand. Allerdings – und das habe ich dann jetzt hier aus den Beiträgen und auch aus der örtlichen Presse entnommen – lag der Entscheidung ein anderer Sachverhalt zugrunde. Da war der Verteidiger nämlich wegen Ungebühr mit Ordnungshaft belegt und sogleich festgenommen worden.Da liegt also zunächst mal der entscheidende Unterschied in den Sachverhalten. „Verhaftung“ auf der Grundlage der §§ 177, 178 GVG geht gar nicht. Damit hatten wir es in Münster in der vergangenen Woche aber auch nicht zu tun. Da war es ein Haftbefehl auf der Grundlage des § 112 StPO wegen versuchter Anstiftung zur Falschaussage.

Eine ganz andere Frage ist das Procedere. Wenn ich nachträglich den Bericht in der Welt lese, dann frage ich mich: Warum muss die Verhaftung in der Hauptverhandlung durchgeführt werden – lassen wir mal die ggf. noch darüber hinausgehende Frage der „zufälligen“ Anwesenheit eine Kamerateams außen vor? Wobei – um Kommentaren vorzubeugen: Dass die Hauptverhandlung unterbrochen wurde, spielt für mich keine Rolle, das ergibt sich automatisch aus ihrem normalen Ablauf, § 243 StPO sieht eben keinen „Programmpunkt“ „Verhaftung des Verteidigers“ vor. Da ist m.E. jedes Gefühl für Verhältnismäßigkeit, man könnte auch sagen Fingerspitzengefühl, verloren gegangen.Auch eine Staatsanwaltschaft sollte, nein muss sich überlegen, wo und wie ich einen Beschuldigten, für den ja immer noch die Unschuldsvermutung streitet, (vorläufig) festnehme. Da ist man m.E. hier gehörig über das Ziel hinausgeschossen. „Rambo“ bzw. amerikanische Gerichtsfilme lässt/lassen grüßen.

Mir erschließen sich Zeitpunkt und Ort der Festnahme jedenfalls nicht. Dafür hätte man ja schon gerne eine Erklärung der Staatsanwaltschaft gelesen/gehört. Ich finde derzeit keine, wenn ich in den alten Ausgaben der örtlichen Presse aus der vergangenen Woche nichts überlesen habe. Jedenfalls steht bei den aktuellen Pressemitteilungen der StA Münster auf deren Homepage nichts, was weiter führen würde. Also: Warum zu dem Zeitpunkt und warum an dem Ort?

Allerdings: LTO und der Kollege Vetter können berichten, dass der verhaftete Kollege wieder frei ist. Wenigstens etwas.