Eigene Revisionsbegründung des „Reichsbürgers“: Auch da ist der UdG nicht nur Schreibkraft

© eyetronic Fotolia.com

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In der Praxis gibt es immer wieder Schwierigkeiten, wenn die Revisionsbegündung vom Angeklagten selbst „zu Protokoll der Geschäftsstelle“ erklärt wird (§ § 345 StPO). Ein Problem wird das vor allem häufig dann, wenn es sich um – gelinde ausgedrückt – querulatorisch veranlagte Angeklagte handelt. Ich erinnere mich an einen Fall aus meiner aktiven Zeit, da hat die Begründung bei der Rechtspflegering mehr als sechs Stunden gedauert. Die ist danach – wie sie damals erzählt hat – erst mal in ihr Dienstzimmer gegangen, hat es abgeschlossen und hat vor Erschöpfung geweint. Auf der Grundlage kann man verstehen, wenn der Rechtspfleger/UdG in solchen Fällen dann einfach nur das entgegennehmen, was ihnen der Angeklagte diktiert. Einfach unter dem Gesichtspunkt: Dann habe ich Ruhe.

Das geht aber nicht, wie noch einmal der BGH, Beschl. v. 17.12.2015 – 4 StR 483/15 – zeigt; es handelte sich offensichtlich um die Revision eines „Reichsbürgers“:

„a) Wird die Revision zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle begründet, muss sich der Urkundsbeamte an der Anfertigung der Begründung gestaltend beteiligen und die Verantwortung für ihren Inhalt übernehmen (BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2012 – 1 StR 593/12, BGHR StPO § 345 Abs. 2 Begründungschrift 8 mwN). Daran fehlt es, wenn der Rechtspfleger als bloße Schreibkraft des Angeklagten tätig wird und vom Angeklagten vorgegebene Rügen ungeprüft übernimmt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 345 Rn. 21; SSW-StPO/Widmaier/Momsen, § 345 Rn. 38 je-weils mwN).

b) So verhält es sich hier.

Schon der Eingang des Protokolls

„Es erscheint Herr R. … und erklärt:

Die vom mir am 18.08.2015 eingelegte Revision begründe ich wie nachfolgend …“ belegt, dass der Rechtspfleger lediglich eine Erklärung des Angeklagten entge-gengenommen, an der Rechtsmittelbegründung aber nicht gestaltend mitgewirkt und für sie nicht die Verantwortung übernommen hat. Dies steht auch auf-grund des weiteren Inhalts des Protokolls, das zudem vom Angeklagten selbst unterzeichnet und vom Rechtspfleger erst nach dem Vermerk „geschlossen“ unterschrieben wurde, außer Frage. Dort wird etwa das Fehlen deutscher Gerichtsbarkeit geltend gemacht, weil der Angeklagte „keine strafrechtlich relevante Handlung im Inland, also auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, sondern im Ausland auf dem Gebiet des Deutschen Reichs begangen“ habe und er nur dessen Rechtsordnung unterliege. Auch sei das Urteil wegen „mangelhafter Personalienaufnahme und -feststellung“ aufzuheben, da das Urteilsrubrum ihn als deutschen Staatsangehörigen bezeichne, was falsch sei, weil er – geboren im Jahr 1969 – allein „über die preußische Staatangehörigkeit kraft Vererbung“ verfüge.

Vor dem Hintergrund solcher Rügen ist auch ohne Bedeutung, dass der Angeklagte bis zum Verlust seiner Zulassung als Rechtsanwalt tätig war. Denn auch bei einem Juristen als Angeklagtem darf der Urkundsbeamte nicht als bloße Schreibkraft tätig werden (vgl. Meyer-Goßner, aaO mwN). Vor allem aber belegen diese Rügen, dass die Revisionsbegründung des Angeklagten den Zweck des § 345 Abs. 2 Alt. 2 StPO verfehlt, das Revisionsgericht vor einer Überlastung durch unsachgemäßes Vorbringen zu bewahren (vgl. zu diesem Zweck der Formvorschrift: BGH, Beschluss vom 25. September 2007 – 1 StR 432/07, NStZ-RR 2008, 18; ferner BVerfG, Beschluss vom 27. Juni 2006 – 2 BvR 1147/05).“

Zwar gibt es dann ggf. Wiedereinsetzung. Schied hier aber aus, „weil der Angeklagte trotz des Antrags des Generalbundesanwalts auf Verwerfung seines Rechtsmittels als unzulässig, der (auch) ihm am 3. November 2015 zugestellt wurde, die versäumte Handlung bislang nicht in wirksamer Weise nachgeholt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 StPO).

23 Gedanken zu „Eigene Revisionsbegründung des „Reichsbürgers“: Auch da ist der UdG nicht nur Schreibkraft

  1. Anno Nüm

    Und was ist, wenn sich der Rechtspfleger weigert, das ganze Reichsbürgergelabere zu protokollieren, weil offensichtlich unsachgemäß?

  2. Dante

    Der BGH möchte also, dass der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle dem durchgekn***ten Reichsbürger davon überzeugt, dass das beabsichtigte Revisionsvorbringen unsinnig ist?

    Selbst einem erfahrenen Psychiater mit zufällig vorhandenem zweifachem juristischem Staatsexamen wird das nicht gelingen.

    Wie soll das also funktionieren?

  3. Detlef Burhoff

    Versuchen sollte er es. Es gibt m.E. noch keine Entscheidung, wie der BGH verfährt, wenn der UdG aufnimmt und in einem Vermerk anfügt: Ich habe es versucht, aber es hat nicht geklappt 🙂

  4. Rechtspfleger

    Da ist der Einleitungssatz „Herr R. bestand nach ausdrücklicher Belehrung über das Kosten- und Prozessrisiko sowie die zumindest zweifelhaften Erfolgsaussichten auf die Aufnahme folgender Erklärung“.

    Wäre schön, wenn der BGH sich mal darüber einig werden würde, was wir Rechtspfleger für ihn denn sind…. aber da hab ich nach den jüngsten Entscheidungen diverser Senate immer größere Zweifel dran (die meisten stammen aus dem Bereich „Betreuung“) 😉

  5. schneidermeister

    @Herrn Burhoff:
    Na ja, wenn man den Reichsbürger abbringen will von einer Revisionsbegründung bestärkt ihn wahrscheinlich in der Auffassung, dass der vor ihm sitzende BRD-GmbH-Angestellte ihm mindestens so viel Böses will wie das BRD-Scheingericht, vor dem er kurioserweise dann doch mal erschienen war und von dem er verurteilt wurde. Darüber zu diskutieren dürfte wahrscheinlich länger dauern als einfach den Sums kommentarlos entgegenzunehmen.
    Wer viel Zeit hat, um sich mit diesem Völkchen zu befassen, kann sich das 225 Pdf-Seiten dicke „Handbuch Reichsbürger“ des Brandenburgischen Verfassungsschutzes ansehen.

  6. RA Ullrich

    Die Linie des BGH zu diesem Thema halte ich allgemein für praxisfern und dem Gebot des fairen Verfahrens nicht zuträglich. Ein UdG hat (außerhalb von gewissen Kosten- und Formalienfragen) keine juristische Ausbildung und dürfte daher in aller Regel (von ganz offensichtlichen Fällen wie diesem Reichsbürgerirrsinn mal abgesehen) gar nicht dazu qualifiziert sein, zu beurteilen, inwieweit das gewünschte Revisionsvorbringen sinnvoll ist. Muss sich denn der Bürger, der sich keinen Anwalt leisten kann, tatsächlich vom UdG sagen lassen: Deine Revisionsrüge protokolliere ich nicht, weil ich die mit meinem juristischen Halbwissen für sinnlos halte? Aufgabe des Urkundsbeamten kann allenfalls sein, den Antragsteller bei der Nennung der korrekten Fachbegriffe, Formulierung der Anträge und der Einhaltung der Formalien einer Revisionsrüge zu unterstützen (wobei ich bezweifle, dass der durchschnittliche Urkundsbeamte eine Verfahrensrüge selbst so begründen kann, dass der BGH daran formal nichts auszusetzen hat, daran scheitert ja sogar so mancher Rechtsanwalt), aber es kann doch wohl weder vom Urkundsbeamten erwartet werden, das Revisionsvorbringen umfassend auf seine mögliche sachliche Begründetheit zu prüfen und als eigene Meinung zu vertreten, noch kann es dem Bürger zugemutet werden, gegen ein von ihm als Unrecht empfundenes Urteil nur das einwenden zu dürfen, was der UdG des Gerichts, der ja nun alles andere als sein Parteivertreter ist, für sinnvoll hält.

  7. Christoph Nebgen

    Dazu fallen mir drei Dinge zuvörderst auf:

    1.
    Reichsbürger wissen, wo es dem Rechtsstaat weh tut und genau da gehen sie hin. Das zeugt ja durchaus von einem gewissen Rechtsverständnis. Wenn das Gesetz eine Revisionsbegründung zu Protokoll der Geschäftsstelle vorsieht, wird man da Leute hinsetzen müssen, die mit sowas auch umgehen können. Wenn man das nicht für nötig hält, ist man selbst schuld.
    2.
    Die Art und Weise, wie der BGH dann die armen Schweine auf der Geschäftsstelle mit dieser Bürde allein lässt, entspricht der Art und Weise, mit der der BGH immer wieder offensichtlich nicht unbegründete Revisionen ganz ohne oder nur mit Scheinbegründungen abkanzelt.
    3.
    Es spricht für sich, dass der BGH der Auffassung ist, § 345 Abs. II 2 StPO diente der eigenen Entlastung und dabei ganz offensichtlich nur die Richter, nicht aber die eigenen Mitarbeiter meint.

    Das spricht insgesamt für ein gruseliges Rechtsverständnis.

    So, und jetzt gehe ich hin und werde Reichsbürger. 😉

  8. wasn

    >Da ist der Einleitungssatz „Herr R. bestand nach ausdrücklicher Belehrung über das Kosten- und Prozessrisiko sowie die zumindest zweifelhaften Erfolgsaussichten auf die Aufnahme folgender Erklärung“.

    Damit wird nicht die (übrigens nicht erst seit dieser Entscheidung geforderte) notwendige Übernahme der Verantwortung gewahrt und die Revisionsbegründung ist aus dieser Sicht schon für die Tonne.

    > Ein UdG hat (außerhalb von gewissen Kosten- und Formalienfragen) keine juristische Ausbildung und dürfte daher in aller Regel (von ganz offensichtlichen Fällen wie diesem Reichsbürgerirrsinn mal abgesehen) gar nicht dazu qualifiziert sein, zu beurteilen, inwieweit das gewünschte Revisionsvorbringen sinnvoll ist.

    Revisionsbegründungen werden vom Rechtspfleger aufgenommen (§ 24 Abs. 1 Nr. 1b RpflG), nicht vom UdG des mittleren Dienstes. Das Studium enthält durchaus ausreichend Strafrechtsanteile und beschäftigt sich insbesondere auch speziell mit dem Thema Revisionsbegründungen. Ob das ausreichend ist, ist ein anderes Thema.

  9. n.n.

    Wenn Sie sich schon einen Reichsbürgerrechtsanwaltsausweis malen lassen, dann sollten Sie darauf bestehen, dass keine Hakenkreuzstempel verwendet werden. Sonst tuts nachher gleich doppelt weh.

    Und wenn die Argumentation des BGH spitzfindig sein mag: Bei so einem Schlauberger von Reichsbürger, der dem BGH zeigen möchte, wie das juristische Florett zu führen ist, kann man schon mal zeigen, wie juristische Filigranarbeit funktioniert.

  10. Tourix

    Auch wenn es witzig ist, mal einen Artikel über diese Reichsbürger zu lesen,
    sich länger als nur 10 Minuten sich mit diesen Typen zu beschäftigen wird zu einer Qual.
    Zumal die Reichsbürger aggressiv, allwissend, arrogant und überheblich auftreten.

    Mein herzliches Mitgefühl für alle, die mit den Reichsbürgern zu tun bekommen.

  11. Roland Klontek

    Hallo Herr Burhoff, ist es nicht so, dass als UdG immer mehr Justitzangestellte, welche keinen Beamtenstatus habenn eingesetzt, sei es für Beglaubigungen (die neuerdings auch nicht mehr unterschrieben werden) noch für andere Geschäftsaufgaben? UdG sollten eigentlich von Rechtspfleger besetzt sein. Stimmt das so oder irre ich mich?

  12. wasn

    Die Aufgaben eines UdG kann ein Beamter des mittleren Dienstes, ein Angestellter und auch ein Rechtspfleger wahrnehmen. Wer wann was macht hängt von der Sache ab. Die Aufnahme von Revisionsbegründungen ist jedoch Rechtspflegern vorbehalten (§ 24 Abs. 1 Nr. 1b RpflG).

  13. Rechtspfleger

    @wasn:
    Eine andere Möglichkeit hat man aber kaum, wenn der vor einem sitzende Reichsbürger auf die Aufnahme der Revisionsbegründung besteht. Es sind ja gerade wir Rechtspfleger in diesem Bereich eingesetzt, um blödsinnige Revisionsbegründungen zu vermeiden – aber da weder der Dienstherr, noch der BGH uns den Rücken stärken und auch mal sagen „Es war richtig, diesen Blödsinn nicht aufzunehmen“, kommt irgendwann selbst beim Stärksten auch die Resignation.

    Ich weigere mich im Übrigen, Verantwortung für eine Revisionsbegründung zu übernehmen, die so neben der Spur ist, dass nicht einmal das Gegenteil richtig wäre.

  14. wasn

    Ich glaube nicht, dass der BGH dem Rechtspfleger Vorwürfe machen wollte, sondern es handelt sich einfach nur um die rechtliche Würdigung des tatsächlichen Sachverhalts. Wenn es Schwachsinn ist, bleibt es auch wenn die Formalien gewahrt wären Schwachsinn. Will man es sich leicht machen nimmt man auf, macht man es (formal) richtig weigert man sich es aufzunehmen und harrt der Dinge die da evtl. kommen. Es ist ja nicht so, dass der BGH sagt Rechtspfleger müssten immer alles aufnehmen (siehe zB 5 StR 496/08).

  15. Pflichtfeld

    Houston, wir haben ein Problem, wenn es um die Frage geht, ob der Rechtspfleger die Verantwortung für den Inhalt der von ihm protokollierten Revision übernehmen muss.

    Der BGH sagt (siehe oben): „Wird die Revision zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle begründet, muss … [der Urkundsbeamte] die Verantwortung für ihren Inhalt übernehmen.“

    Die RiStBV sieht das in Nr. 150 Abs. 2 S. 4 allerdings anders:

    „Er [der Rechtspfleger] nimmt in das Protokoll auch das Vorbringen auf, für das er die Verantwortung ablehnt; er belehrt den Angeklagten über die sich daraus ergebenden Folgen
    und vermerkt diese Belehrung im Protokoll.“

    Schönes Wochenende allen Rechtpflegern! 😉

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