Archiv für den Monat: Mai 2010

Ich breche eine Lanze für den Revisionsverteidiger, oder: Manchmal sind 100 Seiten noch zu wenig

Der Kollege Nebgen hatte gestern in seinem Blog über einen ZAP-Beitrag von Egon Schneider zu „100 Seiten Revision“ berichtet. Zur Länge von Schriftsätzen ist dann hier kritisch Stellung genommen worden. Die Stellungnahme gipfelt darin, dass es heißt:

Sicher gibt es Fälle, wo auch 100 Seiten eigentlich kurz und knapp sind; z.B. wenn es in einem Bauprozess um 200 Positionen geht. Geht es aber nur um ein Ding: nämlich z.B.: ist dem Verurteilten im Prozess ordnungsgemäß ein Mord nachgewiesen worden? dann sind 100 Seiten einfach zu viel. ….Böse gesagt: im zitierten Beispiel reicht schon die Angabe der Länge des Schriftsatzes aus, um zur Auffassung zu kommen, dass der Bescheid des BGH den Nagel auf den Kopf trifft.“

Der Kollege Nebgen hat sich darauf noch einmal gemeldet und die Rechtsprechung des BGH beklagt, die zu diesen langen Revisionsbegründungen führt.

Ich kann dem nur zustimmen und damit eine Lanze für den Revisionsverteidiger brechen. Wenn man die Rechtsprechung des BGH zu § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO – und leider auch die der OLG – sieht/kennt, dann hat man als Revisionsverteidiger gar keine andere Möglichkeit, als wirklich alles, aber auch alles vorzutragen, was mit dem geltend gemachten Verfahrensverstoß in Zusammenhang steht und möglicherweise von Bedeutung sein kann, wenn man nicht Gefahr laufen will, dass die Rüge unzulässig ist/wird (vgl. dazu auch hier). Das ist nicht nur bei sog. Negativtatsachen der Fall, sondern z.B. auch, wenn es um Verfahrensverzögerung geht, wenn es um einen Verstoß gegen § 81a Abs. 2 StPO geht usw., usw. Da sind schnell ganze Bücher zusammengeschrieben und auch schnell, da ja auch alle Beschlüsse und sonstige Verfahrenstatsachen vorgetragen werden müssen, 100 Seiten erreicht und manchmal auch übertroffen.

Im Zivilrecht mag es richtig sein, dass „10 oder eher noch 5 Seiten, gefüllt mit knackigen Argumenten“ – wie der Kollege in seinem Blog meint – genügen mögen. Im Strafverfahren zwingt eben die Rechtsprechung der Revisionsgerichte , „ganze Romane“ vorzutragen. Wenn ein Bauprozess mit einem Mordverfahren verglichen wird, vergleicht man Birnen mit Äpfeln. Die Aussage

„Geht es aber nur um ein Ding: nämlich z.B.: ist dem Verurteilten im Prozess ordnungsgemäß ein Mord nachgewiesen worden? dann sind 100 Seiten einfach zu viel.“

ist m.E. in ihrer Allgemeinheit falsch.

Sorry, aber ich habe ja nun selbst 15 Jahre lang mit Revisionen gekämpft :-). Manchmal sind 100 Seiten sogar noch zu wenig. Das Einzige was den Verteidiger „beruhigen“ sollte: Der Revisionsrichter muss es alles lesen :-).

BGH sorgt für weitere Belebung der Hauptverhandlung :-): § 238 Abs. 2 StPO mal wieder ausgeweitet

Für die Praxis interessant/bedeutsam ist die Entscheidung des BGH v. 09.03.2010 – 4 StR 606/09, die zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen ist. Der BGH hat hier einen weiteren Fall angenommen, in dem an § 238 Abs. 2 StPO zu denken ist, wenn später die Revision nicht aus formellen Gründen scheitern soll. Im Leitsatz heißt es:

Die in die Hauptverhandlung eingeführte Bewertung des Vorsitzenden einer Strafkammer, eine Zeugin sei nicht mit dem Angeklagten verlobt, kann vom Angeklagten nur dann zur Grundlage einer Verfahrensrüge gemacht werden, wenn er eine Entscheidung des Gerichts gemäß § 238 Abs. 2 StPO herbeigeführt hat.“

Also nicht vergessen: Immer „schön“ beanstanden. Die Instanzgerichte freut dieses belebende Element in der Hauptverhandlung.

Manchmal versteht man es nicht,…

…wie sorglos doch von Verteidigern mit der Formenstrenge der Revision um gegangen wird.  Anders kann man den Beschl. des BGH v. 14.04.2010 – 2 StR 42/10 – nicht kommentieren, in dem es heißt:

„Es genügt den Anforderungen an einen ordnungsgemäßen Revisionsvortrag (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) nicht, wenn Aktenbestandteile und Ausschnitte aus dem Hauptverhandlungsprotokoll – wie es in der Revisionsschrift heißt – „der Einfachheit halber in chronologischer Reihenfolge und nicht nach Rügen – getrennt überreicht werden“. Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, sich aus einem Aktenkonvolut denkbare Verfahrensfehler selbst herauszusuchen und den dazu möglicherweise passenden Verfahrenstatsachen zuzuordnen.“

Hat der Verteidiger denn wirklich geglaubt, der BGH würde sich schon das zusammenklauben, was er für die jeweilige Rüge braucht? Und dass ggf. in Kenntnis des Umstandes, wie die Rechtsprechung mit § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO umgeht.

Nachtrag: Vgl. dazu aber auch die Diskussion hier.

Karlsruhe „rettet“ Griechenland

Das BVerfG hat Griechenland gerettet. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Milliardenhilfe ist heute abgelehnt worden. Damit ist der Weg für die Zahlung frei, vgl. dazu die PM des BVerfG, vgl. aber auch hier oder hier.

Bischof Mixa entlassen – man darf gespannt sein, wie es weitergeht

Der Papst hat also heute das „Rücktrittsgesuch“ von Bischof Mixa Augsburg angenommen, vgl. dazu hier und aber auch hier. Man darf gespannt sein, wie es weitergeht und was sich von den (neuen) Vorwürfen bewahrheitet. Jedenfalls bleibt die „Geschichte“ sicherlich in den Nachrichten. Die neuen Vorwürfe dürften wohl auch noch nicht verjährt sein.

Nachtrag: Inzwischen, na ja schon vor diesem Beitrag, wird hier die Frage der Fluchtgefahr bzw. die Möglichkeit eines Haftbefehls diskutiert. Darüber wird man sicherlich ggf. nachdenken können, aber doch wohl erst dann, wenn man weiß, was eigentlich genau vorgeworfen wird. Im Moment befindet sich das Verfahren wegen der neuen Vorwürfe noch im Stadium der Vorermittlungen, also in der Phase der Entscheidungsfindung. Da gibt es (noch) keinen Haftbefehl, weil der für dessen Erlass erforderliche dringende Tatverdacht nicht bejaht werden kann. Fraglich ist ja schon der bloße Anfangverdacht. Man darf wirklich gespannt sein, wie es weitergeht.