Schlagwort-Archive: Zeugnisverweigerungsrecht

Die (unehrenhafte) Antwort, die zur Ehre gereicht

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Die mit einem Zeugnisverweigerungsrecht/Auskunftverweigerungsrecht zusammenhängenden Fragen spielen auch im Zivilverfahren eine Rolle und erlangen vor allem dann Bedeutung, wenn Strafverfahren anhängig sind/waren. Anders als im Strafverfahren nach § 55 StPO kann im Zivilverfahren der Zeuge das Zeugnis auch verweigern, wenn ihm die Beantwortung der Frage zur Unehre gereichen würde (384 Nr. 2, 1. Alt. ZPO). Und darum haben beim OLG Düsseldorf nach einem Strafverfahren die Parteien des beim OLG anhängigen Zivilschadensersatzverfahrens und ein Zeuge gestritten. Das OLG sagt dazu im OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.03.2014 – I 14 W 18/14: Ein Zeugnisverweigerungsrecht kann in den Fällen, in denen zu Gunsten des Zeugen ein Strafverfolgungshindernis besteht, nicht mit drohendem Ehrverlust dadurch begründet werden, dass der Zeuge sich bei wahrheitsgemäßer Beantwortung der Beweisfragen selbst einer Straftat bezichtigen müsste.

Ok, aber das reicht dann auch, oder muss ich nachlegen und ausführen:

„Unehre meint eine nicht zumutbare Herabsetzung des Ansehens, wobei es auf das Bewusstsein der Rechtsgemeinschaft, nicht aber auf das einer Gruppe ankommt, allerdings unter Berücksichtigung der örtlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse im Umfeld des Zeugen (Musilak, ZPO, 10. Aufl. 2013, Rdnr. 5). Der Zeuge ppp. versucht den ihm angeblich drohenden Ehrverlust damit zu begründen, dass er sich bei wahrheitsgemäßer Beantwortung der Beweisfragen selbst einer Straftat bezichtigen müsste. Dies kann als Begründung für einen angeblich drohenden Ehrverlust insbesondere in Fällen, in denen wie hier zu seinen Gunsten ein Strafverfolgungshindernis besteht, jedoch nicht ausreichen. Gerade in den Fällen, in denen von der Zeugenaussage erhebliche vermögensrechtliche Ansprüche gegen einen strafrechtlich verurteilten Schädiger abhängen, ist dem Zeugen bei verjährten eigenen Straftaten eine Selbstbezichtigung aus Gründen der Schadenswiedergutmachung zuzumuten. Es würde ihm im Ansehen der Rechtsgemeinschaft im Gegenteil zur Ehre gereichen, wenn er sich zur Wahrheit bekennt und nicht durch die Berufung auf sein Zeugnisverweigerungsrecht die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen torpediert.“

Schön nicht?

Das abgehörte Anbahnungsgespräch – eine Entscheidung mit Folgen

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Es  ist ja auch schon an anderen Stellen/in anderen Blogs über den BGH, Beschl. v. 18.02.2014 – StB 8/13 – berichtet worden, in dem es um die Löschung eines aufgezeichneten Anbahnungsgesprächs eine Verteidigers im Hinblick auf die §§ 53 Abs. 1 Satz 1 Nr., 160a Abs. 1 Satz 2 und 5 StPO ging. Auf den will ich heute hier auch hinweisen, nachdem ich ihn jetzt ein paar Mal gelesen habe. Eine – wie ich meine – wichtige Entscheidung für die Verteidigung. Aus der umfangreiche Begründung des BGH, aus der ich hier jetzt nicht zitieren will, lässt ich m.E. Folgendes schlussfolgern:  

  • Das Zeugnisverweigerungsrecht des § 53 Abs. 1 Nr. 2 StPO umfasst auch die Inhalte von Anbahnungsgesprächen zwischen Verteidiger und Mandant. Werden bei einer Ermittlungsmaßnahme Erkenntnisse aus derartigen Anbahnungsgesprächen gewonnen, unterfallen sie dem absoluten Verwendungsverbot des § 160a Abs. 1 StPO. Das bedeutet: Auch wenn § 148 StPO in der Entscheidung nicht erwähnt wird, sollte diese Klarstellung des BGH zukünftig bei der Entscheidung der strittigen Frage berücksichtigt werden, ob ein Anspruch auf unüberwachten Verkehr auch für Anbahnungsgespräche besteht.
  • Zweitens klärt der BGH durch die Entscheidung, dass Erkenntnisse, die sich auf Gespräche zwischen Verteidiger und Mandant beziehen, unverzüglich – wie § 160a Abs. 1 S. 3 StPO dies fordert – zu löschen sind. Ein Zurückstellen der Löschung kommt auch dann nicht in Betracht, um auf diese Weise eine gerichtliche Überprüfung der Maßnahme zu ermöglichen.

Alles in allem: Eine m.E. wichtige Entscheidung. Hängt auch schon bei den entsprechenden Stichwörtern in meinen Aktenordnern für das Handbuch Ermittlungsverfahren.

Die Bewertungsplattform im Internet – hat deren Mitarbeiter ein Zeugnisverweigerungsrecht?

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Eine für die Praxis sicherlich immer bedeutsamer werdende Frage hat der  LG Duisburg, Beschl. v. 06.11.2012 32 Qs 49/12 – zum Gegenstand. Nämlich die Frage, ob dem Mitarbeiter einer Internetbewertungsplattform kein Zeugnisverweigerungsrecht hinsichtlich des Urhebers einer Bewertung auf der Plattform zusteht. Es ging um den Mitarbeiter eines Internetdienstes, welcher Nutzern die Möglichkeit eröffnet, Kliniken zu bewerten. Aufgabe des Mitarbeiters war es, Bewertungsbeiträge stichprobenartig und anlassbezogen auf die Einhaltung der vom Internetdienst aufgestellten Bewertungsregeln zu prüfen. In einem wegen übler Nachrede geführten Ermittlungsverfahren gegen einen Nutzer des Internetdienstes hat sich der Mitarbeiter geweigert, nähere Angaben zum Urheber der Bewertung zu machen, welche Anlass für die Einleitung des Ermittlungsverfahrens geboten hatte. Das AG setzte daraufhin gegen den Mitarbeiter ein Ordnungsgeld fest. Dagegen hat der sich mit der Beschwerde gewandt, mit der beim LG Duisburg keinen Erfolg hatte. Dieses hat ein Zeugnisverweigerungsrecht verneint.

Insbesondere steht ihm kein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO zu.

Hiernach sind zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt Personen, die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von Druckwerken, Rundfunksendungen, Filmberichten oder der Unterrichtung oder Meinungsbildung dienenden Informations- und Kommunikationsdiensten berufsmäßig mitwirken oder mitgewirkt haben. § 53 Abs. 1 Satz 2 StPO ordnet dazu weiter an, dass sich das Zeugnisverweigerungsrecht bezieht auf die Person des Verfassers oder Einsenders von Beiträgen und Unterlagen oder des sonstigen Informanten sowie auf Mitteilungen, welche der Zeuge im Hinblick auf seine Tätigkeit erhalten hat, und auf den Inhalt selbst erarbeiteter Materialien und auf berufsbezogene Wahrnehmungen. § 53 Abs. 1 Satz 3 StPO stellt dabei klar, dass das Zeugnisverweigerungsrecht nur gilt, soweit es sich um Beiträge, Unterlagen, Mitteilungen für den redaktionellen Teil oder redaktionell aufbereitete Informations- und Kommunikationsdienste handelt.

Zwar wirkt der Zeuge berufsmäßig bei einem der Unterrichtung oder Meinungsbildung dienenden Informationsdienst mit. Zwar geht es um die Person des Verfassers eines Beitrages. Es handelt sich indes nicht um einen Beitrag zum redaktionellen Teil des Informationsdienstes, weshalb ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Satz 3 StPO ausgeschlossen ist.

Die vom Beschwerdeführer herangezogene Parallele zu Leserbriefen verfängt nicht. Es ist allgemein anerkannt, dass Leserbriefe zum redaktionellen Teil einer Zeitung gehören (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Auflage, § 53 Rdnr. 40; KG, Beschluss vom 17.03.1983 – ER 9/83, NJW 1984, 1133; LG Oldenburg, Beschluss vom 22.09.2010 – 3 Qs 263/10, NStZ 2011, 655) und ihre Verfasser nicht namhaft gemacht werden müssen. Denn auch die in solchen Leserbriefen dargestellten Meinungen und Tatsachen tragen zur Funktion der Presse bei, die öffentliche Gewalt zu kontrollieren und an der öffentlichen Meinungsbildung mitzuwirken (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28.11.1973 – 2 BvL 42/71BVerfGE 36, 193, 204). Hintergrund hierfür ist jedoch, dass Leserbriefe immer nur nach redaktioneller Prüfung veröffentlicht werden. Entscheidend ist, dass eine Informationsverarbeitung durch den jeweiligen Pressedienst erfolgt und sich die Tätigkeit bis zur Veröffentlichung nicht in der bloßen Einstellung eines fremden Textes erschöpft (vgl. Senge, in: Karlsruher Kommentar, 6. Auflage 2008, § 53 Rdnr. 34). So liegt der Fall aber hier.

 

 

Der Cousin des Angeklagten – hat kein Zeugnisverweigerungsrecht

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Der Angeklagte wird wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Der Vorsitzende der Schwurgerichtskammer hatte einen an der Tat beteiligten und deswegen rechtskräftig abgeurteilten Cousin des Angeklagten als Zeugen geladen und ihn in der Hauptverhandlung wegen seines Verwandtschaftsverhältnisses zum Angeklagten gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 StPO belehrt. Der Zeuge sagte zunächst zur Sache aus, auf „nochmalige Belehrung gemäß § 52 StPO“ erklärte er aber, dass er von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch mache. Die Kammer hat das hingenommen. Die Revision des Angeklagten hatte Erfolg. Dazu der BGH, Beschl. v. 27. 11. 2012 – 5 StR 554/12:

Durch die Zubilligung eines Zeugnisverweigerungsrechts nach § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO hat das Landgericht § 245 Abs. 1 StPO verletzt, wonach die Beweisaufnahme auf alle vom Gericht vorgeladenen und erschienenen Zeugen zu erstrecken ist. Der Cousin des Angeklagten durfte als lediglich im vierten Grad mit dem Angeklagten Verwandter (§ 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO, § 1589 BGB) das Zeugnis nicht verweigern.

Der Senat kann nicht sicher ausschließen, dass das Urteil auf diesem Rechtsfehler beruht (zum Maßstab vgl. BGH, Urteil vom 31. Januar 1996 – 2 StR 596/95, NJW 1996, 1685 mwN). Im Urteil ist die Aussage des Zeugen, die er bis zu seiner Zeugnisverweigerung getätigt hat, weder mitgeteilt noch beweisrechtlich gewürdigt worden. Wiedergegeben ist lediglich die Aus-sage eines an den Gewalthandlungen unbeteiligten Zeugen, der danach mit einer weiteren Person den Angeklagten und dessen Cousin vom Opfer getrennt und weggebracht hat (UA S. 11). Das deutet darauf hin, dass der Cousin des Angeklagten zumindest das Kerngeschehen wahrgenommen, wenn nicht sogar sich selbst daran beteiligt hat. Auch in seiner von der Revision mitgeteilten Beschuldigtenvernehmung schildert der Zeuge das Tatvorgeschehen, Provokationen und die nachfolgenden Gewalthandlungen. Mit Blick auf die mögliche Bedeutung seiner Zeugenaussage kann deshalb ein Beruhen des Urteils auf seiner partiell unterbliebenen Zeugenaussage trotz an sich rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung nicht ausgeschlossen werden.

Da hat man sich in der Kammer bei der Ermittlung des Verwandtschaftsgrades wohl verzählt. Am besten macht man sich da ein „Tableau“. Das gibt es übrigens u.a. in Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 7. Aufl., 2013 (das war jetzt Werbung :-)).

Ein Elternteil beschuldigt, ein Elternteil geschädigt – wer entscheidet über die Aussage des Kindes?

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Sowohl für Verteidiger als auch für Nebenklägervertreter kann die Frage entscheidend sein, wer bei einem minderjährigen Zeugen über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts entscheidet, wenn einer der gesetzlichen Vertreter selbst Beschuldigter und der andere Geschädigter ist. Gilt § 52 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechend und es ist ein Ergänzungspfleger zu bestellen, oder kann der geschädigte Elternteil entscheiden? Die damit zusammenhängenden Fragen sind in der Literatur ziemlich umstritten. Mit der „quasi-familienrechtlichen“ Problematik setzt sich nun der OLG Karlsruhe, Beschl. v. 26.03.2012 – 2 WF 42/12 – auseinander. Das OLG lehnt eine analoge Anwendung des § 52 Abs. 2 Satz 2 StPO ab:

„Über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts kann der gesetzliche Vertreter eines minderjährigen Zeu­gen gemäß § 52 Abs. 2 Satz 2 StPO nur dann nicht entscheiden, wenn er selbst – oder im Falle der gemeinsamen Vertretung durch beide Eltern der andere Elternteil – Beschuldigter des Ermittlungs- oder Strafverfahrens ist. Die Regelung in § 52 Abs. 2 Satz 2 StPO ist nicht analog auf den Fall anzuwenden, in denen der gesetzliche Vertreter nicht Beschuldigter in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ist, sondern Geschädigter der fraglichen Straftat.“