Archiv für den Monat: September 2010

Drogenfahrt, zeitnaher Konsum und Fahrlässigkeit

Ein Ansatz bei der sog. Drogenfahrt nach § 24a Abs. 2 StVG ist die Frage: Fahrlässigkeit gegeben, ja oder nein? In dem Bereich tut sich einiges in der Rechtsprechung der OLG.

In den Zusammenhang passt dann ein Beschluss des OLG Frankfurt v. 20.08.2010 2 Ss-OWi 166/10, in dem das OLG zur Frage der Fahrlässigkeit noch einmal Stellung genommen hat. Danach reicht es für ein fahrlässiges Führen eines Kraftfahrzeuges unter berauschenden Mitteln gemäß § 24 a Abs. 2 StVG aus, wenn der Kraftfahrer das Fahren unter der Wirkung des Rauschgiftes für möglich hält. Eine verhältnismäßig geringe Überschreitung von 4,6 ng/mg THC kann eine Voraussehbarkeit der Tatbestandsverwirklichung aber nicht stützen.

Und was auch immer wichtig ist, ist die Frage des zeitnahen Konsums. Dazu sagt das OLG: Erscheinungen wie „zittriger Eindruck“ und „auffällige Pupillen beim Betroffenen belegen keinen zeitnahen Konsum.

Bitte keine Retourkutsche

so könnte man m.E. den Beschluss des KG v. 14.04.2010 – 2 Ws 8-9 Vollz, der in einer Vollstreckungssache ergangen ist, auch überschreiben. Das KG drückt es vornehmer aus und meint:

1. Die Beachtung der rechtskräftigen Entscheidung eines Gerichts erfordert es, daß sich dessen Überlegungen im Vollzugsplan wiederfinden und daß die Vollzugsbehörde nicht den Eindruck erweckt, gegen die Bindungswirkung der Entscheidung zu opponieren.

2. Die Erwägung, dem Gefangenen fehle die Vereinbarungsfähigkeit wegen der mangelnden Akzeptanz der angefochtenen Fortschreibung, und er solle deshalb zu einem harmonischen Miteinander mit der Vollzugsbehörde zurückkehren, verkennt das Wesen des in Art. 19 Abs. 4 GG garantierten Rechtsschutzes. Von der Vollzugsbehörde kann der Gefangene verlangen, daß sie ihn nicht deshalb, weil er in einem Rechtsstreit gegen sie obsiegt hat, aus diesem Grunde schlechter beurteilt als zuvor.

Achtung: Die informelle Absprache oder der Deal entfaltet keine Bindungswirkung, also aufgepasst

Nach § 257 Abs. 3 und 4 StPO sind die Beteiligten an eine Verständigung gebunden, aber: Nur an die in der Hauptverhandlugn  formell zustande gekommene Verständigung, nicht an informelle Absprachen aus dem Ermittlungs/Zwischenverfahren. Darauf hat jetzt der BGH in seinem Beschl. v. 04.08.2010 – 2 StR 205/10 – ausdrücklich hingewiesen. Wenn man die Entscheidung liest, fragt man sich allerdings, wieso Verteidiger und Angeklagter davon ausgegangen sind, dass sich die Kammer an die mit der Vorsitzenden im Zwischenverfahren getroffenen Absprache halten würde. Die Vorsitzende nahm dann an der HV nicht teil, ob der hinzugekommene Beisitzer ein „Scharfmahcer“ war, bleibt offen, jedenfalls hat der neue Vorsitzende zweimal darauf hingewiesen, dass es eine Verständigung nicht geben würde.

Strafzumessung: Immer wieder übersehen: Das sog. Doppelverwertungsverbot

Bei der Strafzumessung immer wieder übersehen wird das sog. Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB. Deshlab musste jetzt auch der BGH in einem BTM-Verfahren das landgerichtliche Urteil aufheben (vgl. Beschl. v. 27.07.2010 – 4 StR 165/10). Der BGH hat beanstandet,  dass das Gericht bei der Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge den Umstand strafschärfend berücksichtigt, dass vom bewaffneten Handeltreiben eine besondere Gefährlichkeit ausgeht. Eine solche doppelte Berücksichtigung eines Tatbestandsmerkmals verbietet sich. Gleiches gilt auch hinsichtlich einer strafschärfenden Berücksichtigung der Abgabe von Rauschgift an Jugendliche unter Bezugnahme auf den Umstand, dass der Täter ohne Rücksicht auf deren Alter gehandelt habe. Manchmal versteht man nicht, wie die Tatgerichte diese Dinge übersehen (können).

Kardinalfehler beim Sachverständigengutachten

Ein in der Praxis häufiger Fehler hat jetzt (mal wieder) zur Aufhebung eines Urteils durch den BGH geführt (vgl. Urt. v. 04.08.2010 – 2 StR 194/10). Das LG hatte seinen Freispruch u.a. auf ein Sachverständigengutachten gestützt. In dem Zusammenhang beanstandet der BGH,

„…, dass das Landgericht nicht dargelegt hat, welche Ausführungen die aussagepsychologische Sachverständige Dipl. Psych. G. gemacht hat. Hält der Tatrichter die Zuziehung eines Sachverständigen für erforderlich, so hat er grundsätzlich dessen Ausführungen in einer zusammenfassenden Darstellung wiederzugeben, um dem Revisionsgericht eine Nachprüfung zu ermöglichen (vgl. BGH, NStZ-RR 1996, 233; NStZ 2007, 538). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Tatrichter dem Gutachter nicht folgt oder wenn dies – wie hier – aus den übrigen Urteilsgründen nicht ersichtlich wird.

Dem werden die Gründe des angefochtenen Urteils nicht gerecht. Sie beschränken sich auf eine bruchstückhafte Wiedergabe der Ausführungen der aussagepsychologischen Sachverständigen in der Hauptverhandlung. Daraus ist auch nicht zu entnehmen, zu welchem Gesamtergebnis ihr Gutachten gelangt ist. Der Hinweis des Landgerichts auf die auch nach Ansicht der Sachverständigen bestehende Detailarmut der Aussagen der Zeuginnen D. und J. reicht nicht aus, zumal drei Aussagen von unmittelbaren Zeu-gen des behaupteten jeweiligen Tatgeschehens vorliegen, die in der Gesamt-schau unter Umständen die richterliche Überzeugung von der Richtigkeit des jeweiligen Vorwurfes selbst dann begründen könnten, wenn jede für sich genommen dazu nicht ausreicht.“

Wie gesagt: Häufiger Fehler, auch im OWi-Verfahren, der dann regelmäßig zur Aufgebung führt.