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Pflichti II: Zulässigkeit der rückwirkenden Bestellung, oder: Wenn die StA „toter Mann spielt.“

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Und dann der Klassiker zum neuen Recht, nämlich zur Frage der Zulässigkeit der rückwirkenden Bestellung. Es handelt sich um drei Beschlüsse, nämlich den LG Leipzig, Beschl. v. 02.08.2023 – 5 Qs 41/23, den AG Aurich, Beschl. v. 04.07.2023 – 6 Gs 1305/23 und den AG Amberg, Beschl. v. 21.07.2023 – 6b Gs 1771/23. Alle drei sind m.E. falsch.

Der AG Aurich, Beschl. v. 04.07.2023 – 6 Gs 1305/23 – und der AG Amberg, Beschl. v. 21.07.2023 – 6b Gs 1771/23 – geben die übliche – falsche – Begründung in diesen Fällen: Das haben wir immer schon so gemacht und das neue Recht zwingt uns nicht, unsere – falsche – Auffassung zu ändern. Muss man leider mit leben.

Kleiner Hinweis an das AG Aurich. Der Satz: „Auch ist kein umfangreiches Tätigwerden des Verteidigers ersichtlich, was eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte.“ erschließt sich nicht. Und er macht es auch nicht besser. Denn er ist ebenso falsch. Denn die Frage der Zulässigkeit einer rückwirkenden Beiordnung hat ja nun nichts mit dem Umfang der anwaltlichen Tätigkeit zu tun.

Und zum AG Amberg, Beschl. v. 21.07.2023 – 6b Gs 1771/23 – insoweit läuft die Beschwerde – ist anzumerken: Mich wundert, dass man an seinen eigenen Meinung festhält, obwohl das für den Bezirk zuständige OLg die Frage anders entschieden hat. Aber vielleicht liegt es auch daran, dass das OLG in einer gerade vom AG entschiedenen Frage, nämlich im AG Amberg, Beschl. v. 12.10.2022 – 6 Gs 398/21, mit „Pauken und Trompeten“ anders entschieden hat, nämlich im OLG Nürnberg, Beschl. v. 18.07.2023 – Ws 133/23. Im Übrigen leuchtet mir nicht ein, warum die StA den Beiordnungsantrag nicht sofort nach Eingang dem AG vorlegt. In der StPO – zumindest in meiner – heißt es „unverzüglich“.

Der LG Leipzig, Beschl. v. 02.08.2023 – 5 Qs 41/23 – hat folgenden in der Praxis häufigen Sachverhalt: Dem Beschuldigten wird Diebstahl vorgeworfen. Sein Verteidiger legitimiert sich am 26.11.2022 unter Angabe der polizeilichen Tagebuchnummer gegenüber der bis dahin noch nicht mit der Sache befassten StA und beantragte seine Beiordnung als Pflichtverteidiger. Zur Begründung verwies er darauf, dass sich der Beschuldigte – zu der Zeit in einem anderweitig geführten Verfahren in Untersuchungshaft befand.

Eine Reaktion der StA erfolgte nicht. Im April 2023 legte die Polizei schließlich der StA die Akten vor, die „Zuordnung“ des Verteidigerschriftsatzes vom 26.11.2022 zur Verfahrensakte erfolgte Anfang Juni 2023. In der Folge übersandte der sachbearbeitende Staatsanwalt dem AG die Akten mit der Anregung, eine Pflichtverteidigerbestellung abzulehnen, da der Beschuldigte in der anderen Sache am 06.12.2022 aus der Haft entlassen worden war.

Das AG macht es jedoch richtig und gibt dem Antrag des Beschuldigten statt und ordnete ihm einen Pflichtverteidiger bei. Zum Zeitpunkt der Antragstellung hätten unstreitig die Voraussetzungen des § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO vorgelegen. Auch hätte die Akte unverzüglich dem Gericht zur Entscheidung über den Beiordnungsantrag vorgelegt werden müssen.

Dagegen dann die sofortige Beschwerde der bis dahin untätigen Staatsanwaltschaft; man ist offenbar wach geworden. Und das Rechtsmittel hat dann aber beim LG Erfolg:

„Zum Zeitpunkt des Beschlusserlasses am 03.07.2023 lag ein Fall einer notwendigen Verteidigung gem. § 140 Abs. 1 und Abs. 2 StPO nicht (mehr) vor…..

…..

Auch die von dem Amtsgericht Torgau angestellte Erwägung, dass der Beiordnungsantrag des Verteidigers vom 26.11.2022 nicht rechtzeitig bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO dem Amtsgericht vorgelegt worden wäre, rechtfertigt eine (rückwirkende) Beiordnung nicht. Zwar ist gemäß § 141 Abs. 1 S. 1 StPO ein Pflichtverteidiger unverzüglich zu bestellen, wenn der Beschuldigte dies beantragt hat und die Voraussetzungen einer notwendigen Verteidigung gem. § 140 StPO vorliegen. Wie sich auch § 140 Abs. 2 Nr. 3 StPO jedoch ergibt, ist der unbestimmte Rechtsbegriff der „Unverzüglichkeit“ nicht nach Maßgabe eines bestimmten Zeitablaufs zu bemessen. Ein Verstoß gegen die Unverzüglichkeit, ein schuldhafttes Zögern, ist nur dann gegeben, wenn die Ermittlungsbehörden (Staatsanwaltschaft und Polizei) einen Beiordnungsantrag pflichtwidrig übergehen und das Verfahren weiterbetreiben, insbesondere weitere Ermittlungshandlungen mit Außenwirkung und Beweiserhebungen zum Nachteil des Beschuldigten vornehmen bzw. anstrengen (vgl. BT-Drucksache 19/13829, S. 38 zu § 141 Abs. 2 Satz 2 StPO: „… Mit der Richtlinienvorgabe zur unverzüglichen Verteidigerbeiordnung in den Fällen der Haft ist diese Ausnahme vereinbar, da eine vorwerfbare Verzögerung der Verteidigerbestellung solange nicht vorliegt, wie weder Vernehmungen noch sonstige Ermittlungsmaßnahmen mit Außenwirkung vorgenommen werden sollen…“). Entsprechendes ist vorliegend auch nicht passiert. Zum Zeitpunkt der Antragsstellung am 26.11.2022 war das Verfahren bei der Staatsanwaltschaft Leipzig noch gar nicht eingegangen bzw. erfasst, was zu diesem Zeitpunkt auch dem Verteidiger, der lediglich die polizeiliche Tagebuchnr. in seinem, am Tattag verfassten Schriftsatz vom 26.11.2022 angab, bekannt gewesen sein dürfte. Als erste Amtshandlung veranlasste der sachbearbeitende Staatsanwalt am 07.06.2023 die Beinahme des Schriftsatzes des Verteidigers vom 26.11.2022 zur Sachakte, zog nachfolgend eine Auskunft der Staatsanwaltschaft Passau bei und legte unmittelbar nach deren Eingang am 20.06.2023 das Verfahren dem Amtsgericht Torgau – Ermittlungsrichter – zur Entscheidung über den Beiordnungsantrag vor. Unter Missachtung des Beiordnungsantrages wurden keine weiteren staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen veranlasst. Im Übrigen ergibt sich aus der Ermittlungsakte, dass zwar die Verfahrensakte durch die Polizei erst am 17.04.2023 an die Staatsanwaltschaft Leipzig gesandt, aber nach dem 26.11.2022 auch von dort aus keine weiteren Ermittlungen durchgeführt wurden. Von daher fanden keinerlei Ermittlungshandlungen zum Nachteil des Beschuldigten unter Verletzung seiner Verteidigerrechte statt, weshalb es zu einer schuldhaft verspäteten Vorlage des Antrages vom 26.11.2022 nicht gekommen ist.

Im Übrigen folgt auch aus einer anderen Erwägung, dass vorliegend eine rückwirkende Beiordnung nur als systemwidrig anzusehen ist, weshalb die Rechtsauffassung des Amtsgerichts Torgau nicht durchgreift. Gemäß § 143 Abs. 2 S.1 StPO kann nämlich eine erfolgte Beiordnung aufgehoben werden, wenn ein Fall einer notwendigen Verteidigung nicht mehr vorliegt. Gemäß § 143 Abs. 2 S. 2 StPO gilt dies im Falle des § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO insbesondere dann, wenn der Beschuldigte mindestens 2 Wochen vor der Hauptverhandlung aus der Haft entlassen worden ist. Es wäre demzufolge vorliegend völlig widersinnig, wenn zunächst eine rückwirkende Beiordnung angeordnet werden würde, dann aber umgehend wieder auf Antrag der Staatsanwaltschaft aufgehoben werden müsste, da der Beschuldigte sich bereits seit mehreren Monaten wieder auf freiem Fuß befindet und ein Strafverfahren noch gar nicht angestrengt ist. In der Regelung des § 143 Abs. 2 StPO spiegelt sich nämlich der Rechtsgedanke wieder, dass eine Beiordnung allein dem öffentlichen Zweck dient, die ordnungsgemäße Verteidigung in einem noch ausstehenden (zukünftigen) (Straf-)Verfahren zu gewährleisten, jedoch nicht dem Kosteninteresse des Beschuldigten (BGH-Beschluss vom 20.07.2009, Az. 1 StR 344/08, NStZ-RR 2009, 348). An dieser Beurteilung hat auch die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/1919 vom 26. Oktober 2016 (über Prozesskostenhilfe für Verdächtige und beschuldigte Personen in Strafverfahren sowie für gesuchte Personen in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls, nachfolgend als PKH-Richtlinie bezeichnet), die durch das Gesetz zur Neuregelung der notwendigen Verteidigung vom 10. Dezember 2019 in nationales Recht umgesetzt wurde, nichts geändert (OLG Dresden, Beschl. v. 24.02.2023, Az. 2 Ws 33/23; ständige Rspr. der Kammer: Beschl. v. 08.05.2023, Az. 5 Qs 27/23; Beschl. v. 01.06.2023, Az. 5 Qs 32/23 u. Beschl. v. 10.07.2023, Az. 5 Qs 36/23).

§ 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO sieht bei einem inhaftierten Beschuldigten eine notwendige Verteidigung vor, da der sich nicht auf freiem Fuß befindliche Beschuldigte ersichtlich in seiner Verteidigung eingeschränkt ist. Deshalb ist nicht ansatzweise ersichtlich, warum der nunmehr seit längerer Zeit aus der Haft entlassene Beschuldigte noch eines bestellten Verteidigers bedarf, obwohl der die eigene Verteidigungsfähigkeit einschränkende Umstand in Wegfall geraten ist. Eine Pflichtverteidigerbeiordnung quasi als Sanktionierung der Strafverfolgungsbehörde für eine verspätete Vorlage eines Beiordnungsantrages ist gesetzlich nicht vorgesehen und war es auch bisher nicht. Werden Beweise unter Verletzung bzw. Missachtung strafprozessualer Rechte eines Beschuldigten erhoben, ist in einem späteren Strafverfahren (soweit ein solches überhaupt angestrengt wird) zu klären, ob und inwieweit derartige Beweismittel in eine strafrechtliche Hauptverhandlung eingebracht und verwertet werden können.“

Wie gesagt: Auch falsch. Der Beschluss wird nicht dadurch richtig, dass man mit „widersinnig“ und „nicht ansatzweise“ argmentiert und alte Rechtsprechung des BGH anführt.

Im Übrigen kann ich die  Behauptung des LG, es sei nicht zu einer schuldhaften Verzögerung der Verbescheidung des Beiordnungsantrags gekommen, nicht nachvollziehen. Die Staatsanwalt hat nach Eingang des Beiordnungsantrags mehrere Monate verstreichen lassen, ohne irgendwie auf den Antrag zu reagieren. Eine derartige Verzögerung ist m.E. nicht hinnehmbar; die Staatsanwaltschaft hätte sich bei der Polizei nach dem Verfahrensstand erkundigen können und auch müssen. Stattdessen hat sie „toter Mann gespielt“. Genau das wollte der Gesetzgeber aber mit der Einführung der „unverzüglichen Entscheidung aber verhindern. Allerdings: Ebenfalls nicht nachvollziebar ist für mich, dass der Verteidiger nicht mal an seinen noch offenen Antrag erinnert hat.

Darüber hinaus ist auch der Hinweis des LG auf die Begründung zur Reform des Rechts der notwendigen Vertedigung im Jahr 2019 verfehlt, denn die zitierte Passage bezieht sich ausschließlich auf den Fall des § 141 Abs. 2 Satz 3 StPO, wonach eine an sich von Amts wegen gebotene Bestellung unterbleiben kann, wenn beabsichtigt ist, das Verfahren alsbald einzustellen und keine anderen Untersuchungshandlungen als die Einholung von Registerauskünften oder die Beiziehung von Urteilen oder Akten vorgenommen werden sollen. Diese Vorschrift betrifft jedoch nur Beiordnungen von Amts wegen, wohingegen Beiordnungsanträge des Beschuldigten gerade nicht erfasst sind. Kann man alles beim Kollegen Hillenbrand in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 9. Aufl. 2022, Rn 3677 m.w.N. nachlesen.

Und: Auch die mögliche Aufhebung der Bestellung rechtfertigt die Untätigkeit der StA nicht. Denn es handelt es sich nicht um eine zwingende Rücknahme, da in solchen Fällen sorgfältig geprüft werden muss, ob der Rücknahme nicht Vertrauensschutzgesichtspunkte entgegenstehen bzw. ob die Mitwirkung eines Pflichtverteidigers wegen der früheren Inhaftierung des Beschuldigten weiterhin erforderlich ist. Zum anderen entbindet die Möglichkeit einer späteren (!) Rücknahme die Ermittlungsbehörden ja wohl nicht von ihrer Pflicht zur Befolgung des vom Gesetzgeber in § 141 Abs. 1 Satz 1 StPO ausdrücklich normierten Unverzüglichkeitsgebots. Das scheint man aber in Leipzig anders zu sehen. Ohne weitere Worte.

Aber: Zumindest die Kostenentscheidung ist – aus Sicht des LG – richtig. Immerhin.

AG III: Datenübermittlung aus Personalausweisregister, oder: Beweisverwertungsverbot?

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Und zum Tagesschluss dann noch eine Entscheidung aus dem Bußgeldverfahren, nämlich das AG Frankfurt am Main, Urt. v. 11.04.2023 – 994 OWi – 359 Js 13613/23.

Es geht um einen Abstandsverstoß im September 2022 auf der BAB A 3. Die Betroffene hatte ihre Fahrzeugführereigenschaft in Zusammenhang mit einem Entbindungsantrag eingeräumt. Die Richtigkeit der Abstandsmessung ist vom Verteidiger nicht in Zweifel gezogen. Er hatte sich jedoch darauf berufen, dass im Vorfeld der Ermittlungen Fehler passiert seien. Aufgrund eines Verstoßes gegen § 22 Abs. 3, 3 PaßG beziehungs-eise § 24 Abs. 2 und Abs. 3 PAuswG liege ein Verfahrenshindernis vor, sodass das Verfahren eingestellt oder die Betroffene freizusprechen sei. Die Betroffene hätte vor Anforderung eines Passbildes als Betroffene im Verfahren angehört werden müssen.

Das hat das AG anders gesehen:

„Sofern sich der Verteidiger darauf beruft, dass das Verfahren aufgrund eines Verfahrensfehlers wegen Verstoßes gegen § 24 Abs. 2 und Abs. 3 des PAuswG an einem derart schwerwiegenden Verfahrensmangel leidet, dass dies zur Einstellung beziehungsweise hier zum Freispruch hätte führen müssen, kann dem nicht entsprochen werden.

Nach § 24 Abs. 2 Satz 1 Nummer 1 PAuswG dürfen Behörden auf deren Ersuchen Daten aus dem Personalausweisregister übermitteln, wenn die ersuchende Behörde aufgrund von Gesetz oder Rechtsverordnung berechtigt ist, solche Daten zu erhalten. Dies sind etwa Strafverfolgungsbehörden und Verwaltungsbehörden im Ordnungswidrigkeitsverfahren auf Basis der vom §§ 161,163b StPO; 35, 46 Abs. 1 OWiG erhaltenen Ermächtigungsgrundlagen.

In der Hauptverhandlung verlesen worden ist Blatt 31 der Akte, der polizeiliche Vermerk des PK pp. vom 21.11.2022, wonach die Halteranschrift des zunächst im Verfahren als Betroffener geführten Herrn pp. angefahren wurde, um eine Betroffenenermittlung durchzuführen. Laut Bericht ist bei dem zuvor geführten Betroffenen pp. geklingelt worden und dieser habe die Tür aufgemacht. Nach erneuter Belehrung und Verweis auf sein Zeugnisverweigerungsrecht habe er hiervon Gebrauch gemacht. Im Anschluss habe Unterzeichner, pp., gefragt, ob er denn alleine wohne. Er gab ab, dass er mit seiner Frau, Frau pp. zusammenwohne, welche derzeit nicht zu Hause sei. Daraufhin habe die Streife das Haus verlassen.

Anhand eines angeforderten Lichtbildes des Personalausweises von Frau pp. sei diese sodann an mit Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als Fahrzeugführerin identifiziert worden.

Die Polizeibehörde durch PK pp. hat daher im Rahmen der allgemeinen Ermächtigungsgrundlangen zur Ermittlung des Sachverhalts betreffend des Ordnungswidrigkeitenverfahrens gehandelt, wobei hierdurch die formellen Voraussetzungen des § 24 PAuswG eingehalten worden sind.

Auch im Übrigen sind keine Fehler bei der Anforderung des Bildes aus dem Personalausweis der Betroffenen erfolgt.

Es mag sein, dass in der Praxis teilweise standardmäßig Lichtbilder angefordert werden, ohne dass zunächst andere Ermittlungen durchgeführt werden. Vorliegend war jedoch die Polizeibehörde bereits bei dem zuvor als Betroffeneneigenschaft geführten Herrn pp. vor Ort und hat vor Ort Ermittlungen hinsichtlich der Betroffenen angestellt. Hierbei war aufgrund des Fahrerfotos, Blatt 7 der Akte, ersichtlich, dass es sich um eine weibliche Person handeln muss. Aufgrund der Angaben des Herrn pp., dass er mit einer Frau pp.  zusammenwohne, lag der Verdacht nahe, dass es sich hierbei um die mögliche Betroffene handeln könnte. Hiernach hat die Polizei bereits die vermutete Betroffene zum Zwecke der Identifizierung aufgesucht, diese aber nicht angetroffen im konkreten Zeitpunkt.

Dies ist vorliegend als ausreichende Ermittlungshandlung anzusehen, um es zu rechtfertigen, von der Betroffenen ein Lichtbild aus dem Personalausweis anzufordern.

Sollte dies anders gesehen werden, handelt es sich hierbei jedenfalls nicht um einen derart unerträglichen Verstoß, dass dieser zu einem Beweisverwertungsverbot führen könnte, Vgl. Hornung, PaßG-PAuswG 1 Aufl. 2011, § 22 Randnummer 12 m.w.n. Willkür ist nicht ersichtlich.“

Na ja. Vorab: Das OLG Frankfurt am Main hat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen, das aber mit keinem Wort begründet. Nun ja, kann man machen, aber: Es gibt ja abweichende Rechtsprechung zu der Frage. Dazu hätte man ja mal ein Wort verlieren können. Und: Wie ist es denn, wenn der Zeuge von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, er dann aber weiter befragt wird und er dann Angaben macht? Verwertbar? Schwierig? Jedenfalls hätte man auch dazu mal ein Wort verlieren können. Aber hat man nicht……

Pflichti III: Und nochmals rückwirkende Bestellung, oder: Einmal richtig, zweimal falsch

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Und dann – wie gewohnt – zum Schluss noch etwas zum „Dauerbrenner“ Zulässigkeit  der rückwirkende Bestellung des Pflichtverteidigers. Die Porblematik ist nicht erledigt.

Ich habe dann zunächst den positiven und richtigen AG Koblenz, Beschl. v. 10.07.2023 – 30 Gs 5496/23. Das macht es so, wie die m.e. inzwischen wohl überwiegende Meinung: Eine rückwirkende Pflichtverteidigerbestellung ist danach dann zulässig, wenn der Antrag auf Pflichtverteidigerbeiordnung rechtzeitig vor Abschluss des Verfahrens gestellt wurde, die Vor-aussetzungen des § 140 StPO vorliegen und die Entscheidung über die Beiordnung nicht unverzüglich erfolgte, sondern wegen justizinterner Vorgänge unterblieben ist, auf die der (ehemalige) Beschuldigte keinen Einfluss hatte.

Also die Entscheidung bitte merken 🙂 .

Vergessen sollte man hingegen den OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 21.07.2023 – 5a Ws 1/21 – und den LG Berlin, Beschl. v. 20.06.2023 – 534 Qs 97/23. Beide lehnen die Möglichkeit einer rückwirkenden Bestellung ab. Die Argumente sind bekannt.

Nun, m.E. sind sie falsch. Vor allem auch, weil diese Rechtsprechung des zögerliche Handeln von StA und/oder Gerichten nachträglich „absegnet“. Der Sachverhalt zu OLG Frankfurt am Main ist ein „schönes“ Beispiel. Die „Erinnerung“ des Kollegen stammte aus Juni 2021. Allerdings sollte man dann nicht mehr lange warten und immer wieder erinnern. Vielleicht hilft es ja 🙂 . Obwohl ich beim OLG Frankfurt am Main wenig Hoffnung habe.

Dem LG berlin empfehle ich, vielleicht in dem Textbaustein doch mal die Rechtsprechung auszutauschen. Wenn man nach einer Gesetzesänderung im Jahr 2019 noch mit Rechtsprechung aus 1989 argumentiert, macht sich das m.E. nicht so gut. Zumal es ja auch genügend Entscheidungen gibt, die die falsche Auffassung stützen könnten.

Pflichti III: Zulässigkeit der rückwirkenden Bestellung, oder: Der „Kampf“ geht weiter

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Und im dritten Posting dann, wie könnte es sein, noch zwei Entscheidungen zur Frage der Zulässigkeit der rückwirkenden Bestellung, dem Dauerbrenner im (neuen) Recht der Pflichtverteidigung.

Hier dann der mal wieder sehr schön begründete LG Gießen, Beschl. v. 26.06.2023 – 1 Qs 12/23, den ich mal wieder voll einstelle, weil er die Argumente für die Zulässigkeit noch einmal sehr schön zusammenstellt:

„Die zulässige, insbesondere statthafte (§ 142 Abs. 7 StPO), sofortige Beschwerde ist begründet.

Zum Zeitpunkt der Entscheidung über die sofortige Beschwerde lag zwar kein Fall der notwendigen Verteidigung (§ 68 JGG i.V.m. § 140 StPO) mehr vor, weil das Verfahren gegen den Beschuldigten zwischenzeitlich gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde. Über einen Antrag auf Beiordnung ist jedoch gemäß § 141 Abs. 1 StPO (i.V.m. § 2 Abs. 2 JGG) unverzüglich, d.h. so bald wie möglich ohne schuldhaftes Zögern, also ohne sachlich nicht begründete Verzögerung zu entscheiden (vgl. Meyer-Goßner/Sch-mitt, StPO, 66. Auflage 2023, § 141 Rn. 7; Ostendorf, Jugendgerichtsgesetz, JGG, 11. Auflage 2021, § 68a Rn. 3). Gemäß § 142 Abs. 1 StPO legt die Staatsanwaltschaft den Antrag eines Beschuldigten unverzüglich dem Gericht zur Entscheidung vor.

Insofern ist innerhalb der Rechtsprechung jedoch umstritten, ob eine Bestellung auch noch rückwirkend etwa nach Ende des Verfahrens erfolgen kann, wenn trotz rechtzeitiger Antragstellung durch justizinterne Vorgänge eine solche unterblieben ist (vgl. u.a. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, a.a.O. § 142 Rn. 19; MüKoStPO/Kämpfer/Travers, 2. Aufl. 2023, StPO § 142 Rn. 14; BeckOK StPO/Krawczyk, 47. Ed. 1.4.2023, StPO § 142 Rn. 30; Eisenberg/Kölbel, a.a.O. § 68a Rn. 15). Das praktische Interesse der Beschuldigten liegt in diesen Fällen vielfach darin, dass mit der nachträglichen Bestellung, d.h. mit dem rückwirkenden Übergang von der Wahl- zur Pflichtverteidigung, eine Befreiung von den Verteidigerkosten einhergehen kann. Insofern wird — zumindest in Jugendstrafverfahren im Hinblick auf den Grundgedanken des § 2 Abs. 1 JGG und dem folgend der Kostenbefreiung sowie dem Anliegen, erhebliche finanzielle Belastungen wegen ihrer spezialpräventiv abträglichen Implikationen zu vermeiden — vielfach vertreten, eine Bestellung sei auch noch rückwirkend nach Abschluss des vorzunehmen (vgl. Eisenberg/Kölbel, a.a.O. § 68a Rn. 15; LG Neubrandenburg, BeckRS 2016, 20411; BeckOK StPO/Krawczyk. a.a.O. § 142 Rn. 30; LG Bonn, BeckRS 2010, 6327; AG Kempten, BeckRS 2019, 23506). Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass das Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Jugendstrafverfahren vom 09.12.2019 eine Stärkung des Rechts beschuldigter Personen auf Verteidigung im Strafverfahren zur Folge hat.

Von der obergerichtlichen Rechtsprechung wurde eine rückwirkende Bestellung nach Verfahrensabschluss bislang überwiegend abgelehnt, da eine Beiordnung weder dem Kosteninteresse des Verteidigers noch des Beschuldigten dienen solle, sondern lediglich dem ordnungsgemäßen Verfahrensablauf (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, a.a.O. § 142 Rn. 19; MüKoStPO/Kämpfer/Travers, a.a.O. § 142 Rn. 14; BeckOK StPO/Krawczyk, a.a.O. § 142 Rn. 30; OLG Brandenburg, NStZ 2020, 625; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 23. März 2022 —1 Ws 28/22 (S) juris; BGH, NStZ-RR 2009, 348; OLG Bremen, NStZ 2021, 253).

Die Kammer folgt jedoch der Auffassung, dass es ausnahmsweise möglich und geboten ist, rückwirkend auf den Zeitpunkt der Antragstellung einen Pflichtverteidiger zu bestellen, wenn die Voraussetzungen der notwendigen Verteidigung (§ 140 StPO bzw. § 68 JGG) vorliegen, der Beiordnungsantrag noch vor (rechtskräftigem) Abschluss des Verfahrens gestellt wurde und der Antrag vor Verfahrensabschluss aus justizinternen Gründen nicht verbeschieden wurde (vgl. u.a. OLG Stuttgart, Beschluss vom 15. Dezember 2022 — 4 Ws 529/22 —, juris; OLG Bamberg, Beschluss vom 29. April 2021 —1 Ws 260/21 —, juris; OLG Nürnberg, Beschluss vom 6. November 2020 — Ws 962/20 juris; LG Düsseldorf, BeckRS 2021, 36883; LG Köln NStZ 2021, 639; LG Wuppertal BeckRS 2021, 32474; LG Bremen, Beschluss vom 17. August 2020 — 3 Qs 221/20 juris; LG Hechingen, BeckRS 2020, 14359; LG Magdeburg, BeckRS 2020, 2477; LG Saarbrücken, Beschluss vom 26.02.2004 — 4 Qs 10/04 1, juris Ls.; a.A. u.a.: OLG Frankfurt, Beschluss vom 23. Februar 2023 — 7 Ws 30/23 —, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 24. Oktober 2012 —111-3 Ws 215/12 —, juris; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 16. September 2020 — 2 Ws 112/20 —, juris; OLG Braunschweig, Beschluss vom 2. März 2021 — 1 Ws 12/21 —, juris; KG Berlin, Beschluss vom 5. November 2020 — 5 Ws 217/19 —, juris). Andernfalls besteht die Gefahr, dass eine an sich gebotene Pflichtverteidigerbestellung wegen verzögerter Sachbearbeitung vermieden wird und eine effektive Verteidigung wegen der ungeklärten Kostenfrage unterbleibt (vgl. BeckOK StPO/Krawczyk, a.a.O. § 142 Rn. 30 m.w.N.).

Die Voraussetzungen des Ausnahmefalls sind vorliegend erfüllt. Der Antrag auf Beiordnung wurde auf die Übersendung einer schriftlichen Anhörung an den Beschuldigten bereits am 21.06.2022 gestellt. Die Voraussetzungen für eine notwendige Verteidigung nach § 68 JGG lagen vor. Im Falle der Anwendung von Jugendstrafrecht hätte im Falle einer Verurteilung im Hinblick auf die Einbeziehung der früheren Verurteilung durch das Landgericht die Bildung einer Einheitsjugendstrafe (§ 31 Abs. 2 JGG) gedroht, sodass ein Fall der notwendigen Verteidigung gemäß § 68 Nr. 5 JGG vorgelegen hätte (vgl. BeckOK JGG/Noak, 29. Ed. 1.5.2023, JGG § 68 Rn. 27 m.w.N.). Insoweit kann es auch bereits dahinstehen, ob ein Fall der notwendigen Verteidigung gemäß § 140 Abs. 2 StPO (i.V.m. § 68 Nr. 1 JGG) begründet war (vgl. Meyer-Goß-ner/Schmitt, a.a.O., § 140 Rn. 23c), weil der Beschuldigte für den Fall einer neuerlichen Verurteilung — soweit es nicht zu einer Einbeziehung gekommen wäre — mit dem Widerruf der Bewährung aus dem Urteil des Landgerichts Gießen (1 KLs 605 Js 3922/21) — Verurteilung zu einer Einheitsjugendstrafe von 2 Jahren auf Bewährung — hätte rechnen müssen. Schließlich ist die Entscheidung allein aufgrund justizinterner Vorgänge unterblieben, auf die der Beschuldigte keinen Einfluss hatte.

Eine Entscheidung über den Antrag auf Beiordnung vom 21.06.2021 hätte zeitnah nach dessen Eingang ergehen müssen. Gemäß § 141 Abs. 1 StPO wird in den Fällen der notwendigen Verteidigung dem Beschuldigten, dem der Tatvorwurf eröffnet worden ist und der noch keinen Verteidiger hat, unverzüglich ein Pflichtverteidiger bestellt, wenn der Beschuldigte dies nach Belehrung ausdrücklich beantragt. Der Anhörungs-bogen wurde dem Beschuldigten mit Datum vom 10.06.2022 übersandt. Eine Entscheidung über den Antrag ist aufgrund justizinterner Vorgänge bis zur Einstellung des Verfahrens gemäß § 170 Abs. 2 StPO am 13.12.2022 unterblieben. Das Schreiben des Verteidigers ging zunächst am 21.06.2022 beim Polizeipräsidium Mittelhessen eingegangen. Das Verfahren wurde mit Abverfügung vom 18.08.2022 an die Staatsanwaltschaft Gießen abgegeben und ging dort am 23.08.2022 ein. Erst mit Verfügung vom 28.02.2023 wurde die Sache — nach zwischenzeitlicher Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO und Erinnerung des Verteidigers an seinen Antrag — an das Amtsgericht Gießen mit dem Antrag, den Verteidiger als Pflichtverteidiger zu bestellen abgegeben. Von einer zeitnahen Entscheidung kann daher nicht mehr die Rede sein.“

Und aus den zutreffenden Argumenten des LG Gießen ist die Auffassung des LG Frankfaurt am Main, das im LG Frankfurt am Main, Beschl. v. 12.06.2023 – 5/27 Qs 22/23 – eine rückwirkende Bestellung abgelehnt hat, falsch. Wir schenken uns daher Näheres zu dem Beschluss.

U-Haft II: Zusätzliche Beschränkungen in der U-Haft, oder: Das geht nicht „standardmäßig“

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Und als zweite Entscheidung zu Haftfragen dann hier der LG Stuttgart, Beschl. v. 18.04.2023 – 9 Qs 22/23. Das ist einer der Beschlüsse, bei dem man nach dem Lesen weiß, dass das AG „nicht glücklich“ damit ist/sein wird.

Es geht um die Anordnung Haftbeschränkungen nach § 119 Abs. 1 StPO in einem Verfahren wegen vorsätzlichen Handeltreibens mit einer Schusswaffe u.a. Das AG hatte neben der U-Haft wegen Fluchtgefahr zusätzlich angeordnet, dass Besuche sowie die Telekommunikation des Beschuldigten der Erlaubnis bedürfen und zu überwachen sind. Auch sei der Schrift- und Paketverkehr zu überwachen. In den Beschlussgründen wurdeausgeführt, dass die Anordnungen „wegen des Vorliegens der Haftgründe erforderlich und zumutbar seien. Zudem entsprächen die Anordnungen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Insbesondere bestehe die Gefahr, dass der Beschuldigte Fluchtversuche unternimmt, da er schon vor der Festnahme untergetaucht gewesen sei.

Dagegen die Beschwerde, die beim LG Erfolg hatte:

„Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Die Voraussetzungen für den Erlass beschränkender Anordnungen nach § 119 Abs. 1 StPO liegen nicht vor.

1. Nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Stuttgart, der die Strafkammer folgt, sind Haftbeschränkungen nach § 119 Abs. 1 StPO nur zulässig, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte eine reale Gefahr für die gesetzlichen Haftzwecke besteht, die nicht anders als durch die in Rede stehenden Beschränkungen abgewehrt werden können (OLG Stuttgart, Beschluss vom 8. Februar 2022 — 1 Ws 21/22, juris Rn. 8). Nach dem Willen des Gesetzgebers soll aus grundrechtlichen Erwägungen jede Beschränkung auf ihre konkrete Erforderlichkeit geprüft und begründet werden, eine standardmäßige Beschränkung der Rechte des Untersuchungsgefangenen ist nicht zulässig (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25. Januar 2021 — 3 Ws 7-9/21). Bei der Anwendung des § 119 Abs. 1 StPO ist insbesondere dem Umstand Rechnung zu tragen, dass ein Untersuchungsgefangener noch nicht rechtskräftig verurteilt ist und deshalb nur unvermeidlichen Einschränkungen seiner Grundrechte unterworfen werden darf (BVerfG, Beschluss vom 30. Oktober 2014 — 2 BvR 1513/14, juris Rn. 18).

Hieraus folgt insbesondere, dass beschränkende Anordnungen nach § 119 Abs. 1 StPO nur dann zulässig sind, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte eine reale Gefahr für die gesetzlichen Haftzwecke besteht; die bloße Möglichkeit, dass ein Untersuchungsgefangener seine Freiheiten missbrauchen könnte, genügt hingegen nicht (OLG Stuttgart a.a.O.; OLG Düsseldorf a.a.O.; OLG Bremen, Beschluss vom 10. Mai 2022 —1 Ws 30/22).

2. Von diesen Maßstäben ausgehend hält der angefochtene Beschluss der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Konkrete Anhaltspunkte für eine reale Gefahr für die gesetzlichen Haftzwecke werden in der Entscheidung des Amtsgerichts nicht dargelegt und sind auch nicht ersichtlich. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass der Angeklagte, sei es aus der Justizvollzugsanstalt heraus oder mithilfe von auf freiem Fuß befindlichen dritten Personen, Fluchtvorbereitungen getroffen hätte.

a) Dabei hat die Strafkammer nicht übersehen, dass sich der Beschuldigte einem vor dem Amts-gericht Ellwangen geführten Strafverfahren durch Flucht entzogen hatte und erst nach mehreren Monaten und umfangreichen Fahndungsmaßnahmen festgenommen werden konnte. Dieser Umstand rechtfertigt die Anordnung von Haftbeschränkungen jedoch nicht, wenn es, wie vorliegend, an konkreten Anhaltspunkten für aktuelle Fluchtplanungen fehlt. Denn in solchen Fällen wird der Gefahr der Flucht eines Beschuldigten bereits durch dessen Inhaftierung hinreichend begegnet, zumal ein Entweichen aus der Untersuchungshaft anderer Planungen bedarf als das Untertauchen eines Beschuldigten, der sich auf freiem Fuß befindet (OLG Stuttgart a.a.O., juris Rn. 11).

b) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Beschuldigte strafrechtlich nicht unerheblich vorbelastet ist und nach polizeilichen Erkenntnissen der rechten Szene angehört.

Zwar kann zur Feststellung einer Gefahr, die die Anordnung von haftgrundbezogenen Beschränkungen rechtfertigen kann, auch auf tatsachengestützte allgemeine Erfahrungssätze zurückgegriffen werden (OLG Bremen, Beschluss vom 7. September 2022 — 1 Ws 97/22). Ein Erfahrungssatz dahingehend, dass ein Beschuldigter, der sich vor seiner Inhaftierung der Festnahme durch Flucht zu entziehen versuchte, auch aus der Haft heraus Fluchtvorbereitungen trifft, besteht jedoch nicht (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O.). Auch folgt eine konkrete Fluchtgefahr nicht allei-ne aus der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Szene.

c) Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Vollzug der Untersuchungshaft für den Be-schuldigten schon allein aus Gründen der Sicherheit und Ordnung in der Vollzugsanstalt nach den einschlägigen justizvollzugsrechtlichen Vorschriften des Landes Baden-Württemberg mit di-versen Beschränkungen verbunden ist, ohne dass es hierfür gesonderter Anordnungen nach § 119 Abs. 1 StPO bedarf. So ermächtigen etwa die §§ 13, 14, 17, 19, 20 und 21 JVollzGB II die zuständige Justizvollzugsanstalt zu umfangreichen Überwachungsmaßnahmen im Zusammen-hang mit den Verkehr mit der Außenwelt und die §§ 43 bis 53 JVollzGB II rechtfertigen Maßnah-men zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt.“