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Fahrerlaubnisentziehung I, oder: Änderung des Punktestandes nach Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

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Am „Kessel-Buntes-Tag“ heute dann zwei verkehrsverwaltungsrechtliche Entscheidungen.

Bei der ersten, die ich vorstelle, handelt es sich um das OVG Lüneburg, Urt. v. 10.08.2020 – 12 LB 64/20. Gestritten worden ist um eine Fahrerlaubnisentziehung nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem. Bei der Ermittlung des für die Entziehung maßgeblichen Puntestandes ist eine OWi des Klägers berücksichtigt worden, bei der dem Kläger nachträglich gegen die Versäumung der Einspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt worden ist. Der Kläger war der Auffassung, dass die auf dieser „Eintragung“ beruhenden Punkte damit nachträglich weggefallen seien und nicht (mehr) berücksichtigt werden durften. Das OVG hat ihm Recht gegeben.

Hier der Leitsatz der recht umfangreichen Entscheidung, die ich im Übrigen dem Selbststudium überlasse:

Wurde bei der Ermittlung des Punktestandes, der einer Fahrerlaubnisentziehung nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem zu Grunde lag, eine durch rechtskräftigen Bußgeldbescheid geahndete Zuwiderhandlung berücksichtigt, so entfallen die Voraussetzungen für diese Berücksichtigung rückwirkend, wenn dem Fahrerlaubnisinhaber Wiedereinsetzung in die Frist für einen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid gewährt wird.

Bei der Gelegenheit:

Wie immer nach einiger „Laufzeit“ gibt es auch bei dem Buch Burhoff/Grün, Messungen im Straßenverkehr. 5. Aufl., das im November 2019 erschienen ist, sog. Mängelexemplare. Das sind Bücher, in denen alles drin steht :-), die aber optische Mängel haben, also z.B. keinen Schutzumschlag mehr bzw. ggf. eine eingenkickte Seite usw. Die Bücher stammen aus sog. Retouren, also Rücksendungen von Kunden, die es sich nach der Bestellung anders überlegt und das bestellte Buch dann zurückgeschickt haben. Die Bücher können nicht mehr als „1a-Ware“ verkauft werden, aber eben noch als Mängelexemplare. Und eine solche Mängelaktion läuft seit gestern beim ZAP-Verlag. Der Preis dieser Bücher: 78,90 EUR. Wer Interesse hat: Einfach hier die Bestellseite anklicken und bestellen 🙂 .

 

StPO III: Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungshauptverhandlung, oder: Was darf/muss vorgetragen werden?

Und als dritte Entscheidung des Tages dann noch der KG, Beschl. v. 14.02.2019 – 4 Ws 12/19 – 121 AR 18/19. Das KG nimmt Stellung zu zulässigen Vorbringen für eine  Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach versäumter Berufungshauptverhandlung bei im Urteil berücksichtigtem (pauschalem) Entschuldigungsvorbringen.

M.E. reichen die Leitsätze, um zu erkennen, worum es geht und worauf man achten muss:

1. Ein Wiedereinsetzungsantrag nach § 329 Abs. 7 StPO kann nicht in zulässiger Weise auf diejenigen Tatsachen gestützt werden, die das Berufungsgericht bereits in seinem Verwerfungsurteil als zur Entschuldigung nicht genügend gewürdigt hat. Dies gilt jedoch nur dann, wenn der zur Entschuldigung vorgetragene Sachverhalt vom Berufungsgericht im Verwerfungsurteil behandelt worden ist, wenn also das Entschuldigungsvorbringen bereits Gegenstand der gerichtlichen Würdigung – im Sinne einer tatsächlichen inhaltlichen Auseinandersetzung – war.

2. Wiedereinsetzungsvorbringen kann nur dann als bereits „verbraucht“ angesehen werden, wenn dem Berufungsgericht in der Hauptverhandlung ein zumindest seinem wesentlichen Gepräge nach hinreichend konkreter Entschuldigungssachverhalt unterbreitet worden war, anhand dessen es zum Einen seine Verpflichtung zur Amtsaufklärung beurteilen und mit dem es sich zum Anderen in den Urteilsgründen überhaupt „auseinandersetzen“ konnte.

3. Die Frage, ob ein hinzugekommenes Vorbringen lediglich ergänzenden Charakter hat oder neu ist (bzw. dem bisherigen Vortrag ein „anderes Gepräge“ gibt), bedarf stets der Abgrenzung im Einzelfall unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände.

Muss man als Verteidiger im Blick haben. Sonst klappt es ggf. mit der Wiedereinsetzung nicht.

Wiedereinsetzung II: „Bin dann erst mal in der Türkei“, oder: Überwachung des eigenen Verteidigers

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Bei der zweiten Entscheidung, die ich zu Wiedereinsetzungsfragen vorstelle, handelt es sich um den BGH, Beschl. v. 12.07.2017 – 1 StR 240/17. Der verdeutlicht noch einmal die hohen Anforderungen an die Begründung des Wiedereinsetzungsantrages und zugleich auch, wie „fein zisiliert“ die Rechtsprechung dann doch auch zum eigenen Verschulden des Angeklagten ist.

Ergangen ist der Beschluss in einem Verfahren, in dem der Angeklagte, ein türkischer Staatsangehöriger, wegen gewerbsmäßigen Schmuggels verurteilt worden ist. Das Urteill wird am 30.01.2017 in Anwesenheit des Angeklagten verkündet. Im Anschluss daran wird der Angeklagte entsprechend § 35a Satz 1 und 3 StPO belehrt. Die Belehrung wird ihm in Anwesenheit seines Verteidigers durch eine Dolmetscherin in die türkische Sprache übersetzt. Danach wird der bis dahin in U-Haft befindliche Angeklagte auf freien Fuß gesetzt und er verließ ohne weitere Erklärung das Gerichtsgebäude, um am nächsten Tag in die Türkei zurück zu fliegen. Mit seinem Verteidiger hatte er in der Folge zunächst keinen Kontakt mehr.

Erst am 20.02.2017 meldete er sich telefonisch bei seinem Verteidiger, fragte, ob das schriftlich abgefasste Urteil bereits vorliege, und teilte mit, dass er beabsichtige, hiergegen Rechtsmittel einzulegen. Mit Schriftsatz vom 27.02.2017 hat sein Verteidiger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionseinlegungsfrist beantragt und gleichzeitig Revision eingelegt. Im Laufe des Wiedereinsetzungsverfahrens teilt der Verurteilte dann selbst mit, dass er die Belehrung des Vorsitzenden bezüglich der einwöchigen Revisionsfrist und deren Übersetzung in die türkische Sprache überhaupt nicht verstanden habe.

Wiedereinsetzung gibt es nicht. Der BGH sieht den Antrag als unzulässig an. Begründung: Nicht ausreichend dargetan, dass kein eigenes Verschulden vorliegt:

„a) Der Antrag vom 27. Februar 2017 legt keinen Sachverhalt dar, aus dem sich eine seitens des Angeklagten unverschuldete Säumnis ergibt. Er lässt bereits nicht deutlich erkennen, dass der Angeklagte seinen Verteidiger mit der Einlegung eines Rechtsmittels gegen das Urteil beauftragt hatte, was aber für eine unverschuldete Säumnis des Angeklagten erforderlich ist (vgl. BGH, Be-schluss vom 14. Januar 2015 – 1 StR 573/14, NStZ-RR 2015, 145, 146; BeckOK StPO/Cirener aaO § 44 Rn. 24a mwN). Ausweislich des Wiedereinsetzungsgesuchs hatte der Angeklagte einen solchen Auftrag zwar vor dem letzten Termin zur mündlichen Verhandlung für den Fall einer Verurteilung erteilt. Zeitlich danach hat der bis dahin bestreitende Angeklagte aber „nach Vorbereitung durch den Unterzeichner“ (seinem Verteidiger) ein Teilgeständnis in dem Termin zur Hauptverhandlung abgelegt, in dem auch das Urteil verkündet worden ist. Angesichts der gegenüber dem Zeitpunkt der behaupteten Beauftragung erheblich veränderten Sachlage war der Angeklagte gehalten, sich zu vergewissern, dass sein Verteidiger den vor dem Teilgeständnis erteilten Rechtsmittelauftrag auch tatsächlich erfüllen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Sep-tember 2015 – 4 StR 364/15, NStZ 2017, 172 f.). Dazu verhält sich der Antrag nicht. Vielmehr spricht der weitere Vortrag gerade dafür, dass sich der Angeklagte nach der Urteilsverkündung und seiner unmittelbar nachfolgenden Ausreise in die Türkei jedenfalls bis zum 20. Februar 2017 gar nicht mehr um die Revisionseinlegung gekümmert hat.

Auch wenn ein Angeklagter seinen Verteidiger grundsätzlich hinsichtlich der zugesagten Einlegung von Rechtsmitteln und deren Begründung nicht zu überwachen braucht (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2016 – 1 StR 435/15, wistra 2016, 163), bestand wegen der dargelegten Veränderung der Situation hier die Obliegenheit des Angeklagten zu einer Klarstellung gegenüber seinem Verteidiger, gegen das verkündete Urteil Rechtsmittel einzulegen. Dass er dem nachgekommen wäre, ergibt sich aus dem Antrag ebenfalls nicht.

b) Soweit sich der Angeklagte selbst in der genannten E-Mail vom 6. Juli 2017 darauf beruft, die Belehrung des Vorsitzenden bezüglich der einwöchigen Frist zur Einlegung der Revision und deren Übersetzung in die türkische Sprache überhaupt nicht verstanden zu haben, zeigt dies abgesehen von der Nichteinhaltung der Wochenfrist aus § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO ebenfalls keinen Sachverhalt auf, aufgrund dessen der Angeklagte unverschuldet an der Einhaltung der Revisionseinlegungsfrist gehindert gewesen wäre. Ohne nähere Darlegungen dazu, warum er die Übersetzung in seine Muttersprache nicht verstanden habe, ist den in § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO geregelten Begründungsanforderungen nicht genügt (dazu OLG Oldenburg, Beschluss vom 18. Januar 2008 – 1 Ws 41/08, NStZ-RR 2008, 150; siehe auch Maul in KK-StPO aaO § 45 Rn. 7).“

Wiedereinsetzung I: Auf die Zustellung des Hauptverhandlungsprotokolls kommt es nicht an…

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Heute werde ich dann drei Entscheidungen vorstellen, die sich in meinem „Blogordner“ zu Wiedereinsetzungsfragen angesammelt haben. Die erste ist der BGH, Beschl. v. 27.06.2017  – 2 StR 129/17. Es geht um einen Wiederesinsetzungsantrag gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist. Der Angeklagte ist nach der Verkündung Des LG dem Angeklagten eine Rechtsmittelbelehrung erteilt worden, die sich auch zur Frist für die Revisionsbegründung geäußert hat. Der Angeklagte legte durch Schriftsätze seine beiden Verteidiger B. und P. Revision ein. Das Urteil wurde Rechtsanwalt B. am 02.08.2016 und Rechtsanwalt P. am 08.092016 zugestellt. Da eine Revisionsbegründung nicht (fristgemäß) eingegangen ist, hat das LG mit Beschluss vom 31.10.2016, der Rechtsanwalt P. am 08.11.2016 zugestellt wurde, die Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen. Dagegen der Antrag von Rechtsanwalt P. auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Zur Begründung wird vorgetragen: Das Protokoll der Hauptverhandlung sei ihm nicht zugestellt worden. Habe keiner der verschiedenen Verteidiger in der Tatsacheninstanz durchgehend an der Hauptverhandlung teilgenommen, sei dem Angeklagten – schon von Amts wegen – nach Versäumung der Revisionsbegründungsfrist Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn auch nur einem seiner Verteidiger das Hauptverhandlungsprotokoll nicht zugestellt worden sei. Jedenfalls treffe den Angeklagten kein Verschulden an der Fristversäumung. Dieser habe sich mehrfach bei ihm, Rechtsanwalt P. , nach den Fristen erkundigt. Der Angeklagte habe auf seine Erklärung vertrauen dürfen, die Revisionsbegründungs-frist beginne erst nach Zustellung des Hauptverhandlungsprotokolls an ihn.

Der BGH verwirft als unzulässig: Der Wiedereinsetzungsantrag leider an Mängeln im Tatsachenvortrag und dessen Glaubhaftmachung im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO.

a) Aus einem Formfehler bei der Zustellung des Hauptverhandlungsprotokolls an einen von mehreren Verteidigern ergibt sich kein Wiedereinsetzungsgrund. Es gibt nur ein Rechtsmittel des Angeklagten, dessen Revisionsbegründungsfrist im vorliegenden Fall bereits mit der ersten Urteilszustellung, hier derjenigen an Rechtsanwalt B. am 2. August 2016, beginnt und deshalb am 2. September 2016 endete. Durch eine am 5. September 2016 angeordnete und am 8. September 2016 bewirkte Urteilszustellung an Rechtsanwalt P. wurde die dann bereits abgelaufene Revisionsbegründungsfrist nicht wieder neu eröffnet, denn für erst nach Fristablauf bewirkte Doppelzustellungen gilt § 37 Abs. 2 StPO nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juli 1968 – 1 StR 77/68, BGHSt 22, 221, 223). Auf die Zustellungen an Rechtsanwalt P. kommt es daher nicht an.

b) Ein anwaltliches Verschulden bei der Versäumung der Frist hat sich der Angeklagte nicht zurechnen zu lassen. Jedoch ergibt sich aus dem Vorbringen kein Sachverhalt, bei dessen Vorliegen der Angeklagte ohne eigenes Ver-schulden an der Wahrnehmung der Frist gehindert war. Er kannte aufgrund der Rechtsmittelbelehrungen die Revisionsbegründungsfrist. Welche Abreden er mit Rechtsanwalt B. zur Durchführung des Revisionsverfahrens getroffen hat, der ebenfalls für ihn Revision eingelegt hat, ist nicht dargetan. Auch die Gespräche mit Rechtsanwalt P. , aus denen sich ein schutzwürdiges Vertrauen des Angeklagten auf dessen Auskünfte ergeben soll, sind nicht näher mitgeteilt worden. Ob der Angeklagte sich vor Fristablauf oder etwa erst nach dem Revisionsverwerfungsbeschluss „mehrfach“ bei Rechtsanwalt P. „nach den einzuhaltenden Fristen und deren Beginn bzw. Ablauf erkundigt“ hat, ist dem Antragsvorbringen nicht zu entnehmen. Es ist im Übrigen auch – ungeachtet des Antrags des Generalbundesanwalts, den Wiedereinsetzungsantrag zu verwerfen – im nachgereichten Schriftsatz vom 17. Mai 2017 nicht erläutert worden. Dass der Angeklagte tatsächlich auf die unzutreffende Behauptung von Rechtsanwalt P. vertraut hat, die Frist zur Revisionsbegründung werde erst nach ordnungsgemäßer Zustellung des Hauptverhandlungsprotokolls an ihn in Lauf gesetzt, hat der Angeklagte nicht behauptet. Er hat nur die Meinung geäußert, er habe darauf vertrauen dürfen. Das genügt nicht.“

Tja, Wiedereinsetzung ist schwer. Allerdings: Wenn den nun „Rechtanwalt P.“ tatsächlich dem Angeklagten gegenüber geäußert hat, „Frist zur Revisionsbegründung werde erst nach ordnungsgemäßer Zustellung des Hauptverhandlungsprotokolls an ihn in Lauf gesetzt„, – davon muss man aber ja wohl ausgehen, denn es ist ja vorgetragen – lässt das auf vertiefte Kenntnisse des Revisionsrechts schließen 🙂 .

Organisationsverschulden II, oder: Wie regelt man die Urlaubsvertretung richtig?

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Die zweite Entscheidung am heutigen Samstag behandelt dann ebenfalls eine Problematik aus dem Bereich der Wiedereinsetzung im Zivilverfahren. Sie passt ganz gut in die Jahreszeit. Es geht im BGH, Beschl. v. 13.07.2016 – IX ZB 110/16 – nämlich um die ordnungsgemäße Organisation der Vertretung des Rechtsanwalts während des Urlaubs. Ergangen ist der Beschluss in einem Verfahren, in dem auf Zahlung anwaltlicher Gebühren in Höhe von 36.294,52 € geklagt wurde. Das LG hat die Klage durch Urteil vom 09.06.2016, das der Klägerin am 15.06.2016 zugestellt worden ist, abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin am 07.07.2016 Berufung eingelegt. Der bei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin sachbearbeitende Rechtsanwalt S. hat am 01.08.2016 den weitgehend fertiggestellten Entwurf einer Berufungsbegründung mit der Bitte um Verfeinerung und Verfestigung Rechtsanwalt G. als zuständigem Dezernenten übermittelt. Am 05. oder 06.08.2016 hat sich Rechtsanwalt G. telefonisch bei Rechtsanwalt S. mit Rücksicht auf dessen am 08.08.2016 beginnenden dreiwöchigen Erholungsurlaub nach den erforderlichen Anpassungen erkundigt. Im Anschluss hat Rechtsanwalt S. die für ihn tätige Büroangestellte W. angewiesen, ihn rechtzeitig vor Fristablauf am 15.08.2016 an die Frist der Berufungsbegründung zu erinnern. Am 16.08.2016 ist in der Kanzlei der Klägerin festgestellt worden, dass die bis zum 15.08.2016 laufende Berufungsbegründungsfrist versäumt worden ist. Am 19.09.2016 hat die Klägerin in Verbindung mit der Berufungsbegründung einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt.

Das OLG hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Das hat beim BGH gehalten:

„Der Klägerin kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden, weil die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auf einem ihr zuzurechnenden (§ 85 Abs. 2 ZPO) Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten beruht (§ 233 Satz 1 ZPO). Die Büroorganisation der Prozessbevollmächtigten der Klägerin genügte in Vertretungsfällen nicht den insoweit zu beachtenden rechtlichen Anforderungen. Außerdem fehlte es an einer Einzelanweisung der mit der Sache befassten Rechtsanwälte S. und G. , bei deren Befolgung das Fristversäumnis vermieden worden wäre…..

bb) Innerhalb des Büros der Prozessbevollmächtigten der Klägerin war nicht sichergestellt, dass in Vertretungsfällen Fristsachen einem zuständigen Rechtsanwalt rechtzeitig vorgelegt werden.

(1) Die Klägerin hat zur Büroorganisation ihrer Prozessbevollmächtigten folgendes vorgetragen: Der sachbearbeitende Rechtsanwalt habe Fristsachen grundsätzlich vor Urlaubsantritt zu erledigen. Kurzfristig eingehende Fristsachen seien Rechtsanwalt G. als Dezernatsleiter zwecks Auswahl des Sachbearbeiters vorzulegen. Die Vertretung in Terminsachen werde abgesprochen und dadurch vor Urlaubsantritt ein Vertreter bestimmt, so dass betroffene Termine in den Kalender des Vertreters umgetragen würden.

(2) Diese organisatorischen Abläufe sind nicht geeignet, in Vertretungsfällen eine rechtzeitige Vorlage der Akten an einen verantwortlichen Rechtsanwalt und damit die Fristwahrung zu gewährleisten, wenn – wie im Streitfall – der ursprünglich sachbearbeitende Rechtsanwalt eine Terminsache vor seinem Urlaubsantritt nicht abschließend erledigt. In einer derartigen Gestaltung sieht die Organisation der Prozessbevollmächtigten der Klägerin keine allgemeinen Vertretungsregeln vor. Vielmehr hätte, weil es sich nicht um eine kurzfristig eingehende Fristsache handelte, eine Absprache über die Vertretung erfolgen und der Termin im Kalender des Vertreters eingetragen werden müssen. Bei dieser Sachlage konnte die Frist nicht mit Hilfe der allgemeinen Kanzleiorganisation, sondern nur auf der Grundlage einer Verständigung zwischen den Anwälten und einer entsprechenden Einzelanweisung an das Büropersonal gewahrt werden. Die bloße Erinnerung der Mitarbeiter an den Fristablauf durch das von der Prozessbevollmächtigten der Klägerin eingesetzte Datenverarbeitungspro-gramm war zur Fristwahrung nicht geeignet, weil entgegen dem Rechtsbe-schwerdevorbringen keine Anweisung an das Büropersonal ergangen war, im Falle der Abwesenheit des sachbearbeitenden Anwalts den Vorgang einem anderen Anwalt vorzulegen (BGH, Beschluss vom 13. November 2007 – X ZR 100/07, GRUR 2008, 280 Rn. 5). Die zentrale Erfassung der Fristen kann einem Fristversäumnis nur vorbeugen, wenn – woran es hier fehlt – das Personal dahin instruiert wird, die Sache im Falle der Abwesenheit des sachbearbeiten-den Anwalts einem anderen Anwalt vorzulegen.“