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Und als zweite Entscheidung kommt dann hier der OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 06.03.2020 – 1 Ws 29/20 – 1 Ws 30/20. Eine Entscheidung, die nicht unmittelbar etwas mit Gebühren zu tun hat, die aber gebührenrechtliche Auswirkungen haben kann, wenn man als Verteidiger nicht aufpasst.
Ergangen ist die Entscheidung in einem Wiederaufnahmeverfahren. Der Verurteilte war wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen (vorsätzlicher) Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und acht Monaten verurteilt. Das landgerichtliche Urteil ist seit dem 13.12.2012 rechtskräftig. Am 15.08.2019 stellte der Verurteilte mit selbst gefertigtem Schriftsatz den Antrag, das Verfahren wieder aufzunehmen und beantragte zugleich, ihm für das Wiederaufnahmeverfahren einen Pflichtverteidiger zu bestellen. Mit Beschluss vom 16.12.2019 hat das Wiederaufnahmegericht den Antrag gemäß § 368 Abs. 1 StPO wegen Formmangels als unzulässig verworfen. Den Antrag auf Bestellung eines Verteidigers hat es unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des OLG Frankfurt am Main, wonach die frühere Pflichtverteidigerbestellung der Instanzverteidigerin im Wiederaufnahmeverfahren fortgelte, verworfen. Dagegen hat der Verurteilte ohne Erfolg Rechtsmittel eingelegt.
Das OLG führt aus.
„Der Sache nach handelt es sich um zwei gesonderte Rechtsmittel. Sowohl die Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag (§ 372 Satz 1 StPO), als auch die Ablehnung der Bestellung eines Pflichtverteidigers (§ 142 Abs. 7 Satz 1 StPO in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10. Dezember 2019 – BGBl I 2128) sind mit der sofortigen Beschwerde anzufechten. Beide sofortigen Beschwerden sind auch zulässig, insbesondere rechtzeitig eingelegt worden.
Die Beschwerdefrist (§ 311 Abs. 2 StPO) wurde durch die Zustellung an die frühere Pflichtverteidigerin, Rechtsanwältin A, nämlich nicht wirksam in Lauf gesetzt. Die Voraussetzungen des § 145a Abs. 1 StPO lagen nicht vor. Weder ist Rechtsanwältin A mit bei den Akten befindlicher Vollmacht gewählte Verteidigerin des Verurteilten für das Wiederaufnahmeverfahren, noch bestand ihre Bestellung zur Pflichtverteidigerin fort. Letzteres ergibt sich aus der am 13. Dezember 2019 in Kraft getretenen Neufassung des § 143 Abs. 1 StPO. Danach endet die Bestellung des Pflichtverteidigers nunmehr mit dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens. Ausnahmen sind nur noch für das abgetrennte Einziehungsverfahren (§ 423 StPO) und die nachträgliche Gesamtstrafenbildung (§ 460 StPO) vorgesehen. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber erstmals ausdrücklich die Dauer der Bestellung eines Pflichtverteidigers regeln, die nun – von den genannten Ausnahmefällen abgesehen – mit der Rechtskraft der Entscheidung automatisch endet (BT-Drs 19/13829 S. 43 f.).
Angesichts dieser neuen Gesetzeslage ist die frühere Rechtsprechung des Senats überholt. Sie wird ausdrücklich aufgegeben.
In der Sache haben beide Rechtsmittel keinen Erfolg.
Das Landgericht hat den Wiederaufnahmeantrag gemäß § 368 Abs. 1 StPO zu Recht als unzulässig verworfen, weil dieser entgegen § 366 Abs. 2 StPO weder von einem Rechtsanwalt unterschrieben, noch zu Protokoll der Geschäftsstelle angebracht worden ist.
Auch die Beschwerde des Verurteilten gegen die Ablehnung des Antrags auf Pflichtverteidigerbestellung ist unbegründet. Die Beiordnung eines Verteidigers gemäß § 364a StPO setzt voraus, dass der Wiederaufnahmeantrag bei vorläufiger Bewertung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (ThüringerOLG aaO; KG, Beschluss vom 17. Juni 1998 – 1 AR 624/98, 4 Ws 123/98; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 62. Aufl. § 364a Rn. 5). Dazu sind zumindest in knapper Form substantiiert die Tatsachen darzulegen, die hinreichende Anhaltspunkte für die Erfolgsaussicht des Antrags bieten (OLG Düsseldorf OLGSt StPO § 364b). Daran fehlt es hier. Keiner der in § 359 StPO genannten Wiederaufnahmegründe wird mit der Antragsschrift dargetan. Deren Inhalt erschöpft sich in unbehelflichen Ausführungen zu vermeintlichen Verfahrensfehlern und der Darlegung der Rechtsauffassung des Beschwerdeführers. Die ergänzenden und zusammenhanglosen Ausführungen im Schriftsatz vom 1. November 2019 zu einem Alibizeugen und angeblichen Falschaussagen sind nicht nachvollziehbar und versetzen das Wiederaufnahmegericht nicht ansatzweise in die Lage, die Voraussetzungen des Wiedereinsetzungsgrundes § 359 Nr. 5 StPO zu prüfen.“
Gebührenrechtlich können die Ausführungen des OLG zur Zulässigkeit Folgen haben. Zum alten Recht der Pflichtverteidigung war in der Rechtsprechung der OLG zwar umstritten, ob die Bestellung aus dem Erkenntnisverfahren für das Wiederaufnahmeverfahren fort gilt. Das war von der h.M. – u.a. eben auch vom OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.06.23014 – 1 Ws 3/12; wegen weiterer Nachweise – auch zur a.A. – vgl. Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 8. Aufl., 2019, Rn 3291) bejaht worden. Es ist m.E. zutreffend, wenn das OLG diese Auffassung überdenkt und unter Hinweis auf die erfolgte ausdrückliche Regelung des Umfangs/der Dauer der Pflichtverteidigerbestellung zu dem Ergebnis kommt, dass die Bestellung des Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger im Erkenntnisverfahren nicht (mehr) auch für das Wiederaufnahmeverfahren gilt. Wenn der Gesetzgeber das gewollt hätte, hätte er das im Zweifel in § 143 Abs. 1 StPO geregelt.
Und diese Frage hat für das Tätigwerden des Rechtsanwalts im Wiederaufnahmeverfahren nun vor allem auch im Hinblick auf die Frage des Entstehens der gesetzlichen Gebühren Bedeutung. Denn die entstehen (in Zukunft) nur, wenn der Rechtsanwalt ausdrücklich zum Pflichtverteidiger bestellt ist. Das muss also jetzt auf jeden Fall beantragt werden.