Schlagwort-Archive: Zeuge

Wochenspiegel für die 13. KW, oder wir blicken mal wieder über den Tellerrand

Wir berichten – jetzt immer Sonntags – was aus der vergangenen Woche berichtenswert ist:

  1. Gutes Ergebnis beim Jugendrichter.
  2. Über die Öffentlichkeitsarbeit der Strafverfolger.
  3. Über unverbrauchte Zeugen.
  4. Über Einspruchsrücknahme nur mit Vollmachtsurkunde?
  5. Über PoliscanSpeed, oder auch hier.
  6. Über ein Autorennen.
  7. Über das schwer verständliche Verhalten einer RSV.
  8. Über die Haftung von Eilrichtern.

Die Alles-und-immer-Zeugin

Die „Westfälischen Nachrichten“ berichten heute über eine „Alles-und-immer-Zeugin“ des Ordnungsamtes Münster. „Frau K.“ kommt häufig zum Einsatz :-). Nun, über die eigentlichen Verstöße wird sie (hoffentlich) nichts sagen, alles andere ist eine Frage der Beweiswürdigung. Und da weiß man ja, wie das geht 🙂 :-(.

Der allseits beliebte (?) und „als besonders zuverlässig bekannte“ Messbeamte

Wer kennt ihn als Verkehrsrechtler nicht: Den dem Amtsrichter als „besonders zuverlässig bekannten Messbeamten“. Der ist jetzt auch dem OLG Stuttgart „bekannt“ geworden. Im amtsgerichtlichen Urteil hatte es u.a. geheißen:

„Der Zeuge …, der dem Gericht aus anderen Verfahren als äußerst erfahrener und gewissenhafter Messbeamter der Verkehrspolizei bekannt ist, bezeugte glaubhaft, dass der Betroffene in einer Entfernung von 366,1 m mit 140 km/h gemessen wurde. Der Zielerfassungsbereich sei dabei frei gewesen, der Betroffene habe sich alleine auf der Straße befunden.“

Das OLG hat dazu in seinem Beschl. v. 12.04.2010 – 4 Ss 62/10 ausgeführt:

Die bloße Behauptung, ein/e Zeuge/in sei als besonders zuverlässig bekannt, ist   – zumindest in dieser pauschalen Form –  nicht zulässig. Um die Zuverlässigkeit des Beamten (vgl. die Formulierung „gewissenhaft“) tatsächlich beurteilen zu können, hätte sich das Gericht zuvor in einer Reihe von Fällen, z. B. in unangekündigten Stichproben, tatsächlich von seiner Vorgehensweise und seinem Verhalten bei Messungen in Kenntnis setzen müssen. Diese „Überprüfungen“ müssten dann im Urteil zumindest kurz dargelegt werden, um den daraus gezogenen Schluss für das Rechtsbeschwerdegericht nachvollziehbar bzw. überprüfbar werden zu lassen. Vermutlich beruht diese des Öfteren in Urteilen zu findende Formulierung aber allein darauf, dass das Gericht den betreffenden Zeugen (den Messbeamten) in mehreren Hauptverhandlungen gehört und seinen Angaben jeweils Glauben geschenkt hat. Dies kann richtig oder auch unrichtig gewesen sein. Ein weiter gehender Schluss auf eine personale Eigenschaft des betreffenden Zeugen, seine allgemeine Zuverlässigkeit, kann daraus nicht gezogen werden.“

In der Sache hat der Beweiswürdigungsfehler dem Betroffenen allerdings nichts gebracht,

weil das Gericht nachfolgend noch ausreichende  – weitere –  Feststellungen zur Frage der Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen gemacht hat. Dabei hat das Gericht erkennen lassen, dass es dem Zeugen keinen „Vertrauensvorschuss“ eingeräumt hat, sondern seine Angaben anhand von Realitätskriterien (z.B. Plausibilität der Erinnerung, ausgefallene Details, Komplikationen, Einräumen eigener „Fehler“ bzw. Irrtümer) auf die Glaubhaftigkeit überprüft hat (vgl. OLG Stuttgart, NJW 2006, 3506 ff.).“

Darauf komme es also an: Kein blinder Vertrauensvorschuß.

Kennt die Amtsrichterin § 30 StPO nicht?

Im Forum von LexisNexis Strafrecht wird gerade folgender Sachverhalt zur Diskussion gestellt, der mich zumindest erstaunt, ich wollte erst schreiben „schlicht fassungslos macht“ (auf die Kommentare wegen dieses Ausdrucks bin ich gespannt):

Mdt kommt – leider erst vorhin – mit Strafbefehl wegen Beleidigungen, die er im Gerichtssaal einer Zeugin im damaligen Strafverfahren gegenüber begangen haben soll. Strafbefehl wird durch die Richterin erlassen, die auch im damaligen Strafverfahren zuständig war. Im Strafbefehl ist diese Richterin auch als eine der Zeugen aufgeführt.

Ist diese Sachlage „nur“ für einen Antrag wegen Besorgnis der Befangenheit von Bedeutung (Mdt. hat bereits mehrfach Erfahrungen mit der Richterin und fühlt sich von ihr sehr negativ behandelt) oder hätte die Richterin wegen ihrer Zeugenstellung den Strafbefehl gar nicht erlassen dürfen und er ist deshalb auch ohne Befangenheitsantrag aufzuheben…“.

Was tun? Also: § 22 Nr. 5 StPO – Ausschluss der Richterin – greift noch nicht ein – formuliert ist mit „… vernommen ist“, aber für einen Befangenheitsantrag reicht es m.E.

Mir ist „unverständlich“, dass die Kollegin nicht von sich aus auf die Idee gekommen ist, sich selbst abzulehnen. Ein Blick ins Gesetz… und schon hätten wir § 30 StPO entdeckt. 🙂

Neues zur geplanten Aussagepflicht von Zeugen bei der Polizei – Bundesregierung nimmt Stellung

Nach dem Gesetzesentwurf aus dem Bundesrat – Gesetz zur Effektivierung des Strafverfahrens, über das auch hier schon berichtet worden ist – sollen Zeugen demnächst – nach einer Ergänzung des § 163a StPO um einen Abs. 5 – verpflichtet sein, auf Ladung vor der Polizei zu erscheinen und zur Sache auszusagen, wenn der Ladung ein Auftrag der Staatsanwaltschaft zugrunde liegt (vgl. dazu den Gesetzesentwurf in der BT-Drucksache 17/2166).

U.A. dazu hat die Bundesregierung jetzt Stellung genommen:

Sie weist zu dieser Erscheinungspflicht von Zeugen vor der Polizei auf einige Bedenken hin. So sei zweifelhaft, ob die vom Bundesrat vorgesehene Voraussetzung für ein Erscheinen und Aussagepflicht eines Zeugen auslösende Ladung die Sachleitungsbefugnis und -pflicht der Staatsanwaltschaft hinreichend wahre. Immerhin etwas. Mal sehen, was daraus wird. Interessant natürlich die Begründung im Gesetzesentwurf für diese Änderung.

Ansonsten stimmt die Bundesregierung den geplanten Änderungen zu:

Das ist einmal die Möglichkeit, dass auch das Revisionsgericht das Verfahren noch gegen Auflagen nach § 153a StPO einstellen kann.

Schließlich soll eine derzeitige Doppelzuständigkeit in den Fällen entfallen, wenn von der Strafvollstreckungskammer zugleich über die Aussetzung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder die Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringungen im einem psychiatrischen Krankenhaus beziehungsweise in der Sicherungsverwahrung zu entscheiden ist; derzeit kommt es hier zu einer parallelen Befassung der mit drei Berufsrichtern besetzen großen Strafvollstreckungskammer und der mit einen Einzelrichter besetzten kleinen Strafvollstreckungskammer.