Organisationsverschulden II, oder: Wie regelt man die Urlaubsvertretung richtig?

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Die zweite Entscheidung am heutigen Samstag behandelt dann ebenfalls eine Problematik aus dem Bereich der Wiedereinsetzung im Zivilverfahren. Sie passt ganz gut in die Jahreszeit. Es geht im BGH, Beschl. v. 13.07.2016 – IX ZB 110/16 – nämlich um die ordnungsgemäße Organisation der Vertretung des Rechtsanwalts während des Urlaubs. Ergangen ist der Beschluss in einem Verfahren, in dem auf Zahlung anwaltlicher Gebühren in Höhe von 36.294,52 € geklagt wurde. Das LG hat die Klage durch Urteil vom 09.06.2016, das der Klägerin am 15.06.2016 zugestellt worden ist, abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin am 07.07.2016 Berufung eingelegt. Der bei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin sachbearbeitende Rechtsanwalt S. hat am 01.08.2016 den weitgehend fertiggestellten Entwurf einer Berufungsbegründung mit der Bitte um Verfeinerung und Verfestigung Rechtsanwalt G. als zuständigem Dezernenten übermittelt. Am 05. oder 06.08.2016 hat sich Rechtsanwalt G. telefonisch bei Rechtsanwalt S. mit Rücksicht auf dessen am 08.08.2016 beginnenden dreiwöchigen Erholungsurlaub nach den erforderlichen Anpassungen erkundigt. Im Anschluss hat Rechtsanwalt S. die für ihn tätige Büroangestellte W. angewiesen, ihn rechtzeitig vor Fristablauf am 15.08.2016 an die Frist der Berufungsbegründung zu erinnern. Am 16.08.2016 ist in der Kanzlei der Klägerin festgestellt worden, dass die bis zum 15.08.2016 laufende Berufungsbegründungsfrist versäumt worden ist. Am 19.09.2016 hat die Klägerin in Verbindung mit der Berufungsbegründung einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt.

Das OLG hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Das hat beim BGH gehalten:

„Der Klägerin kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden, weil die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auf einem ihr zuzurechnenden (§ 85 Abs. 2 ZPO) Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten beruht (§ 233 Satz 1 ZPO). Die Büroorganisation der Prozessbevollmächtigten der Klägerin genügte in Vertretungsfällen nicht den insoweit zu beachtenden rechtlichen Anforderungen. Außerdem fehlte es an einer Einzelanweisung der mit der Sache befassten Rechtsanwälte S. und G. , bei deren Befolgung das Fristversäumnis vermieden worden wäre…..

bb) Innerhalb des Büros der Prozessbevollmächtigten der Klägerin war nicht sichergestellt, dass in Vertretungsfällen Fristsachen einem zuständigen Rechtsanwalt rechtzeitig vorgelegt werden.

(1) Die Klägerin hat zur Büroorganisation ihrer Prozessbevollmächtigten folgendes vorgetragen: Der sachbearbeitende Rechtsanwalt habe Fristsachen grundsätzlich vor Urlaubsantritt zu erledigen. Kurzfristig eingehende Fristsachen seien Rechtsanwalt G. als Dezernatsleiter zwecks Auswahl des Sachbearbeiters vorzulegen. Die Vertretung in Terminsachen werde abgesprochen und dadurch vor Urlaubsantritt ein Vertreter bestimmt, so dass betroffene Termine in den Kalender des Vertreters umgetragen würden.

(2) Diese organisatorischen Abläufe sind nicht geeignet, in Vertretungsfällen eine rechtzeitige Vorlage der Akten an einen verantwortlichen Rechtsanwalt und damit die Fristwahrung zu gewährleisten, wenn – wie im Streitfall – der ursprünglich sachbearbeitende Rechtsanwalt eine Terminsache vor seinem Urlaubsantritt nicht abschließend erledigt. In einer derartigen Gestaltung sieht die Organisation der Prozessbevollmächtigten der Klägerin keine allgemeinen Vertretungsregeln vor. Vielmehr hätte, weil es sich nicht um eine kurzfristig eingehende Fristsache handelte, eine Absprache über die Vertretung erfolgen und der Termin im Kalender des Vertreters eingetragen werden müssen. Bei dieser Sachlage konnte die Frist nicht mit Hilfe der allgemeinen Kanzleiorganisation, sondern nur auf der Grundlage einer Verständigung zwischen den Anwälten und einer entsprechenden Einzelanweisung an das Büropersonal gewahrt werden. Die bloße Erinnerung der Mitarbeiter an den Fristablauf durch das von der Prozessbevollmächtigten der Klägerin eingesetzte Datenverarbeitungspro-gramm war zur Fristwahrung nicht geeignet, weil entgegen dem Rechtsbe-schwerdevorbringen keine Anweisung an das Büropersonal ergangen war, im Falle der Abwesenheit des sachbearbeitenden Anwalts den Vorgang einem anderen Anwalt vorzulegen (BGH, Beschluss vom 13. November 2007 – X ZR 100/07, GRUR 2008, 280 Rn. 5). Die zentrale Erfassung der Fristen kann einem Fristversäumnis nur vorbeugen, wenn – woran es hier fehlt – das Personal dahin instruiert wird, die Sache im Falle der Abwesenheit des sachbearbeiten-den Anwalts einem anderen Anwalt vorzulegen.“

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