Schlagwort-Archive: Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Mal wieder: (Zustellungs)Vollmacht, oder: Nicht so zwingend….

© fotomek - Fotolia.com

© fotomek – Fotolia.com

Zustellungs- und Vollmachtsfragen spielen in der Praxis immer wieder eine große Rolle. Vor allem dann, wenn eine Fristversäumung des Verteidigers im Raum steht. Dann geht es häufig um die Frage: Ist dem Verteidiger überhaupt wirksam zugestellt und/oder hatte der Verteidiger eine Zustellungsvollmacht? Die Fragen spielen auch im OLG Saarbrücken, Beschl. v. 20.04.2016 – 1 Ws 40/16 – ein Rolle. In dem Verfahren ist die wirksame Zustellung eines Widerrufsbeschlusses im Streit.  Das OLG ist von einer rechtsgeschäftlichen Zustellungsvollmacht und deren späterem Nachweis durch Vorlage einer StPO-Vollmacht ausgegangen. Die Leitsätze:

  1. An den gewählten Verteidiger kann auch dann wirksam zugestellt werden, wenn sich dessen Vollmacht nicht bei den Akten befindet, ihm aber vor Ausführung der Zustellung eine rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht erteilt worden war.
  2. Der Nachweis einer solchen rechtsgeschäftlichen Zustellungsvollmacht kann auch dann erbracht sein, wenn der Verurteilte dem Wahlverteidiger in einer anderen Strafsache eine Strafprozessvollmacht erteilt hat, die diesen ausdrücklich auch zur Entgegennahme von Zustellungen ermächtigte, und ihn kurze Zeit später in der in Rede stehenden Sache mündlich mit der Verteidigung beauftragt hat.

Wiedereinsetzung (von Amts wegen) ist übrigens nicht gewährt worden:

„3. Gründe, die es gebieten könnten, wegen der Fristversäumnis von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 45 Abs. 2 Satz 3 StPO), sind nicht erkennbar. Zwar lässt sich der Verfügung des Vorsitzenden der Jugendkammer I vom 3. März 2016 (Bl. 74 Rs des Bewährungshefts) und dem übrigen Inhalt der Akte nicht entnehmen, dass der Verurteilte – neben der formlosen Übersendung einer Abschrift der Entscheidung an ihn – von der an den Wahlverteidiger erfolgten Zustellung des Widerrufsbeschlusses unterrichtet wurde, was – über den Wortlaut des § 145a Abs. 3 Satz 1 StPO hinausgehend – in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift auch dann geboten ist, wenn – wie hier – nicht aufgrund einer gesetzlichen Zustellungsvollmacht nach § 145a Abs. 1 StPO, sondern aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Zustellungsvollmacht wirksam an den Wahlverteidiger zugestellt wird (vgl. Löwe-Rosenberg/Lüderssen/Jahn, StPO, 26. Aufl., § 145a Rn. 13; vgl. auch SK-Wohlers, a. a. O., § 145a Rn. 24); das Unterbleiben der Unterrichtung des Beschuldigten nach § 145a Abs. 3 Satz 1 StPO kann – ebenso wie das Unterlassen der Mitteilung an den Verteidiger nach § 145a Abs. 3 Satz 2 StPO (vgl. hierzu Senatsbeschlüsse vom 11. Mai 2011 – 1 Ws 75/11 – und vom 22. Juni 2011 – 1 Ws 146/11 -) – einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen, wenn die Fristversäumung hierauf beruht (vgl. BGH NStZ-RR 2006, 211 f. – juris Rn. 7 f.; Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O., § 44 Rn. 17). Dass der Verurteilte gerade deshalb, weil er nicht über die an den Verteidiger erfolgte Zustellung des Widerrufsbeschlusses unterrichtet wurde, in Unkenntnis über den Beginn der einwöchigen Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluss war, lässt sich jedoch allein anhand des Akteninhalts nicht feststellen.“

Für mich alles nicht so zwingend….

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – Hilfe vom OLG

entnommen wikidmedia.org Fotograf Faßbender, Julia

entnommen wikidmedia.org
Fotograf Faßbender, Julia

Vor einiger Zeit habe ich über den BGH, Beschl. v. 17.12.2015 – 4 StR 483/15 berichtet (siehe Eigene Revisionsbegründung des „Reichsbürgers“: Auch da ist der UdG nicht nur Schreibkraft). Gegenstand der Entscheidung war eine zu Protokoll der Geschäftsstelle begründete Revision, bei der der UdG nur als reine Schreibkraft aufgetreten war. Die Revision war unzulässig. Ich hatte in dem Posting ja schon auf die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hingewiesen, die dort aber aufgrund der Umstände des Einzelfalls nicht gegeben war.

Daran knüpfe ich nun mit dem OLG Braunschweig, Beschl. v. 26.02.2016 – 26.02.2016 – 1 Ss 6/16 – an. Das OLG Braunschweig hatte es ebenfalls mit einer unzulässigen Revision zu tun. Es hat zwar nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, aber einen deutlichen Hinweis gegeben, wie zu verfahren ist. Worauf es ankommt, ergibt sich aus den (amtlichen) Leitsätzen der Entscheidung, die lauten:

1. Gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) RPflG ist die Aufnahme von Erklärungen über die Einlegung und Begründung der Revision in Strafsachen zu Protokoll der Geschäftsstelle (§ 345 Abs. 2 StPO) allein dem Rechtspfleger übertragen, der die Belehrungs- und Fürsorgepflichten gemäß Nr. 150 Abs. 2 bis Abs. 6 RiStBV zu beachten hat.

2. Ist eine zu Protokoll der Geschäftsstelle angebrachte Revisionsbegründung deshalb unwirksam, weil die Erklärungen des Angeklagten durch einen unzuständigen Beamten aufgenommen wurden, besteht grundsätzlich die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen.

3. Auch im Falle einer ausschließlich auf Fehlern der Justiz beruhenden Unzulässigkeit eines Rechtsmittels kann die Wiedereinsetzung von Amts wegen nur dann gewährt werden, wenn die versäumte Handlung nachgeholt wurde, worauf der Angeklagte hinzuweisen ist.

4. Zur Nachholung der versäumten Handlung steht dem Angeklagten die Monatsfrist aus § 345 Abs. 1 Satz 1 StPO (und nicht nur die Wochenfrist aus § 45 Abs. 1 S.1, Abs. 2 S. 2 StPO) zur Verfügung.

Sollte man als Verteidiger ggf. „auf dem Schirm“ haben….

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

„Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“. Diese angeblich von Lenin stammende Redewendung wird i.d.R. im (zivilrechtlichen) Wiedereinsetzungsrecht zutreffen. Da hat die Frage des anwaltlichen Verschuldens an einer Fristversäumung allerdings mehr Bedeutung als im Straf- und Bußgeldrecht, wo dem Angeklagten/Betroffenen ja ein Verschulden seines Verteidigers nicht zugerechnet wird. Etwas Entspannung bringt jedoch der BGH, Beschl. v. 13.10.2011 – VII ZB 18/10. Danach darf der Rechtsanwalt auf rechtzeitige Vorlage von Akten vor Fristablauf vertrauen. Werden einemRechtsanwalt die Akten im sachlichen oder zeitlichen Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung vorgelegt und gibt er zur Vorbereitung des von ihm zu fertigenden fristwahrenden Schriftsatzes noch Anweisungen an sein Personal, die es erfordern, dass die Akte noch einmal in den Kanzleibetrieb geht, kann er sich in aller Regel darauf verlassen, dass ihm die Akten rechtzeitig vor Ablauf der im Bürokalender eingetragenen Frist wieder vorgelegt werden. Besonderer Anweisungen, um die erneute Aktenvorlage sicherzustellen, bedarf es im Allgemeinen nicht. So der BGH in seiner o.a. Leitsatzentscheidung.

Faxdefekt beim Verteidiger

Sicherlich nicht häufig, aber immer mal wieder kann es ja auch zu Störungen der Telefonverbindung beim Rechtsanwalt/Verteidiger kommen.So auch in dem dem OLG Hamm, Beschl. v. 20. 9. 11 –  III-1 RBs 152/11 – zugrundeliegenden Verfahren. Dort wurde der Schriftsatz über die Einlegung eines Rechtsmittels aufgrund einer Löschung des Sendespeichers durch einen unvorhergesehenen Ausfalls der Telefonverbindung der Verteidigerin nicht von dem genutzten Telefaxgerät über­mittelt. Das wurde erst am nächsten Morgen nach Ablauf der Rechtsmitteleinlegungsfrist bemerkt. Das OLG Hamm hat Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.  Das OLG hat den Ausfall der Telefonverbindung als ein ausschließlich der Verteidigerin zuzurechnendes Verschulden an der Fristversäumung, das dem Betroffenen nicht anzulasten war, angesehen.

Hinzuweisen ist noch darauf, dass die Verteidigerin die Richtigkeit ihres Vortrags nicht – wie sonst allgemein üblich – anwaltlich versichert hatte. Das hat das OLG aber mit Rücksicht auf die Wahrheitspflicht der Rechtsanwältin als unschädlich angesehen.