Archiv für den Monat: Januar 2012

Sex in der Schule – der Religionslehrer und die 14-jährige Schülerin – Volltext hier

Das OLG Koblenz, Beschl. v. 29.12.2011 – 1 Ss 213/11 hat ja vor einigen Tagen die Gemüter/Blogs und die (Boulevard)Presse bewegt/aufgeregt. Damit war zu rechnen, Religionslehrer, 14-jährige Schülerin, Sex im Putzraum der Schule. Das ist der Stoff, aus dem man Meldungen macht.

Inzwischen habe ich vom Kollegen den Volltext der Entscheidung erhalten und sie eingestellt. M.E. recht überzeugend begründet der Freispruch durch das OLG. Es geht/ging eben um die  Anforderungen an ein Obhutsverhältnis i.S. des § 174 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB und die hat das OLG auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen verneint.

Damit keine strafrechtliche Schuld – über alles andere wird man reden können/müssen.

Alleinunterhalter? Eröffnungsbeschluss bei der Strafkammer mit nur einer Unterschrift!

Ich frage mich immer, wie so etwas passieren kann. Ich hatte ja schon über den BGH, Beschl. v. 29.09.2011 – 3 StR 280/11 betreffend einen unwirksamen Eröffnungsbeschluss berichtet. Hier dann der nächste Beschluss, in dem wieder ein nur mit einer Unterschrift versehener Beschluss eine Rolle spielt. Dazu allerdings der 4. Strafsenat in BGH, Beschl. v. 21.12.2011 – 4 StR 553/11:

Die Revisionen der Angeklagten G. , T. und J. sind unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Insbesondere liegt das Verfahrenshindernis eines fehlenden bzw. unwirksamen Eröffnungsbeschlusses nicht vor.
Ein Eröffnungsbeschluss ist unwirksam, wenn er nicht von der im Gesetz vorgeschriebenen Anzahl an Richtern erlassen wurde, „wobei es nicht auf die Zahl der Unterschriften, sondern nur auf die Zahl der Richter ankommt, die bei der Beschlußfassung mitgewirkt haben“ (so bereits BGH, Urteil vom 14. Mai 1957 – 5 StR 145/57, BGHSt 10, 278, 279 mwN). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Er ist hieran auch nicht durch die im Beschluss des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 29. September 2011 (3 StR 280/11) als entgegenstehend zitierte Rechtsprechung gehindert. Denn der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in späteren Entscheidungen eine etwaige entgegenstehende frühere Rechtsprechung aus dem Jahr 1977 aufgegeben (vgl. Ur-teil vom 8. Juni 1999 – 1 StR 87/99, NStZ-RR 2000, 34; Beschluss vom 6. April 2005 – 1 StR 60/05); der 4. Strafsenat hält an einer etwaigen entgegenstehen-den Rechtsprechung nicht fest.

Da durch die dienstliche Erklärung der drei berufsrichterlichen Mitglieder der Strafkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 2. September 2011 bewiesen ist, dass die Eröffnung des Hauptverfahrens von diesen Richtern (mündlich) beschlossen und lediglich der schriftliche Beschluss versehentlich von zwei der Richter nicht unterschrieben wurde, liegt ein Verfahrenshindernis nicht vor.

Na ja. Sollte man merken.

Lesetipp: Überlange Gerichtsverfahren und 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz

Auf meiner Homepage Burhoff online sind gerade zwei Volltexte zu von mir stammenden Beiträgen eingestellt worden:

Und da es ein Lesetipp ist, auch ein wenig Werbung, und zwar für den RVG-Kommentar. Bestellung hier 🙂

Freilassung aus der U-Haft: Auch bei geplanter Abgabe des Verfahrens kein Stillstand zulässig

Das ist doch mal ein Auftakt in der Statistik, den das OLG Dresden, Beschl. v. 11.01.2012 – 1 AK 1/12 setzt. Im ersten im Jahr 2012 anhängig gewordenen Haftprüfungsverfahren nach den §§ 121, 122 StPO wird der Beschuldigte frei gelassen. Grund: Der Angeklagte ist ausgeliefert worden. Danach wird das Verfahren aber nicht mehr betrieben, da man beabsichtigt, es hier ggf. nach § 154b StPO einzustellen. Die Voraussetzungen dafür liegen aber noch nicht vor.

Das OLG sagt: Das Führen eines Ermittlungsverfahrens ausschließlich zur Vorbereitung einer Entscheidung der Staatsanwaltschaft nach § 154 b StPO rechtfertigt die Untersuchungshaft gegen den Beschuldigten nach § 121 StPO über sechs Monate hinaus nicht.

Betroffener: SMS „Bin gleich da“ – AG antwortet mit Einspruchsverwerfung

In einem Bußgeldverfahren ist die Hauptverhandlung auf 10.00 Uhr anberaumt. Um 10.03 Uhr schickt der Betroffene, seinem Verteidiger auf dessen Mobiltelefon eine SMS-Mitteilung folgenden Inhalts : „Haben uns verspätet. Bin gleich da.“ Diese Nachricht liest der  Verteidiger dem Tatrichter vor. Dieser hat hierauf bis „ca. 10.30 Uhr“ gewartet und sodann den Einspruch verworfen. Dagegen die Verfahrensrüge des Betroffenen. Der lässt sich außerdem entnehmen, dass er im Pkw seines Cousins, des Zeugen S.W., mitgefahren sei, welcher der wahre Fahrer des Tatfahrzeugs gewesen sei und zum Zwecke seiner Vernehmung und seines Vergleichs mit der auf den Messfotos abgebildeten Person vor Gericht habe erscheinen sollen. Ihre Verspätung sei darauf zurückzuführen, dass der im Rollstuhl sitzende Zeuge mit seiner, des Betroffenen Hilfe eine Treppe habe überwinden müssen, um in das Gerichtsgebäude zu gelangen. Der Betroffene ist der Meinung, dass „die vom Gericht eingeräumte Wartezeit von 30 Min. nicht ausreichend“ gewesen ist und der Tatrichter verpflichtet gewesen wäre, länger zu warten.

Das OLG Jena, Beschl. v. 29.08.2011 – 1 SsRs 86/11 sagt: Doch, denn:

„Vor diesem Hintergrund hält es auch der Senat im Hinblick auf das Gebot fairer Verfahrensführung und die sich daraus ergebende prozessuale Fürsorgepflicht für angebracht, eine gewisse Verspätung des Betroffenen in Rechnung zu stellen, wenn dieser ohne ausreichende Entschuldigung nicht pünktlich zur Hauptverhandlung erschienen ist und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er nicht mehr erscheinen werde. Dabei ist die Einhaltung einer Wartezeit von 15 Minuten bis zu einer Verwerfungsentscheidung angemessen. Eine über 15 Minuten hinausgehende Wartepflicht besteht dagegen regelmäßig nicht. Ob sie für solche Ausnahmefälle in Betracht zu ziehen ist, in denen besondere Umstände ein längeres Zuwarten nahe legen (vgl. OLG Hamm, a.a.O.; OLG Frankfurt, a.a.O.; KG Berlin a.a.O.), kann offen bleiben. Denn solche Umstände sind hier nicht gegeben. Der Betroffene hat kurz nach Beginn der 15-minütigen Wartezeit mitgeteilt, dass er sich – was offensichtlich war – verspätet habe und „gleich“ da sein werde. Hieraus konnte der Tatrichter allenfalls entnehmen, dass der Betroffene noch (irgendwann demnächst) kommen wolle, nicht aber, wann er voraussichtlich erscheinen werde. Insbesondere konnte der Tatrichter aufgrund der Mitteilung nicht erkennen, dass und in welchem Umfang ein weiteres, die regelmäßige Wartezeit von 15 Minuten übersteigendes Zuwarten aus Gründen prozessualer Fürsorge geboten gewesen wäre. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall von Fällen, in denen der Betroffene seine ungefähre Ankunftszeit mitteilt oder nähere Angaben zu den Gründen für seine Verspätung macht, die es dem Gericht erlauben, einzuschätzen, dass der Betroffene voraussichtlich erst eine bestimmte Zeit nach Ablauf der 15-minütigen Wartefrist eintreffen wird bzw. sich unverschuldet verspätet hat. Danach hat der Tatrichter, indem er länger als 15 Minuten – nach dem Rechtsbeschwerdevorbringen sogar 30 Minuten – bei unklarem Verspätungsgrund und ungewisser Ankunftszeit auf den Betroffenen gewartet hat, seiner prozessualen Fürsorgepflicht jedenfalls Genüge getan.“

Na ja, hätte man m.E. auch anders sehen können. Denn aus dem „gleich“ folgt, dass der Betroffene unterwegs war.