Archiv für den Monat: September 2010

Wochenspiegel für die 38. KW, oder wir blicken mal wieder über denm Tellerrand

Berichtet worden ist über:

1. Den Blitzer aus der Tonne.
2. Den Schutz von Syndikusakten, hier.
3. Ein wenig Kachelmann, hier und hier und hier
4. Um den technischen Fortschritt im Gerichtssaal ging es hier und hier.
5. Quatschende Schöffen, hier und hier.
6. Rotlicht und Busspur, hier.
7. Die Höhe der Gerichtsgebühren, hier.
8. Um hohe BAK und deren Folgen ging es hier.
9. Zur Verteidigung durch Schweigen.
10. Zur Entziehung des Führerscheins auf Probe, hier.

Schwarze Kasse im Ausland – Untreue im Inland

Der BGH hat gerade auf seiner Homepage das Urteil v. 27.08.2010 – 2 StR 111/09 veröffentlicht. Mit der zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehenen Entscheidung wird – vgl. die PM des BGH v. 27.08.2010 – ein Verfahren aus dem Komplex des sog. „Kölner Müllskandals“ abgeschlossen. Die Anklage richtete sich ursprünglich auch gegen den Abfallunternehmer Hellmut Trienekens. Wegen Zweifeln an dessen Verhandlungsfähigkeit wurde das Verfahren gegen die beiden Angeklagten im Jahr 2006 zur gesonderten Verhandlung abgetrennt. Trienekens selbst ist inzwischen mit Urteil des Landgerichts Köln vom 23. März 2010 wegen Untreue in vier Fällen rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren zur Bewährung und daneben zu einer Gesamtgeldstrafe von 720 Tagessätzen verurteilt worden.

Die Angeklagten im Verfahren 2 StR 111/09 waren Geschäftsführer von zwei Tochtergesellschaften des Trienekens-Konzerns, an dem seit 1989 neben der Familie Trienekens in etwa gleichem Umfang auch ein Unternehmen der RWE-Gruppe beteiligt war. Nach den Feststellungen des Landgerichts veranlassten sie in den Jahren 1998 bis 2001 jeweils auf Weisung Trienekens Zahlungen auf Scheinrechnungen in einer Gesamthöhe von über 9 Mio. DM in eine „schwarze Kasse“. Trienekens hatte diese, von ihm selbst als „Kriegskasse“ bezeichnet, ab etwa 1993 zur Finanzierung sog. „nützlicher Aufwendungen“, die nicht über die Bücher laufen sollten, bei einem Briefkastenunternehmen in der Schweiz eingerichtet. Wie den Angeklagten bekannt war, verschleierte er gegenüber den verantwortlichen Organen der zum RWE-Konzern gehörenden Mitgesellschafterin die wahren Hintergründe der Zahlungen. Beide sind wegen Untreue verurteilt worden. Die Revisionen hatten keinen Erfolg.

Der BGH hat folgende Leitsätze formuliert:

 1. Ein Geschäftsführer einer GmbH und ein Vorstand einer AG können sich wegen Untreue strafbar machen, wenn sie unter Verstoß gegen § 43 Abs. 1 GmbHG, § 93 Abs. 1 AktG und unter Verletzung von Buchführungsvorschriften eine schwarze Kasse im Ausland einrichten (Fortführung von BGHSt 52, 323).

2. Ein den Untreuetatbestand ausschließendes Einverständnis der Mehrheit der Ge-sellschafter einer GmbH setzt voraus, dass auch die Minderheitsgesellschafter mit der Frage der Billigung der Pflichtwidrigkeit befasst waren.

Die Entscheidung wird sicherlich die Literatur beschäftigen

Immer wieder Beweisantrag, immer wieder Beweisantrag erneut stellen

Das KG hat in seinem Beschl. v. 24.08.2010 – 3 Ws (B) 404/10 – 2 Ss 243/10 darauf hingewiesen, dass eine Verletzung des förmlichen Beweisantragsrechts, das der Verteidiger im Verfahren gerügt hatte, voraussetzt, dass in der Hauptverhandlung überhaupt ein prozessordnungsgemäßer Beweisantrag gestellt worden ist. Allein die Stellung von Beweisanträgen in einem Hauptverhandlungstermin, der zur Aussetzung der Hauptverhandlung führte, reiche dazu nicht aus, denn nach einer Aussetzung der Hauptverhandlung bedarf es der Wiederholung bereits früher gestellter Beweisanträge im neuen Hauptverhandlungstermins.

Also: Nicht vergessen, dass ein einmal gestelltere Beweisantrag in jeder neu anberaumten HV noch einmal gestellt werden muss, wenn er Ausgangspunkt für eine Verfahrensrüge sein soll. M.E. eine Selbstverständlichkeit, die Verteidiger wissen sollten.

Und: Es muss nicht nur der in einer ausgesetzten Hauptverhandlung gestellte Beweisantrag in einem neuen Hauptverhandlungstermin ggf. wiederholt werden, sondern auch der vor der Hauptverhandlung zunächst nur angekündigte Beweisantrag (OLG Hamm NJW 1999, 1416). Anderenfalls kann die Rechtsbeschwerde/Revision auf die Nichtbescheidung dieses Antrags nicht gestützt werden. es bleibt dann nur noch die Aufklärungsrüge.

Erst bezahlen, dann probieren? – Ist das so richtig?

Seit einigen Tagen berichten die Tageszeitungen über eine dpa-Meldung, in der es heißt:

Im Supermarkt erst bezahlen, dann probieren
Berlin (dpa/tmn) – Im Kaufhaus oder Discounter probieren Kunden besser keine Waren, bevor sie an der Kasse bezahlt haben. Einfach eine Flasche zu öffnen und sie im Laden zu trinken, sei erst einmal Diebstahl, sagte Rechtsanwalt Thomas Noack.
Denn die Ware wechselt erst an der Kasse den Besitzer. Das gilt auch dann, wenn der Kunde hinterher behauptet, dass er den Artikel sowieso noch bezahlen wollte. In diesem Fall wird es Noack zufolge zwar schwierig, eine subjektive Diebstahlabsicht zu unterstellen. «Es ist aber auf jeden Fall ärgerlich, wenn erst die Polizei kommt und eine Anzeige aufnimmt.» Denn ein Kunde könne sich nicht darauf verlassen, dass der Ladendetektiv oder Supermarktbesitzer einfach ein Auge zudrückt – auch wenn der Artikel überhaupt nicht teuer war. «Die eine Minute bis zur Kasse sollte sich deshalb jeder nehmen.»

Na, ist das denn so richtig? Bin mir nicht so ganz sicher. Wie ist es denn mit der rechtswidrigen Zueignungsabsicht, wenn ich an der Kasse bezahlen will. Und: Ggf. mutmaßliche Einwilligung des Ladenbesitzers. Und: Sind auch wohl zwei unterschiedliche Fallgestaltungen: Das Probieren von Waren (z.B. Obst) und das Öffnen und Austrinken einer Flasche, die man dann beszahlen will.

Das wäre doch mal was für die mitlesenden Studenten. Die müssten solche wichtigen Fragen doch aus der lockeren Hand lösen können.

Nochmals was zur Vollstreckungsreihenfolge bei mehreren Fahrverboten

Wir hatten ja vor einiger Zeit über die Entscheidung des OLG Hamm in Entscheidung 3 Ss OWi 451/09 und die sich daraus ggf. ergebenden Auswirkungen auf die Vollstreckungsreihenfolge bei mehreren Fahrverboten berichtet, vgl. hier. Die Problematik, wie in den Fällen zu vollstrecken ist, gehört sicherlich zu einem der Hauptstreitpunkte im Verkehrsrecht. Dazu passt ganz gut der Beschl. v. 19.01.2010 – 13 OWi 705 Js 23983/09 des AG Meißen (auch DAR 2010, 339), das darin ausführt, dass nebeneinander/parallel zu vollstrecken ist. Wie gesagt, höchst umstritten und es wird nicht gnaz einfach sein/werden, die AG von dieser Auffassung zu überzeugen. Das allein schon, weil häufig nur in den Hentschel geschaut wird. Und der – und ein Teil der AG-Rechtsprechung allerdings auch – sieht es anders. Aber wie immer: Ein Versuch ist es wert.