Archiv für den Monat: August 2011

Was ist bei der Vergewaltigung alles Gewalt?

Das LG hat den Angeklagten verurteilt, hat aber – entgegen der Anklage – keine Gewalt angenommen, so dass eine Vergewaltigung/sexuelle Nötigung nach § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB ausschied. Die dagegen gerichtete Revision hat der BGH nach § 349 Abs. 2 StPO als „OU“ verworfen, allerdings nicht ohne der Strafkammer zu erklären, was alles „Gewalt“ i.S. des § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB sein kann und – so muss man es wohl lesen -, dass  der Angeklagte auch wegen Vergewaltigung hätte verurteilt werden müssen. Dazu heißt es in BGH, Beschl. v. 28.06.2011 – 1 StR 255/11:

Der Angeklagte ist nicht dadurch beschwert, dass das Landgericht nicht – wie angeklagt – auch die Verwirklichung von § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB (mit Gewalt) angenommen hat. Das Landgericht hat das Vorliegen von Gewalt verneint (UA S. 49), weil es von einem zu engen Verständnis dieses Begriffes ausgegangen ist. Das mit nicht ganz unerheblicher Krafteinwirkung verbundene Festhalten des Opfers ist ebenso wie die Überwindung von geringfügiger Gegenwehr als Gewalt zu qualifizieren (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 – 4 StR 566/10 mwN). Ausreichend kann je nach den Umständen des Falles auch das Packen an der Hand, das Beiseite-Drücken der abwehrenden Hand, das auf das Bett Stoßen oder das sich auf das Opfer Legen bzw. der Einsatz überlegener Körperkraft sowie das Auseinanderdrücken der Beine sein (vgl. im Einzelnen Fischer, StGB, 58. Aufl., § 177 Rn. 7). Entscheidend ist eine Kraftentfaltung, die vom Opfer als körperlicher Zwang empfunden wird. Als solche Krafteinwirkungen des Angeklagten kommen im vorliegenden Fall in Betracht:

Er versuchte das Opfer auszuziehen; dieses machte den Reißverschluss des Pullovers wieder zu, zog die Hose wieder hoch und hielt diese fest (UA S. 9, 25 und 32); nach einigem Hin und Her gelang es dem Angeklagten dann die Hose herabzuziehen und die Oberbekleidung nach oben zu schieben (UA S. 9).

Er hob die Beine des Opfers auf dem engen Beifahrersitz des Fahrzeuges nach oben (UA S. 9), wobei er die Beine zum Autodach hochdrückte (UA S. 25). „

Nicht immer hilft „Burhoff“ :-)

Ein Kollege vom LG Aurich hat mir den LG Aurich, Beschl. v. 06.04.2011 -12 Qs 45/11 – zugesandt. Inhaltlich nichts Besonderes, aber sicherlich etwas zum Schmunzeln. Da hatte der Verteidiger nach einem Freispruch im OWi-Verfahren bei der Kostenerstattung höhere Wahlanwaltsgebühren mit der Begründung verlangt, dass das Verfahren besondere Probleme rechtlicher und tatsächlicher Art aufgewiesen habe. Dazu heißt es dann im LG-Beschluss:

Ausweislich des Protokolls hat der Verteidiger im zweiten Hauptverhandlungstermin lediglich die Ordnungsgemäßheit der Messung gerügt und hierzu eine Ablichtung aus dem von Burhoff verfassten und gerichtsbekannten Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche Owi-Verfahren vorgelegt, in welchem bereits nach den jeweiligen Messverfahren aufgeschlüsselt, die technischen wie verfahrensrechtlichen Besonderheiten bzw. Probleme eingehend dargestellt werden. Hierzu bedurfte es jedoch keiner besonderer straßenverkehrsrechtlicher Spezialkenntnisse, so dass die festgesetzte Vergütung angemessen und die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

Freut den Autor, sicherlich, und es ist in diesem Fall auch nicht schlimm, dass man „gerichtsbekannt“ ist :-). Daraus ableiten kann man zudem: Nicht immer hilft Burhoff 🙂 🙂

Fehler beim Beladen – Abhauen – Strafbar nach § 142 StGB

In der Rechtsprechung der Instanzgerichte hat es seit einiger Zeit einen Streit gegeben, ob es sich auch beim Be- und Entladen eines Fahrzeugs um Vorgänge handelt, bei den bei Fehlern noch ein straßenverkehrsspezifischer Gefahrenzusammenhang angenommen werden kann, mit der Folge, dass es sich auch bei diesen Vorgängen um Unfälle i.S. des § 142 Abs. 1 StGB handelt, so dass derjenige, der nach einem solchen Fehler „abhaut“ sich nach § 142 StGB strafbar machen kann.

Zu der Problematik nimmt jetzt das OLG Köln, Urt. v. 19. 7. 2011 – III-1 RVs 138/11 Stellung. Das OLG bejaht die Frage.

Nach seiner Auffassung liegt ein “Unfall im Straßenverkehr” auch dann vor, wenn der Führer eines auf öffentlicher Straße geparkten Lkw beim Ladevorgang ein Blech statt auf die Ladefläche versehentlich gegen die Seitenwand des Lkw wirft und ein anderes Fahrzeug durch das abprallende Metallteil beschädigt wird. Das Be- und Entladen von haltenden oder parkenden Fahrzeugen sei verkehrsbezogener Teil des ruhenden Verkehrs, wenn ein innerer Zusammenhang mit der Funktion eines Kraftfahrzeugs als Verkehrs- und Transportmittel bestehe. Das Be- und Entladen umfasse auch Nebenverrichtungen, die aufgrund ihrer notwendigen Zugehörigkeit als deren Bestandteil erscheinen.

Ein solcher Zusammenhang liege nicht nur vor, wenn der Schaden an dem Pkw durch einen vom Lkw herabgefallenen Ladungsteil verursacht worden ist. Es mache es bezogen auf das Tatbestandsmerkmal „Unfall im Straßenverkehr“ keinen Unterschied, ob ein bereits geladener Gegenstand vom geparkten Fahrzeug herunterfällt oder der Schaden bereits beim Beladen des Fahrzeugs oder erst später beim Entladen entsteht. Dem Schutzbereich des § 142 StGB unterfielen gerade solche Geschehensabläufe im öffentlichen Straßenverkehr, die mit einem erhöhten Unfall- und Schadensrisiko sowie – wegen der Beteiligung eines Fahrzeugs – mit dem Risiko eines schnellen Entfernen des Verursachers vom Unfallort und damit einem gesteigerten Aufklärungsinteresse anderer Verkehrsteilnehmer einhergehen. Dazu gehörten aber insbesondere auch Ladevorgänge, und zwar gerade -fehlerhafte.

Peinlich, peinlich für die Staatsanwaltschaft

Man kann zwischen den Zeilen lesen, was man in Karlsruhe von der Revision der Staatsanwaltschaft Ulm gegen ein Urteil des Landgerichts Ulm gehalten hat. Nämlich gar nichts. Das folgt m.E. schon daraus, dass der GBA die Revision der Staatsanwaltschaft nicht vertreten hat. Deshalb musste es die Staatsanwaltschaft allein/selbst machen. Das hat sie auch getan, ist aber mit ihrer Revision kläglich gescheitert. Dazu der BGH in BGH, Beschl.v. 14.07.2011 – 1 StR 86/11:

1. Die Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO), mit der beanstandet wird, dass das Tatgericht kein anthropologisches Gutachten eingeholt habe, greift nicht durch.

a) In zulässiger Form ist die Aufklärungsrüge nur erhoben, wenn die Revision u.a. auch die Tatsachen bezeichnet, die das Gericht zu ermitteln unterlassen hat (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 244 Rn. 81). Dies ist hier nicht der Fall. Dem Revisionsvorbringen der Staatsanwaltschaft ist zwar das Beweisziel zu entnehmen, es fehlt aber an einer bestimmten Behauptung der zu ermittelnden Tatsache.

b) Die Rüge ist auch aus den zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 15. April 2011 unbegründet. Die Aufklärungspflicht drängte den Tatrichter, der den Sachverständigen Prof. Dr. R. in der Hauptverhandlung zum Beweiswert eines ausführlichen anthropologischen Gutachtens angehört hat, nicht dazu, ein solches einzuholen. Die Staatsanwaltschaft selbst hat in der Hauptverhandlung, nachdem das Gericht mitgeteilt hatte, es werde ein derartiges Gutachten nicht in Auftrag geben, keinen Anlass gesehen, einen dahingehenden Beweisantrag zu stellen.

2. Die aufgrund der Sachrüge vorzunehmende Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten ergeben. Das Revisionsvorbringen erschöpft sich in einer – im Revisionsverfahren unzulässigen – eigenen Beweiswürdigung. Soweit Beanstandungen gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung erhoben werden, wird ein durchgreifender Rechtsfehler nicht aufgezeigt, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragschrift im Einzelnen dargelegt hat. Insbesondere hat der Generalbundesanwalt zutreffend darauf hingewiesen, dass die von der Revisionsführerin vermisste Gesamtwürdigung den Ausführungen der Strafkammer auf UA S. 51 entnommen werden kann, wonach „die Indizien … weder im Einzelnen, noch zusammen genommen …“ gewertet wurden. Eine umfassendere Würdigung war bei der geringen Anzahl belastender Indizien nicht geboten.“

Peinlich, peinlich. M.E. alles Basiswissen, was der BGH sonst dem Verteidiger immer gern entgegen hält. Hier dann mal einer Staatsanwaltschaft, die auch noch lesen musste, dass der GBA die Revision der eigenen Behörde für nicht begründet hielt. Wer nicht hören will, muss eben fühlen. :-). Es ehrt 🙂 den BGH, dass er auch solche Beschlüsse einstellt und das Unvermögen nicht mit dem Mäntelchen des Schweigen zudeckt.

Miniparkscheibe nicht erlaubt

Das OLG Brandenburg meldet mit PM v. 02.08.2011:

„Verwendung einer Mini-Parkscheibe nicht erlaubt

„Wer zum Nachweis der Parkdauer eine Parkscheibe verwendet, die erheblich kleiner ist als die vom deutschen Gesetzgeber vorgeschriebene, begeht eine Ordnungswidrigkeit.
Das hat das Brandenburgische Oberlandesgericht mit Beschluss entschieden.
Der Betroffene hatte in der Stadt Forst auf einem Parkplatz, auf dem die Verwendung einer Parkscheibe vorgeschrieben war, eine Miniaturparkscheibe mit den Maßen von 40 mm x 60 mm verwendet. Dies hatte das Amtsgericht Cottbus als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße von 5 EUR geahndet. Die dagegen eingelegte Rechtsbeschwerde hat der 2. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts als unbegründet verworfen.
Zur Begründung hat das Oberlandesgericht ausgeführt, der Gesetzgeber habe die Parkscheibe nach Gestaltung und Größe definiert. Sie habe demnach Abmessungen von 110 mm x 150 mm aufzuweisen. Dem Sinn und Zweck des Gesetzes entspreche
es, dass eine Parkscheibe eine bestimmte Mindestgröße aufweisen müsse. Dies ermögliche ein leichtes Ablesen der eingestellten Zeit und damit auch eine wirksame Kontrolle der Höchstparkdauer. Dem werde die Verwendung eines Zeitnachweises, der, wie in dem entschiedenen Fall, um ein Vielfaches kleiner sei, nicht gerecht.

Beschluss vom 02.08.2011, Az.: (2Z) 53 Ss-Owi 495/10 (238/10″

Manchmal frage ich mich, ob wir wirklich nichts Anderes zu tun haben. Warum kann man die Zeit nicht auch auf einer kleineren Scheibe ablesen?