Archiv für den Monat: Juni 2012

Strafzumessung: Schon wieder Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot

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Die mit dem Doppelverwertungsverbot zusammenhängenden Fragen scheinen schwierig zu sein, anders kann man die häufigen Entscheidungen des BGH, in denen Verstöße gegen den § 46 Abs. 3 StGB gerügt werden, nicht sehen. Und nachdem ich gerade erst über einen solchen Klassiker berichtet habe (vgl. hier Strafzumessungsfehlerklassiker, oder: Anfängerfehler), bin ich schon wieder auf eine BGH-Entscheidung zu der Problematik gestoßen. Dieses Mal eine etwas andere Variante, nämlich in Zusammenhang mit der Frage nach dem Vorliegen eines minder schweren Falles, den das LG abgelehnt hatte. Dazu der BGH, Beschl. v. 02.05.2012 – 2 StR 110/12:

1. Das Landgericht hat beide Angeklagte in den Fällen II.1 und II.2 der Urteilsgründe jeweils wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung ver-urteilt, weil sie bei der Tat ein Butterflymesser verwendet hatten. Das Vorliegen minderschwerer Fälle hat es – anders als im Fall II.3, in dem die Angeklagten kein Messer bei der Tatausführung zum Einsatz brachten und deshalb nur wegen schwerer räuberischer Erpressung verurteilt wurden – „trotz der erheblichen Strafmilderungsgründe angesichts der Verwendung eines Messers“ nur unter Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes des § 21 StGB angenommen. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Das Landgericht durfte im Rahmen der Prüfung eines minder schweren Falles nicht berücksichtigen, dass die Angeklagten bei der Tatausführung ein Messer verwendeten. Denn dies ist der Tatumstand, der die Annahme einer besonders schweren räuberischen Erpressung nach §§ 253, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB begründete und der deshalb bei der Zumessung der Strafe den Angeklagten nicht angelastet werden durfte (§ 46 Abs. 3 StGB). Ein Sonderfall, in dem mit Blick auf die verwendeten Tatwerkzeuge zulässigerweise die besonders gefährliche Art der Tatausführung Berücksichtigung finden kann (vgl. BGH NStZ 2003, 29), liegt ersichtlich nicht vor.

Angesichts der von der Strafkammer im Übrigen festgestellten erheblichen Strafmilderungsgründe kann der Senat nicht ausschließen, dass das Landgericht ohne die zu beanstandende Erwägung auch in den Fällen II.1 und II.2 der Urteilsgründe ohne die Hinzuziehung des vertypten Milderungsgrundes nach § 21 StGB zur Annahme minder schwerer Fälle und über die weitere Anwendung des § 21 StGB zu milderen Einzelstrafen gelangt wäre. Insoweit waren die diese Fälle betreffenden Einzelstrafen aufzuheben.“

Leivtec, Beweisverwertungsverbot? Ja (x), Nein (x)

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Eine Zeitlang hat es nach der Entscheidung des BVerfG zur Videomessung (2 BvR 941/08) einen wahren Rechtsprechungsmarathon gegeben. Keine Woche verging ohne zunächst amtsgerichtliche und dann OLG-Entscheidungen zu den sich aus der Entscheidung ergebenden Rechtsfragen, wie Ermächtigungsgrundlage, Beweisverwertungsverbot, Anfangsverdacht usw. Inzwischen ist aufgrund der nachfolgenden Rechtsprechung des BVerfG weitgehend Ruhe eingekehrt. Aber macnhmal gibt es dann doch noch Entscheidungen, auf die man hinweisen kann/sollte. Und das sind:Zur Annahme eines Beweisverwertungsverbotes bei Dauervideoaufzeichnungen im Straßenverkehr.

Den Betroffen wird es freuen, dass er frei gesprochen bleibt. Die Begründung wird ihm letztlich egal sein. Sein Verteidiger, der mit beide Entscheidungen hat zukommen lassen, wird auf der Grundlage des OLG Beschlusses den Erfolg beim AG aber wahrscheinlich nicht noch einmal erringen können.

Nicht Rosen, sondern Kündigung für den Staatsanwalt

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Ich war ein paar Tage unterwegs, daher komme ich erst heute dazu auf die PM_StA_Muenster_27_06_12 hinzuweisen, die sic auch noch einmal mit der Verhaftung eines Verteidigers im Gerichtssaal beim LG Münster befasst (hier dazu unser Beitrag mit weiteren Hinweisen). In der PM heißt es u.a.:

Das Vorgehen der Staatsanwaltschaft Münster in diesem Fall ist skandalös und rechtsmissbräuchlich, denn sie verletzt in eklatanter Form die für Rechtsanwalt R. streitende Unschuldsvermutung. Die Festnahme in einer eigens dafür beantragten Unterbrechung der Gerichtsverhandlung vor den Augen aller Anwesenden und der anwesenden Presse erweckt den Eindruck einer mediengerechten Inszenierung. Ein sachlicher Grund für die Festnahme in dieser Form ist nicht erkennbar. Da Fluchtgefahr nicht bestand, wäre es ein leichtes gewesen, Rechtsanwalt R. vor oder nach der Verhandlung ohne großes Aufsehen im Gerichtsgebäude festzunehmen. Wenn dies dennoch im Gerichtssaal unter den Augen der Öffentlichkeit und der Presse geschah, ist nur so zu erklären, dass den verantwortlichen Staatsanwälten darum ging größtmögliche öffentliche Wirkung zu erzielen. Dabei ist die Staatsanwaltschaft nach den Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren gehalten, alles zu vermeiden, »was zu einer nicht durch den Zweck des Ermittlungsverfahrens bedingten Bloßstellung des Beschuldigten führen kann.« (RiStBV Nr. 4a Keine unnötige Bloßstellung des Beschuldigten).

Diese Art publicityträchtiger staatsanwaltschaftlicher Öffentlichkeitsarbeit ist schon im Fall Zumwinkel kritisiert worden. Diese Art der medialen Exekution verletzt die Unschuldsvermutung und das Gebot der Verhältnismäßigkeit in
unerträglicher Form.

Die Strafverteidigervereinigungen fordern daher die Ablösung des verantwortlichen Abteilungsleiters der Staatsanwaltschaft. Ursache und Hintergrund des »Presselecks« sind lückenlos aufzuklären.“

Also nicht Rosen, sondern „Kündigung für den Staatsanwalt“.

Durchsuchung der Anwaltskanzlei

Es ist vor einiger Zeit ja schon von anderen Blogs auf ein Merkblatt der RAK München hingewiesen worden (vgl. hier) , in dem zum Verhalten bei der Durchsuchung einer Rechtsanwaltskanlei Stellung genommen wird. Wegen der Bedeutung der damit zusammenhängenden Frage, weise ich auf diese Zusammenstellung auch hier noch einmal hin. Ist ja im Übrigen schließlich auch „meine“ Kammer. Zum Merkblatt geht es hier.

Führt die Übersendung von Entscheidungen an Fachzeitschriften und der Erhalt einer Aufwandsentschädigung hierfür zur Befangenheit?

Das KG hatte sich – in einem Zivilverfahren – mit der (interessanten) Frage auseinanderzusetzen, ob die Übersendung von Entscheidungen an Fachzeitschriften und der Erhalt einer Aufwandsentschädigung hierfür zur Befangenheit der Richters führt. Geltend gemacht war von der Beklagten, „es bestehe die Besorgnis, dass der Richter am Kammergericht xxx befangen sei. Er sei seit langer Zeit dem Kläger vertraglich verbunden, in dem er der Vereinsschrift der Beklagten „xxx“ Beiträge zur Verfügung stelle und hierfür Geld erhalte. Der „xxx“ sei keine gewöhnliche Fachzeitschrift, sondern ein „Parteiorgan“. Der Richter zitiere auch, „wohl wissend, dass die allermeisten Prozessbeteiligten diese Zeitschrift nicht abonniert haben“, in von ihm verfassten Urteilen nicht selten aus der Zeitschrift „xxx “ (xxx). Auch dadurch versuche er, die Interessen des Klägers zu fördern. Selbst wenn die vom Kläger an den Richter gezahlten Aufwandsentschädigungen geringfügig gewesen seien, handle es sich um im Hinblick auf eine Korruptionsgefahr bedenkliche Anbahnungszuwendungen. Der Richter sei im Übrigen verpflichtet gewesen, seine besonderen Beziehungen zum Kläger gemäß § 48 ZPO anzuzeigen.

Der KG, Beschl. v. 20.01.2012 – 5 U 125/11 – verneint die Frage:

„Auch die Tatsache, dass die Richter gelegentlich über die hierfür zuständige Verwaltungsstelle des Kammergerichts Entscheidungen des Senats zum Zwecke der Veröffentlichung an die einschlägigen Fachzeitschriften, darunter auch an den vom Kläger herausgegebenen „xxx“, versenden lassen und hierfür in geringer Höhe die üblichen Aufwandsentschädigungen erhalten, vermag bei vernünftiger Betrachtung ein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der Richter nicht zu rechtfertigen. Mit der Veröffentlichung von Entscheidungen wirken die Richter an der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe mit, bei der die Gerichte an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden sind (Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 19. Dezember 1995 – 10 L 5059/93; BVerwG Urteil vom 26. Februar 1997 – 6 C 3/96). Es steht somit nicht im Belieben der Gerichte, welchen von mehreren einschlägigen Fachzeitschriften Entscheidungen zum Zwecke der Veröffentlichung zugänglich gemacht werden. Der vom Kläger herausgegebene „xxx“ ist eine wettbewerbsrechtliche Fachzeitschrift, die in der einschlägigen Kommentarliteratur zitiert wird (vgl. nur Münchener Kommentar, Lauterkeitsrecht, Bd. 1, § 4 Nr. 11 UWG Fußnote 1272 und Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl., § 12 Rdn. 3.15). Auf diesem Hintergrund werden die zur Veröffentlichung ausgesuchten Entscheidungen des Senats zu wettbewerbsrechtlichen Fragen auch dem „xxx“ übersandt. Die Übersendung von Entscheidungen an den „xxx“ begründet ein Näheverhältnis zwischen den die Veröffentlichung veranlassenden Richtern und dieser Fachzeitschrift nicht. Auch kann in der Übersendung an den „Magazin Dienst“ als einer wettbewerbsrechtlichen Fachzeitschrift keine Förderung der Belange des Klägers gesehen werden. Dass der Herausgeber der Fachzeitschrift xxx“ kein Verlag ist, ändert hieran nichts. Denn für die Veröffentlichungspraxis kommt es darauf an, ob es sich um eine für die jeweilige Fachöffentlichkeit relevante Zeitschrift handelt und nicht darauf, wer die Zeitschrift herausgibt.“