Wiedereinsetzung I: Auf die Zustellung des Hauptverhandlungsprotokolls kommt es nicht an…

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Heute werde ich dann drei Entscheidungen vorstellen, die sich in meinem „Blogordner“ zu Wiedereinsetzungsfragen angesammelt haben. Die erste ist der BGH, Beschl. v. 27.06.2017  – 2 StR 129/17. Es geht um einen Wiederesinsetzungsantrag gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist. Der Angeklagte ist nach der Verkündung Des LG dem Angeklagten eine Rechtsmittelbelehrung erteilt worden, die sich auch zur Frist für die Revisionsbegründung geäußert hat. Der Angeklagte legte durch Schriftsätze seine beiden Verteidiger B. und P. Revision ein. Das Urteil wurde Rechtsanwalt B. am 02.08.2016 und Rechtsanwalt P. am 08.092016 zugestellt. Da eine Revisionsbegründung nicht (fristgemäß) eingegangen ist, hat das LG mit Beschluss vom 31.10.2016, der Rechtsanwalt P. am 08.11.2016 zugestellt wurde, die Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen. Dagegen der Antrag von Rechtsanwalt P. auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Zur Begründung wird vorgetragen: Das Protokoll der Hauptverhandlung sei ihm nicht zugestellt worden. Habe keiner der verschiedenen Verteidiger in der Tatsacheninstanz durchgehend an der Hauptverhandlung teilgenommen, sei dem Angeklagten – schon von Amts wegen – nach Versäumung der Revisionsbegründungsfrist Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn auch nur einem seiner Verteidiger das Hauptverhandlungsprotokoll nicht zugestellt worden sei. Jedenfalls treffe den Angeklagten kein Verschulden an der Fristversäumung. Dieser habe sich mehrfach bei ihm, Rechtsanwalt P. , nach den Fristen erkundigt. Der Angeklagte habe auf seine Erklärung vertrauen dürfen, die Revisionsbegründungs-frist beginne erst nach Zustellung des Hauptverhandlungsprotokolls an ihn.

Der BGH verwirft als unzulässig: Der Wiedereinsetzungsantrag leider an Mängeln im Tatsachenvortrag und dessen Glaubhaftmachung im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO.

a) Aus einem Formfehler bei der Zustellung des Hauptverhandlungsprotokolls an einen von mehreren Verteidigern ergibt sich kein Wiedereinsetzungsgrund. Es gibt nur ein Rechtsmittel des Angeklagten, dessen Revisionsbegründungsfrist im vorliegenden Fall bereits mit der ersten Urteilszustellung, hier derjenigen an Rechtsanwalt B. am 2. August 2016, beginnt und deshalb am 2. September 2016 endete. Durch eine am 5. September 2016 angeordnete und am 8. September 2016 bewirkte Urteilszustellung an Rechtsanwalt P. wurde die dann bereits abgelaufene Revisionsbegründungsfrist nicht wieder neu eröffnet, denn für erst nach Fristablauf bewirkte Doppelzustellungen gilt § 37 Abs. 2 StPO nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juli 1968 – 1 StR 77/68, BGHSt 22, 221, 223). Auf die Zustellungen an Rechtsanwalt P. kommt es daher nicht an.

b) Ein anwaltliches Verschulden bei der Versäumung der Frist hat sich der Angeklagte nicht zurechnen zu lassen. Jedoch ergibt sich aus dem Vorbringen kein Sachverhalt, bei dessen Vorliegen der Angeklagte ohne eigenes Ver-schulden an der Wahrnehmung der Frist gehindert war. Er kannte aufgrund der Rechtsmittelbelehrungen die Revisionsbegründungsfrist. Welche Abreden er mit Rechtsanwalt B. zur Durchführung des Revisionsverfahrens getroffen hat, der ebenfalls für ihn Revision eingelegt hat, ist nicht dargetan. Auch die Gespräche mit Rechtsanwalt P. , aus denen sich ein schutzwürdiges Vertrauen des Angeklagten auf dessen Auskünfte ergeben soll, sind nicht näher mitgeteilt worden. Ob der Angeklagte sich vor Fristablauf oder etwa erst nach dem Revisionsverwerfungsbeschluss „mehrfach“ bei Rechtsanwalt P. „nach den einzuhaltenden Fristen und deren Beginn bzw. Ablauf erkundigt“ hat, ist dem Antragsvorbringen nicht zu entnehmen. Es ist im Übrigen auch – ungeachtet des Antrags des Generalbundesanwalts, den Wiedereinsetzungsantrag zu verwerfen – im nachgereichten Schriftsatz vom 17. Mai 2017 nicht erläutert worden. Dass der Angeklagte tatsächlich auf die unzutreffende Behauptung von Rechtsanwalt P. vertraut hat, die Frist zur Revisionsbegründung werde erst nach ordnungsgemäßer Zustellung des Hauptverhandlungsprotokolls an ihn in Lauf gesetzt, hat der Angeklagte nicht behauptet. Er hat nur die Meinung geäußert, er habe darauf vertrauen dürfen. Das genügt nicht.“

Tja, Wiedereinsetzung ist schwer. Allerdings: Wenn den nun „Rechtanwalt P.“ tatsächlich dem Angeklagten gegenüber geäußert hat, „Frist zur Revisionsbegründung werde erst nach ordnungsgemäßer Zustellung des Hauptverhandlungsprotokolls an ihn in Lauf gesetzt„, – davon muss man aber ja wohl ausgehen, denn es ist ja vorgetragen – lässt das auf vertiefte Kenntnisse des Revisionsrechts schließen 🙂 .

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