Archiv für den Monat: August 2010

Achtung Marketing, wer es nicht mag… weiterklicken…

Achtung für all diejenigen, die mit Marketing/Werbung im Blog nichts am Hut haben: Bitte nicht weiterlesen 😉

Für alle anderen hier ein Lesetipp auf den StRR 2010, 288 (vgl. auch LexisNexis Strafrecht). Dort beleuchten Rolletschke/Jope das neue „Selbstanzeigerecht“ des BGH im Steuerrecht, also die Folgerungen aus der Entscheidung des 1. Strafsenats v. 20.5.2010 – 1 StR 577/09.

Steht hier für einen Monat im kostenfreien Bereich und macht vielleicht/hoffentlich Appetit auf mehr.

Teileinstellung, aber dennoch Strafschärfung – Hinweis in der HV wesentliche Förmlichkeit? Ja oder nein?

In der Praxis nicht selten ist die Konstellation, dass Taten nach § 154a StPO eingestellt werden. So auch in dem der Entscheidung des BGH v. 29.06.2010 – 1 StR 157/10 zugrundeliegenden Verfahren. Es ging um Diebstahl, die zugleich auch verwirklichten Sachbeschädigungen werden nach § 154a StPO eingestellt, dann aber dennoch im Urteil strafschärfend berücksichtigt. Der Angeklagte macht geltend, dass er darauf nach dem HV-Protokoll in der HV nicht hingewiesen worden sei. Der BGH führt zum Nachweis des in der HV erteilten Hinweises aus:

„Die Rüge bliebe aber auch sonst erfolglos. Aus dem Protokoll der Hauptverhandlung ergibt sich zu dem Hinweis nichts, im Urteil heißt es, der Vorsitzende habe den Hinweis erteilt. Die Revision ist im Kern darauf gestützt, ein solcher Hinweis sei als wesentliche Verfahrensförmlichkeit gemäß § 274 StPO nur durch das Hauptverhandlungsprotokoll beweisbar (so ohne nähere Begründung auch OLG München NJW 2010, 1826, 1827; OLG Hamm NStZ-RR 2003, 368; Beulke in Löwe/Rosenberg StPO 26. Aufl. § 154 Rdn. 59), nicht aber durch die Urteilsgründe (BGH NJW 1976, 977, 978; Meyer-Goßner StPO 53. Aufl. § 274 Rdn. 3 m.w.N.). Der Senat teilt diese Auffassung nicht. Ein nach Maßgabe des Einzelfalls erforderlicher (vgl. BGH NStZ 2004, 277, 278 m.w.N.) Hinweis auf die beabsichtigte Verwertung von gemäß §§ 154, 154a StPO ausgeschiedenem Verfahrensstoff bei der Beweiswürdigung oder Strafzumessung ist keine wesentliche Verfahrensförmlichkeit. Er betrifft die Tatsachengrundlage des Urteils. Bei einem anderweit erforderlichen Hinweis auf wesentliche Änderungen in tatsächlicher Hinsicht (§ 265 StPO) handelt es sich regelmäßig nicht um eine wesentliche Verfahrensförmlichkeit (vgl. zusammenfassend Stuckenberg in KMR § 265 StPO Rdn. 57, 61 ff. m.w.N.). Für den hier in Rede stehenden, ebenfalls Tatsachen betreffenden Hinweis kann nichts anderes gelten (vgl. Rieß NStZ 1987, 134, 135 <Anm. zu BGH aaO 134>; Schimansky MDR 1986, 283; im Ergebnis ebenso Pelchen JR 1986, 166, 167). Auch wenn die Aufnahme eines solchen Hinweises in das – zur Dokumentation von Verfahrensgeschehen eher als das Urteil geeignete – Hauptverhandlungsprotokoll dennoch zweckmäßig ist (vgl. Schimansky aaO 284), ist dieses also nicht das einzig zulässige Beweismittel. Angesichts der Urteilsgründe ist auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens nicht zweifelhaft, dass der Hinweis hier erteilt wurde.“

Na ja :-). Im Übrigen: Obiter dictum, da die Verfahrensrüge schon unzulässig war, da der Verteidiger widersprüchlichen Sachvortrag geliefert hatte.

Das Handyverbot wird nicht kippen

Der Schadenfixblog stellt gestern die Frage: Handy am Steuer – das wird teuer..? Oder kippt das Handyverbot bald? und berichtet u.a. über die Entscheidung des AG Gummersbach v. 08.07.2009 – 85 OWi 196/09 über die wir hier auch schon berichtet hatten. M.E. liegt die Antwort auf die Frage auf der Hand. Das Handyverbot wird m.E. nicht kippen.

Das BVerfG hat vor einiger Zeit bereits schon mal eine Verfassungsbeschwerde gegen eine Verurteilung wegen Verstoßes gegen § 23 Abs. 1a StVO entschieden und kein Wort zur Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift gesagt.
Zudem hat sich auch das OLG Stuttgart im Beschl. v. 16.08.2008 – 1 Ss 187/08 mit der Frage auseinandergesetzt (vgl. NJW 2008, 3369 = DAR 2008, 654 = VA 2008, 208 = VRR 2008, 471 = NZV 2009, 95) und ausgeführt, dass die Ungleichbehandlung von erlaubten und unerlaubten Tätigkeiten eine hinzunehmende gesetzgeberische Entscheidung ist.

Im Übrigen habe ich bei dem Beschluss des AG Gummersbach eher den Eindruck, dass sich das BVerfG nicht ganz ernst genommen fühlen und das Handyverbot nicht kippen wird. Eine Missbrauchsgebühr gegen Richtervorlagen gibt es aber nicht :-).

Verteidigungsminister zu Guttenberg muss nicht noch mal „in die Bütt“ – Keine Vernehmungsgegenüberstellung im PUA Kunduz

Der BGH meldet gerade mit einer PM seinen Beschl. v. 17.08.2010 – 3 ARs 23/10 zur Frage der Vernehmungsgegenüberstellung des Bundesverteidigungsministers im Kunduz-Untersuchungsausschuss mit den Zeugen General a. D. Schneiderhan und Staatssekretär a. D. Dr. Wichert. Das hatte die Ausschussmehrheit abgelehnt.

Nach dem Beschluss des BGH betrifft die Vernehmungsgegenüberstellung eines Zeugen mit anderen Zeugen im Untersuchungsausschussverfahren allein die Art und Weise der Beweisaufnahme. Über die Frage, ob sie für den Untersuchungszweck geboten und durchzuführen ist, entscheide nach den Regelungen des PUAG der Untersuchungsausschuss abschließend mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Auch eine qualifizierte Minderheit von einem Viertel der Ausschussmitglieder habe danach keinen Anspruch darauf, eine Gegenüberstellung gegen den Willen der Mehrheit durchsetzen zu können. Das PUAG räume ihr auch nicht das Recht ein, die ablehnende Entscheidung der Mehrheit gerichtlich überprüfen zu lassen. Hiergegen bestehen unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten keine Bedenken.

Man darf gespannt sein, ob die Opposition das schluckt oder ob sie nach Karlsruhe zieht.

Königlich bayerisches Amtsgericht at its best, wirklich?

Und nochmal aus meiner Fundgrube. Es berichtet der Kollege, der auch mit dem befangenen LOStA und der „Sperrberufung“ zu tun hatte. Wenn man den nachfolgenden Prozessbericht liest, weiß man wirklich nicht, ob man lachen oder weinen soll.

„...das Forum soll ja nicht ausschließlich ein Ort sein, den man nur dann aufsucht, wenn man selbst nicht mehr weiter weiß. Deshalb möchte ich gerne über meine jüngsten Erlebnisse an einem auswärtigen Amtsgericht berichten.
Mdt. wird fahrlässige Trunkenheit im Verkehr (0,96 o/oo + angebl. Ausfallerscheinungen) vorgeworfen. Tatort, Wohnort des Mdt. und Ergreifungsort befinden sich in der Stadt X. Die Stadt X hat ein eigenes Amtsgericht, welches dem Mdt. über § 111 a StPO vorläufig die Fahrerlaubnis entzieht.
Die StA Y beantragt einen Strafbefehl, allerdings nicht beim AG X, sondern beim AG Y.
Mdt. lässt durch einen Kollegen Einspruch einlegen. Mdt. wundert sich, weshalb die Sache beim AG Y und nicht beim AG X liegt. Der Kollege meint hierzu, er könne das auch nicht nachvollziehen, aber die Justiz wisse schon, was sie tue.
Ich habe am selben Tag, an dem ich die Sache übernommen habe, per Telefax Verfahrenseinstellung wegen örtlicher Unzuständigkeit beantragt, inkl. Kostenentscheidung. Dies war 5 Tage vor dem HV-Termin, abzüglich Wochenende drei volle Arbeitstage.
Anruf am Montag bei Gericht, ob der Termin abgesetzt wird. Antwort: Nein, weil der Richter nicht da wäre, das sei er Montags nie.
Also am Dienstag 70 km einfache Fahrt zum AG Y. Die HV verläuft wie folgt:
Beginn 9.00 Uhr.
Es erscheint ein gebeugtes Männlein mit einer Gesichts- und Nasenfarbe, die Rückschlüsse auf einen gewissen Alkoholkonsum zulässt.
Vors.: Name? Geburtsdatum? Beruf? Was verdienen Sie?
Vert.: Zu den wirtschaftlichen Verhältnissen macht der Angekl. jetzt noch keine Angaben.
Vors.: Haben Sie Unterhaltsverpflichtungen?
Vert.: siehe oben. Ich denke, wir brauchen das heute sowieso nicht.
Vors.: Warum nicht?
Vert.: Kennen Sie meinen Schriftsatz nicht? Ich rüge die örtliche Zuständigkeit dieses Gerichts.
Vors.: Sie haben nur geschrieben, dass Sie die Verfahrenseinstellung beantragen.
Vert.: Der Schriftsatz hat drei Seiten.
Vors.: Ach so. Hmmm, ja das war ein Versehen der StA. Und ich habe es übersehen. Frau StA?
StA.: Kann ich den Strafbefehlsantrag noch zurücknehmen?
Vors.: Das weiß ich jetzt nicht.
Vors. schlägt Kommentar auf; StA schlägt Kommentar auf; Vert. tut nichts, da er die Antwort kennt.
Vors.: Ach Frau StA, schauen Sie das doch mal nach. Ich muss mal dringend telefonieren.
9.05 Uhr: Vors. verlässt ohne weiteres Wort den Sitzungssaal.
9:20 Uhr: Vors. kehrt zurück.
Vors.: Frau StA, haben Sie was gefunden?
StA: Ja, im Kommentar bei § … Rn …
Vert.: Es steht direkt im Gesetz. § 411 III 2 mit 303 StPO.
Vors.: Ach so! Frau StA?
StA: Ich nehme den Strafbefehl zurück.
Vors.: Herr Verteidiger, stimmen Sie zu?
Vert.: Nein.
Vors.: Gut, dann ergeht Beschluss: Das Verfahren wird gem. § 206 a StPO eingestellt.
Vert.: Ich hätte zwei Fragen. Warum kein Urteil?
Vors.: Wieso Urteil?
Vert.: Wir sind in der HV, da gilt § 206 a nicht, sondern § 260 III StPO.
Vors.: Wo steht das?
Vert.: Im Gesetz.
Vors.: Ach so!
Vert.: Und im Kommentar bei M-G 16/4.
Vors. (liest nach): Da steht aA Gössel, dem schließe ich mich an. Ihre zweite Frage?
Vert.: Was ist mit der Kostenentscheidung?
Vors.: Gibt es keine.
Vert.: Warum nicht?
Vors.: Das ist nicht vorgesehen.
Vert.: Doch.
Vors.: Wo steht das?
Vert.: Im Gesetz. § 464 StPO.
Vors.: Ich mache trotzdem keine.
Vert.: Ich bitte zu protokollieren, dass ich das Unterbleiben einer Kostenentscheidung rüge.
Vors.: Dafür gibt es keine Grundlage.
Vert.: Darüber wird das nächsthöhere Gericht befinden. Ich bitte um Protokollierung meines Kostenantrags: Kosten des Verfahrens § 467 I StPO. Notwendige Auslagen des Angekl. trägt die Staatskasse, da es sich um einen offensichtlichen Fehler von StA und Gericht handelt, und die örtliche Unzuständigkeit spätestens vor 5 Tagen durch meinen Schriftsatz bekannt ist. Im Übrigen ist es unbillig, den Angeklagten mit den Kosten einer HV zu belasten, wo der Vorsitzende die meiste Zeit abwesend ist, um zu telefonieren.
Vors.: Herr Rechtsanwalt, ich musste ein dringendes dienstliches Telefonat führen. Dafür frage ich nicht nach Ihrer Erlaubnis.
Vert.: Das brauchen Sie auch nicht. Aber der Angekl. muss das nicht bezahlen.
Vors.: Frau StA?
StA.: Ich gebe keine Stellungnahme ab.
Vors.: Dann ist die Sache hier erledigt.
Denkste! Ich habe schriftlich sofortige Beschwerde nach § 464 III StPO eingelegt.
Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Königlich bayerisches Amtsgericht at its best
.“

Habe ich zu viel versprochen? Ich denke, es geht wohl nicht nur in Bayern so zu. Und selbst auf die Gefahr, dass ich damit Kommentare hervorrufe: Ich bin schon ein wenig fassungslos 🙂