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StGB III: Gewaltanwendung bei der Vergewaltigung, oder: Vorbeugende Verhinderung einer Gegenwehr

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Und als dritte Entscheidung dann noch einmal etwas vom BGH, nämlich das – schon etwas ältere – BGH, Urt. v. 06.12.2023 – 5 StR 203/23.

Das LG hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt. Dagegen die  Revision der Staatsanwaltschaft, die in beiden Fällen eine tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen Vergewaltigung erstrebt. Die Revison hatte Erfolg:

„Die Revision der Staatanwaltschaft hat Erfolg.

1. Zu Recht rügt sie, dass die Jugendkammer jeweils die Anwendung von Gewalt als Nötigungsmittel im Sinne des § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB aF verneint hat.

a) Eine Nötigung mit Gewalt im Sinne des § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB aF ist gegeben, wenn der Täter durch eigene Kraftentfaltung das Opfer einem körperlich wirksamen Zwang aussetzt, um damit geleisteten oder erwarteten Widerstand zu überwinden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. April 2009 – 4 StR 88/09, NStZ-RR 2009, 202; vom 31. Juli 2013 – 2 StR 318/13, BGHR StGB § 177 Abs. 1 Gewalt 17). Es kommt mithin nicht darauf an, ob das Opfer des Übergriffs tatsächlich Widerstand leistet; es genügt, wenn die körperliche Zwangseinwirkung der Verhinderung von erwarteter Gegenwehr dient (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 1988 – 4 StR 201/88, BGHR StGB § 177 Abs. 1 Gewalt 2; Fischer, StGB, 70. Aufl., § 177 Rn. 69; insoweit missverständlich BGH vom 31. Juli 2013 – 2 StR 318/13, aaO; vgl. zur Fortgeltung dieser Maßstäbe im geltenden Recht BGH, Urteil vom 15. Juli 2020 – 6 StR 7/20, NStZ-RR 2020, 312; Beschluss vom 12. Dezember 2018 – 5 StR 451/18, BGHR StGB § 177 nF Abs. 5 Gewalt 1).

b) Gemessen daran hält die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe keine Gewalt im Sinne des § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB aF ausgeübt, der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Zwar hat es seiner rechtlichen Würdigung die zutreffenden rechtlichen Maßstäbe vorangestellt, sie aber bei der konkreten Subsumtion unvollständig und zu eng gehandhabt.

aa) Die Jugendkammer hat ihre Auffassung wie folgt begründet: Nach ihren Feststellungen, die sie aufgrund der glaubhaften Schilderungen der geschädigten Mädchen getroffen hat, habe keine „gegen sie gerichtete Kraftentfaltung“ vorgelegen, die von ihnen als körperlicher Zwang „empfunden“ worden sei. Zudem habe sie keine Abwehrhandlungen festzustellen vermocht, „aus denen der Angeklagte auf einen etwaigen Widerstand hätte schließen können“.

bb) Dies erweist sich unter zwei Gesichtspunkten als rechtsfehlerhaft.

(1) Das Landgericht ist von einem zu engen Gewaltbegriff ausgegangen. Nach den Feststellungen im Fall 1 der Urteilsgründe fasste der Angeklagte die elfjährige, auf einer Couch sitzende Geschädigte R. am Oberschenkel an, hielt sie am Arm fest, entkleidete ihren Unterkörper und führte unter anderem den Geschlechtsverkehr an dem nun auf dem Rücken liegenden Mädchen aus. Im Fall 2 der Urteilsgründe hat die Jugendkammer festgestellt, dass der Angeklagte die zwölfjährige Geschädigte S. auf eine am Boden des Fabrikgebäudes liegende Tür legte, ihre Beine spreizte, sich auf sie legte und dann mit seinem Glied in ihre Scheide eindrang. Handlungen wie das Festhalten eines Armes des Opfers unmittelbar vor dem sexuellen Übergriff, das Auseinanderdrücken der Beine oder der Einsatz überlegener Körperkraft (etwa durch das Legen des Opfers auf den Rücken) können im Einzelfall Gewalt im Sinne des § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB aF darstellen; das Gleiche gilt, wenn der Täter sich mit seinem Körpergewicht auf das Opfer legt (vgl. BGH, Urteile vom 10. Februar 2011 – 4 StR 566/10, NStZ 2011, 456, 457; vom 10. Oktober 2002 – 2 StR 153/02, NStZ-RR 2003, 42, 43; vom 15. Juli 2020 – 6 StR 7/20, NStZ-RR 2020, 312). Soweit das Landgericht in der rechtlichen Würdigung ausgeführt hat, die geschädigten Mädchen hätten die Handlungen des Angeklagten nicht als körperlichen Zwang „empfunden“, handelt es sich um eine Wertung, für die es an einer ausreichenden Feststellungsgrundlage fehlt. Mangels einer genaueren Schilderung des Verhaltens sowohl des Angeklagten als auch der Geschädigten ist dem Senat eine Überprüfung verwehrt, ob die Jugendkammer im Ergebnis zu Recht eine von den Handlungen des Angeklagten ausgehende Zwangseinwirkung auf die Opfer verneint hat.

(2) Die Ausführungen des Landgerichts lassen außer Betracht, dass es genügen kann, wenn der Täter die Gewalthandlungen im Sinne des § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB aF vornimmt, um von ihm erwarteten Widerstand des Opfers zu begegnen, wenn die körperliche Zwangseinwirkung dazu dient, eine mögliche Gegenwehr (vorbeugend) zu verhindern. Die Jugendkammer hat ihre Auffassung damit begründet, dass sich die Geschädigten weder gegen den sexuellen Übergriff gewehrt noch sich währenddessen geäußert haben. Mit der Möglichkeit, dass der Angeklagte mit seiner Kraftentfaltung gegen die Geschädigten einen von ihm erwarteten Widerstand vorbeugend unterbinden wollte, hat sich das Landgericht indes nicht auseinandergesetzt. Mangels näherer Schilderung des Verhaltens des Angeklagten und der Geschädigten kann der Senat nicht nachprüfen, ob der Angeklagte mit dieser Intention handelte. Eine genauere Erörterung dieser Frage wäre umso mehr angezeigt gewesen, als der Angeklagte vor der ersten Tat seinen Bruder aus dem Zimmer schickte, die Geschädigte R.    angegeben hat, sie habe sich wehren und den Angeklagten wegdrücken wollen, und die Geschädigte S.         neben Schmerzen auch bekundet hat, dass sie „wie gelähmt“ und „ihre Muskeln … wie eingefroren“ gewesen seien, sie wie „in Schockstarre verfallen gewesen“ sei.“

Raub II: Gewalt versus Überraschungsmoment, oder: Was war bestimmend für die Wegnahme?

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Und als zweite Entscheidung zum Raub stelle ich dann den BGH, Beschl. v. 26.01.2022 – 3 StR 445/21 – vor. Das LG hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision hatte Erfolg:

„1. Nach den getroffenen Feststellungen wollte der Angeklagte dem Geschädigten ʺeine Abreibung verpassenʺ und ʺihn zur Rede stellenʺ. Er nahm den Geschädigten in den Schwitzkasten, schlug ihn in das Gesicht und bespuckte ihn. Sodann entschloss er sich, ihm die mitgeführte Umhängetasche zu entreißen, um etwa in der Tasche befindliches Bargeld an sich zu bringen. Gegen die Ausführung dieses Vorhabens wehrte sich der Geschädigte, dessen Umhängetasche lediglich 4 € enthielt, aufgrund der vorherigen Gewaltanwendungen nicht.Hernach schlug der Angeklagte den Geschädigten mit einem Teleskopschlagstock unvermittelt gegen die linke Körperhälfte.

2. Diese Feststellungen tragen die Verurteilung wegen – tateinheitlich mit gefährlicher Körperverletzung begangenen – (schweren) Raubes nicht. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Zuschrift vom 11. November 2021 im Wesentlichen das Folgende ausgeführt:

„a) Das Vorliegen der Gewaltalternative kann den oben wiedergegebenen Feststellungen nicht entnommen werden. Gewalt gegen eine Person liegt nach ständiger Rechtsprechung des BGH vor, wenn die Kraft, die der Täter entfaltet, wesentlicher Bestandteil der Wegnahme ist. Sie muss so erheblich sein, dass sie geeignet ist, erwarteten Widerstand zu brechen; vom Opfer muss sie als körperlicher Zwang empfunden werden (vgl. dazu BGH Beschl. v. 12. November 1985 – 1 StR 516/85, BeckRS 9998, 85388). Die körperliche Einwirkung braucht zwar letztlich für Leib oder gar Leben des Opfers nicht gefährlich zu sein. Sie darf aber auch nicht ganz unbedeutend sein. Nur wegen Diebstahls ist demzufolge zu verurteilen in Fällen, in denen das Überraschungsmoment bestimmend ist, weil das Tatbild eher durch List, Schnelligkeit und Geschicklichkeit als durch körperlichen Zwang geprägt wird […]. Jedoch wird auch in diesen Konstellationen die Schwelle zur gewaltsamen Wegnahme überschritten, wenn das Opfer die Absicht des Täters noch rechtzeitig erkennt und die Sache (z.B. die Handtasche) derart festhält, dass sie vom Täter nur mittels erheblicher Kraftentfaltung entrissen werden kann. Entscheidend sind letztlich die konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls, deren Beurteilung primär Sache des Tatgerichts ist (MüKoStGB/Sander, 4. Aufl. 2021, StGB § 249 Rn. 15, 16 mwN). b) Hier fehlt es, wie die Revision zu Recht beanstandet, an für die rechtliche Einordnung im oben dargestellten Sinne erforderlichen Feststellungen dazu, wie sich das Entreißen der Tasche gestaltete, d.h., ob eine erhebliche Kraftentfaltung nötig war, etwa weil das Opfer die Tasche noch festhielt, oder ob es hingegen völlig von der Handlung des Angeklagten überrascht wurde, was nicht fernliegt in dem Geschehenskontext, der sich bis zum spontanen Wegnahmeentschluss seitens des Angeklagten allein als ʺAbreibungʺ […] darstellte. Eine sonstige Form der Gewalt ergibt sich auch nicht. Denn dass sich der […] Zeuge zum Zeitpunkt des Entreißens der Tasche noch im Schwitzkasten befand oder auf sonstige Weise vom Angeklagten festgehalten wurde, ist gerade nicht festgestellt. c) Aber auch die Drohungsalternative ist nach den Feststellungen nicht erfüllt. Es fehlt an einer Drohung mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben im Zeitpunkt der Wegnahme. Die vorangegangene Gewaltanwendung mit der daraus resultierenden Einschüchterung genügt hierfür nicht. Denn nach ständiger Rechtsprechung fehlt es an der erforderlichen finalen Verknüpfung, wenn der Täter die Wirkung (hier hatte sich das Opfer wegen der vorausgegangenen Gewaltanwendung nicht gewehrt) einer ohne Wegnahmevorsatz erfolgten (aber nicht mehr fortgesetzten) Nötigungshandlung nur ausnutzt und aufgrund eines neuen Entschlusses Sachen wegnimmt (vgl. nur BGH, Beschl. v. 16. September 2015 – 5 StR 331/15, NStZ-RR 2015, 372; Beschluss vom 25. September 2012 – 2 StR 340/12, NStZ-RR 2013, 45; BeckOKStGB/Wittig, 50. Ed. 1.5.2021, StGB § 249 Rn. 14.1 mwN). Auch der von der Rechtsprechung anerkannte Fall eines Fortwirkens von Gewalt als (konkludente) Drohung ist nicht gegeben. Auch insoweit reicht das bloße Ausnutzen der Wirkung der vorhergehenden Gewaltanwendung in Form von Angst des Opfers nicht aus. Vielmehr bedarf es, wie die Revision zutreffend unter Berufung auf die Rechtsprechung des Senats ausführt, der Aktualisierung der Nötigungslage: Erforderlich ist, dass der Täter die Gefahr für Leib oder Leben deutlich in Aussicht stellt, sie also durch ein bestimmtes Verhalten genügend erkennbar macht. Es reicht nicht aus, wenn das Opfer nur erwartet, der Täter werde es an Leib oder Leben schädigen. Ein derartiges die Nötigungslage aktualisierendes Verhalten ist auch im Urteil festzustellen (BGH, Beschl. v. 20. September 2016 – 3 StR 174/16, NStZ 2017, 92). Daran ermangelt es hier.“

Dem ist der BGH gefolgt und hat u.a. den Schuldspruch wegen (schweren) Raubes aufgehoben.

StGB I: Der Einsatz von Gewalt/Drohung beim Raub, oder: Motivwechsel

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Heute dann aus dem StGB-Bereich drei Entscheidungen zu den sog. Eigentumsdelikten, und zwar zweimal Raub, einmal Diebstahl.

Ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 03.03.2021 – 2 StR 170/20. Verurteilt worden ist der Angeklagte wegen Raubes. Der BGH hat in der Revision zu der Frage Stellung genommen, ob der Tatbestand des Raubes auch dann erfüllt ist, wenn die zunächst mit anderer Zielrichtung vorgenommene Gewalt zum Zeitpunkt der Wegnahme noch andauert oder als aktuelle Drohung mit erneuter Gewaltanwendung auf das Opfer einwirkt und der Täter diesen Umstand bewusst dazu ausnutzt, dem Opfer, das sich dagegen nicht mehr zu wehren wagt, die Beute wegzunehmen. Die Frage hat er bejaht:

„1. Der Schuldspruch weist Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten nicht auf. Insbesondere hält ihre Verurteilung wegen besonders schweren Raubes revisionsgerichtlicher Überprüfung stand (§ 249 Abs. 1, § 250 Abs. 2 Nr. 1, § 25 Abs. 2 StGB).

a) Der Tatbestand des Raubes erfordert den Einsatz von Gewalt oder Drohung als Mittel zur Ermöglichung der Wegnahme einer Sache (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 15. September 1964 ‒ 1 StR 26/64, BGHSt 20, 32, 33, vom 22. September 1983 ‒ 4 StR 376/83, BGHSt 32, 88, 92, und vom 20. Januar 2016 ‒ 1 StR 398/15, BGHSt 61, 141, 144). Er ist auch dann erfüllt, wenn die zunächst mit anderer Zielrichtung vorgenommene Gewalt zum Zeitpunkt der Wegnahme noch andauert oder als aktuelle Drohung mit erneuter Gewaltanwendung auf das Opfer einwirkt und der Täter diesen Umstand bewusst dazu ausnutzt, dem Opfer, das sich dagegen nicht mehr zu wehren wagt, die Beute wegzunehmen (vgl. nur BGH, Urteile vom 22. September 1983 ‒ 4 StR 376/83, BGHSt 32, 88, 92, und vom 25. Oktober 2012 ‒ 4 StR 174/12, NStZ 2013, 471, 472).

Erforderlich hierfür ist etwa, dass der Täter die Gefahr für Leib oder Leben deutlich in Aussicht stellt, sie also durch Äußerungen oder sonstige Handlungen genügend erkennbar macht; es genügt nicht, wenn der andere nur erwartet, der Täter werde ihm ein empfindliches Übel zufügen (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 1955 ‒ 4 StR 8/55, BGHSt 7, 252, 253; Urteil vom 12. Februar 2015 ‒ 1 StR 444/14, BeckRS 2015, 6005). War das Tatopfer allerdings zahlreichen, nicht notwendig im Zusammenhang mit Raub oder räuberischer Erpressung stehenden körperlichen Übergriffen ausgesetzt, liegt es nahe, dass der Täter für den Fall, dass sich das Opfer seinem erpresserischen Ansinnen verweigert oder einer Wegnahme entgegentritt, zumindest konkludent mit der Anwendung weiterer Gewalt droht (vgl. BGH, Beschluss vom 13. November 2012 ‒ 3 StR 422/12, BeckRS 2013, 1325; vom 16. September 2015 ‒ 5 StR 331/15, NStZ-RR 2015, 372). Dies gilt insbesondere im Falle einer zeitlich an solche körperlichen Übergriffe unmittelbar anschließenden Wegnahmehandlung (vgl. BGH, Beschluss vom 13. November 2012 ‒ 3 StR 422/12, NStZ-RR 2013, 210; vgl. zu den Anforderungen an die Beweiswürdigung BGH, Urteil vom 2. Dezember 2020 ‒ 6 StR 148/20, BeckRS 2020, 36559). Es genügt, dass aus der Sicht des Täters der Einsatz des Nötigungsmittels notwendig ist. Allein sein Wille und seine Vorstellung, etwa von einer nötigungsbedingten Schwächung der Verteidigungsfähigkeit und -bereitschaft des Tatopfers, sind für den Finalzusammenhang maßgebend (vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 2016 ‒ 1 StR 398/15, BGHSt 61, 141, 144; Senatsbeschluss vom 29. August 2019 ‒ 2 StR 85/19, BeckRS 2019, 27175; Beschluss vom 13. November 2012 ‒ 3 StR 422/12, BeckRS 2013, 1325).

b) Hieran gemessen tragen die rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen die Wertung der Strafkammer, die Angeklagten E. und I. hätten gemeinschaftlich gegen den Zeugen B. ein Nötigungsmittel im Sinne von § 249 Abs. 1, § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB zum Zwecke der Wegnahme des Fernsehgerätes eingesetzt.

aa) Zwar nahmen beide Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen die von ihnen zunächst gemeinschaftlich mit dem früheren Mitangeklagten L. ausgeübten massiven Gewalthandlungen allein deshalb vor, um die ‒ auch aus ihrer Sicht berechtigte ‒ Forderung des L. gegen den Zeugen B. durchzusetzen. Es fehlte ihnen daher zu diesem Tatzeitpunkt die für den Raub notwendige Zueignungsabsicht. Den Entschluss zur rechtswidrigen Zueignung des Fernsehgerätes fassten beide erstmals nach Abschluss der letzten Gewalthandlung. Die vom Generalbundesanwalt in der Hauptverhandlung geäußerte Ansicht, dass die Beschuldigten zu diesem Zeitpunkt lediglich einen bereits zuvor gefassten und allgemein auf die rechtswidrige Zueignung gerichteten Vorsatz um dieses Tatobjekt erweiterten, teilt der Senat nicht. Insoweit fehlt es ‒ auch in der Gesamtschau der Urteilsgründe ‒ an hinreichend tragfähigen Feststellungen des Landgerichts. Es lag ‒ wie der Generalbundesanwalt im Ausgangspunkt zu recht annimmt ‒ schließlich auch keine zum Zwecke der Wegnahme vorgenommene qualifizierte Nötigungshandlung in der von den Angeklagten E. und I. beim Verlassen der Wohnung mit ihrer Tatbeute ausdrücklich ausgesprochenen Drohung vor, die Familie des Zeugen B. „abzustechen“. Diese Drohung hatte ersichtlich keine gegenwärtige Gefahr zum Gegenstand, sondern sollte vielmehr eine Verständigung der Polizei zu einem späteren Zeitpunkt und damit nach Tatbeendigung verhindern.

bb) Die Urteilsfeststellungen tragen aber die tatgerichtliche Annahme einer Einwirkung der zuvor ‒ ohne Wegnahmeabsicht ‒ angewendeten Gewalt gegen den Zeugen als aktuelle Drohung mit erneuter Gewaltanwendung. Die Angeklagten stellten jedenfalls in der Gesamtschau der Urteilsgründe dem Zeugen gemeinschaftlich konkludent in Aussicht, dass sich die zuvor über einen Zeitraum von etwa 30 Minuten in mehreren Schritten sukzessiv verübten Gewalthandlungen im Falle eines Widerstands des Zeugen ebenso wiederholen würden, wie die Bedrohung mit dem unmittelbar zuvor bereits eingesetzten Messer. Die Strafkammer hat hierzu zutreffend insbesondere auf die zeitlich „unmittelbar vorangegangen massiven Gewalteinwirkungen“ abgestellt. Beide Angeklagten handelten hiernach auch in dem „Bewusstsein“, dass der Zeuge eingedenk der zuvor erlebten Gewalt keinen Widerstand leisten würde (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juni 2010 ‒ 4 StR 260/10, NStZ 2010, 570; Beschluss vom 10. Mai 2011 ‒ 3 StR 78/11, NStZ 2012, 34). Insbesondere mit Blick auf das für den Geschädigten vor diesem Hintergrund erkennbare sukzessive Eingreifen des Angeklagten E. zur Unterstützung des Abtransports des Fernsehgeräts durch I. und die noch vor Tatbeendigung ausgesprochene ‒ sogar ausdrücklich einen erneuten Einsatz des von E. mitgeführten Messers in Aussicht stellenden ‒ Drohung für den Fall einer Strafanzeige des Geschädigten bedurfte es keiner weiteren Urteilsfeststellungen hierzu.“

StGB II: Raub, oder: Finaler Einsatz von Gewalt/Drohung erforderlich

Die zweite Entscheidung stammt aus dem Bereich der Eigentumsdelikte. Im BGH, Beschl. v.11.09.2018 – 1 StR 413/18 – geht es (mal wieder) um die finale Verknüpfung zwischen der Drohung mit oder dem Einsatz von Gewalt und der Wegnahme beim Raub. Ein Punkt, an dem in der letzten Zeit häufiger Verurteilungen gescheitert oder anders Revisionen erfolgreich waren. So auch hier:

1. Die Verurteilung des Angeklagten im Fall II.1. der Urteilsgründe hat keinen Bestand, weil das angefochtene Urteil hinsichtlich der Annahme eines besonderen schweren Raubes sachlich-rechtliche Mängel aufweist.

Die rechtliche Würdigung des Landgerichts wird von den Urteilsfeststellungen nicht getragen, da die bisherigen Feststellungen eine für die Verurteilung wegen Raubes notwendige finale Verknüpfung zwischen dem Einsatz der qualifizierten Nötigungsmittel und der Wegnahme dergestalt, dass es zu einer nötigungsbedingten Einschränkung der Dispositionsfreiheit des Gewahrsamsinhabers über das Tatobjekt gekommen ist, nicht tragen.

a) Nach ständiger Rechtsprechung muss zwischen der Drohung mit oder dem Einsatz von Gewalt und der Wegnahme beim Raub eine finale Verknüpfung bestehen; Gewalt oder Drohung müssen das Mittel zur Ermöglichung der Wegnahme sein. An einer solchen Verknüpfung fehlt es, wenn eine Nötigungshandlung nicht zum Zwecke der Wegnahme vorgenommen wird, sondern der Täter den Entschluss zur Wegnahme erst nach Abschluss dieser Handlung fasst (vgl. nur BGH, Urteile vom 20. Januar 2016 – 1 StR 398/15, BGHSt 61, 141; vom 22. September 1983 – 4 StR 376/83, BGHSt 32, 88, 92 und vom 20. April 1995 – 4 StR 27/95, BGHSt 41, 123, 124 und vom 16. Januar2003 – 4 StR 422/02, NStZ 2003, 431, 432; Beschlüsse vom 21. März 2006 – 3 StR 3/06, NStZ 2006, 508; vom 24. Februar 2009 – 5 StR 39/09, NStZ 2009, 325; vom 25. September 2012 – 2 StR 340/12, NStZ-RR 2013, 45, 46 und vom 18. Februar 2014 – 5 StR 41/14, NStZ 2015, 156). Deshalb genügt der Umstand, dass die Wirkungen eines ohne Wegnahmevorsatz eingesetzten Nötigungsmittels noch andauern und der Täter dies ausnutzt, für die Annahme eines Raubes nicht. Auch das bloße Ausnutzen der Angst eines der Einwirkung des Täters schutzlos ausgelieferten Opfers vor Fortführung bislang nicht auf die Ermöglichung der Wegnahme von Sachen gerichteter Gewalthandlungen reicht – ohne aktuelle Drohung erneuter Gewaltanwendung – nicht aus (vgl. nur BGH, Urteil vom 20. Januar 2016 – 1 StR 398/15, BGHSt 61, 141 mwN).

Demnach ist der Straftatbestand des Raubes regelmäßig dann gegeben, wenn mit dem Nötigungsmittel körperlicher Widerstand überwunden oder aufgrund der Zwangswirkung unterlassen und es hierdurch dem Täter ermöglicht wird, den Gewahrsam zu brechen. Der Tatbestand verlangt allerdings nicht, dass der Einsatz des Nötigungsmittels objektiv erforderlich ist oder die Wegnahme zumindest kausal fördert (BGH, Urteile vom 20. Januar 2016 – 1 StR 398/15, BGHSt 61, 141; vom 21. Mai 1953 – 4 StR 787/52, BGHSt 4, 210, 211 und vom 19. April 1963 – 4 StR 92/63, BGHSt 18, 329, 331). Es genügt, dass aus Sicht des Täters der Einsatz des Nötigungsmittels notwendig ist (Finalzusammenhang). Allein seine Vorstellung und sein Wille sind für den Finalzusammenhang maßgebend (BGH, Urteile vom 20. Januar 2016 – 1 StR 398/15, BGHSt 61, 141 und vom 6. Oktober 1992 – 1 StR 554/92, NStZ 1993, 79; Beschluss vom 28. April 1989 – 4 StR 184/89, StV 1990, 159, 160).

b) Dieser notwendige Finalzusammenhang lässt sich den bisherigen Feststellungen des Landgerichts nicht entnehmen.

Das Landgericht hat zunächst keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob der Einsatz des Nötigungsmittels – hier des Messers – überhaupt zu dem Zweck erfolgte, um vom Geschädigten etwas Stehlenswertes oder Werthaltiges gewaltsam zu erlangen. Es bleibt auch offen, aus welchen Gründen der Angeklagte sich im Vorfeld der Tat hinter einem Vorhang versteckte sowie ob und wann er sich letztlich zur Wegnahme des Mobiltelefons entschieden hat. Soweit das Landgericht annimmt, dass der Geschädigte durch die massive Gewaltanwendung des Angeklagten mit dem Messer eingeschüchtert werden sollte, ist dies weder durch Angaben des Geschädigten noch durch sonstige Beweismittel belegt. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Geschädigte durch den Messereinsatz eingeschüchtert war und bei Widerstand mit weiterer Gewaltanwendung rechnete, käme zwar auch eine konkludente Drohung des Angeklagten als Nötigungsmittel der Wegnahme in Betracht. Dies würde aber voraussetzen, dass der Angeklagte diese Situation bewusst ausgenutzt hätte, um den Geschädigten zu veranlassen, die Wegnahme zu dulden. Dafür reicht aber nach den bisherigen Feststellungen des Landgerichts das bloße Ergreifen des aus der Hosentasche des Geschädigten gefallenen Mobiltelefons, um es für sich zu behalten, noch nicht. Allein der Umstand, dass die Wirkungen eines ohne Wegnahmeabsicht eingesetzten Nötigungsmittels noch andauern und der Täter dies ausnutzt, vermag den erforderlichen Finalzusammenhang nicht zu begründen.“

Schöner Erfolg für den Instanzverteidiger, den Kollegen H. Stehr aus Göppingen, der mit die von ihm erstrittene Entscheidung geschickt hat.

„Vergewaltigung“ setzt u.a. „Gewalt“ voraus

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Eine Verurteilung wegen Vergewaltigung i.S. von § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfordert die Feststellung der Anwendung von „Gewalt“. Und die Feststellung hat der BGH im BGH, Beschl. v. 30.09.2015 – 5 StR 199/15 – vermisst. Das LG hatte wegen Vergewaltigung veurteilt. Dazu hatte es folgende Feststellungen getroffen: „Nach den Feststellungen übernachtete der damals 14- bis 15-jährige Geschädigte zwischen Juli 2001 und Frühjahr 2002 in der Wohnung des Angeklagten. Dieser „erzwang“ den vollendeten Oralverkehr, „indem er sich auf den Jungen setzte, mit der Hand seinen Mund öffnete und sein Glied einführte. Der Angeklagte kam zum Samenerguss im Mund des Jungen, der das Ejakulat schlucken musste“ (UA S. 5).“

Diese Sachdarstellung belegt nach Auufassung des BGH

„…..nicht, dass der Angeklagte den Geschädigten zur Duldung des Oralverkehrs im Sinne von § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB mit Gewalt genötigt hat. Ob das Setzen des Angeklagten auf das Tatopfer und das Öffnen dessen Mundes zur Überwindung erwarteten Widerstandes erfolgten, ist nicht ausdrücklich festgestellt. Gleiches gilt für einen körperlich oder verbal geäußerten entgegenstehenden Willen des Geschädigten. Dies versteht sich hier angesichts des Alters des Geschädigten und des Umstands, dass der Angeklagte schon zuvor über einen längeren Zeitraum – ohne Einsatz von Gewalt – sexuelle Handlungen an diesem vorgenommen haben soll, nicht von selbst.“

Na ja, kann man m.E. auch anders sehen….